Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2001, Az. AK 18/01

3. Strafsenat | REWIS RS 2001, 684

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BUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSS2 BJs 79/00 - 4AK 18/01vom9. November 2001in dem Ermittlungsverfahrengegenaliasaliasaliaswegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung u.a.- 2 -Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-desanwaltes sowie des Beschuldigten und seiner Verteidiger am 9. November2001 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesge-richtshof findet in drei Monaten statt.Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach den all-gemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.Gründe:1. Der Beschuldigte befindet sich seit dem 27. Dezember 2000 in Unter-suchungshaft aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesge-richtshofs vom selben Tag (2 BGs 205/2000), der durch neuen Haftbefehl vom15. Juni 2001 (2 BGs 158/2001) ersetzt wurde. Der Senat hat mit Beschlußvom 12. Juli 2001 die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monatehinaus angeordnet. Zu dem gegen den Beschuldigten bestehenden dringendenTatverdacht und zum Haftgrund nimmt der Senat zunächst auf diese Entschei-dung Bezug.2. Auch die weiteren Ermittlungen haben keine Umstände ergeben, diegegen den Beschuldigten E. den dringenden Tatverdacht begründenwürden, er habe sich mitgliedschaftlich an einer inländischen terroristischenVereinigung beteiligt (§ 129 a Abs. 1 StGB). Sie liefern nunmehr indessen hin-reichende Belege, die gegen den Beschuldigten den dringenden Verdacht im- 3 -Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO begr, er habe eine terroristischeVereinigung untersttzt (§ 129 a Abs. 3 StGB), so daû der Senat die vorliegendzu treffende Haftfortdauerentscheidung auch auf diesen Verdacht sttzt. Erergibt sich aus folgendem:a) Aufgrund der zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisslt der Se-nat nunmehr jedenfalls die Mitbeschuldigten B. , S. und K. einer Straftat nach § 129 a Abs. 1 StGB fr dringend verchtig. Es liegen hin-reichende tatschliche Anhaltspunkte dafr vor, daû sich diese Beschuldigtenjedenfalls ab Herbst 2000 im Raum F. zu einem nach auûen abge-schotteten, konspirativ arbeitenden Verband zusammengeschlossen haben,der Teil eines Netzwerks entsprechender Gruppierungen gewaltbereiter islami-stischer Fundamentalisten in anderen euriscrn ist, und daû ein-zelne dieser Gruppierungen bzw. deren Mitglieder im Sinne einer Vereinigungnach § 129 a StGB zusammenwirken, um in Umsetzung des von ihnen propa-gierten "heiligen Krieges (Djihad)" irn des westlichen Kulturkreises Ter-rorakte, insbesondere Sprengstoffanschlver(§ 129 a Abs. 1 Nr. 3,§ 308 Abs. 1, § 6 Nr. 2 StGB). Ob dieser Verdacht sich zu einer die Verurtei-lung der Beschuldigten tragenden Überzeugung verdichten lût, insbesondereob dem Zusammenwirken der einzelnen Gruppierungen oder deren Mitgliederneine organisierte Willensbildung zugrunde liegt, die dem Wesen einer Vereini-gung im Sinne der §§ 129, 129 a StGB entspricht (s. etwa BGHSt 28, 147 ff.;31, 239, 240), muû der Beurteilung des Tatgerichts nach Durchfrung derBeweisaufnahme vorbehalten bleiben.- 4 -Der Tatverdacht grt sich auf folgende Umst, die dem Senatteilweise auch aus einem frren Haftprfungsverfahren betreffend den Mit-beschuldigten K. bekannt sind:aa) Die Gruppierung der Beschuldigten K. , B. und S. :Wie der Senat schon in seinem Beschluû vom 12. Juli 2001 im einzel-nen dargestellt hat, belegen die gefrten Ermittlungen zchst mit hinrei-chender Sicherheit, daû die Beschuldigten M. , B. , E. undS. im Dezember 2000 in F. und anderen Orten der Bundesre-publik einen Sprengstoffanschlag auf den Weihnachtsmarkt oder einen Wo-chenmarkt in St. vorbereiteten. Dieser Tatplan wird erneutbesttigt durch die zwischenzeitliche Übersetzung der Gesprche, die auf derTonspur des Videofilms aufgezeichnet sind, der auf der Vorbereitungsfahrt vonBa. nach St. von den Beschuldigten S. und E. aufgenommen wurde.Das gewonnene Beweismaterial legt darr hinaus den Schluû nahe,daû sich jedenfalls die Beschuldigten B. , S. und K. zu einerOrganisation verbunden hatten, deren Zwecke oder Ttigkeit allgemein daraufgerichtet war, Straftaten wie den geplanten Anschlag in St. zu begehen.Diese drei Beschuldigten hielten sich zumindest seit Herbst 2000 im RaumF. auf und standen untereinander in Kontakt. Dabei verhielten sie sich inkonspirativer Weise. Sie verwendeten verschiedene Decknamen, nutzten teil-weise Wohnungen, die von Dritten - auch unter Falschnamen - angemietetworden waren, und telefonierten ausschlieûlich aus öffentlichen Telefonzellenoder mit Handys, die fr andere Personen freigeschaltet worden waren. All dies- 5 -wird vom Beschuldigten K. zum Teil eingermt und im rigen durchmehrere sichergestellte Beweismittel sowie den Inhalt abgehörter Telefonatebesttigt. Schon diese Besonderheiten legen es nahe, daû es sich bei der Be-ziehung dieser Beschuldigten nicht um ein reines Freundschaftsverltnishandelte, gegrt etwa allein auf die gemeinsame Herkunft oder Religion.Hinzu kommt eine Vielzahl von Verdachtsmomenten, die dafr sprechen,daû sich diese Beschuldigten zusammengeschlossen hatten, um im Rahmeneines internationalen Netzwerks islamistischer Fundamentalisten, aus demheraus sich in verschiedenen euriscrn (etwa in Groûbritannienund Italien) terroristische Organisationseinheiten gebildet haben, an der Ver-wirklichung terroristischer Ziele in Zusammenarbeit mit solchen anderen Orga-nisationseinheiten oder einzelner deren Mitglieder mitzuwirken. Diese ergebensich zchst aus zahlreichen schriftlichen Unterlagen und sonstigen Beweis-mitteln, die sowohl bei den Beschuldigten dieses Verfahrens als auch bei ande-ren Personen sichergestellt werden konnten, die im Verdacht stehen, dem Netzgewaltbereiter islamistischer Fundamentalisten anzugehören. Sie folgen au-ûerdem aus dem Inhalt zahlreicher abgehörter Telefonate, die seit Dezember2000 insbesondere im Zusammenhang mit den Verhaftungen der Beschuldig-ten in Deutschland, im eurischen Ausland oder auch per Satellitentelefon inden Raum Afghanistan/Pakistan gefrt wurden. Besonders aufschluûreichsind darr hinaus vor allem die Äuûerungen des Beschuldigten B. inder Untersuchungshaft r dem Mitgefangenen Sa. , den er von denZielen des islamischen Fundamentalismus rzeugen wollte und fr eineAusbildung in Afghanistan zu gewinnen suchte. Laut B. habe die Grupper mehr als 200 kg Sprengstoff verft, es sei ein Anschlag auf eine jischeEinrichtung in L. vorgesehen gewesen und weitere Operationen- 6 -tten sich in der Planung befunden. Zu diestten die Inhaftierten abernoch keiren Informationen besessen, da die entsprechenden Anwei-sungen von Frungspersonen von auûerhalb kmen.bb) Einbindung der Organisation der Beschuldigten B. , S. und K. in das internationale terroristische Netz:Zur Existenz des internationalen Netzes, den Beziehungen der ihm an-renden Personen und lokalen Gruppen untereinander sowie den von die-sen bereits begangenen oder geplanten terroristischen Anschlsind eineVielzahl von Erkenntnissen deutscher, franzsischer, italienischer und briti-scher Ermittlungsrden und Geheimdienste aktenkundig. Sie werden bei-spielhaft auch belegt durch den Inhalt eines am 13. Januar 2001 gefrtenTelefonats zwischen einem Es. in Italien und einem Ma. in Belgien, diebeide der Zrigkeit zu Gruppen des internationalen Netzwerks verchtigsind. In diesem Telefonat bringt Es. seine Hoffnung zum Ausdruck, daû inFrankreich nicht das Gleiche wie in F. passiere und auch das dortigeVersteck entdeckt werde, und rt dem Ma. , eine neue Identitt anzuneh-men.Die Verbindung der zumindest von den Beschuldigten B. , S. und K. gebildeten Untergruppierung zu anderen Gruppen des Netzwerkszchst aus ihrem Kontakt zu bzw. ihr Zusammenwirken mit den Beschuldig-ten M. und E. , die nach den Erkenntnissen der britischen Ermitt-lungsrden einer vergleichbaren Untergruppierung des Netzes gewaltbe-reiter islamistischer Fundamentalisten in London zrten. Darr hinausbestand zu weiteren Personen Kontakt, die im Verdacht stehen, derartigen- 7 -Gruppierungen anzren, was erneut durch den Inhalt einer Vielzahl abge-rter Telefonate besttigt wird. Auch ist ein aussagekrftiger Beleg dafr vor-handen, daû sich die Mitglieder der F. Untergruppierung der gemein-samen Willensbildung zwischen lokalen nationalen Organisationseinheitenunterwarfen, mlich die Bemerkung des Beschuldigten B. rdem Zeugen Sa. , es tten sich weitere Operationen in der Planung be-funden, zu denen die Inhaftierten aber noch keiren Informationen be-sesstten, da die entsprechenden Anweisungen von Frungspersonenvon auûerhalb kmen.b) Zwar fehlt es weiterhin an hinreichenden Belegen, daû sich der Be-schuldigte E. an dieser im Inland bestehenden Teilorganisation mit-gliedschaftlich beteiligt hat; der Umstand, daû er erst im Dezember 2000 vonLondon nach Frankreich flog und der Rckflug bereits fr Anfang Januar 2001gebucht war, deutet eher darauf hin, daû sein Aufenthalt im Inland nur alsvorrgehender geplant war und nach Durchfrung des Anschlags in St. beendet werden sollte. Jedoch deuten zum einen schon die allgemeinenBeziehungen des Beschuldigten zu den Mitgliedern der F. Gruppie-rung und zum anderen die Menge der Grundstoffe, die die Beschuldigten M. , B. , S. und E. zur Herstellung von Sprengstoff be-schafft bzw. zu beschaffen versucht hatten, sowie die zahlreichen Schuûwaffenund die hohen Geldbetr, r die diese Beschuldigten verften, daraufhin, daû die Aktivitten des Beschuldigten E. im Inland sich nicht alleinin der Vorbereitung des Anschlags in St. erscften, sondern darrhinaus dem Zweck dienten, der hier bestehenden Teilorganisation die Mittel frdie Verfolgung weiterer terroristischer Ziele in die Hand zu geben und ihrenFortbestand und ihre Bestrebungen allgemein zu frdern (vgl. Rudolphi in SK-- 8 -StGB 46. Lfg. Stand September 1998 § 129 Rdn. 17 a; Lenckner in Scn-ke/Schrr, StGB 26. Aufl. § 129 Rdn. 15; von Bubnoff in LK 11. Aufl. § 129Rdn. 66). Auch insoweit kommt den bereits zitierten Äuûerungen des Beschul-digten B. r den vorgesehenen Anschlag in L. und die weiteren inPlanung befindlichen Operationen eine den Tatverdacht der Untersttzung ei-ner terroristischen Vereinigung unterstreichende Bedeutung zu.3. Der Vollzug der Untersuchungshaft ist weiterhin nicht unverltnis-mûig, da der Beschuldigte im Falle einer Verurteilung eine erhebliche Frei-heitsstrafe zu erwarten hat (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Ihr Zweck kann durchweniger einschneidende Maûnahmen im Sinn des § 116 StPO nicht erreichtwerden.Die Voraussetzungen fr die Fortdauer der Untersuchungshaft rweitere drei Monate hinaus (§ 121 Abs. 1, § 122 Abs. 4 Satz 2 StPO) liegenvor. Im Hinblick auf den erheblichen Ermittlungsaufwand ist das Verfahrenweiterhin mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung gefrt worden.Nach Mitteilung des Generalbundesanwaltes ist im November 2001 mit der An-klageerhebung zu rechnen.Tolksdorf Winkler Becker

Meta

AK 18/01

09.11.2001

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2001, Az. AK 18/01 (REWIS RS 2001, 684)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 684

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