Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.01.2016, Az. 1 StR 615/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2016, 17714

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Gegenstand

Verfall von Wertersatz: Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung im Härtefall


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. September 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das [X.] den Verfall von [X.] in Höhe von 5.000 € angeordnet hat.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückverwiesen.

Gründe

1

1. Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen bewaffneten unerlaubten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Gleichzeitig wurden die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt mit einem [X.] von zwei Jahren sowie der Verfall von [X.] in Höhe von 5.000 € angeordnet.

2

Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist zum Schuld- und Strafausspruch sowie in Bezug auf die Anordnung der Maßregel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Das Rechtsmittel hat aber Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO), soweit das [X.] den Verfall von [X.] angeordnet hat.

3

2. Die Anordnung des Verfalls des [X.]es hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

4

a) Das [X.] hat festgestellt, dass der Angeklagte aus den drei Einfuhrtaten 4.550 € erlangt hat, indem er 70 Gramm des eingeführten Betäubungsmittels zu je 65 € verkaufte. Zutreffend ist es auch davon ausgegangen, dass die gesamte Summe, also ohne Abzug von Einkaufspreis und sonstigen Aufwendungen dem Verfall unterliegt ([X.], Urteil vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06, [X.]St 51, 65 f. mwN).

5

Soweit das [X.] aber auch die Summe von 650 € dem Verfall unterwirft, die die Mittäterin der Einfuhrtaten aus dem Verkauf ihres Anteils erlangt haben soll, ist nicht festgestellt, dass der Angeklagte für oder aus der Tat etwas erlangt hat. „Aus der Tat erlangt” i.S.v. § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind alle Vermögenswerte, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des [X.] zufließen ([X.], Beschlüsse vom 11. Juni 2015 – 1 [X.] und vom 28. November 2000 – 5 StR 371/00, [X.], 155, 156 f.; Urteil vom 30. Mai 2008 – 1 [X.], [X.]St 52, 227, 246 Rn. 92; [X.], StGB 63. Aufl., § 73 Rn. 11 mwN). „Für die Tat erlangt” i.S.v. § 73 Abs.1 Satz 1 StGB sind dagegen Vermögenswerte, die dem Täter als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, aber – wie etwa ein Lohn für die Tatbegehung – nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen (vgl. [X.], Urteile vom 14. Dezember 2005 – 5 [X.], [X.]St 50, 299, 309 f. und vom 19. Oktober 2011 – 1 StR 336/11, [X.], 151; [X.], aaO Rn. 12 mwN). Weder die eine noch die andere Voraussetzung ist hier dargetan. Schon daher konnte die Anordnung des Verfalls von [X.] in Höhe von 5.000 € keinen Bestand haben.

6

b) Darüber hinaus begegnet auch die Anwendung der Ermessensvorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB durchgreifenden Bedenken. So ist das [X.] davon ausgegangen, dass der Wert des [X.] im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist. Es hat teilweise gemäß § 73c Abs.1 Satz 2 StGB von der Anordnung von Verfall von [X.] abgesehen, da dies den Angeklagten unangemessen hart treffen würde und auch unter dem Gesichtspunkt der Honorierung des Geständnisses des Angeklagten vertretbar sei.

7

Wie vom [X.] im Ansatz rechtsfehlerfrei gesehen, bildet die Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB das im Einzelfall notwendige Korrektiv zum Bruttoprinzip. So eröffnet § 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB dem Tatrichter die Möglichkeit, nach pflichtgemäßem Ermessen ganz oder teilweise vom Verfall abzusehen, wenn und soweit „der Wert des [X.] zur Zeit der Anordnung im Vermögen des Betroffenen nicht mehr vorhanden ist“. Die Ausübung dieses dem Tatrichter eingeräumten Ermessens erfordert aber neben der Feststellung des aus der Straftat [X.], vor allem auch die Ermittlung des Wertes des noch vorhandenen Vermögens, um diese Werte einander gegenüber stellen zu können ([X.], Urteil vom 1. Dezember 2015 – 1 [X.]). Deshalb scheidet nach der Rechtsprechung des [X.] eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB von vorneherein aus, solange und soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem „verfallbaren“ Betrag zurück bleibt ([X.], Urteil vom 16. Mai 2006 – 1 StR 46/06, [X.]St 51, 65). Dies vermag der Senat jedoch nicht zu beurteilen, da sich den Urteilsgründen keinerlei Feststellungen zum Stand des Vermögens des Angeklagten zum Zeitpunkt des tatrichterlichen Urteils entnehmen lassen. Damit wurden die zur Ausübung der Ermessensentscheidung notwendigen Grundlagen durch das [X.] nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Inwieweit es mit dem Sinn und Zweck des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB, etwaige Härten auszugleichen – in erster Linie seine Resozialisierung nach längeren Haftstrafen durch häufig nicht beitreibbare Geldansprüche gravierend zu erschweren –, vereinbar ist, im Rahmen der zu treffenden Ermessenentscheidung zu Gunsten des Angeklagten auch dessen Geständnis zu berücksichtigen (so [X.], Urteil vom 10. Oktober 2002 – 4 [X.], [X.]St 48, 40 - 43), kann hier offen bleiben, zumal diese Erwägung den Angeklagten nicht beschwert.

8

3. Die Sache bedarf daher neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung über die Frage des [X.]verfalls gemäß §§ 73, 73a und 73c StGB. Der Senat hebt die zugehörigen Urteilsfeststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht hierzu neue, widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.

Raum                             Graf                         Cirener

                 [X.]

Meta

1 StR 615/15

14.01.2016

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 24. September 2015, Az: 7 KLs 356 Js 10893/15

§ 73c Abs 1 S 2 Alt 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.01.2016, Az. 1 StR 615/15 (REWIS RS 2016, 17714)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17714

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