Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2022, Az. 6 AZR 320/20

6. Senat | REWIS RS 2022, 2647

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Gegenstand

Justizvollzugsdienst - vorzeitiges Ausscheiden


Tenor

Die Revision des beklagten [X.] gegen das Urteil des [X.]arbeitsgerichts Hamm vom 27. Mai 2020 - 6 [X.]/20 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechtigung des [X.], das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden, um eine tarifliche [X.] für Beschäftigte des [X.] in Anspruch zu nehmen.

2

Das beklagte Land betreibt das rechtlich als Justizvollzugsanstalt geführte [X.], in dem der im September 1958 geborene Kläger seit dem 1. Juli 1986 als leitender Anästhesie-Krankenpfleger tätig ist. Auf das Arbeitsverhältnis findet ua. kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder ([X.]) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Der Kläger bezieht Vergütung nach [X.] KR 9 Stufe 6 [X.].

3

Der Teil B des [X.] enthält in den §§ 40 bis 52 spezielle Bestimmungen für einzelne [X.]. § 43 [X.] beinhaltet Sonderregelungen für die nichtärztlichen Beschäftigten in Universitätskliniken und Krankenhäusern oder sonstigen Einrichtungen und Heimen, in denen die betreuten Personen in ärztlicher Behandlung stehen. Die Bestimmung betrifft die Verpflichtung zum Nachweis der Leistungsfähigkeit, die regelmäßige Arbeitszeit, Sonderformen der Arbeit, die Berechnung und Auszahlung des Entgelts sowie den Urlaubsumfang.

4

§ 47 Nr. 3 iVm. Nr. 1 [X.] enthält Sonderregelungen zur sog. [X.] für Beschäftigte des [X.] der Länder, die im Aufsichts-, Werk- oder Sanitätsdienst tätig sind. § 47 Nr. 1 und Nr. 3 [X.] in der Fassung des [X.] Nr. 9 zum [X.] vom 17. Februar 2017 lauten auszugsweise:

        

§ 47 Sonderregelungen für Beschäftigte im Justizvollzugsdienst der Länder sowie im feuerwehrtechnischen Dienst der [X.] sowie des [X.]

        

Nr. 1 Zu § 1 - Geltungsbereich -

        

(1)     

Diese Sonderregelungen gelten für Beschäftigte des [X.], die im Aufsichtsdienst, im Werkdienst oder im Sanitätsdienst tätig sind …

        

…       

        

        

(3)     

Diese Sonderregelungen gelten nur im Tarifgebiet [X.].

        

…       

        
        

Nr. 3 Zu Abschnitt V - Befristung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses - Übergangszahlung

        

(1)     

1Das Arbeitsverhältnis von Beschäftigten mit einer Tätigkeit von mindestens 36 Jahren bei demselben Arbeitgeber im Aufsichts-, Werk- oder Sanitätsdienst des [X.] oder im Einsatzdienst der Berufsfeuerwehr endet auf schriftliches Verlangen der/des Beschäftigten zu dem von ihr/ihm gewünschten Zeitpunkt, frühestens jedoch 36 Kalendermonate vor dem Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze und nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem vergleichbare Beamtinnen und Beamte des Arbeitgebers im Aufsichts-, Werk- oder Sanitätsdienst des [X.] beziehungsweise im Einsatzdienst der Berufsfeuerwehr in den gesetzlichen Ruhestand treten. 2Besteht ein Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen, tritt an die Stelle der Regelaltersgrenze die Altersgrenze für die abschlagsfreie Inanspruchnahme der Altersrente für schwerbehinderte Menschen. 3Bei einer kürzeren Beschäftigung im Aufsichts-, Werk- oder Sanitätsdienst des [X.] beziehungsweise im Einsatzdienst der Berufsfeuerwehr als 36 Jahre ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass sich die 36-monatige Frist um jeweils einen Monat für jedes fehlende volle Beschäftigungsjahr vermindert. 4Die/Der Beschäftigte hat das Verlangen mindestens drei Monate vor dem von ihr/ihm gewünschten Beendigungszeitpunkt zu erklären.

        

(2)     

1Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis nach Absatz 1 geendet hat, erhalten für jeden Kalendermonat, der nach dem Ausscheiden und vor dem Erreichen der Altersgrenze nach Absatz 1 Satz 1 beziehungsweise 2 liegt, eine Übergangszahlung in Höhe von 65 v.H. des monatlichen Tabellenentgelts der [X.] 7 Stufe 6. 2Bei Beschäftigten, die zum Zeitpunkt des Ausscheidens in der [X.] 8 oder höher beziehungsweise in der [X.] KR 9b oder höher eingruppiert sind, ist Berechnungsgrundlage für die Übergangszahlung das monatliche Tabellenentgelt der [X.] 8 Stufe 6. …

        

…       

        
        

(4)     

Auf Beschäftigte, die Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte haben, finden die vorstehenden Regelungen keine Anwendung.“

5

Das beklagte Land beschäftigt in der Krankenpflege im Justizvollzugsdienst neben angestellten Pflegekräften auch Beamte des allgemeinen Vollzugsdienstes mit einer entsprechenden beruflichen Ausbildung oder Zusatzqualifikation. Diese treten nach § 117 Abs. 1 des [X.] [X.] Nordrhein-[X.]falen vom 14. Juni 2016 ([X.] - [X.]) idF vom 7. April 2017 mit Ende des Monats, in dem sie das 62. Lebensjahr vollenden, in den Ruhestand.

6

Zu den Tätigkeiten des [X.] gehören insbesondere die Vorbereitung des Anästhesiearbeitsplatzes und der jeweiligen Patienten, die Verabreichung der vorbereiteten Medikamente sowie die Überwachung der Patienten im Aufwachraum. Anders als die Beamten des allgemeinen Vollzugsdienstes arbeitet er nicht im Schichtdienst.

7

Aufgrund seiner Anerkennung als schwerbehinderter Mensch kann der Kläger ab dem 1. Oktober 2022 eine abschlagsfreie Rente nach § 236a [X.] in Anspruch zu nehmen.

8

Nach außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger mit seiner Klage vom 20. Mai 2019 gemäß § 47 Nr. 3 Abs. 1 Satz 4 [X.] die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 2021 verlangt. Das beklagte Land lehnte dies mit der Begründung ab, der Kläger sei als reine Pflegedienstkraft im Bereich Anästhesie nicht mit den in der Krankenpflege eingesetzten beamteten Bediensteten des allgemeinen [X.] vergleichbar, sodass die Sonderregelung des § 47 [X.] keine Anwendung finde.

9

Der Kläger hat dagegen die Auffassung vertreten, er sei aufgrund seiner Tätigkeit als Beschäftigter im Sanitätsdienst des [X.] des beklagten [X.] mit den beamteten Pflegekräften des beklagten [X.] vergleichbar. Die Tätigkeiten der tariflich beschäftigten Pflegekräfte unterschieden sich nicht von denjenigen der beamteten Pflegekräfte. Daher falle er unter den Geltungsbereich des § 47 [X.].

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nach der Regelung gemäß § 47 Nr. 3 Abs. 1 [X.] mit Ablauf des 31. Januar 2021 sein Ende gefunden hat.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.

Es hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei zwar Beschäftigter im Justizvollzugsdienst. Er falle als Krankenpflegekraft aber unter die speziellere Regelung des § 43 [X.]. Die mit der Tätigkeit im Justizvollzug verbundene Belastung werde bereits durch die monatliche Vollzugszulage nach § 19a [X.] für die Tarifbeschäftigten und nach § 51 [X.] für die beamteten Bediensteten ausgeglichen.

Die Voraussetzungen nach § 47 [X.] lägen im Fall des [X.] auch nicht vor. Da es im Justizvollzugsdienst des [X.] Nordrhein-[X.]falen keine eigenständige Laufbahn für den Sanitätsdienst gebe, fehle es für ihn bereits an vergleichbaren Beamten in diesem Bereich. Zudem übe der Kläger keine den in der Krankenpflege qualifizierten und im [X.] eingesetzten Beamten des allgemeinen Vollzugsdienstes entsprechende Tätigkeit aus. Jene deckten ein breiteres Aufgabenspektrum ab und seien anders als der Kläger aufgrund ihrer Ausbildung umfassend in allen Bereichen des allgemeinen Vollzugsdienstes einsetzbar.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom [X.]arbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Abweisungsantrag weiter. Im Verlauf der Revisionsinstanz hat der Kläger - unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung des gewünschten Beendigungstermins am 31. Januar 2021 - seine Tätigkeit zur Vermeidung sozialrechtlicher Nachteile im Fall einer Klageabweisung über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist mit Ablauf des 31. Jan[X.]r 2021 beendet worden. Das hat das [X.] im Ergebnis zutreffend entschieden.

I. Die zulässige Klage ist begründet.

1. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger zur Vermeidung sozialrechtlicher Nachteile für den Fall einer Klageabweisung seine Tätigkeit über den 31. Jan[X.]r 2021 hinaus fortgesetzt hat. Hierin liegt keine einvernehmliche Vereinbarung der Parteien, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

a) § 47 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] sieht, wie aus der Formulierung „auf schriftliches Verlangen“ folgt, für den Beschäftigten ein einseitiges Gestaltungsrecht hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Zweck des Bezugs von Übergangsleistungen vor. Die Gestaltungswirkung tritt unmittelbar mit Zugang der einseitigen Willenserklärung, durch die es ausgeübt wird, ein. Maßgeblich ist die Rechtslage bei Zugang der einseitigen Willenserklärung. Die durch die Ausübung des Gestaltungsrechts eingetretene Änderung des Rechtsverhältnisses kann grundsätzlich nicht einseitig ungeschehen gemacht, dh. nicht mit [X.] beseitigt, sondern nur durch rechtsgeschäftliches Zusammenwirken beider Parteien rückgängig gemacht oder abgeändert werden (vgl. [X.] 20. Jan[X.]r 2016 - 6 [X.] - Rn. 31, [X.]E 154, 53; 21. März 2013 - 6 [X.] - Rn. 15 mwN).

b) Eine einvernehmliche Vereinbarung über die Beseitigung der geänderten Rechtslage und den unveränderten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses haben die Parteien nicht getroffen. Dies folgt bereits aus der ausdrücklichen Erklärung des [X.], nur wegen etwaiger drohender sozialrechtlicher Nachteile für den Fall des Unterliegens in diesem Rechtsstreit über den von ihm angenommenen [X.] hinaus weiterarbeiten zu wollen und im Übrigen an dem gewählten Beendigungszeitpunkt festzuhalten.

2. Der Kläger fällt unter die Sonderregelungen für Beschäftigte im Justizvollzugsdienst. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 47 Nr. 1 Abs. 1 und Abs. 3 [X.] sind erfüllt.

a) Der Kläger ist im [X.], das nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]s rechtlich als Justizvollzugsanstalt geführt wird, eingesetzt und damit Beschäftigter des [X.] im Tarifgebiet [X.]. Dies ist zwischen den Parteien nicht mehr streitig.

b) § 43 [X.] beinhaltet - entgegen der Auffassung des beklagten [X.] - auch keine den Bestimmungen des § 47 [X.] vorgehenden spezielleren Regelungen. Die Normen betreffen unterschiedliche Regelungsgegenstände. § 43 [X.] enthält Vorschriften zu den allgemeinen Arbeitsbedingungen, zur Arbeitszeit, den Sonderformen der Arbeit und deren Ausgleich sowie zum Entgelt und Zusatzurlaub für Pflegekräfte. § 47 Nr. 3 [X.] sieht dagegen einen Ausgleich für besondere Belastungen vor, die Beschäftigte wegen ihrer Arbeit in speziellen Bereichen des [X.] ertragen. Die Tarifregelungen stehen daher selbstständig nebeneinander. Insoweit können Beschäftigte in Krankenanstalten und Krankenabteilungen des [X.] unter beide Bestimmungen fallen (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.] [X.] Teil II § 47 Nr. 1 Stand Juli 2013 Rn. 7; [X.] [X.]/[X.] § 47 Nr. 1 Stand 1. Dezember 2021 Rn. 7).

c) Das [X.] hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger als leitender Anästhesie-Krankenpfleger im [X.] im [X.] iSv. § 47 Nr. 1 Abs. 1 und Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] eingesetzt ist. Der Begriff „[X.]“ in § 47 Nr. 1 Abs. 1 und Nr. 3 Abs. 1 [X.] bezeichnet nicht nur die Arbeit auf einer Krankenstation in den Justizvollzugsanstalten außerhalb des [X.]es. Die Tarifvertragsparteien haben in § 47 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] mit der Formulierung: „mit einer Tätigkeit … im … [X.] des [X.]“, nicht zwischen den einzelnen [X.] unterschieden, sondern allein darauf abstellt, dass die Tätigkeit im [X.] erbracht wird. Mit dem Begriffsbestandteil „Sanität“, der [X.]. „Krankenpflege“ bedeutet ([X.]/[X.] 18. Aufl. Stichwort „Sanität“), haben sie insoweit klar zum Ausdruck gebracht, dass der [X.] umfassend im Sinn von Krankenpflegedienst zu verstehen ist (vgl. auch [X.] [X.]/[X.] § 47 Nr. 1 Stand 1. Dezember 2021 Rn. 7). Entgegen der Auffassung des beklagten [X.] kommt es auch nicht darauf an, dass das [X.]recht den Sanitäts- bzw. Krankenpflegedienst beim vorzeitigen Ruhestand für Justizvollzugsbeamte in § 117 Abs. 1 LBG [X.] nicht eigens aufgeführt hat. Der [X.] ist ein konzeptionell bundesweit geltender Tarifvertrag (vgl. § 1 Abs. 1 [X.]). Soweit seine Tarifvertragsparteien einzelne Sachverhalte länderspezifisch regeln wollten, haben sie dies - wie zB die Bestimmungen in § 47 Nr. 1 Abs. 2 und Nr. 2 Abs. 1 [X.] zeigen - klar zum Ausdruck gebracht. Für die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis nach § 47 Nr. 3 [X.] vorzeitig zu beenden und eine Übergangszahlung zu beziehen, fehlt es an einer entsprechenden Vorgabe.

3. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist wirksam nach § 47 Nr. 3 Abs. 1 und Abs. 4 [X.] zum 31. Jan[X.]r 2021 beendet worden.

a) Der Kläger hat spätestens mit seiner Klage vom 20. Mai 2019 sein Beendigungsverlangen iSv. § 47 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] unter Einhaltung der Dreimonatsfrist nach § 47 Nr. 3 Abs. 1 Satz 4 [X.] und damit fristgemäß vor dem gewünschten Beendigungszeitpunkt, dem 31. Jan[X.]r 2021, geltend gemacht.

b) Er konnte gemäß § 47 Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 [X.] die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses frühestens 35 Kalendermonate vor dem Zeitpunkt, zu dem er aufgrund der vorliegenden Schwerbehinderung nach § 236a [X.] eine abschlagsfreie Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Anspruch nehmen kann, dh. ab dem 1. Oktober 2022, und damit jedenfalls zum 31. Jan[X.]r 2021 verlangen. Er war nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]s seit dem 1. Juli 1986 und somit zum gewünschten [X.] mehr als 34 Jahre durchgehend beim beklagten Land im [X.] als Krankenpfleger tätig.

c) Die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist auch nicht nach § 47 Nr. 3 Abs. 4 [X.] ausgeschlossen. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 236b [X.] nicht. Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

4. Entgegen der Auffassung der Revision kann dahinstehen, ob es im Sinn des Beamtenrechts des [X.] Nordrhein-[X.]falen mit dem Kläger vergleichbare Beamte im [X.] des [X.] gibt. Das folgt aus der Auslegung des § 47 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. [X.].

a) § 47 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 [X.] stellt für den Anspruch auf eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf die tatsächliche Tätigkeit des Tarifbeschäftigten in einem der genannten Dienste ab. Entgegen der Auffassung des beklagten [X.] kommt es deshalb weder darauf an, ob das [X.]beamtenrecht eine Laufbahn für den betreffenden Dienst vorsieht, noch darauf, ob die dort eingesetzten Beamten aufgrund ihrer Ausbildung vielseitiger einsetzbar sind als die jeweiligen Tarifbeschäftigten. Das ergibt die Auslegung der Tarifnorm (zu den Auslegungsgrundsätzen für Tarifverträge vgl. zB [X.] 11. November 2020 - 4 [X.] - Rn. 20 mwN).

aa) Nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung können nur diejenigen Tarifbeschäftigten des [X.] ihr Arbeitsverhältnis vorzeitig beenden und eine Übergangszahlung erhalten, die im Aufsichts-, Werk- oder [X.] tätig sind, also die entsprechenden Aufgaben des jeweiligen Dienstes tatsächlich wahrnehmen. Anknüpfungspunkt ist allein, dass die Beschäftigten eine Tätigkeit in einem dieser Dienste ausüben. Dabei kommt es nicht auf eine Identität der konkreten Aufgaben in den verschiedenen Bereichen der Krankenpflege an, denn die Regelung differenziert nicht nach Tätigkeitsbereichen innerhalb des einzelnen Dienstes. Anhaltspunkte dafür, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien darüber hinaus durch die Formulierung in § 47 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. [X.]: „und nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem vergleichbare Beamtinnen und Beamte des Arbeitgebers im Aufsichts-, Werk- oder [X.] des [X.] … in den gesetzlichen Ruhestand treten.“, die tatbestandliche Voraussetzung einer Tätigkeit in einem der genannten Dienste erweitert werden sollten, sind der Tarifnorm nicht zu entnehmen. Die Regelung beinhaltet lediglich eine Untergrenze für den Ausscheidenszeitpunkt und damit eine bloß zeitliche Komponente. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Begriffspaar „vergleichbare Beamte“. [X.] das Wort „vergleichbar“ auf die Ausbildung bzw. eine damit einhergehende vielseitigere Einsetzbarkeit der Referenzbeamten, könnten die in diesen Diensten eingesetzten Tarifbeschäftigten die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse nach § 47 Nr. 3 [X.] regelmäßig nicht in Anspruch nehmen, da entsprechende Ausbildungen nach den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen der Länder nur im Rahmen einer Laufbahnausbildung angeboten werden (zu der insoweit vergleichbaren Regelung in Nr. 3 der [X.] 2 m MTL II siehe [X.] 10. Mai 1989 - 7 [X.] - zu 2 b der Gründe). Eine solche Deutung ließe die Norm weitestgehend leerlaufen.

bb) Ein derartiges Regelungsverständnis wäre auch mit dem sich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergebenden Sinn und Zweck von § 47 Nr. 3 [X.] nicht vereinbar. Die Tarifvertragsparteien haben mit der Option, das Arbeitsverhältnis unter bestimmten Voraussetzungen vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze zu beenden und eine Übergangszahlung zu beziehen, den spezifischen körperlichen und mentalen Belastungen aufgrund der Tätigkeiten im Aufsichts-, Werk- oder [X.] des [X.] Rechnung getragen (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.] [X.] Teil II § 47 Nr. 3 Stand August 2020 Rn. 14; [X.] [X.]/[X.] § 47 Nr. 3 Stand 1. Dezember 2021 Rn. 3). Es kam ihnen also offenkundig auf die mit besonderen Anforderungen einhergehende Tätigkeit in den betreffenden Diensten an. Ziel war es, die Abmilderung der Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der dort Beschäftigten zu ermöglichen. Die Regelung in § 47 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 [X.]: „und nicht vor dem Zeitpunkt, zu dem vergleichbare Beamtinnen und Beamte des Arbeitgebers … in den gesetzlichen Ruhestand treten.“, sollte vor diesem Hintergrund lediglich gewährleisten, dass die Tarifbeschäftigten im Aufsichts-, Werk- oder [X.] des [X.] aufgrund der ihnen eingeräumten Flexibilität bei der Wahl des [X.] gegenüber etwaigen, in diesen Diensten tätigen Beamten hinsichtlich des Zeitpunkts des vorzeitigen Ausscheidens nicht bessergestellt werden ([X.]/[X.]/[X.]/[X.] aaO § 47 Nr. 3 Stand September 2017 Rn. 11 und Stand August 2020 Rn. 14; [X.] [X.]/[X.] § 47 Nr. 3 Stand Dezember 2021 Rn. 5). Maßgeblich ist allein, ob und zu welchem Zeitpunkt solche [X.]beamten in den Ruhestand treten würden, wenn sie die Tätigkeit des Tarifbeschäftigten ausübten.

cc) Der vom beklagten Land angeregten Einholung von Auskünften der Tarifpartner zu den der Regelung des § 47 Nr. 3 iVm. Nr. 1 [X.] zugrundeliegenden Überlegungen der Tarifvertragsparteien vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Laufbahnregelungen der Länder war nicht nachzukommen. Es bestehen nach Auslegung der Tarifnorm bereits nicht die für eine Tarifauskunft erforderlichen Zweifel. Zudem darf diese nicht auf die Beantwortung der prozessentscheidenden Rechtsfrage gerichtet sein; die Auslegung von Tarifverträgen und tariflichen Begriffen ist vielmehr Sache der Gerichte für Arbeitssachen (st. Rspr., zB [X.] 13. Oktober 2021 - 4 [X.] - Rn. 30).

b) Es kommt entgegen der Auffassung der Revision daher nicht darauf an, ob im Justizvollzugsdienst des [X.] Nordrhein-[X.]falen überhaupt mit dem Kläger vergleichbare Beamte beschäftigt sind. Selbst wenn es sich bei den in der Krankenpflege des [X.] des beklagten [X.] beschäftigten Beamten des allgemeinen Vollzugsdienstes um solche handeln sollte, führte die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des [X.] zum 31. Jan[X.]r 2021 nicht zu einer Besserstellung ihnen gegenüber. Der Kläger hat sein Ausscheiden erst nach Vollendung des 62. Lebensjahres und damit zu dem Zeitpunkt verlangt, zu dem auch die Beamten des allgemeinen [X.] nach § 117 Abs. 1 LBG [X.] in den gesetzlichen Ruhestand treten.

Nähme man dagegen an, die im Krankenpflegedienst des [X.] des beklagten [X.] beschäftigten Beamten wären mit dem Kläger nicht vergleichbar, stünde dies - entgegen der Auffassung der Revision - seinem Verlangen, das Arbeitsverhältnis nach § 47 Nr. 3 Abs. 1 [X.] vorzeitig zu beenden, ebenfalls nicht entgegen. Dies hätte lediglich zur Folge, dass die zeitliche Untergrenze iSv. § 47 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbs. [X.] für den Ausscheidenszeitpunkt entfiele und lediglich die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 47 Nr. 3 Abs. 1 [X.] erfüllt sein müssten.

c) Schließlich kann sich das beklagte Land nicht darauf berufen, dass die mit dem Dienst in einer Justizvollzugsanstalt verbundenen Erschwernisse bereits durch die sämtlichen Beschäftigten in [X.] zustehende monatliche Vollzugszulage nach § 19a [X.] ausgeglichen würden. Die Tarifvertragsparteien haben den spezifischen Tätigkeiten in den drei Bereichen Aufsichts-, Werk- und [X.] eine gegenüber den Arbeiten in den übrigen Bereichen des [X.] deutlich erhöhte Anforderung und Belastung beigemessen und wollten für diese Beschäftigten mit § 47 Nr. 3 [X.] gerade einen darüber hinausgehenden Ausgleich schaffen.

II. [X.] hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    [X.]    

        

    [X.]    

        

    Wemheuer    

        

        

        

    Der ehrenamtliche Richter Knauß ist an der Unterschriftsleistung verhindert.
[X.]    

        

    Augat    

                 

Meta

6 AZR 320/20

24.02.2022

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Dortmund, 15. Januar 2020, Az: 1 Ca 1941/19, Urteil

§ 47 Nr 3 Abs 1 S 1 TV-L, § 43 TV-L, § 19a TV-L

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2022, Az. 6 AZR 320/20 (REWIS RS 2022, 2647)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2647

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