Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.02.2022, Az. EnVZ 43/21

Kartellsenat | REWIS RS 2022, 3613

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Gegenstand

Festsetzung der Erlösobergrenzen für die dritte Regulierungsperiode Strom: Anerkennung von Personalzusatzkosten als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile des Netzbetreibers


Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss des 3. Kartellsenats des [X.] vom 23. Juni 2021 wird auf Kosten der Bundesnetzagentur zurückgewiesen, die auch die notwendigen Auslagen der Betroffenen zu tragen hat.

Der Gegenstandswert für das [X.] wird auf 12.000.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Betroffene, eine im Jahr 2007 gegründete Tochtergesellschaft der [X.] [X.] DonauRies AG (fortan: [X.]), betreibt [X.] für Strom und Gas in der Region [X.]. Für die mit dem Netzbetrieb verbundenen Tätigkeiten setzt sie auch Mitarbeiter der [X.] ein.

2

Mit Beschluss vom 31. Mai 2019 legte die [X.] die [X.] für die dritte Regulierungsperiode Strom niedriger als von der Betroffenen begehrt fest. Mit ihrer auf Neubescheidung gerichteten Beschwerde hat sich die Betroffene unter anderem gegen die Nichtberücksichtigung von auf betrieblichen oder tarifvertraglichen Vereinbarungen beruhenden Lohnzusatz- und Versorgungsleistungen sowie von Weiterbildungskosten (fortan gemeinsam: [X.]) für die in ihrem Stromnetzbetrieb tätigen Mitarbeiter der [X.] als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile gewandt. Das Beschwerdegericht hat den Beschluss der [X.] aufgehoben und sie insoweit zur Neubescheidung verpflichtet; die Rechtsbeschwerde hat es nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die [X.] mit der Nichtzulassungsbeschwerde, der die Betroffene entgegentritt.

3

II. Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

4

1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die [X.] habe die fraglichen [X.] zu Unrecht nicht als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 und 11 [X.] anerkannt. Die Betroffene und die [X.] hätten bereits im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der im Jahr 2007 erfolgten Entflechtung vereinbart, dass die Betroffene die im Netzbetrieb tätigen Mitarbeiter der [X.] wie eigene Arbeitnehmer einsetzen könne und im Gegenzug verpflichtet sei, die [X.] für diese Mitarbeiter vollständig zu übernehmen sowie deren Ausfallrisiko zu tragen. Diese Abrede, die durch die späteren schriftlichen Vereinbarungen nach dem übereinstimmenden Verständnis der Vertragsparteien nicht geändert worden sei, stelle zwar formal keine Arbeitnehmerüberlassung oder Personalüberleitung dar, sei damit aber in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen vergleichbar. Die [X.] der im Netzbetrieb eingesetzten Mitarbeiter der [X.] stellten sich demnach für die Betroffene als eigene Kosten dar.

5

2. Diese Beurteilung erfordert unter keinem der in § 86 Abs. 2 [X.] genannten Gesichtspunkte eine Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren.

6

a) Die von der [X.] formulierte Frage, ob der für die Anerkennung als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile erforderliche Zusammenhang zwischen der betrieblichen oder tarifvertraglichen Vereinbarung und der Kostenbelastung des Netzbetreibers allein mit einer von einer geschlossenen Dienstleistungsvereinbarung abweichenden "gelebten Praxis" begründet werde könne, rechtfertigt entgegen der Ansicht der [X.] keine Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung.

7

Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Der Beschwerdeführer muss dabei konkret auf die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Rechtsfrage eingehen ([X.], Beschluss vom 27. März 2003 - [X.], [X.]Z 154, 288, 291 [juris Rn. 5]). Entsprechende Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung jedoch nicht. Insbesondere zeigt sie nicht auf, dass die [X.] in ihrer Verwaltungspraxis über diesen Einzelfall hinaus mit dem Einwand konfrontiert wäre, der Inhalt einer vorgelegten schriftlichen Vereinbarung entspreche nicht der gelebten Vertragspraxis und könne daher der zu treffenden Regulierungsentscheidung nicht zugrunde gelegt werden.

8

b) Die Nichtzulassungsbeschwerde legt auch im Übrigen nicht dar, dass eine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist. Die Frage, ob von einem Netzbetreiber aufgrund eines Vertrags mit einem anderen Rechtsträger, insbesondere mit dem originär zur Leistung verpflichteten Arbeitgeber, zu tragende [X.] auch dann als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 [X.] anerkannt werden können, wenn zwischen den Vertragsparteien formal weder ein [X.] noch ein [X.] besteht, ist nicht klärungsbedürftig. Sie ist in der Rechtsprechung des [X.] hinreichend geklärt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 18. Oktober 2016 - [X.] 27/15, [X.], 80 Rn. 8 ff., 20 - Infrawest GmbH, und vom 12. November 2019 - [X.] 109/18, [X.], 125 Rn. 50 f. - [X.] Netz GmbH).

9

Danach setzt die Anerkennungsfähigkeit von [X.] im Rahmen des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 [X.] nicht voraus, dass der Netzbetreiber an der betrieblichen oder tarifvertraglichen Vereinbarung als Vertragspartei beteiligt ist. Der erforderliche Zusammenhang zwischen den Kosten des Netzbetreibers und einer solchen Vereinbarung kann vielmehr auch dann bestehen, wenn der Netzbetreiber die auf der Vereinbarung beruhenden Kosten aus einem anderen Rechtsgrund zu tragen hat und sie sich für ihn als Kosten für Lohnzusatz- oder Versorgungsleistungen darstellen. Ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist anhand der wirtschaftlichen Verhältnisse zu beurteilen ([X.], Beschluss vom 17. Oktober 2017 - [X.] 23/16, [X.], 77 Rn. 44 - [X.] Netz GmbH; [X.], [X.], 125 Rn. 52 - [X.] Netz GmbH). Er liegt zum Beispiel vor, wenn der Netzbetreiber Arbeitnehmer einsetzt, die ihm von einem anderen Rechtsträger im Rahmen eines [X.] oder [X.]s zur Verfügung gestellt werden, und der Netzbetreiber sich verpflichtet, alle für diese Arbeitnehmer anfallenden Kosten zu übernehmen ([X.], [X.], 77 Rn. 48 - [X.] Netz GmbH). Dabei muss nicht zwingend ein formaler [X.] oder [X.] abgeschlossen worden sein. Vielmehr reicht es aus, dass das vom Netzbetreiber zu zahlende Entgelt bei wirtschaftlicher Betrachtung an die Überlassung oder Beschäftigung von Arbeitnehmern und nicht an die Erbringung von Dienstleistungen durch ein anderes Unternehmen anknüpft und sämtliche für diese Arbeitnehmer anfallenden Kosten umfasst (vgl. [X.], [X.], 80 Rn. 42 - Infrawest GmbH; [X.], 125 Rn. 52, 55 - [X.] Netz GmbH).

c) Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Betracht. Die [X.] zeigt nicht auf, dass das Beschwerdegericht die vorgenannten Maßstäbe für die Anerkennung von [X.] als dauerhaft nicht beeinflussbare Kostenanteile rechtsfehlerhaft auf den vorliegenden Fall angewendet hat.

III. [X.] beruht auf § 90 Satz 2 [X.], die Festsetzung des [X.] auf § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO.

[X.]     

      

[X.]     

      

Tolkmitt

      

Picker     

      

Rombach     

      

Meta

EnVZ 43/21

22.02.2022

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 23. Juni 2021, Az: VI-3 Kart 778/19 (V)

§ 86 Abs 2 EnWG, § 11 Abs 2 S 1 Nr 9 ARegV, § 11 Abs 2 S 1 Nr 11 ARegV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.02.2022, Az. EnVZ 43/21 (REWIS RS 2022, 3613)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3613

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