Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.10.2021, Az. 29 W (pat) 19/19

29. Senat | REWIS RS 2021, 1743

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Gegenstand

Markenbeschwerdesache – "AdPro-Gifts (Wortzeichen)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltebedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] am 20. Oktober 2021 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und die Richterin Seyfarth

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 des [X.] vom 19. Dezember 2018 und vom 20. Mai 2019 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

[X.]-Gifts

3

ist am 12. November 2018 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für die nachfolgend aufgeführten Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 09: Computer; Computer-Zubehör [USB-Stecker, Steckdosen]; [X.] [u.a. Handyhalter, Selfie-Sticks]; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton- und Bild; Tonübertragungsgeräte; Tonträger; Kopfhörer; Lautsprecher; Kameras; [X.] [Kamerahalter, Stative]; Powerbanks; Taschen [u.a. Laptop-Taschen, Handytaschen]; [X.] [Wetterstationen, Thermometer]; Brillen [Virtual-Reality-Brillen]; Datenverarbeitungsgeräte [USB-Sticks, [X.]]; Lineale; Magneten; Computer-Mäuse; Handspiegel; Kosmetikspiegel; Taschenspiegel; Radios; Personenwagen; Küchenwagen; Sonnenbrillen; Brillenetuis; Taschenrechner;

5

Klasse 11: Reflektoren; Lampen; Bürolampen; Nachtlichter; Taschenlampen; Stirnlampen; Leuchten; Fahrradleuchten; Fußwärmer; Handwärmer; Taschenwärmer; Wärmekissen; Wärmflaschen;

6

Klasse 14: Wanduhren; Uhren; Schlüsselanhänger; Armbänder; Uhrenarmbänder; Armbanduhren; elektrische Uhren; Stoppuhren; Küchenuhren; Wecker; Medaillen;

7

Klasse 16: Papier- und Schreibwaren; Papier; Haftnotizen; selbstklebende Zettel; Zettelboxen; Bleistifte; Notizbücher; Notizblöcke; Kugelschreiber; Buntstifte; Lesezeichen; Etuis für Schreibgeräte; Filzschreiber; Textmarker; Kalender; [X.]; Blöcke; Malblöcke; Malbücher; Schreibmappen; Zettelhalter; Klemmbretter; Radiergummis; Büroklammern; Schreibplatten; Hefter; Stiftedosen; Halter für Bleistifte; Stifteköcher; Schreibgarnituren; Namensschilder;

8

Klasse 18: Aktentaschen; Kleidersäcke; Kleiderschutzhüllen; Dokumentenmappen; Kartentaschen; Reisetaschen; Rucksäcke; Reise- und Handkoffer; Einkaufstaschen; Taschen mit Rollen; Halsbänder für Tiere; Kosmetikkoffer; Regenschirme;

9

Klasse 21: Kämme und Schwämme; Trinkflaschen; Flaschen; Seifendosen; Sanduhren; Zahnbürsten; Zahnseide; Zahnputzbecher; Zahnbürstenetuis; Haarbürsten; Badebürsten; Kulturtaschen; Bürsten zur Körper- und Schönheitspflege; Nagelfeilen; Fußfeilen; Nagelknipser; Pinzetten; Isoliergefäße für Getränke; Isolierflaschen; Flaschenöffner; Korkenzieher; Schneidebretter; Grillzangen; Besteck; Kochlöffel; Messer; Taschenmesser; Isoliergefäße für Nahrungsmittel; Vorratsdosen; Proviantdosen; Gewürzmühlen; Geschirr; Kochgeschirr; Apfelteiler; Formen für Eiswürfel; Gläser; Kühlelemente für Nahrungsmittel; Kühlflaschen, Kühltaschen; Papier- oder Plastikbecher; Tassen, nicht aus Edelmetall; Trinkgefäße; Trinkgläser; Schüsseluntersetzer;

Klasse 24: Handtücher; Badetücher;

Klasse 25: Handschuhe; Mützen; Kopfbedeckungen; Schals; Lätzchen, nicht aus Papier; Bademäntel; Gymnastikbekleidung; Hausschuhe; Hemdblusen; Hemden; Hosen; Hüte; Jacken; Mäntel; Oberbekleidungstücke; Pantoffeln; Parkas; Pullover; Regenmäntel; Schürzen; Socken; Strümpfe; Sweater; T-Shirts; Westen; Halstücher;

Klasse 35: Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen im Zusammenhang mit Werbemitteln, Werbegeschenken, Kleinelektrogeräten, Schreibgeräten, Büroartikeln, Papier- und Schreibwaren, Taschen; Beuteln, Koffern, Regenschirmen, Möbeln, Uhren, Behältern, Haushaltswaren, Küchenartikeln, Spielen, Brillen, Bekleidung, Kopfbedeckungen, Schuhwaren, Kosmetikartikeln, Artikeln zur Körper- und Schönheitspflege, Nahrungsmitteln, Bilderrahmen, alkoholischen und alkoholfreien Getränken, Taschenlampen, Feuerzeugen, Autozubehör; Werbung, insbesondere Gestaltung und Vertrieb von Werbemitteln und Werbegeschenken; Katalogwerbung; Werbung für Versandhandelsware.

Mit Beschlüssen vom 19. Dezember 2018 und vom 20. Mai 2019, letzterer ergangen im Erinnerungsverfahren, hat die Markenstelle für Klasse 16 des [X.]es die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen.

Das angemeldete Zeichen setze sich aus im Inland bekannten Wörtern des [X.] Grundwortschatzes zusammen, die von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne Weiteres verstanden würden. Der [X.] „Ad“ sei eine übliche Abkürzung für den [X.] Begriff „Advertisement“ bzw. „Advertising“ (Werbung), „Pro“ sei ein Hinweis auf „Profis“, und der Begriff „gifts“ werde unmittelbar als „Geschenke“ verstanden, sodass sich die Gesamtbedeutung „Werbe-Profi-Geschenke“ aufdränge. Die angesprochenen Verkehrskreise würden das Zeichen ohne weiteres als Bezeichnung für [X.] verstehen. Der beschreibende Charakter erstrecke sich auf alle beanspruchten Waren und Dienstleistungen, da es sich bei den Waren um Werbegeschenke handeln könne, und die Dienstleistungen im Zusammenhang mit Werbegeschenken erbracht werden könnten. Eine analysierende Betrachtung des Zeichens sei nicht erforderlich, da das Zeichen ohne weiteres verständlich und für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen glatt beschreibend sei. [X.] Bedeutungen von „Ad“, wie [X.]“ oder „Außendienst“ könnten im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht gelassen werden. Schließlich werde das Zeichen bereits im genannten Sinne beschreibend verwendet. Vergleichbare Anmeldungen, wie [X.] 2013 001 649.1 „sweet gifts“, [X.] 2008 057 024.5 „Easy Gifts“; [X.] 2010 009 845.7 „ad-navigator“, [X.] 2010 000 488.6 „[X.]“, [X.] 2017 239 448.6 „[X.]“, [X.] 2017 202 843.9 „[X.]“, [X.] 2016 110 668.9 „[X.]“ und [X.] 2016 034 615.5 „[X.]“ hätten ebenfalls nicht zur Eintragung geführt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 16 vom 19. Dezember 2018 und vom 20. Mai 2019 aufzuheben.

Die angesprochenen Verkehrskreise würden dem Zeichen keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen. Vielmehr werde das Zeichen als origineller und keineswegs gebräuchlicher Slogan verstanden, der geeignet sei, Waren und Dienstleistungen einem bestimmten Unternehmen zuzuordnen. Die von der Markenstelle angenommene Bedeutung des Zeichens werde von den Verbrauchern nicht unmittelbar erfasst, sondern könne nur durch eine analysierende Betrachtungsweise, die der Durchschnittsverbraucher nicht vornehme, hergeleitet werden. Für den [X.] „Ad“ gebe es noch viele weitere Bedeutungen außer „advertisement“ wie z.B. „anno Domini“, „Außendienst“, „außer Dienst“ oder „a dato“. „Ad“ könne auch dem [X.] entnommen sein und „zu“ bedeuten oder aber als Kurzform für Vornamen wie „[X.]“, „[X.]“ und „[X.]“ verstanden werden. Im [X.] Raum sei es keinesfalls eine geläufige Abkürzung für „Werbung“. Im Übrigen gehöre der Begriff „advertisement“ nicht zum [X.] Grundwortschatz, den [X.] Muttersprachler beherrschten. Gleiches gelte für den [X.] „Pro“, der von den relevanten Verkehrskreisen vielmehr anhand seiner [X.] Bedeutung „für“ aufgefasst werde. Letztlich habe auch der [X.] „gifts“ mehrere Bedeutungen. So gebe es den [X.]n Begriff „Gift“ im Sinne einer giftigen Substanz. Als Folge könne das Zeichen in seiner Gesamtheit auch als Fantasiekombination bzw. Slogan im Sinne von „[X.](e)“, „[X.](e)“, „[X.](e)“ oder „Ad für Gift(e)“ aufgefasst werden. Die von der Markenstelle unterstellte Bedeutung „Werbe-Profi-Geschenke“ werde vom Verbraucher nicht unmittelbar erfasst, sondern müsse erst mühsam hergeleitet werden. Jede noch so geringe Unterscheidungskraft, wie sie bereits durch die [X.]e „[X.]“ gegeben sei, genüge, um das Schutzhindernis zu überwinden. Letztlich führe auch die zusammenhanglose Aneinanderreihung der Begriffe, selbst wenn sie beschreibend seien, zu einer ausreichenden Unterscheidungskraft.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

[X.].

Die nach § 66 [X.] zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Eintragung des angemeldeten Wortzeichens stehen in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine [X.] gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] entgegen.

1. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben sich die Vorschriften des Markengesetzes mit Wirkung vom 14. Januar 2019 geändert. Eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Änderung der Rechtslage folgt daraus nicht ([X.], 411 Rn. 8 - #darferdas? [X.]). Die [X.] der fehlenden Unterscheidungskraft aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und des [X.] aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. [X.] 2008/95/[X.] ([X.]) finden sich nun in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und [X.] ([X.]) 2015/2436 ([X.]) und werden unverändert umgesetzt durch § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.].

2. Das angemeldete Zeichen entbehrt nicht jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] [X.] 2012, 304 Rn. 23 – Smart Technologies/[X.] [[X.] DAS BESON[X.]RE EINFACH]; [X.], 228 Rn. 33 – [X.]/ [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], 608 Rn. 66 f. – [X.]ROHYPO; [X.], 932 Rn. 7 - #darferdas?, [X.], 301 Rn. 11 – [X.]; [X.], 934 Rn. 9 – [X.]; [X.], 173 Rn. 15 – for you; GRUR 2013, 731 Rn. 11 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 7 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] a. a. [X.] – [X.]/ [X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] - #darferdas?; a. a. [X.] – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] – [X.]; a. a. [X.] – [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.], 428 Rn. 53 – [X.]; [X.] Rn. 15 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 10 – [X.]; a. a. [X.] Rn. 16 – for you; [X.], 872 Rn. 13 – [X.]).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] GRUR 2013, 1143 Rn. 15 – [X.] werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.], 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.], 943 Rn. 24 – [X.] 2; [X.] WRP 2014, 449 Rn. 11 –grill meister).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] [X.], 674, Rn. 86 – Postkantoor; [X.] [X.], 1143 Rn. 9 – [X.]; [X.], 270 Rn. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.]n oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] [X.], 934 Rn. 12 – [X.]; [X.], 872 Rn. 21 - [X.]; [X.], 569 Rn. 26 - [X.]; [X.], 1143 Rn. 9 - [X.]; [X.], 270 Rn. 11 - Link economy; [X.], 640 Rn. 13 - hey!; [X.], 952 Rn. 10 - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht ([X.], 301 Rn. 15 – [X.]; [X.], 569 Rn. 10 – [X.]; [X.], 1143 Rn. 9 – [X.]; [X.], 952 Rn. 10 – [X.]). Dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer [X.] entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der [X.] wegführt ([X.] [X.], 608 Rn. 41 – [X.]ROHYPO; [X.], 680 Rn. 37 – [X.]; [X.] [X.], 270 R. 16 - Link economy).

Aus diesen, insbesondere den zuletzt genannten Gründen kann aufgrund der Kombination der Begriffe „Ad“, „Pro“ und „Gifts“ nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden, dass das angemeldete Zeichen „[X.]-Gifts“ für die hier relevanten Waren und Dienstleistungen als reine [X.] verstanden wird und ihm daher das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft entgegensteht.

a) Von den verfahrensgegenständlichen Waren und Einzelhandelsdienstleistungen der Klasse 35 werden sowohl der inländische Fachverkehr als auch der allgemeine inländische Verbraucher angesprochen. Die weiter beanspruchten Großhandelsdienstleistungen der Klasse 35 sind an die in den jeweiligen Geschäftsbereichen tätigen Gewerbetreibenden gerichtet.

b) Das angemeldete Wortzeichen setzt sich aus den Bestandteilen „[X.]“ und „Gifts“ zusammen, die durch einen Bindestrich miteinander verbunden sind. Der erste Wortbestandteil „[X.]“ besteht wiederum, durch die Binnengroßschreibung verdeutlicht, aus den Silben „ad“ und „pro“. Bei solchen aus mehreren Bestandteilen kombinierten Marken ist es zulässig, zunächst die Bestandteile getrennt zu betrachten, sofern die Beurteilung des Schutzhindernisses auf einer sich anschließenden Prüfung der Gesamtheit dieser Bestandteile beruht (vgl. [X.] [X.], 943 - [X.].2; [X.], 229 – BioID; [X.], Beschluss vom 10.09.2020, [X.]/20 - Lichtmiete).

Bei dem Markenbestandteil „gifts“ handelt es sich um die Pluralform des dem [X.] Grundwortschatz zuzurechnenden Wortes „gift“, das im [X.] „Geschenk“ bedeutet (vgl.https://de.langenscheidt.com/deutsch-englisch/gift). Sofern die Beschwerdeführerin argumentiert, dass der [X.] „gifts“ auch in seiner [X.]n Bedeutung in Sinne von „Gift“ aufgefasst werden könnte, drängt sich diese Bedeutung den mit dem Zeichen konfrontierten Verkehrskreisen wegen des [X.], welches im [X.] allenfalls als Genitivform verstanden werden könnte, nicht unmittelbar auf. Die angesprochenen Verkehrskreise werden vielmehr unmittelbar von dem [X.] Begriff „gift“ ausgehen und diesen als Pluralwort ohne weiteres im Sinne von „Geschenke“ verstehen.

Der Bestandteil „ad“ kann von den angesprochenen Verkehrskreisen auf verschiedene Art und Weise aufgefasst werden. So ist die Silbe einerseits aus dem [X.] im Sinne von „zu“ oder „hin“ bekannt (z.B. ad absurdum führen oder ad acta legen), andererseits tritt die Silbe den Verkehrskreisen in zunehmenden Maße als Abkürzung für den [X.] Begriff „advertisement“ = Anzeige, [X.], Inserat, Werbung, Ankündigung (https://dict.leo.org/englisch-deutsch/advertisement; [X.], [X.], 2. Auflage 2009, [X.]) bzw. „advertising“ = Reklame, Werbung bzw. adjektivisch „Werbe-„ (https://dict.leo.org/englisch-deutsch/advertising; https://blog.sellwerk.de/abkuerzungen-im-marketing-und-was-sie-bedeuten/; https://www.affiliate-deals.de/magazin/online-marketing-abkuerzungen/) entgegen.

Die Abkürzung „ad“ kommt vor allem im Bereich der Onlinewerbung in Form von Anzeigen (z.B. „skip ad“, um Werbung zu überspringen) vor. Der Silbe mögen außerdem, wie von der Beschwerdeführerin ausgeführt, noch weitere Bedeutungen zukommen, die jedoch in der Zusammenschau aller [X.]e nicht naheliegend und den Verkehrskreisen nicht unmittelbar geläufig sind.

Der weitere Markenbestandteil „pro“ ist zum einen der in den [X.]n Sprachgebrauch eingegangene [X.] Ausdruck für „vor, für, anstatt“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/pro_je_zu_jeweils_fuer; vgl. [X.], Beschluss vom 03.09.2014, 29 W (pat) 559/12 – beauty-pro; Beschluss vom 05.12.1995, 24 W (pat) 290/94 - [X.]). In Kombination mit einem Bezugswort kann „pro“ auch eine wohlwollende, zustimmende Einstellung/Haltung ausdrücken (z. B. „prowestlich“, „pro oder kontra“ in einer Sache sein). Als Präposition bedeutet „pro“ „jeweils, je“ (z. B. pro Person, 100 km pro Stunde), https://www.duden.de/rechtschreibung/pro_fuer_dafuer). Ferner kann „Pro“ eine Abkürzung für „professionell“ oder „Profi“ darstellen (so u. a. [X.], Beschluss vom 08.01.2019, 29 W (pat) 4/17 – Prophysis; Beschluss vom [X.], 33 W (pat) 68/04 – [X.]; Beschluss vom 21.05.2003, 29 W (pat) 159/02 – GPRS Pro; Beschluss vom 9.04.2002, 27 W (pat) 273/00 – ProRaid).

Trotz des jeweils möglichen beschreibenden [X.] der einzelnen Bestandteile kommt dem [X.] „[X.]-Gifts“ kein eindeutiger ohne Nachdenken verständlicher Sinngehalt und damit keine ohne weiteres ersichtliche beschreibende Bedeutung in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu.

Hierzu hat die Markenstelle in ihrem Beschluss vom 20. Mai 2019 zwar zutreffend festgestellt, dass dem Durchschnittsverbraucher aber auch dem Fachhandel alle beanspruchten Waren als „gifts“, d. h. als Geschenke entgegentreten können. Gleiches gilt für die beanspruchten Dienstleistungen in Klasse 35, die ebenfalls in Verbindung mit Geschenken erbracht werden können. Doch durch die Kombination mit dem weiteren [X.] „[X.]“ erlangt das [X.] eine ausreichende Unterscheidungskraft.

Selbst wenn die angesprochenen Verkehrskreise den [X.]en unmittelbar die Bedeutungen „Werbung; werbe-“, „professionell“ und „Geschenk“ beimessen würden, erschöpft sich das für die Schutzfähigkeitsprüfung maßgebliche [X.] nicht in einer sprach- und werbeüblichen Aneinanderreihung beschreibender Abkürzungen/Angaben zu einem ohne weiteres verständlichen Sachbegriff. Unmittelbar übersetzt kann das Zeichen zwar die Aussage „werbeprofessionelle Geschenke“ vermitteln; aber schon dieser Begriff ist in seinem Bedeutungsgehalt unklar und im Übrigen auch nicht gebräuchlich. Dies gilt auch für das Aneinanderreihen der übersetzten Einzelbestandteile zu „WerbeProfi-Geschenke“. Zum einen ist die Kombination „[X.]“ als solche schon ungebräuchlich und ungewöhnlich (selbst die insoweit klarere Angabe „Ad-Profi“ lässt sich im Rahmen einer Internetrecherche nicht nachweisen). Zudem ist der Sinngehalt vage, da [X.], ob es sich um Geschenke für einen Werbeprofi oder um solche von einem Werbeprofi handelt. Zumindest eröffnet die Zusammenstellung der Wortelemente vor dem Hintergrund des wenig fassbaren eindeutigen Verständnisses des Bestandteils „[X.]“ in Kombination mit dem weiteren Wort „gifts“ einen gewissen Interpretationsspielraum. Insofern unterscheidet sich das Zeichen von den durch das [X.] zurückgewiesenen Begriffen ([X.], Beschluss vom 24.04.2001, 24 W (pat) 44/01 – Ad-Effect; Beschluss vom 13.07.2004, 33 W (pat) 433/02, - [X.]), bei denen sich das Wort „ad“ jeweils auf ein nachgestelltes ausgeschriebenes Substantiv bezieht und damit eine unmittelbar verständliche Wortkombination bildet.

Die von der Markenstelle angenommene Bedeutung „Geschenke von oder für [X.]“, erschließt sich somit allenfalls nach einer detaillierten, analysierenden Betrachtung, die die angesprochenen Verkehrskreise, da sie nur kurzzeitig mit dem Zeichen konfrontiert sind, nicht vornehmen werden und die im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft unzulässig ist (vgl. [X.] [X.], 565 Rn. 24 – [X.]; [X.], 270 Rn. 12 – Link economy).

Dem Anmeldezeichen kann nach alledem das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

b) Wegen der fehlenden Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der in Rede Dienstleistungen unterliegt das angemeldete Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

Die angegriffenen Beschlüsse waren daher aufzuheben.

Meta

29 W (pat) 19/19

20.10.2021

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.10.2021, Az. 29 W (pat) 19/19 (REWIS RS 2021, 1743)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1743

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