Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.08.2012, Az. 29 W (pat) 501/12

29. Senat | REWIS RS 2012, 3887

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "DYK DESIGN YOUR KITCHEN 360 (Wort-Bild-Marke)/Dick" – zur Einrede der Nichtbenutzung – zur abweichenden Form der Benutzung – zur Kennzeichnungskraft - Warenidentität und –ähnlichkeit – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr – keine mittelbare Verwechslungsgefahr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2008 065 518

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] im schriftlichen Verfahren am 16. August 2012 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], der Richterin [X.] und der Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

Der Beschluss des [X.] vom 27. Oktober 2011 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die [X.] 30 2008 065 518 (grün, weiß, schwarz)

Abbildung

2

der Beschwerdegegnerin ist am 8. Oktober 2008 angemeldet und am 4. Juni 2009 in das Markenregister eingetragen worden für Waren und Dienstleistungen der [X.]lassen 7, 11, 16, 20, 21, 24, 35, 39, 41 und 43 sowie für die Waren der

3

[X.]lasse 08:Messerschmiedewaren, Gabeln und Löffel.

4

Die Eintragung wurde am 10. Juli 2009 veröffentlicht.

5

Gegen diese Marke hat die Beschwerdegegnerin Widerspruch aus der prioritätsälteren im Jahr 1900 eingetragenen Wortmarke 41643

6

[X.]

7

erhoben, die für die Waren der [X.]lasse 08 eingetragen ist.

8

Der Widerspruch richtet sich ausschließlich gegen die Waren „Messerschmiedewaren, Gabeln und Löffel“ der angegriffenen Marke und wird nur auf die Waren der

9

[X.]lasse 08:

Feilplatten (soweit in [X.]lasse 8 enthalten), Haken (soweit in [X.]lasse  8 enthalten), Hefte, Schraubzieher, Zangen, [X.] und ähnliche Werkzeuge zum Erfassen und Festhalten von Gegenständen, Beile, [X.], [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], Sägen (soweit in [X.]lasse 8 enthalten) und [X.], [X.], [X.], Spalter, Schaber, Scheren,  Pinzetten, Punzen, Punzierungswerkzeuge, Stichel, Gabeln, Löffel, Messer, Messerschärfer;

gestützt.

Die Widersprechende hat vorgetragen, hinsichtlich der Waren „Messerschmiedewaren, Gabeln und Löffel“ bestehe Identität. Die jüngere Marke werde wegen des beschreibenden Charakters der Wortbestandteile „[X.] 360“ auf den Bestandteil „[X.]“ verkürzt, der die Marke präge. „[X.]“ und „[X.]“ stimmten klanglich überein, die beanspruchten Dienstleistungen seien identisch bzw. hochgradig ähnlich.

Die Markeninhaberin und Beschwerdeführerin hat mit [X.] vom 17. Dezember 2009 gegenüber dem [X.] die [X.] erhoben. Die vorgelegten Daten legten eine Scheinbenutzung der Marke nahe. Die Widerspruchsmarke werde nicht in ihrer eingetragenen Form, sondern wesentlich abgewandelt benutzt. Sie sei zudem wegen ihrer beschreibenden Bedeutung [X.]. Eine Verwechslungsgefahr scheide aus, da die Marken einander nicht ähnlich seien.

Die Markenstelle für [X.]lasse 35 hat durch Beschluss vom 27. Oktober 2011 die angegriffene Marke für die Waren „Messerschmiedewaren, Gabeln und „Löffel“ gelöscht.

Die Benutzung der Widerspruchsmarke sei für die Ware „Messer“ glaubhaft gemacht. Die seien mit den Waren „Messer, Gabeln und Löffel“ zum Teil identisch, zum Teil hochgradig ähnlich. Den bei Berücksichtigung der durchschnittlichen [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erforderlichen Abstand halte die angegriffene Marke nicht ein. Denn der Wortbestanteil „[X.]“ nehme in der angegriffenen Marke eine selbstständig kennzeichnende Stellung ein und verschmelze mit den übrigen [X.] „[X.] 360“ nicht zu einem Gesamtbegriff. „[X.]“ sei der Marke „[X.]“ akustisch ähnlich, sodass eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bestehe.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Markeninhaberin, mit der sie sinngemäß beantragt,

den Beschluss des [X.] vom 27. Oktober 2011 aufzuheben.

Sie ist der Auffassung, die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke sei nicht glaubhaft gemacht. Soweit die Beschwerdegegnerin Belege über die Benutzung vorgelegt habe, werde das Zeichen mit einer Fülle anderer kennzeichnungskräftiger Elemente kombiniert. Da das Wort „dick“ ein Eigenschaftswort und beschreibend für die beanspruchen Waren sei, erhalte das Zeichen erst durch die abweichenden Zusätze Unterscheidungskraft. Ungeachtet dessen bestehe keine Verwechslungsgefahr, da selbst der Bestandteil „[X.]“ isoliert betrachtet, keinerlei klangliche Ähnlichkeit zu dem Zeichen „[X.]“ aufweise.

Die Beschwerdegegnerin stellt den Antrag,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Widerspruchsmarke werde von der Widersprechenden genutzt. Soweit zu dem Wortzeichen „[X.]“ auf den Produkten der Widersprechenden weitere Zeichen hinzugefügt seien, handele es sich um bloße Verzierungen. Der Wortbestandteil „[X.]“ werde in der angegriffenen Marke als selbständig kennzeichnender Bestandteil mit Unterscheidungskraft wahrgenommen. Er sei mit der Widerspruchsmarke klanglich identisch. Die Rechtsprechung des [X.], wonach Marken, die aus beschreibenden Wortfolgen und aus den Anfangsbuchstaben dieser Wortfolgen zusammengesetzten Abkürzungen bestehen, nicht unterscheidungskräftig seien, sei auf die angegriffene Marke nicht anwendbar, da das Buchstabenelement „[X.]“ nicht als Abkürzung der sloganartigen Wortfolge „Design your [X.]itchen“ wahrgenommen werde, sondern als Eigenname. Zudem seien bei der angegriffenen Marke nicht alle Bestandteile in der Abkürzung enthalten, da die Anfangsbuchstaben des Zahlwortes nicht wiederholt würden. Auch klanglich werde „[X.]“ nicht als Abkürzung des nachfolgenden Slogans wahrgenommen. Zudem sei der Verkehr nicht an die Abkürzung von sloganartigen englischsprachigen Wortfolgen gewöhnt. Auch die graphische Ausgestaltung verhindere, dass „[X.]“ als Abkürzung von „[X.]“ wahrgenommen werde, denn sie sei in wesentlich größerer Schrift gehalten.

Die Beschwerdegegnerin regt an, für den Fall, dass die Verwechslungsgefahr in Hinblick auf die Entscheidung des [X.] vom 15. März 2012, Aktenzeichen [X.]/11 verneint werde, die Rechtsbeschwerde zuzulassen oder eine Vorlage zum [X.] zu beschließen, um die Rechtsfragen zu klären, ob einer Buchstabenfolge, die in Verbindung mit einer beschreibenden Wortkombination stehe und von einem Teil des Verkehrs als Abkürzung dieser Wortkombination wahrgenommen werde, auch dann nur ein akzessorischer Charakter zukomme, wenn die Wortkombination graphisch deutlich hinter der Buchstabenfolge zurückgesetzt sei oder wenn ein nicht unbeachtlicher Teil des Verkehrs in der Buchstabenfolge einen aussprechbaren Namen erkenne bzw. ob einer solchen Buchstabenkombination in Zusammensetzung mit einer beschreibenden Wortfolge auch dann ein bloß akzessorischer Charakter zukomme, wenn sie schriftbildlich als Abkürzung wahrgenommen werde, der Verkehr bei klanglicher Betrachtung diese Abkürzung aber nicht erkennen könne.

Zum weiteren Vortrag wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Löschungsbeschluss des [X.] war aufzuheben, da zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr im Sinne von §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] besteht.

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der [X.]ennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine erhöhte [X.]ennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt ([X.], 865, 866 - [X.]; [X.], 598, 599 - [X.]leiner Feigling; [X.], 783, 784 - [X.]/[X.]; [X.], 60, 61 Rdnr. 12 - coccodrillo; [X.], 859, 860 Rdnr. 16 – [X.]; [X.] 2008, 405 [X.]. 10 - [X.]; [X.], 906 - [X.]; [X.], 258, 260 Rdnr. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect; [X.], 484, 486 Rdnr. 23 – Metrobus; GRUR 2010, 235 Rdnr. 15 - [X.]/[X.]; [X.] [X.], 237, 238 – PICARO/PICASSO).

Nach diesen Grundsätzen besteht keine markenrechtlich relevante Gefahr von Verwechslungen zwischen den im Streit stehenden Marken. Zwar sind die einander gegenüberstehenden Waren identisch bzw. hochgradig ähnlich, den danach erforderlichen deutlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke hält die angegriffene Marke jedoch ein.

1.

In die Prüfung der [X.] sind auf Seiten der Widerspruchsmarke nur die Waren „[X.]“, „[X.] und [X.]“, „Messer“ und „Messerschärfer“ der Widerspruchsmarke einzubeziehen, da die Beschwerdegegnerin nur für diese Waren die rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht hat.

a)

Die Beschwerdeführerin hat die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke im Amtsverfahren gemäß § 43 Abs. 1 [X.] bestritten, ohne näher darzulegen, auf welche Alternative von § 43 Abs. 1 [X.] sich ihre Einrede bezieht. Daher ist davon auszugehen, dass die Einrede aus beiden Alternativen erhoben ist.

b)

Die Einrede ist gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.] zulässig, insbesondere war die Benutzungsschonfrist für die im Jahr 1900 eingetragene Widerspruchsmarke bei Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke bereits abgelaufen. Daher war glaubhaft zu machen, dass die Widerspruchsmarke im Zeitraum von Juli 2004 bis zur Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke im Juli 2009 und innerhalb von fünf Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch im Beschwerdeverfahren, also von August 2007 bis August 2012 gemäß § 26 [X.] benutzt worden ist.

c)

Dieser Nachweis ist der Beschwerdegegnerin nur hinsichtlich der Waren „[X.]“, „[X.] und [X.]“, „Messer“ und „Messerschärfer“ gelungen, da sie für diese Waren Umsatzzahlen und eine entsprechende Etikettierung glaubhaft gemacht hat.

d)

Die Glaubhaftmachung ist durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers L… erfolgt, wonach die Beschwerdegegnerin mit den Produkten Fleischermesse, [X.]ochmesser, Messerschärfer und [X.] zwischen 2005 und 2009 Umsätze in Millionenhöhe erzielt und diese in diesem Zeitraum auch erheblich gesteigert hat.

e)

Bei diesen Umsätzen wurde die Widerspruchsmarke von der Beschwerdegegnerin auch ernsthaft benutzt, wie sich aus der vorgenannten eidesstattlichen Versicherung in Verbindung mit dem Warenkatalog der Beschwerdegegnerin von August 2008 und dem vorgelegten [X.] ergibt. Der Einwand der Beschwerdeführerin, die Widerspruchsmarke sei in einer Weise abgewandelt worden, die nicht mehr dem Charakter der eingetragenen Marke entspreche, geht fehl.

Nach § 26 Abs. 3 [X.] gilt als Benutzung einer Marke auch die Benutzung der Marke in einer Form, die von der Eintragung abweicht, soweit die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern. Eine solche Benutzung liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn der angesprochene Verkehr unter Berücksichtigung der branchenüblichen Form der Verwendung von Marken die eingetragene und die benutzte Form trotz und gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach als dieselbe Marke ansieht ([X.], 515 – [X.]; [X.], 766 – Stofffähnchen; GRUR 2010, 270 - [X.] III).

aa)

Die Beschwerdegegnerin benutzt das Wortzeichen „[X.]“ auf verschiedene Arten. In die [X.]lingen der Messer ist das Wortzeichen nicht isoliert eingeprägt, sondern wird ergänzt durch ein vorangestelltes Pfeilsymbol und den [X.] mit einem Punkt, der ersichtlich auf den Vornamen [X.] hinweist. Diese Zeichenfolge ist bei einigen [X.] rechteckig umrahmt. Oberhalb des Schriftzuges ist dann die Wortfolge „HIGH CARBON NO STAIN“ und unterhalb des Schriftzuges ist die Angabe „[X.]“ jeweils bogenförmig angebracht. Teilweise befinden sich auf der [X.]linge weitere Angaben, nämlich Zahlenfolgen und Angaben wie „Superior“ oder „Superior plus“, ergänzt durch eine Ellipse, auf deren Fläche ein behelmter Frauenkopf mit Arm vor stilisierten Sonnenstrahlen erkennbar ist. Auf den Griffen der Fleischermesser, für die die Beschwerdegegnerin hinreichende Umsätze glaubhaft gemacht hat, findet sich zudem die Aufschrift „[X.]“ mit dem Zusatz [X.].

Auf den [X.] ist das Wortzeichen mit ergänzenden Angaben wie „micro“, „polish“, „combi“ und „hygienic“ auf dem Griff angebracht (Seite 67 – 73 des [X.]atalogs in der Amtsakte).

Daneben findet sich auf den Verpackungen und Hüllen der Messer das Wortzeichen in Großbuchstaben. Es wird dort entweder durch eine Sachangabe ergänzt („[X.]-[X.]“, [X.]atalog [X.]) oder ihm ist ein rotes Rechteck mit dünnem schwarzem Rahmen etwa in der Größe des [X.] vorangestellt, das die von zwei Pfeilen umrahmten Initialen F.D. enthält. Nach der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung werden die Verpackungen zudem mit Etiketten versehen, die die Widerspruchsmarke in fetten Großbuchstaben mit dem vorangestellten oben beschriebenen Rechteck, allerdings ohne farbliche Unterlegung, zeigen. Das gleiche Zeichen findet sich auf fast jeder Seite des [X.]atalogs.

bb)

Jedenfalls die Verwendung der Wortmarke in Begleitung mit einer Sachangabe wie „[X.]“ auf dem Griff oder „[X.]“ auf den Hüllen, ebenso die Verwendung mit dem vorangestellten Rechteck stellen Benutzungen dar, die der eingetragenen Form entsprechen. Denn die eingetragene Form findet sich unverändert wieder und die zusätzlichen Angaben beziehen sich für den [X.] erkennbar beschreibend auf Eigenarten der speziellen Messerserie oder beziehen sich auf die Qualität der Ware, sodass sie nicht als Hinzufügungen betrachtet werden können, die das Wesen der Marke verändern. Denn die Bezeichnung „[X.]“ wird von den Abnehmern ohne weiteres als Hinweis auf die ergonomische Form des Griffs und die Griffigkeit der Oberfläche verstanden. „[X.]“ ist ein beschreibender Hinweis auf die Hochwertigkeit der Ware.

Nichts anderes gilt auch für die Voranstellung des oben geschilderten roten oder farblosen schwarz umrandeten Rechtecks. Es stellt nur eine Ausstattung der eingetragenen Marke dar, ohne sie in ihrer [X.] zu verändern. Denn die in dem Rechteck enthaltenen Buchstaben und Symbole sind wegen ihrer wesentlich geringeren Größe nur bei genauer Betrachtung zu erkennen, während das Wortzeichen selbst in fett gehaltenen Großbuchstaben ohne Abweichung von der eingetragenen Form isoliert hervortritt. Die Größenunterschiede und die farbliche und grafische Abgrenzung der Initialen durch die umrahmenden Pfeile und die rechteckige Umrahmung verhindern es, dass die Initialen in eine Verbindung zu dem Wortzeichen treten. Das Rechteck wird lediglich als Ornament wahrgenommen, das zu dem Wortzeichen hinzutritt.

f)

Damit ist die Benutzung der Marke für beide Zeiträume glaubhaft gemacht. Denn die [X.] für die Zeit von 2007 bis 2009 beziehen sich sowohl auf den gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 maßgeblichen Zeitraum vor Veröffentlichung der Eintragung der jüngeren Marke, nämlich Juli 2004 bis Juli 2009, als auch auf den gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 maßgeblichen Zeitraum von August 2007 bis August 2012.

g)

Mit den vorgelegten Unterlagen hat die Beschwerdegegnerin die Nutzung für den eingetragenen Oberbegriff „Messer“ und nicht nur die Nutzung zweier Untergruppen (Fleischermesser und [X.]ochmesser) belegt. Nach der in ständiger Rechtsprechung des Bundespatentgerichts angewendeten sogenannten erweiterten Minimallösung ist es gerechtfertigt, den [X.]reis der zu berücksichtigenden Waren über das konkrete Produkt hinaus auch auf solche Waren auszudehnen, die der Verkehr gemeinhin als zum gleichen Warenbereich gehörend ansieht (BPatG [X.], 954, 955 f. - [X.]/Circanetten).Bei Anwendung dieser Grundsätze erfasst die konkrete Nutzung der Marke durch die Beschwerdeführerin auch den Oberbegriff „Messer“ insgesamt. Wie schon die Abbildungen im vorgelegten [X.]atalog belegen, unterscheiden sich die Formen der Metzger- und [X.]ochmesser, für die die markenmäßige Verwendung nachgewiesen ist, nur geringfügig von Aufschnitt- und Ladenmessern, [X.]äsemessern oder anderen Messerarten, für die keine Umsatzzahlen vorgelegt sind. Auch ihre Zweckbestimmung weicht nicht wesentlich von anderen Messern ab.

h)

Von einer Scheinnutzung, also einer bloß symbolischen Scheinhandlung ohne wirtschaftliche Relevanz ist angesichts der glaubhaft gemachten Umsatzzahlen und des sich aus dem hochwertig gestalteten [X.]atalog ergebenden Gesamtbildes ebenfalls nicht auszugehen. Denn dem [X.]atalog ist zu entnehmen, dass die Beschwerdegegnerin [X.] und Verkaufsdisplays für ihre Waren anbietet, die der Absatzförderung im Einzelhandel dienen ([X.]atalog Seite 43 und 111). Auch die Zusammenarbeit mit einem berühmten Chefkoch (Seite 14 des [X.]atalogs) belegt die ernsthafte Verwendung der Marke. Die Frage, ob die Beschwerdegegnerin nur an einen Abnehmer, etwa einen einzigen Großhändler, oder an verschiedene Abnehmer verkauft, ist daher für die ernsthafte Nutzung der Marke nicht von Bedeutung.

2.

Ausgehend von den streitgegenständlichen Waren der angegriffenen Marke „Messerschmiedewaren, Gabeln, Löffel“ und den rechtserhaltend benutzten Waren der Widerspruchsmarke besteht Identität bzw. hohe Ähnlichkeit, sodass die angegriffene Marke einen deutlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke einhalten muss.

Eine Ähnlichkeit von beiderseitigen Waren oder Dienstleistungen ist dabei grundsätzlich anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen, insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder [X.], ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder Leistungen oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlichen Gründe so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen ([X.], 507, 508 – [X.]/R[X.], [X.], 601 - d-c-fix/[X.], [X.] [X.] 2009, 47, 53 Rdnr. 65 – Edition Albert René).

Die von dem Widerspruch erfassten Waren „Messerschmiedewaren“ sind mit den von der Widerspruchsmarke beanspruchten „Messern“ „[X.]n“, „[X.]n“ „und „Schärfgeräten“ und [X.] identisch (Richter/Stoppel, [X.], 15. Aufl., [X.]). Unter Messerschmiedewaren sind Waren aus [X.] zu verstehen, wozu sämtliche relevanten Waren der Widerspruchsmarke gehören. Zwischen den Waren „Gabeln“ und „Löffel“ der jüngeren Marke und „Messern“ der Widerspruchsmarke besteht eine hochgradige Ähnlichkeit, da sie häufig zusammen benutzt werden, vom gleichen Hersteller stammen können und aufeinander abgestimmt verkauft werden, etwa in Form eines Bestecks.

3.

Der deshalb erforderliche deutliche Abstand zwischen den Marken verändert sich durch die [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht. Denn der Widerspruchsmarke kommt eine durchschnittliche [X.]ennzeichnungskraft zu. Zwar verfügt sie von Haus aus nur über eine leicht unterdurchschnittliche [X.]ennzeichnungskraft. Das Wort „[X.]“ ist nicht nur ein Name, sondern auch ein Eigenschaftswort, das beschreibend für Teile der von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren, etwa deren Griff, verwendet wird. Die Beschwerdegegnerin hat allerdings glaubhaft dargelegt, dass sie die Widerspruchsmarke seit Jahrzehnten nutzt und jedenfalls seit 2004 erhebliche Umsätze mit ihr erzielt. Dies kompensiert ihre ursprüngliche [X.]ennzeichnungsschwäche, sodass von einer durchschnittlichen [X.]ennzeichnungskraft auszugehen ist.

4.

a)

aa)

bb)

Design [X.]our [X.]itchen“ und wird als solche auch von dem angesprochenen Publikum wahrgenommen. Dafür spricht zum einen die gewählte Schreibweise in Großbuchstaben, die bei Akronymen häufig angewendet wird. Zum anderen existiert im [X.] die Buchstabenfolge „[X.]“ weder als Wort noch als Silbe. Auch der Name „[X.]“ ist in [X.] kaum verbreitet. Nach den Recherchen des Senats ist er im Telefonbuch von München einmal vertreten, in der abgewandelten Form „[X.]“ dreimal nachweisbar, in [X.] viermal und in den abgewandelten Formen „Van [X.]“ und „[X.]“ jeweils einmal. Im Telefonbuch von [X.] existiert der Name „[X.]“ nur in Form von Van [X.] (drei Eintragungen) oder [X.] (9 Eintragungen). Da die Buchstabenfolge mithin im Inland nahezu unbekannt ist, liegt es für das Publikum nahe, sie als Abkürzung der nachfolgenden Wortfolge „Design your [X.]itchen“ zu betrachten, mit deren Anfangsbuchstaben sie identisch ist. Der Umstand, dass die Zahlenfolge „360°“ in der Abkürzung nicht ebenfalls auftaucht, ändert nichts daran, dass die Buchstabenfolge als Abkürzung des zunächst folgenden Textes wahrgenommen wird. Denn es ist nicht üblich, Zahlen als Worte auszuschreiben. Noch weniger üblich und sinnvoll erscheint es, eine solche Schreibweise abzukürzen. Daher ist der [X.] „[X.]“ nicht geeignet, das angegriffene Wortzeichen zu prägen und kann daher aus rechtlichen Gründen an dem Ähnlichkeitsvergleich nicht teilnehmen. Der Umstand, dass die Buchstabenfolge gegenüber der nachfolgenden Wortfolge optisch durch wesentlich größere Schrift herausgehoben ist, ändert an dieser Wahrnehmung nichts. Denn der Slogan wird durch seine zentrale Stellung zwischen dem Buchstabenblock „[X.]“ und der Zahl „360“ gleichwohl deutlich wahrgenommen.

b)

Aber auch wenn man dem Wortbestandteil „[X.]“ zugunsten der Widersprechenden [X.]ennzeichnungskraft unterstellte, die übrigen Wort- und Zahlenelemente wegen ihres beschreibenden Inhalts vernachlässigte und nur „[X.]“ und „[X.]“ miteinander vergliche, fehlte es an einer Ähnlichkeit der Marken.

Maßgebend für die Beurteilung der Markenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken, wobei von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. [X.] [X.], 428, 431 Rdnr. 53 - [X.]; BGH [X.] 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch). Der Grad der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist dabei im [X.]lang, im (Schrift)Bild und im [X.] zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht dabei regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus ([X.], 340, 347 - Lions; BGH [X.] 2008, 393, 395 Rdnr. 21 - [X.]). Zudem ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Marken abzuheben als auf die Abweichungen, weil erstere stärker im Erinnerungsbild zu haften pflegen. Für den Gesamteindruck eines Zeichens ist insbesondere der Wortanfang von Bedeutung, weil der Verkehr diesem regelmäßig größere Beachtung schenkt als Endsilben ([X.], 783, 784 – [X.]/[X.]).

aa)

verfügt neben den [X.] über eine markante Grafik, der eigene Unterscheidungskraft zukommt. Zudem bestehen der Wortbestandteil „[X.]“ und die Wortmarke „[X.]“ zwar gleichermaßen aus einer Silbe, weichen aber in der [X.] voneinander ab. Die Widerspruchsmarke hat nur zwei von vier Buchstaben, nämlich den ersten und den letzten mit dem Wortbestandteil „[X.]“ der angegriffenen Marke gemeinsam. Wegen der [X.]ürze der Zeichen fallen diese Unterschiede besonders ins Gewicht.

bb)

Auch eine enge klangliche Ähnlichkeit scheidet aus. An der klanglichen Ähnlichkeit nehmen nur die Wortbestandteile und die Zahl 360 der angegriffenen Marke teil, da der Verkehr sich bei der mündlichen Beschreibung der Marken auf diese Elemente zu beschränken pflegt. Die Widerspruchsmarke „[X.]“ besteht aus einer einzigen Silbe, die kurz mit einem hellen i gesprochen wird, dem ein hart betontes und kurz gesprochenes „[X.]“ folgt. „[X.]“ ist ein Phantasiewort, das nach der üblichen [X.] Ausdrucksweise mit einem langen Vokal in der Mitte ausgesprochen wird. Das „[X.]“ wird wie in einer Vielzahl eingedeutschter Fremdwörter als ü ausgesprochen, wie z. B. Asyl, System, Sympathie, Psychose, Lympfe, Analyse, Pylon, Pyramide, Mykose, Lyrik, und darauf folgt ein [X.], das weniger stimmlich gesprochen wird als der harte Endlaut [X.]“ des Wortes „dick“. Wegen seines längeren und dunkleren [X.]langs unterscheidet sich der Umlaut ü in der Aussprache wesentlich von dem kurz gesprochenen Vokal i. Daher fehlt es auch akustisch an einer Ähnlichkeit der Buchstabenfolge „[X.]“ mit der Wortmarke „[X.]“.

cc)

Auch begrifflich besteht keine Ähnlichkeit. Wie bereits ausgeführt, kann die Widerspruchsmarke als Eigenschaftswort verstanden werden und bleibt dem angesprochenen Publikum deshalb auch deutlicher im Gedächtnis, während die erste Silbe der angegriffenen Marke weder im [X.] noch im [X.] als Wort existiert und deshalb, wenn es nicht als Abkürzung erkannt wird, nur als [X.] oder als seltener Eigenname wahrgenommen wird.

Daher scheidet eine unmittelbare Verwechslungsgefahr aus. Für eine mittelbare Verwechslungsgefahr fehlt jeder Anhaltspunkt.

5.

Ein Anlass, die angeregte Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 [X.] zuzulassen, besteht nicht. Weder ist über eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden, noch gebietet die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Die Voraussetzungen für die von der Beschwerdeführerin formulierten Rechtsfragen liegen nicht vor. Die Recherchen des Senats haben keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, dass ein nicht unbeachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise in der Buchstabenfolge „[X.]“ einen aussprechbaren Namen erkennt. Denn wie bereits unter Ziffer 4. a) bb) dargelegt, ist der Name „[X.]“ im Inland kaum nachweisbar.

Die Wahrnehmung der Buchstabenfolge als Abkürzung bei ihrer optischen Hervorhebung gegenüber der nachfolgenden Wortkombination ist für die Entscheidung nicht relevant, da eine schriftbildliche Ähnlichkeit unabhängig davon zu verneinen ist, ob die Buchstabenfolge „[X.]“ als Abkürzung oder als [X.] wahrgenommen wird.

Auf die klangliche Erkennbarkeit der Abkürzung kommt es nicht an, weil eine Verwechslungsgefahr, wie oben dargelegt, auch dann ausscheidet, wenn nur die beiden [X.]urzwörter „[X.]“ und „[X.]“ gegenüber gestellt werden.

Meta

29 W (pat) 501/12

16.08.2012

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.08.2012, Az. 29 W (pat) 501/12 (REWIS RS 2012, 3887)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3887

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