Bundespatentgericht, Beschluss vom 21.12.2011, Az. 29 W (pat) 182/10

29. Senat | REWIS RS 2011, 149

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "neue Gesundheit (Wort-Bild-Marke)" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 77 620.4

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 21. Dezember 2011 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie der Richterinnen [X.] und Dorn

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das farbige [X.] (rot)

Abbildung

2

ist am 29. November 2007 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

3

Klasse 16: [X.];

4

Klasse 35: Werbung; Werbung durch Werbeschriften; [X.]werbung; Werbung im [X.] für Dritte;

5

Klasse 41: Unterhaltung.

6

AbbildungAbbildung

7

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

8

die Beschlüsse der Markenstelle 16 des [X.] vom 20. Juli 2009 und 30. Juni 2010 aufzuheben.

9

Sie vertritt die Ansicht, das Anmeldezeichen sei schutzfähig. Der Begriff "neue Gesundheit" sei für eine Zeitschrift sehr ungewöhnlich, zumal diese vor allem auch Themen enthalte, die mit Gesundheit nichts zu tun hätten, wie Schönheit, Verlosungsaktionen, Mode, Familie und Beruf, Reise sowie gute Aussichten (vgl. Inhaltsverzeichnis, [X.]. [X.]). Auch die grafische Gestaltung sei ungewöhnlich für eine Zeitschrift, auf welcher der Begriff "neue Gesundheit" sich quer über den gesamten Titel erstrecke. Das Wort "neue" sei entgegen den Regeln der Rechtschreibung klein geschrieben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2008, 608, 611 [X.]. 66 f. – [X.]; [X.], 825, 826 [X.]. 13 – [X.]; 935 [X.]. 8 – [X.]; [X.], 850, 854 [X.]. 18 - [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.], 233, 235 [X.]. 45 - Standbeutel; 229, 230 [X.]. 27 - BioID; a. a. [X.]. 66 - [X.]; [X.], 710 [X.]. 12 - [X.]; [X.], 949 [X.]. 10 - My World; a. a. [X.] - [X.]; [X.], 417, 418 - [X.];). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] - [X.]; [X.], 411 [X.]. 8 - [X.]; 778, 779 [X.]. 11 - [X.]; 949 f. [X.]. 10 - My World; a. a. [X.] - [X.]). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.], 411, 412 [X.]. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943, 944 [X.]. 24 - [X.] 2; [X.] – [X.]; 825, 826 [X.]. 13 – [X.]; a. a. [X.] - [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.], 428, 431 [X.]. 53 - [X.]; [X.], 1151, 1152 - marktfrisch; [X.] 2000, 420, 421 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] [X.], 674, 678 [X.]. 86 – Postkantoor; [X.] [X.], 952, 953 [X.]. 10 - [X.]; a. a. [X.] 854 [X.]. 19 - [X.]; [X.], 417, 418 – [X.]; a. a. [X.] - marktfrisch; [X.], 1153 - anti [X.]) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] - [X.]; GRUR 2003, 1050, 1051 - [X.]; [X.], 1043, 1044 - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.], 1100, 1102 [X.]. 23 – [X.]!; a. a. [X.] 855 [X.]. 28 f. - [X.]).

b) Der Wortbestandteil des angemeldeten [X.]s setzt sich aus den beiden Wörtern "neue" und "Gesundheit" zusammen.

aa) Das [X.] Adjektiv "neu" bedeutet "erst seit Kurzem vorhanden, bestehend; seit kurzer Zeit; bisher noch nicht bekannt gewesen; noch zur Gegenwart gehörend oder nicht lange zurückliegend" ([X.] – [X.], 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]).

bb) Das allgemein bekannte [X.] Wort "Gesundheit" bezeichnet "den Zustand oder ein bestimmtes Maß körperlichen, psychischen oder geistigen Wohlbefindens; Nichtbeeinträchtigung durch Krankheit" ([X.] – [X.], a. a. [X.]).

cc) Auch die – bei Zeichen, die aus mehreren Wörtern oder Wortbestandteilen zusammengefügt sind – vorzunehmende Gesamtbetrachtung ([X.], a. a. [X.]. 28 – [X.] 2; a. a. [X.]. [X.]) führt hier nicht zu einem Bedeutungsgehalt, der über die Summe der Einzelelemente der Wortkombination hinausginge. Denn dem Wortbestandteil "neue Gesundheit" kann auch in seiner Gesamtheit ein verständlicher Sinngehalt entnommen werden.

c) Das angesprochene inländische Publikum wird diesen Gesamtbegriff in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen "[X.]; Unterhaltung" dahingehend verstehen, dass deren Inhalt oder Gegenstand sich mit Neuem, Neuerungen, [X.] oder neuen Trends im Bereich der Gesundheit auseinandersetzt und darüber informiert.

aa) Die in Klasse 16 versagten "[X.]" können sich thematisch mit neuen Erkenntnissen, Neuheiten oder neuen Trends im Gesundheitsbereich befassen und z. B. Informationen über neue Behandlungsmethoden, Heilmittel sowie Ernährungs- und Fitnesstipps zur Wiederherstellung, Förderung und zum Erhalt des körperlichen, psychischen oder geistigen Wohlbefindens enthalten, so dass der inländische Verbraucher die Wortkombination des angemeldeten Kennzeichens nur als bloße Sachaussage über deren Gegenstand und Inhalt versteht.

bb) Bei der in Klasse 41 zurückgewiesenen Dienstleistung "Unterhaltung" wird das angesprochene inländische Publikum im Wortbestandteil des [X.] nur einen beschreibenden Hinweis auf den Inhalt, den Gegenstand oder das Motto von Unterhaltungsveranstaltungen erkennen. Denn diese können sich inhaltlich mit dem Thema "neue Gesundheit" im Sinne von Neuerungen auf dem Gesundheitssektor beschäftigen, so dass dem Wortelement der angemeldeten Bezeichnung die erforderliche Eignung fehlt, die vorgenannte Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

a) Grundsätzlich kann einer Wortelemente enthaltenden Bildmarke, unbeschadet der Freihaltebedürftigkeit oder fehlenden Unterscheidungskraft dieser Wortelemente, als Gesamtheit Unterscheidungskraft zugesprochen werden, wenn die grafischen Elemente ihrerseits charakteristische Merkmale aufweisen, in denen der Verkehr einen Herkunftshinweis sieht ([X.] GRUR 1991, 136, 137 - [X.]; [X.], 1153 - anti Kalk; [X.] [X.], 229, 233 [X.]. 73, 74 - BioID). Dabei vermögen allerdings einfache grafische Gestaltungen oder Verzierungen des [X.], an die sich der Verkehr etwa durch häufige werbemäßige Verwendung gewöhnt hat, eine fehlende Unterscheidungskraft der Wörter ebenso wenig aufzuwiegen, wie derartige einfache grafische Gestaltungselemente auch für sich wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht als Marke eingetragen werden können. Es bedarf vielmehr eines auffallenden Hervortretens der grafischen Elemente, um sich dem Verkehr als Herkunftshinweis einzuprägen ([X.] 1153, 1154 – anti Kalk; GRUR 2008, 710, 711 [X.]. 20 - [X.]). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.

b) Abgesehen davon, dass der beschreibende Wortbestandteil "neue Gesundheit" im Vordergrund des [X.] steht, kann die einfache bildliche Ausgestaltung aufgrund ihrer Werbe- und Branchenüblichkeit nicht als Herkunftshinweis dienen.

aa) Das verfahrensgegenständliche Zeichen zeigt zwei Wortelemente in einer gängigen Schriftart im roten Fettdruck, die derart übereinander angeordnet sind, dass das Wort "neue" in kleinerer Schriftgröße über dem Wort "Gesundheit", zwischen dessen Buchstaben "e" und "s" beginnend und über dem Buchstaben "u" endend, positioniert ist.

bb) Die Hinterlegung von in roter Druckschrift wiedergegebenen [X.] mit einer weißen Hintergrundfarbe verbessert zwar als einfaches bildliches Hintergrund- und Hervorhebungsmuster die visuelle Wahrnehmung der Wortbestandteile, tritt aber aufgrund ihrer Werbeüblichkeit gegenüber den [X.] im Gesamteindruck des angemeldeten Zeichens zurück und bleibt nicht prägnant als betriebskennzeichnend in Erinnerung (vgl. auch [X.] - anti Kalk; BPatG [X.] 2010, 145 - Linuxwerkstatt).

cc) Wie eine [X.]recherche des Senats ergeben hat, gehören sowohl rote Buchstaben auf weißem Untergrund als auch die Kleinschreibung am Anfang für [X.] im Gesundheitsbereich zu werbeüblichen Gestaltungsmitteln, an die der Verbraucher gewöhnt ist:

http://www.biomagazin.de, [X.]. 45 GA);

http://www.nordstern-net.de, [X.]. 46 GA);

http://www.natuerlich-gesund-online.info , [X.]. 47 GA);

http://www.visionen.com, [X.]. 48 GA);

- "Gesundheit und Neue Medien"

http://www.ciao.de/Neue_Gesundheit_Zeitschrift_517549, [X.]. 49 GA);

- "Der neue Reichtum Gesundheit"

http://www.ciao.de/Neue_Gesundheit_Zeitschrift_517549, [X.]. 49 GA);

http://www.raum-und-zeit.com, [X.]. 50 GA).

dd) Die Anordnung der beiden Wörter übereinander ist nicht derart eigenwillig, dass eine, die Schutzfähigkeit begründende Verfremdung angenommen werden könnte, sondern hält sich im Rahmen der üblichen Werbegrafik.

3. Da es dem angemeldeten [X.] hinsichtlich der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen bereits an jeglicher Unterscheidungskraft mangelt, kann dahingestellt bleiben, ob seiner Eintragung auch ein schutzwürdiges Interesse der Mitbewerber an ihrer freien Verwendbarkeit entgegen steht (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

Abbildung

4. Soweit sich die Anmelderin auf die Voreintragung  (301 34 541) beruft, kann dies ebenfalls keinen Eintragungsanspruch begründen.

Zwar kann eine uneinheitliche Entscheidungspraxis des [X.], die dazu führt, dass in einer nicht unerheblichen Zahl von Fällen wesentlich gleiche Sachverhalte ohne nachvollziehbaren Grund ungleich behandelt worden sind, grundsätzlich eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG darstellen. Dies setzt aber voraus, dass sich die bisherige [X.] als willkürlich herausstellt und nicht erkennen lässt, welche der vorangegangenen Entscheidungen rechtmäßig und welche rechtswidrig waren ([X.] (pat) 43/04 – juris [X.]. 15 – [X.]). Allein aus einer oder wenigen vorangegangenen Entscheidungen lässt sich jedoch noch nicht der Vorwurf einer willkürlichen Ungleichbehandlung ableiten, zumal es sich um rechtswidrig vorgenommene Eintragungen oder Eintragungen vor Eintritt einer Richtlinien- oder Rechtsprechungsänderung handeln kann. Niemand kann sich auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen ([X.] [X.], 667, 668 [X.]. 18 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit und [X.]). Für die erforderliche Bereinigung des Markenregisters sieht das Gesetz das Löschungsverfahren vor, das von jedermann eingeleitet werden kann.

Die Eintragung der Wort-/Bildmarke

Abbildung

(301 34 541) für nahezu identische Waren und Dienstleistungen stammt vom 13. Oktober 2003 und liegt damit schon zu lange zurück. Aber selbst wenn diese Markeneintragung zu berücksichtigen wäre, ließe sich daraus allein, wie bereits dargelegt, noch nicht der Vorwurf einer willkürlichen Ungleichbehandlung ableiten.

Meta

29 W (pat) 182/10

21.12.2011

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 21.12.2011, Az. 29 W (pat) 182/10 (REWIS RS 2011, 149)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 149

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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