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PDF anzeigen5 [X.]/03BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEILvom 15. Oktober 2003in der [X.] versuchten [X.] 2 -Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom15. Oktober 2003, an der teilgenommen haben:[X.] [X.] Vorsitzender,[X.],[X.]in [X.],[X.] Dr. Raum,[X.] [X.] beisitzende [X.],Oberstaatsanwalt beim [X.] Vertreter der [X.],Rechtsanwaltals Verteidiger,[X.] Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,- 3 -für Recht erkannt:Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil [X.] vom 14. Juni 2002 wird verworfen.Die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstande-nen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zurLast.[X.] Von Rechts wegen [X.]G r ü n d eDas [X.] hat den Angeklagten [X.] wie die Mitangeklag-ten [X.] und [X.], gegen die das Urteil nach Rücknahme der sie betref-fenden Revisionen der Staatsanwaltschaft rechtskräftig ist [X.] versuchten Totschlags aus tatsächlichen Gründen freige-sprochen. Die mit der Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft,die vom [X.] nicht vertreten wird, bleibt ohne Erfolg.1. Der Tatvorwurf betrifft Schüsse, die [X.] [X.] Angeklagte und seine beiden Mitangeklagten [X.] am 23. Mai 1962 auf [X.] 14jährigen Schüler [X.]aus [X.] abgaben, dem die Fluchtüber die [X.] gelang, indem er vom [X.] [X.] ([X.]) aus nach Übersteigen eines Grenzzaunes und zweierMauern den [X.] und [X.] getroffendurch acht Schüsse von Grenzsoldaten [X.] schwerverletzt von [X.] [X.] Ufer des Kanals geborgen werden konnte. Zuvor hatten[X.] Polizeibeamte den [X.] [X.] , um ihn- 4 -an der Abgabe weiterer, etwa tödlicher Schüsse auf den Flüchtling zu hin-dern, beschossen und tödlich getroffen.2. Im einzelnen hat die [X.] zu dem Vorfall folgende Fest-stellungen getroffen:Der Angeklagte [X.], der als Feuerwehrmann aus [X.] Anfang Mai 1962 zum Grenzdienst abkommandiert worden war und einekurze Grundausbildung erhalten hatte, bildete als Oberfeldwebel und [X.]führer mit dem später erschossenen Gefreiten [X.] ein Postenpaar,das auf einem Beobachtungsturm unweit der Sandkrugbrücke den Grenz-dienst versah. Der Posten [X.]hatte das Fluchtgeschehen [X.] unwiderlegt [X.]eher als der Angeklagte wahrgenommen, ihn auf den Flüchtling aufmerksamgemacht und war sogleich auf dem Grenzstreifen zwischen Grenz- [X.] bis zu der Stelle gelaufen, an welcher der Flüchtling in [X.] gesprungen war. Von dort schoß er auf den schwimmenden Jungen.Der Angeklagte [X.]verblieb im Bereich des Beobachtungsturms, gabvon dort einen [X.] mit ungeklärter Zielrichtung und anschließend beieinem Abstand von zumindest 100 Metern zu dem Schwimmer eine [X.] wenigstens sieben [X.] [X.] wahrscheinlich mit Dauerfeuer [X.] [X.] der Wasseroberfläche des Kanals ab. Möglicherweise zielte er [X.] neben den Schwimmer und nahm dessen Verletzung oder Tötung [X.] Schüsse nicht billigend in Kauf.Jedenfalls sieben weitere Grenzsoldaten gaben während der Fluchtwenigstens etwa 100 Schüsse ab, darunter die beiden Mitangeklagten.Der [X.], der mit seinem Posten von der Position [X.] aus gesehen jenseits des [X.]s Dienst tat, hatteden Flüchtling als erster entdeckt, ihn vergeblich angerufen und zum [X.] aufgefordert und war ihm dann mit seinem Posten nachgelaufen.Als der Flüchtling Zaun und Mauern überwunden hatte und ins Wasser ge-- 5 -sprungen war, gab [X.], auf einem Grabstein stehend, über die Fried-hofsmauer hinweg Schüsse [X.] mit indes ungeklärter genauer Zielrichtung [X.] festzustellenden Treffervorsatz [X.] in Richtung des Kanals ab. Der [X.] hatte lediglich einen [X.] abgegeben; er hatte sich auf einen an-deren Grabstein stellen wollen, war aber abgerutscht und hingefallen.Der Mitangeklagte [X.] schoß von der Sandkrugbrücke [X.] ohne daßsich sein Vorsatz, den Flüchtling zu treffen, hätte feststellen lassen [X.] auseinem Abstand von etwa 150 Metern zu dem Schwimmer in Richtung [X.]. Mindestens vier weitere namentlich bekannte [X.]gaben aus jeweils näher bestimmten Positionen ([X.] f.) Schüsse ab.Der Flüchtling, der während des Durchquerens des Kanals unruhigund ungleichmäßig schwamm, wurde im Wasser siebenmal von hinten [X.], Rumpf-, Arm- und Beinbereich und [X.] am Bein nochnach Erreichen des westlichen Ufers von [X.] getroffen, deren Schüt-zen nicht festzustellen waren. Er überlebte schwerverletzt, mußte etwa einJahr lang stationär behandelt werden und ist seitdem verletzungsbedingt [X.] % schwerbehindert.3. Die Beweiswürdigung, auf deren Grundlage die [X.] mitbedingtem Tötungsvorsatz abgegebene Schüsse des Angeklagten [X.]auf den Flüchtling nicht festzustellen vermochte, und die daran anschließen-de rechtliche Würdigung, mit der sie ihn vom Anklagevorwurf des (gemein-schaftlich) versuchten Totschlags freigesprochen hat, weisen keine durch-greifenden [X.]en Fehler auf.a) Das [X.] vermochte nicht festzustellen, daß den [X.] am Tattage bei ihrer —[X.] ausdrücklich der Befehlerteilt worden war, einen durch Schußwaffengebrauch am [X.] hindernden Flüchtling notfalls —zu vernichtenfi. Hierzu sind in anderen tat-zeitnahen entsprechenden Fällen abweichende Feststellungen getroffen- 6 -worden (vgl. [X.], 101, 102). Daraus läßt sich indes kein Rechtsfehlerableiten, der sich auf die Beweiswürdigung der [X.] zum [X.] ausgewirkt haben könnte. Es ist nicht zu besorgen, daß die Ju-gendkammer die Staatspraxis der [X.] zur Tatzeit vor Inkrafttreten [X.] und die entsprechende [X.] an der [X.] verkannt hätte, wonach Fluchtverhinderung als vorrangiges Ziel galt,das auch notfalls um den Preis der Tötung des Flüchtlings zu verfolgen war,die daher als gerechtfertigt galt (vgl. BGHSt 40, 241, 242 ff.; 41, 101, 103 f.).Die Erkenntnis von der bestehenden [X.] nötigte das Tatgericht nichtzu dem Schluß, daß der Angeklagte [X.] ihr durch Abgabe von [X.]auf den Flüchtling mit bedingtem Tötungsvorsatz unbedingt Folge zu leistenbereit gewesen wäre (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 45).b) Aufgrund der nur begrenzt vorhandenen näheren Erkenntnisse überEinzelheiten der Schußverletzungen des Flüchtlings sah sich das [X.] [X.] bei gleichzeitiger Berücksichtigung des Umstandes seiner unruhigenund ungleichmäßigen Bewegungen während des Durchschwimmens [X.] [X.] auch nach den Feststellungen zur Position des Angeklagten [X.] bei Abgabe der Schüsse außerstande, ihm etwa einen Treffer des Flüchtlingszuzurechnen ([X.]). Diese Beweiswürdigung ist ersichtlich rechtsfehler-frei.Die weitgehend zuverlässige Aussage eines Augenzeugen, der vom[X.] Ufer den [X.] und die Schüsse aus einer [X.] etwa 100 Metern beobachtet hatte ([X.] ff.), wies den Angeklagten[X.] zwar als Schützen aus. Da der Zeuge indes keine klare Sicht auf [X.] des Kanals gehabt, insbesondere den Einschlagpunkt derbeobachteten Schüsse nicht hatte einsehen können, hat die [X.]seiner Aussage zur identischen Zielrichtung der von ihm [X.] keinen Beweis für gezielte Schüsse des Angeklagten [X.] aufden schwimmenden Flüchtling entnommen. Auch insoweit ist die tatrichterli-che Beweiswürdigung frei von Rechtsfehlern.- 7 -c) Die tatrichterliche Bewertung des [X.] des Ange-klagten ist [X.] ebenfalls nicht zu beanstanden.Daß das [X.] angesichts der mißlungenen [X.] des dem Angeklagten [X.] zugeordneten Postensoldaten[X.] eine erhebliche Drucksituation dieses Angeklagten bei seinen [X.] unmittelbar danach angenommen und für möglich gehalten hat,er könne in dieser Situation bestrebt gewesen sein, eine tunlichst besondersstrikte Befolgung der [X.] zu bekunden, und folglich wahrheitswidrigdie Abgabe zielgerichteter eigener Schüsse auf den Flüchtling [X.], ist eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung (vgl. BGHR StGB § 24Abs. 1 Satz 1 Rücktritt 7; [X.] 1997, 221, 225). Sie wird durch [X.] nicht ernstlich in Frage gestellt, daß sich der Angeklagte selbst andie Besonderheit entsprechenden bewußt wahrheitswidrigen Aussagever-haltens bei der damaligen Vernehmung in der Hauptverhandlung [X.] nach [X.] eines Zeitraumes von über 40 Jahren bezogen auf Vorgänge, deren ins-gesamt bewußte Verdrängung nicht fernliegt [X.] nicht zu erinnern vermochte.Die tatrichterliche Bewertung des früheren [X.] des Ange-klagten läßt auch keine [X.] beanstandenswerte Lückenhaftig-keit oder Widersprüchlichkeit erkennen.Die [X.] hat die in der Hauptverhandlung abgegebeneEinlassung des Angeklagten, er habe damals lediglich in die Luft geschos-sen, mit rechtsfehlerfreien Erwägungen widerlegt ([X.] ff.). Das [X.] war gleichwohl [X.] namentlich vor dem Hintergrund, daß der überlebendeFlüchtling lediglich von einem geringen Bruchteil der von den Grenzsoldatenwährend der Flucht insgesamt abgegebenen Schüsse getroffen worden ist [X.]aus Rechtsgründen nicht gehindert, zugunsten des Angeklagten [X.] [X.] und entsprechend auch zugunsten der beiden rechtskräftig [X.] Mitangeklagten [X.] eine Abgabe von [X.] auf die [X.] anzunehmen, mit denen er den Flüchtling nicht getroffen hat,nicht treffen wollte und die er auch in einer Weise abgab, daß er aus [X.] einen Treffer ausschließen konnte. Der überschießend [X.], dem maßgebliches Belastungsge-wicht nicht zukommt, hinderte das Tatgericht an einer derartigen Beweiswür-digung nicht (vgl. für ein gleichartiges Tatgeschehen an der [X.] BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 46, insoweit in [X.], 149, 150 f. nicht vollständig abgedruckt; allgemein zur mangelnden Bela-stungseignung wahrheitswidrigen Verteidigungsvorbringens [X.] 261 Überzeugungsbildung 30 und 33; jeweils m.w.[X.]) Möglicherweise hätte sich das Tatgericht gleichwohl allein aufgrundmangelnder Zielgenauigkeit der vom Angeklagten eingesetzten, [X.] von den [X.] verwendeten Maschinenpistole Kalaschni-kow und aufgrund besonderer Gefährlichkeit jeglichen Schießens in [X.] eines schwimmenden Menschen von einem bedingten Tötungsvor-satz des Angeklagten bei [X.] überzeugen können (vgl. [X.], 2728 f., insoweit in [X.], 101 nicht abgedruckt). Aus [X.] gezwungen war das Tatgericht hierzu indes nicht (vgl. BGHR StGB§ 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 45) und bei der beschriebenen [X.] auch nicht zu einer näheren Erörterung jener besonderen Gefahrenmo-mente verpflichtet, deren rechtsfehlerhafte Verkennung oder Vernachlässi-gung nicht zu besorgen [X.]) Die Feststellungen weisen auf ein eher unkoordiniertes Verhaltender einzelnen Grenzsoldaten in der Situation der Fluchtentdeckung hin. [X.] war auch für eine irgendwie geartete Verständigung oder Abspra-che des Angeklagten [X.] mit seinem Posten [X.] , der sich [X.] der Entdeckung räumlich von ihm entfernte, nichts auszumachen. [X.] Sachlage mußte das [X.] nicht näher in Betracht ziehen, [X.] des Angeklagten [X.] während des [X.] bezogen aufvon anderen Grenzsoldaten gegen den Flüchtling gerichtete Schüsse, die zuTreffern führten und mit bedingtem Tötungsvorsatz abgegeben waren, wei-tergehend unter den Gesichtspunkten der Mittäterschaft oder Teilnahme zu- 9 -bewerten (vgl. [X.], 149, 151 f.; BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz,bedingter 49; [X.] 1997, 221, 225 f.; jeweils m.w.N.).Eher mißverständliche Wendungen der [X.] im Ergebnisder Auswertung der genaueren Beobachtungen des erwähnten Augenzeu-gen ([X.]) veranlassen keine andere Beurteilung. Die [X.] zu gezieltem Beschuß und gleichzeitigem Sperrfeuer sind nachdem Zusammenhang der Urteilsgründe als bloße [X.] tatsächlich indes nichthinreichend sichere [X.] Möglichkeiten der Sachverhaltsdeutung zu verstehen;als Grundlage für den Angeklagten belastende [X.] sie aus.[X.]
Meta
15.10.2003
Bundesgerichtshof 5. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.10.2003, Az. 5 StR 305/03 (REWIS RS 2003, 1183)
Papierfundstellen: REWIS RS 2003, 1183
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