Bundessozialgericht, Urteil vom 11.05.2011, Az. B 5 R 56/10 R

5. Senat | REWIS RS 2011, 6802

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Altersrente für schwerbehinderte Menschen - Schutzfrist des § 38 Abs 1 SchwbG idF vom 26.8.1986 - Wirkung im Hinblick auf die gesetzliche Rentenversicherung)


Tenor

Die Revision der Beklagten wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil des [X.] vom 8. Oktober 2010 wie folgt gefasst wird:

"Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 25. März 2009 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 29. April 2008 verurteilt, der Klägerin Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1. Mai 2008 unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu gewähren. … "

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin ab dem 1.5.2008 Altersrente für schwerbehinderte Menschen abschlagsfrei mit dem Zugangsfaktor 1,0 gewähren muss.

2

Die 1948 geborene Klägerin war an Brustkrebs erkrankt. Das Versorgungsamt [X.] stellte als Behinderung die "Entfernung einer Brustdrüsengeschwulst links" mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 fest (Bescheid vom 18.11.1994). Diesen Bescheid hob das Versorgungsamt nach Ablauf der [X.] auf, veranschlagte den GdB ab dem [X.] auf weniger als 20 und führte aus, der Klägerin stehe ein Ausweis als Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft noch bis zum Ablauf des [X.]es Ende November 2000 zu (Bescheid vom [X.]). Entsprechendes vermerkte das Versorgungsamt im Schwerbehindertenausweis der Klägerin. Mit Bescheid vom 18.2.2003 änderte das Versorgungsamt den Bescheid vom [X.] und stellte ab dem 19.11.2002 wieder einen GdB von 50 fest.

3

In der Rentenauskunft vom 31.3.2003 teilte die Beklagte mit, die Klägerin könne eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1.5.2008 mit Abschlägen und ab dem 1.5.2011 abschlagsfrei beanspruchen. Die Klägerin machte daraufhin nachwirkenden Vertrauensschutz geltend und legte Schreiben des Versorgungsamts [X.] vom 31.7.2003 und des [X.] vom [X.] vor, wonach ihr der Status einer Schwerbehinderten bis zum 30.11.2000 zustehe.

4

Mit Bescheid vom 26.9.2003 und Widerspruchsbescheid vom 19.12.2003 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf "Anerkennung der Vertrauensschutzregelung für Schwerbehinderte zum Stichtag am 16.11.2000" ab, weil der Aufhebungsbescheid des [X.] vom [X.] vor dem Stichtag bindend geworden sei. Damit habe am 16.11.2000 keine Schwerbehinderteneigenschaft iS des § 236a Satz 5 [X.] (in der [X.] von Art 6 [X.] b [X.]) vorgelegen. Bei der Schutzfrist des § 116 Abs 1 [X.], auf die sich die Klägerin berufe, handele es sich lediglich um eine Nachwirkungszeit aller Rechte und Pflichten, die sich aus dem [X.] ergäben.

5

Während des anhängigen Klageverfahrens gewährte die Beklagte der Klägerin ab dem 1.5.2008 Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wobei sie den Zugangsfaktor wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente für 36 Kalendermonate von 1,0 um 0,108 (= 36 Monate x 0,003) auf 0,892 verminderte ([X.] vom [X.]). Diesen [X.] hat das [X.] in entsprechender Anwendung des § 96 SGG in das anhängige Klageverfahren einbezogen und die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.3.2009).

6

Das [X.] hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den [X.] vom [X.] zu ändern und der Klägerin Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1.5.2008 unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu zahlen (Urteil vom 8.10.2010): Der [X.] vom [X.] sei gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, weil er den ursprünglich angefochtenen und nunmehr erledigten ([X.] vom 26.9.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 19.12.2003 in vollem Umfang ersetzt habe. Die Klägerin erfülle sämtliche Anspruchsvoraussetzungen der Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach § 236a Abs 4 [X.] in der Neufassung (nF) des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]) vom [X.] ([X.] 554). Denn sie sei vor dem [X.] geboren sowie am 1.5.2008 schwerbehindert gewesen und habe im 2008 das 60. Lebensjahr vollendet sowie die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt. Darüber hinaus sei sie auch am 16.11.2000 schwerbehindert gewesen, weil sie an diesem Tag im Besitz eines entsprechenden Schwerbehindertenausweises gewesen sei, der auch die Beklagte binde. Hierauf habe die Klägerin vertrauen dürfen. Nichts anderes ergebe sich aus dem Bescheid des [X.] vom [X.], der frühestens im August 2000 unanfechtbar geworden sei. Denn nach § 38 Abs 1 Halbs 2 Schwerbehindertengesetz ([X.] 1986) idF vom [X.] ([X.] 1421), der damals gegolten habe, ende der gesetzliche Schutz Schwerbehinderter, wenn sich der Grad der Behinderung - wie hier - auf weniger als 50 verringere, erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Verringerung feststellenden Bescheides, hier also Ende November 2000. Dies habe das Versorgungsamt [X.] im Bescheid vom [X.] mit Bindungswirkung festgestellt. Bis zum Ablauf dieser dreimonatigen Schonfrist habe der Klägerin der komplette gesetzliche Schutz Schwerbehinderter auch im Hinblick auf die Rentenversicherung zugestanden. Denn der Wortlaut des § 38 Abs 1 [X.] 1986 beschränke den nachgehenden Schutz nicht nur auf die Rechte nach dem [X.], sondern spreche allgemein vom gesetzlichen Schutz. Insoweit unterscheide sich der Wortlaut dieser Vorschrift von ihrer Nachfolgebestimmung des § 116 Abs 1 [X.], der den Schutz des schwerbehinderten Menschen nach Herabsetzung des GdB auf die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen begrenze. Die Schonfrist solle den Betroffenen die Umstellung auf den neuen, schutzlosen Zustand erleichtern, was auch für die Möglichkeit eines Renteneintritts als Schwerbehinderter gelten müsse. Dabei sei belanglos, dass der [X.] (Urteil vom 22.9.1989 - [X.]/86 - [X.] 1991, 78 ff) entschieden habe, dass § 33b [X.] (EStG) keine Schutzvorschrift iS des § 38 [X.] 1986 sei.

7

Mit der Revision, die das [X.] zugelassen hat, rügt die Beklagte eine Verletzung des § 236a Abs 4 [X.] nF: Diese Vorschrift setze voraus, dass der Versicherte am 16.11.2000 gemäß § 2 Abs 2 [X.] tatsächlich schwerbehindert gewesen sei und nicht lediglich - wie die Klägerin - vom (nachwirkenden) [X.] erfasst werde. Das [X.] wende § 38 [X.] 1986 systemwidrig an, weil § 236a Abs 4 [X.] nF eine Rechtsgrundverweisung auf das [X.] enthalte, das seinerseits die Tatbestandsmerkmale und Rechtsfolgen der Schwerbehinderung allein bestimme. [X.] sei deshalb ausschließlich § 116 Abs 1 [X.], der - ebenso wie früher § 38 Abs 1 [X.] 1986 - eine dreimonatige Nachwirkungszeit normiere. Indem der Gesetzgeber diese Vorschrift in den zweiten Teil des [X.] aufgenommen habe, stelle er gesetzessystematisch klar, dass sich die Schutzfrist nur auf die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen und damit auf die §§ 68 ff [X.] bezögen, nicht aber auf das [X.]. Die Schutzfrist solle einen bereits bestehenden Status für eine Übergangszeit bewahren, nicht jedoch künftige Begünstigungen (Rentengewährung) trotz fehlender Schwerbehinderteneigenschaft ermöglichen. Im Übrigen bestehe - auch nach einer Literaturmeinung - kein Anspruch nach § 236a [X.], wenn der GdB bei Beginn der Altersrente bereits unanfechtbar auf weniger als 50 festgelegt sei, auch wenn dieser Zeitpunkt noch innerhalb der dreimonatigen Schutzfrist liege. Das Versorgungsamt [X.] habe schließlich auch nicht bescheidmäßig mit Bindungswirkung für den Rentenversicherungsträger festgestellt, dass der gesetzliche Schutz der Klägerin als Schwerbehinderte erst Ende November 2000 ende. Vielmehr lasse sich der rechtskräftigen Entscheidung des [X.] lediglich entnehmen, dass der für die Rentenversicherung entscheidende GdB am Stichtag des 16.11.2000 weniger als 20 betragen und somit keine Schwerbehinderung vorgelegen habe.

8

           

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8. Oktober 2010 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des [X.] vom 25. März 2009 zurückzuweisen.

9

           

Die Klägerin, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt schriftsätzlich,

        

die Revision zurückzuweisen.

Zu Unrecht nehme die Beklagte an, § 116 Abs 1 [X.] sei anstelle von § 38 Abs 1 [X.] 1986 einschlägig. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom [X.] - 9 RVs 3/88 - [X.], 185 = [X.] 1300 § 48 [X.]) enthalte § 38 [X.] 1986 eine "Schonfrist" und unterscheide im Übrigen nicht zwischen der dem schwerbehinderten Menschen mit einem GdB von weniger als 50 vermittelten Schonung durch die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen einen Neufeststellungsbescheid mit einem GdB von weniger als 50 und der sich gemäß Abs 1 anschließenden Schonfrist. Nach dem Wortlaut des § 236a Abs 4 [X.] sei es gleichgültig, weshalb der Versicherte "schwerbehindert" sei. Der Hinweis auf die Legaldefinition des § 2 Abs 2 [X.] sage lediglich, dass der frühere Rentenzugang für schwerbehinderte Menschen mit einem GdB von 50 gelte. Für Gleichgestellte gelte er nicht. § 236a Abs 4 [X.] nF differenziere nicht danach, ob der schwerbehinderte Mensch noch einen GdB von 50 habe oder ob die Fortdauer der Auswirkungen eines GdB von 50 fingiert werde. Jedenfalls § 38 Abs 1 Halbs 2 [X.] 1986 sei zu entnehmen, dass sich der GdB von 50 im Falle des Eintritts der Rechtskraft eines Neufeststellungsbescheids "erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Verringerung feststellenden Bescheids" reduziere.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht hat das [X.] das klageabweisende Urteil des [X.] aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Altersrente für schwerbehinderte Menschen unter Zugrundelegung eines [X.] von 1,0 neu festzustellen und der [X.]lägerin ab dem 1.5.2008 einen entsprechend höheren Rentenmonatsbetrag zu zahlen. Soweit es den [X.] vom [X.] nicht selbst geändert, sondern die Beklagte hierzu lediglich "verurteilt" hat, war der [X.] wegen offenbarer Unrichtigkeit (§ 138 Satz 1 [X.]G) zu korrigieren (zur [X.]orrekturbefugnis des Rechtsmittelgerichts vgl B[X.]E 11, 146, 148; 46, 34, 40 = [X.] 1500 § 138 [X.]). Aus den Entscheidungsgründen geht eindeutig hervor, dass das [X.] den angefochtenen Bescheid selbst beseitigen wollte. Da der Senat lediglich klarstellt, was das Berufungsgericht wollte, liegt keine Verböserung zu Lasten der Beklagten und Revisionsklägerin vor (sog Verbot der reformatio in peius).

Mit dem [X.] vom [X.] hat die Beklagte über [X.], -beginn, -dauer und -höhe jeweils durch Verwaltungsakt (iS des § 31 Satz 1 [X.]B X) entschieden. Die [X.]lägerin hat mit der Anfechtungsklage (§ 54 [X.] 1 Satz 1, Regelung 2 [X.]G) zuletzt noch den [X.]) Verwaltungsakt über die Rentenhöhe angegriffen und mit der Leistungsklage die Verpflichtung der Beklagten zur Festsetzung eines höheren [X.] unter Zugrundelegung eines [X.] von 1,0 geltend gemacht sowie deren Verurteilung zur Zahlung eines höheren monatlichen Rentenbetrags begehrt. Diese sog unechte Leistungsklage hat die Verpflichtungsklage gemäß § 54 [X.] 4 [X.]G konsumiert (B[X.]E 96, 209, 210 = [X.] 4-2600 § 77 [X.] Rd[X.]1).

A. Diese [X.]lagen sind zulässig. Das gilt auch für die Anfechtungsklage, obwohl vor [X.]lageerhebung entgegen § 78 [X.] 1 Satz 1 [X.]G weder Recht- noch Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes über die Rentenhöhe in einem Vorverfahren nachgeprüft worden sind. Denn das obligatorische Vorverfahren, dessen ordnungsgemäße Durchführung grundsätzlich Sachurteilsvoraussetzung ist (B[X.] [X.] 3-1500 § 78 [X.] S 5 mwN; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 9. Aufl 2008, § 78 Rd[X.] 2), war gemäß § 78 [X.] 1 Satz 2 [X.] [X.]G iVm § 96 [X.] 1 [X.]G ausnahmsweise entbehrlich. Nach § 96 [X.] 1 [X.]G, der hier schon idF des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom [X.] ([X.]) gilt (vgl dazu B[X.] Beschluss vom 16.12.2009 - [X.] [X.] 146/09 B - Juris Rd[X.] 8), wird ein nach [X.]lageerhebung [X.] neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des ([X.]lage-)Verfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

I. Ursprünglich hat die [X.]lägerin den Bescheid vom 26.9.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.12.2003 angefochten (§ 95 [X.]G). Darin hatte die Beklagte allerdings noch nicht über ein Recht auf Rente entschieden, sondern mit der Ablehnung einer "Anerkennung der Vertrauensschutzregelung für Schwerbehinderte zum Stichtag am 16.11.2000" (iS des § 236a Satz 5 [X.] [X.]B VI aF) lediglich ein Tatbestandselement der Altersrente für schwerbehinderte Menschen vorab verneint: Diese Vorabentscheidung über einen isolierten Teil des Rentenanspruchs erfüllt sämtliche Begriffsmerkmale des Verwaltungsakts (§ 31 Satz 1 [X.]B X), weil die Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts das Ergebnis einer normativen Bewertung, nämlich die Unterordnung von [X.] unter gesetzliche Tatbestandsmerkmale, mit unmittelbarer Außenwirkung verbindlich festlegen wollte. Derartige Vorbescheide, mit denen einzelne mit einer Verwaltungsentscheidung verbundene Rechtsfragen vorab geklärt werden, sind grundsätzlich möglich (B[X.] [X.] 3-1300 § 39 [X.] und B[X.] vom [X.] AY 13/07 R - Juris Rd[X.]1). Für sie besteht gerade im Übergang vom Erwerbsleben zur Rente ein Bedürfnis, weil die Betroffenen frühzeitig disponieren und dazu wissen müssen, auf welche Rechtslage sie sich einzustellen haben (vgl B[X.] aaO und [X.] 4100 § 75 [X.] 6; BVerwGE 57, 158, 161). Deshalb normiert das Gesetz vorgezogene Regelungen teilweise selbst (vgl etwa § 149 [X.] 5 Satz 1 [X.]B VI; § 147a [X.] 6 Satz 2 [X.]B III). Sie sind ansonsten aber auch ohne ausdrückliche gesetzliche Erlaubnis - letztlich als von der Ermächtigungsgrundlage zum Erlass des endgültigen Verwaltungsaktes umfasstes "weniger" - zulässig (B[X.]E 42, 178 = [X.] 3850 § 51 [X.]), soweit sich aus den einschlägigen Vorschriften oder aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen nichts anders ergibt (B[X.] [X.] 3-1300 § 39 [X.] f). Der [X.]lägerin, die 2003 bereits zu den rentennahen Jahrgängen zählte, genügte in ihrer damaligen Situation keine unverbindliche Rentenauskunft (§ 109 [X.] 4 Satz 2 [X.]B VI in der hier noch maßgeblichen Ursprungsfassung), weil diese - auch angesichts der gegenteiligen Auffassung des Versorgungsamtes H. vom 31.7.2003 und des [X.] vom [X.] zum nachwirkenden [X.] - keine Rechtssicherheit hätte schaffen können. Andererseits enthielt § 109 [X.]B VI aF kein Vorabentscheidungsverbot, und es sind auch keine anderen gesetzlichen Bestimmungen ersichtlich, die eine Vorabentscheidung über die Vertrauensschutzregelung für Schwerbehinderte zum Stichtag am 16.11.2000 ausgeschlossen hätten.

II. Lag damit ursprünglich ein anfechtbarer Verwaltungsakt vor, so ist dieser durch den wertfeststellenden Verwaltungsakt im [X.] vom [X.], der sowohl nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 19.12.2003 als auch nach [X.]lageerhebung ergangen ist, ersetzt worden. In Anlage 6 dieses [X.]s hat die Beklagte den Zugangsfaktor wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente für 36 [X.]alendermonate von 1,0 um 0,108 (= 36 Monate x 0,003) auf 0,892 vermindert. Damit hat sie die vertrauensschutzregelnde Übergangsvorschrift des § 236a [X.] 4 [X.]B VI nF nicht angewendet und der [X.]lägerin zugleich den Vertrauensschutz für schwerbehinderte Menschen zum Stichtag am 16.11.2000 versagt. Hierdurch verlor die im Vorbescheid vom 26.9.2003 enthaltene Regelung gleichzeitig ihre präjudizielle Funktion und damit jegliche rechtliche Bedeutung; der vorabentscheidende Verwaltungsakt erledigte sich gemäß § 39 [X.] 2 [X.]B X wegen Wegfalls des Regelungsobjekts "auf andere Weise" (vgl B[X.] [X.] 3-1300 § 39 [X.] 7). An seine Stelle trat während des anhängigen [X.]lageverfahrens der wertfeststellende Verwaltungsakt im [X.], der die Regelung im Vorbescheid vollständig ersetzte (§ 96 [X.] 1 [X.]G). Dabei ist unerheblich, dass sich beide Verwaltungsakte auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen (§ 236a Satz 5 [X.]B VI aF einerseits und § 236a [X.] 4 [X.]B VI nF andererseits) stützen (B[X.] Beschluss vom 28.10.2009 - [X.] [X.]/08 B - Juris Rd[X.]3).

B. Die [X.]lagen sind auch begründet. Der Monatsbetrag der Rente (§ 64 [X.]B VI) ist rechnerisch das Produkt aus der Summe der EP und Zugangsfaktor (beide zusammen bilden die persönlichen EP), [X.]faktor und aktuellem Rentenwert. Die [X.]lägerin hat den wertfeststellenden Verwaltungsakt nur insoweit angefochten, als die Beklagte den Zugangsfaktor wegen der angeblich vorzeitigen Inanspruchnahme (§ 236a [X.] 1 Satz 2, [X.] 2 Satz 1 [X.]B VI nF) der Rente um 36 Monate von 1,0 um 0,108 auf 0,892 gekürzt (§ 77 [X.] 2 [X.] 2a [X.]B VI) und damit anstelle von 38,5085 persönlichen EP, die sich bei einem Zugangsfaktor von 1,0 ergeben hätten, nur 34,3496 persönliche EP in die Rentenformel eingestellt hat. Diese Wertfeststellung ist rechtswidrig.

Denn die [X.]lägerin hat die Altersrente für schwerbehinderte Menschen gemäß § 236a [X.] 4 [X.]B VI in der zum 1.1.2008 in [X.] getretenen neuen Fassung durch Art 1 [X.] 58 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.4.2007 ([X.] 554) nach Vollendung ihres 60. Lebensjahres und damit nicht vorzeitig in Anspruch genommen, sodass die Voraussetzungen einer [X.]ürzung des [X.] nach § 77 [X.] 2 [X.] 2a [X.]B VI nicht vorlagen. Gemäß § 236a [X.] 4 [X.]B VI nF, der hier wegen des Rentenbeginns am 1.5.2008 anwendbar ist, haben Versicherte, die vor dem [X.] geboren sind und am 16.11.2000 schwerbehindert (§ 2 [X.] 2 [X.]B IX), berufsunfähig oder erwerbsunfähig nach dem am 31.12.2000 geltenden Recht waren, Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen, wenn sie

1.    

das 60. Lebensjahr vollendet haben,

2.    

bei Beginn der Altersrente
a) als schwerbehinderte Menschen (§ 2 [X.] 2 [X.]B IX) anerkannt oder
b) berufsunfähig oder erwerbsunfähig nach dem am 31.12.2000 geltenden Recht sind

        

und     

3.    

die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben.

Das [X.] hat bindend festgestellt (§ 163 [X.]G), dass die [X.]lägerin vor dem [X.] (am 1948) geboren ist, im 2008 und damit vor Rentenbeginn am 1.5.2008 das 60. Lebensjahr vollendet hatte, bei Rentenbeginn als schwerbehinderter Mensch anerkannt war (Bescheid des Versorgungsamts H. vom 18.2.2003) und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt hatte.

Sie war am Stichtag 16.11.2000 auch schwerbehindert. § 236a [X.]B VI ist eine übergangsrechtliche Vertrauensschutzregelung für einen besonders schutzwürdigen [X.]reis von Schwerbehinderten, der zum [X.]punkt der dritten Lesung des [X.] wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im [X.] darauf vertrauen konnte, aufgrund der zu diesem [X.]punkt bestehenden Einschränkungen die Altersrente für Schwerbehinderte mit dem 60. Lebensjahr beziehen zu können (vgl etwa [X.] in jurisP[X.]-[X.]B VI, Stand 6.10.2008, § 236a [X.]B VI Rd[X.] 43). In dieser Funktion stellt die Norm umfassend auf den durch den Status als Schwerbehinderter vermittelten Schutz und nicht etwa nur begrenzt auf bestimmte Schwerbehinderte als Inhaber dieses Schutzes ab. Zum begünstigten Personenkreis gehören damit auch diejenigen, die - wie die [X.]lägerin - am Stichtag 16.11.2000 aufgrund einer besonderen gesetzlichen Anordnung als Schwerbehinderte anzusehen sind.

Diesem Ergebnis steht auch der Wortlaut von § 236a [X.]B VI nicht entgegen, obwohl der [X.] auf "§ 2 [X.] 2 [X.]" den Anschein erwecken könnte, die Übergangsregelung sei nur auf diejenigen Schwerbehinderten beschränkt, die am Stichtag auch die in dieser Norm genannten tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllen. Insofern ist zunächst darauf hinzuweisen, dass § 2 [X.] 2 [X.]B IX erst zum [X.] in [X.] getreten ist und damit am Stichtag 16.11.2000 noch nicht anwendbar war. Da die Vorschrift jedoch inhaltlich dem bis zum 30.6.2001 geltenden Recht entspricht (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - B 9 SB 5/01 B - Juris und B[X.]E 106, 101 ff = [X.] 4-3250 § 2 [X.] 2), handelt es sich insofern für die [X.] ab dem [X.] um eine bloße Textänderung ohne Änderung des hierdurch verkörperten Rechts und entspricht damit umgekehrt der Verweis in § 236a [X.] 4 [X.]B VI auf das aktuell in § 2 [X.] 2 [X.]B IX verkörperte Recht der Sache nach einem Hinweis auf den am Stichtag 16.11.2000 tatsächlich geltenden § 1 [X.]; auf diese Norm war in der bis zum 30.6.2001 geltenden Fassung von § 236a [X.]B VI auch ausdrücklich verwiesen worden.

Das [X.] durfte offen lassen, ob die [X.]lägerin am 16.11.2000 die tatbestandlichen Voraussetzungen des damit einschlägigen § 1 [X.] erfüllte, dh ob sie noch oder wieder über einen GdB von 50 verfügte und (rechtmäßig) im Inland wohnte, sich dort aufhielt oder beschäftigt war. Vom im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Schutz als schwerbehinderte Menschen sind nämlich auch diejenigen erfasst, die am Stichtag nach der allgemeinen Regelung in § 38 [X.] 1 Halbs 2 [X.] 1986 dem gesetzlichen Schutz als Schwerbehinderte unterfallen und die deshalb ihre Schwerbehinderteneigenschaft zu diesem [X.]punkt noch mit einem gültigen Schwerbehindertenausweis nachweisen können. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist am 16.11.2000 noch diese Norm, die erst am 30.6.2001 außer [X.] getreten ist (Art 63 iVm Art 68 [X.] 1 [X.]B IX), anwendbar, während der erst am [X.] ohne Rückwirkung in [X.] getretene (Art 68 [X.] 1 [X.]B IX) § 116 [X.]B IX insofern nicht in Betracht kommt. Das Schwerbehindertenrecht sieht auch diesen Personenkreis noch vorübergehend (fiktiv) als schwerbehinderte Menschen an.

§ 38 [X.] 1 Halbs 1 [X.] 1986 setzt zunächst als unausgesprochene Grundregel voraus, dass der gesetzliche Schutz Schwerbehinderter besteht, solange - unabhängig von deren Feststellung - die Voraussetzungen nach § 1 [X.] für die Schwerbehinderteneigenschaft vorliegen. Umgekehrt erlischt dieser Schutz nach der aaO ausdrücklich getroffenen Regelung, wenn - wiederum unabhängig von einer entsprechenden Feststellung - die Voraussetzungen nach § 1 [X.] entfallen. Wird schließlich die Verringerung des GdB auf weniger als 50 durch Bescheid festgestellt, erlischt nach § 38 [X.] 1 Halbs 2 [X.] 1986 der gesetzliche Schutz Schwerbehinderter erst am Ende des dritten [X.]alendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit dieses Bescheides. Da auch im letztgenannten Fall trotz der tatbestandsmäßig vorausgesetzten bestandskräftigen Feststellung einer Verringerung des GdB auf weniger als 50 für die Dauer der dreimonatigen Schonfrist ausdrücklich ein zeitlich begrenzt fortbestehender "gesetzlicher Schutz" als "Schwerbehinderter" angeordnet wird, setzt das Gesetz auch dort die Eigenschaft als Schwerbehinderter weiter voraus und fingiert damit den Status, der sich sonst bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1 [X.] ergibt. Die Gesamtheit der so unmittelbar aufgrund der Erfüllung der Voraussetzungen nach § 1 [X.] oder fiktiv auf der Grundlage von § 38 [X.] 1 Halbs 2 [X.] 1986 als Schwerbehinderte anzusehenden Personen genießt damit den durch diesen Status vermittelten Schutz und ist folglich auch von der Schutznorm des § 236a [X.] 4 [X.]B VI erfasst. Soweit diese auf § 1 [X.] ("§ 2 [X.] 2 des [X.]") verweist, beschränkt sich diese Inbezugnahme daher auf die Rechtsfolge dieser Norm und die nur exemplarische Benennung ihres Tatbestandes als eines von mehreren Wegen, die zum Status als Schwerbehinderter führen können. Die Materialien zu § 236a [X.] 4 [X.]B VI und seinen Vorgängernormen, stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Sie enthalten keinen Hinweis darauf, dass die vorliegende [X.]onstellation von den [X.] oder im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens bedacht worden wäre. Erkennen lässt sich dort lediglich, dass mit der gewählten Formulierung dem - im Laufe des Verfahrens auch erörterten - Ausschluss der den Schwerbehinderten Gleichgestellten (§ 2 [X.]) mit einem GdB von wenigstens 30, aber weniger als 50, Rechnung getragen werden sollte.

Auf der Grundlage von § 38 [X.] 1 Halbs 2 [X.] 1986 hat die [X.] vorliegend durch den Bescheid vom [X.] neben der Aufhebung/Änderung der Verwaltungsakte aus dem Bescheid vom 18.11.1994 (Feststellung des GdB von 50 und Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft) als weiteren Verwaltungsakt verlautbart, dass der gesetzliche Schutz der [X.]lägerin als Schwerbehinderte erst mit Ende November 2000 - und damit erst nach dem 16.11.2000 - erlischt. Diese die [X.]lägerin begünstigende Regelung ist zusammen mit den im Bescheid vom [X.] getroffenen anderen Regelungen wirksam und nach den Feststellungen des [X.] auch bestandskräftig geworden. Es handelt sich dabei nach der Rechtsprechung des B[X.] um einen Verwaltungsakt, der konkret für den jeweiligen Einzelfall das Ende der Schwerbehinderteneigenschaft regelt und der damit zahlreiche Rechtsverhältnisse - unter anderem gegenüber Sozialversicherungsträgern - beeinflusst (B[X.]E 65, 185 = [X.] 1300 § 48 [X.] 57).

Das einheitliche Schutzkonzept des Schwerbehindertenrechts, an das § 236a [X.] 4 [X.]B VI anknüpft, wird durch die Regelungen über den Schwerbehindertenausweis im hier noch anzuwendenden § 4 [X.] 5 [X.] 1986 bestätigt. Nach [X.] 2 aaO dient der Ausweis dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen, die Schwerbehinderten nach dem [X.] oder nach anderen Vorschriften zustehen. Mit dem Hinweis auf andere Vorschriften außerhalb des [X.] bindet der Gesetzgeber auch Dritte an den Inhalt des Schwerbehindertenausweises, der damit zur öffentlichen Urkunde (§ 415 ZPO) wird, die eine Behörde (das Versorgungsamt) innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse (Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25.7.1991, [X.] 1739) ausstellt und eine behördliche Erklärung iS von § 417 ZPO enthält. Als öffentliche Urkunde erbringt der Schwerbehindertenausweis den vollen Beweis seines Inhalts gegenüber jedem [X.] (vgl Ausschussbericht, BT-Drucks 7/4960 S 5 f; B[X.]E 60, 11, 16 = B[X.] [X.] 3870 § 3 [X.] 21; B[X.]E 60, 284, 285 = [X.] 3870 § 3 [X.] 23; [X.] 3-3870 § 4 [X.] 4 S 20; BVerwGE 66, 315, 320; [X.]/[X.]/[X.], LP[X.]-[X.]B IX, 3. Aufl 2011, § 69 Rd[X.]9; [X.] in [X.]/von der [X.]/[X.], [X.]B IX, 3. Aufl 2009, § 69 Rd[X.] 51; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B IX, [X.] § 69 Rd[X.]n 36, 38, Stand IV/11; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B IX Teil 2, 2003, § 69 Rd[X.]13; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], H[X.]-[X.]B IX, 3. Aufl. 2010, § 69 Rd[X.] 20; [X.], [X.]b 1991, 80) und beweist, dass das Versorgungsamt die im Ausweis gekennzeichneten Entscheidungen getroffen hat. Diese (drittwirkende) Beweisfunktion des Schwerbehindertenausweises ist schon deshalb notwendig, weil die [X.] oftmals nicht selbst über [X.] Leistungen und Vergünstigungen entscheidet. Stattdessen stellt sie nach einheitlichen Maßstäben für andere Behörden (zB Sozialversicherungsträger, Finanzämter, [X.]) und sonstige Dritte (zB Arbeitgeber, öffentliche Einrichtungen, GEZ) Beginn, Dauer und Ende der Schwerbehinderteneigenschaft, des GdB und weiterer gesundheitlicher Merkmale fest, die außerhalb der originär versorgungsbehördlichen Zuständigkeit verschiedenartige Berechtigungen auslösen (B[X.]E 52, 168, 174 = [X.] 3870 § 3 [X.]3; [X.], [X.]b 1991, 80, 81). Die Bindungswirkung und Beweisfunktion erstreckt sich auf die gesamte Gültigkeitsdauer des Schwerbehindertenausweises; er ist erst einzuziehen, wenn eine Neufeststellung unanfechtbar geworden und der gesetzliche Schutz Schwerbehinderter erloschen ist (§ 4 [X.] 5 Satz 4 [X.] 1986). Dies belegt, dass das Schwerbehindertenrecht auch den Personenkreis, der während der Schonfrist noch von der nachwirkenden Schutzwirkung erfasst wird, weiterhin unverändert als schwerbehinderte Menschen ansieht. Während der nachwirkenden dreimonatigen Schutzfrist des § 38 [X.] 1 [X.] 1986 müssen Behörden deshalb die Eintragungen im Schwerbehindertenausweis ungeprüft zugrunde legen und davon abweichende Feststellungen in [X.] ignorieren. Die Beklagte ist daher an die Festschreibung des Versorgungsamts H. im Schwerbehindertenausweis der [X.]lägerin gebunden, dass deren [X.] erst "Ende Nov. 2000" abläuft (§ 4 [X.] 5 Satz 2 [X.] 1986).

Dass sich der auf diese Weise vermittelte gesetzliche Schutz Schwerbehinderter auch auf die abschlagsfreie Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach § 236a Satz 5 [X.]B VI aF bzw § 236a [X.] 4 [X.]B VI nF erstreckt, ergibt sich, wenn man den Begriff des "gesetzlichen Schutzes Schwerbehinderter" nach seinem Wortsinn (a), der Entstehungsgeschichte (b), seiner systematischen Stellung (c) sowie nach Sinn und Zweck (d) auslegt.

a) Der Bedeutungsumfang des Ausdrucks "der gesetzliche Schutz Schwerbehinderter" ist weit und enthält keine Einschränkungen seines Schutzbereichs. Er erfasst damit nicht nur Schutzvorschriften des [X.], sondern auch alle anderen (materiellen) Gesetze, die Schwerbehinderte begünstigen, indem sie ihnen Rechte, Nachteilsausgleiche oder sonstige Leistungen gewähren oder einräumen. Zu diesen ([X.] zählt damit auch § 236a [X.] 4 [X.]B VI nF, der es gerade schwerbehinderten Menschen ermöglicht, eine Altersrente vorzeitig und abschlagsfrei in Anspruch zu nehmen.

b) Die historische Interpretation bestätigt das weite [X.]. [X.] ist der sachliche Schutzbereich der Nachwirkung bis zum Inkrafttreten des [X.]B IX immer weiter ausgedehnt worden und erfasst auch nach überwiegender Meinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur die vorgezogene Altersrente für schwerbehinderte Menschen (§ 236a [X.]B VI nF).

  Die nachwirkende Schutzfrist geht auf das "Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter" ([X.] 1920) zurück, das in seiner Ursprungsfassung vom [X.] ([X.]) den Fortfall des gesetzlichen Schutzes Schwerbeschädigter allerdings (noch) nicht speziell regelte. Wer nicht mehr schwerbeschädigt war, weil die MdE unter [X.] sank, verlor danach den Schutz des Gesetzes sofort (Weigert-Wölz, Das Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter, 1921, [X.] 8 zu § 3; [X.] in G[X.]-[X.], 2. Aufl 1999, § 38 Rd[X.] 4). Allerdings führte der Gesetzgeber schon mit der Novellierung des [X.] vom 23.12.1922 ([X.]) in der Fassung vom [X.] ([X.]) mit § 20 [X.] 2 [X.] 1923 einen vorübergehenden Schutz für Personen ein, die nicht mehr schwerbeschädigt waren. Schwerbeschädigten, die bei der Neufestsetzung ihrer Rente die Schwerbeschädigteneigenschaft einbüßten, sollte der Schutz des [X.] noch für eine gewisse [X.] erhalten bleiben, um zu verhindern, dass sie von ihrem Arbeitgeber sofort gekündigt wurden ([X.]/Günther, Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter, 1928, [X.]) zu § 20). Ihnen sollte der Übergang in ein von den Vorschriften des [X.] nicht mehr geschütztes Arbeitsverhältnis erleichtert werden ([X.], Das Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter, 2. Aufl 1931, [X.] zu § 20). § 20 [X.] 2 [X.] 1923 bestimmte:      

 "Schwerbeschädigte (§ 3), deren Rente bei erneuter Festsetzung auf weniger als 50 vom Hundert herabgesetzt wird, genießen noch für ein Jahr von der Rechtskraft der neuen Entscheidung den Schutz dieses Gesetzes."       

   Hieran knüpfte § 24 Satz 1 des Schwerbeschädigtengesetzes ([X.] 1953) vom 16.6.1953 ([X.] 389) an und stellte in Satz 2 klar, dass die Betroffenen während der Schutzfrist auf die Pflichtquote des Arbeitgebers anzurechnen waren. Satz 1 der Vorschrift lautete:     

"Schwerbeschädigte, bei denen der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf weniger als 50 vom Hundert festgesetzt wird, genießen noch für ein Jahr nach Eintritt der Rechtskraft des [X.] den Schutz des Gesetzes."

§ 35 [X.] 1 des Schwerbehindertengesetzes ([X.] 1974) vom [X.] ([X.] 1006) erweiterte den Schutzbereich über die Grenzen "dieses" bzw "des Gesetzes" hinaus auf jedes Schutzgesetz und verlängerte die [X.] bis zum Ende des [X.]alenderjahres, das auf den Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheides folgte, der die MdE verringert hatte. Er lautete:    
        

"Der gesetzliche Schutz Schwerbehinderter erlischt, wenn sich der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf weniger als 50 vom Hundert verringert, dies jedoch erst am Ende des [X.]alenderjahres, das auf den Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Verringerung feststellenden Bescheides folgt."

Zusammenfassend ergibt sich aus der Vorgeschichte, dass der Nachwirkungsschutz ursprünglich auf die Vorteile beschränkt war, die das [X.] 1923 vorsah ("Schutz dieses Gesetzes"), im weiteren Verlauf durch eine offenere Formulierung auch auf andere Gesetze ("Schutz des Gesetzes") erstreckt (Wechsel vom Demonstrativpronomen "dieses" zum bestimmten Artikel "des") und schließlich ohne Bezug auf bestimmten Rechtsquellen [X.] auf jede gesetzliche Schutznorm erweitert wurde ("der gesetzliche Schutz"). Mit dem [X.] 1986 vereinheitlichte und verkürzte der Gesetzgeber den zeitlichen Schutzbereich (dh die Schonfrist) der Nachwirkungsnorm zum 1.8.1986 auf drei [X.]alendermonate, ohne jedoch ihren sachlichen Schutzbereich einzuengen.

Auch die Literatur bestimmte die Reichweite der Nachwirkung des § 38 [X.] 1 Satz 1 [X.] 1986 und seiner Vorgängerregelungen weit. Im Rahmen von § 24 [X.] 1953 und § 25 [X.] 1961 in der Fassung vom 14.8.1961 ([X.] 1233) bestand weitgehend Einigkeit, dass der Schwerbeschädigte während der [X.] noch in vollen Umfang als solcher zu behandeln sei ([X.], [X.], 2. Aufl 1962, § 25 Rd[X.] 6; [X.], [X.], Stand Juni 1962, § 25 <= § 24 aF> [X.] 4; [X.], [X.], 1954, [X.] zu § 24; Rohwer-[X.]ahlmann/ [X.], [X.], [X.]ommentar, Stand 1957, § 24 Rd[X.]1; [X.], [X.]ommentar zum [X.], 1954, § 24 Rd[X.] 6; [X.], [X.], 1953, § 24 Rd[X.] 7; [X.], [X.]ommentar zum [X.], 1953, § 24 Rd[X.] 4; aA nur Rewolle, [X.], 6. Aufl 1973, [X.] V 2 zu § 25). Nach [X.] ([X.]ommentar zum [X.], 1974, § 35 [X.] 1), Wilrodt/[X.] ([X.]ommentar zum [X.], 4. Aufl 1976, § 35 Rd[X.] 2) und [X.]/[X.] ([X.], 1974, § 35 [X.] 6) bezweckte § 35 [X.] 1974, dass der Schwerbehinderte bis zum Ablauf der Schonfrist im Genuss aller Rechte aus dem [X.] bleiben solle. Zu § 38 [X.] 1986 präzisierte [X.] (in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl 1999, § 38 Rd[X.]3), dass der Schwerbehinderte im Genuss aller Rechte aus dem [X.] und sonstiger Schutzbestimmungen bleibe. [X.] (G[X.]-[X.], 2. Aufl 1999, § 38 Rd[X.] 80) legte ausdrücklich dar, dass Schwerbehinderte bis zum Ablauf der Nachwirkungszeit alle Rechte und Pflichten besäßen, die ihnen die Gesetze gäben (ähnlich auch [X.], [X.]b 1991, 80 f). Hierzu zähle auch der Anspruch auf flexibles Altersruhegeld ab Vollendung des 60. Lebensjahres. [X.] (in [X.], [X.]ommentar zum [X.], Stand Januar 2001, § 38 Rd[X.] 16) führte aus, den Betroffenen stehe bis zum Ablauf der Schonfrist der komplette gesetzliche Schutz Schwerbehinderter auch im Hinblick auf die Rentenversicherung zu. Nur [X.] ([X.], 5. Aufl 1998, § 38 Rd[X.] 2a) verneinte einen Anspruch nach § 37 [X.]B VI, wenn der GdB - bezogen auf den Rentenbeginn (hier: 1.5.2008) - bereits unanfechtbar auf weniger als 50 festgestellt sei, auch wenn dieser [X.]punkt noch innerhalb der dreimonatigen Schonfrist liege [X.], [X.], Stand Mai 2000, § 38 [X.] 3; so jetzt auch zu § 116 [X.]B IX [X.], aaO, § 116 Rd[X.] 5). Ob sich diese Ausführungen auch auf den hier maßgeblichen Stichtag (16.11.2000) beziehen, lassen [X.] (aaO) und [X.] (aaO) allerdings offen. Die rentenversicherungsrechtliche Literatur beschäftigt sich - soweit ersichtlich - nicht mit dem Nachwirkungsschutz des § 38 [X.] 1 [X.] 1986 und seinen Folgen für die Vertrauensschutzregelungen des § 236a [X.]B VI.

c) Die logisch-systematische Interpretation spricht ebenfalls für eine große Reichweite der Nachwirkung. Denn § 38 [X.] 1986 sprach allgemein und gesetzesübergreifend vom "gesetzlichen Schutz", während § 39 [X.] 1986 einschränkend und gesetzesimmanent auf "die Vorteile dieses Gesetzes" rekurrierte. Unterscheidet der Gesetzgeber in dieser Weise in aufeinanderfolgenden Bestimmungen zwischen verschiedenen Schutzbereichen, so muss man zum "gesetzlichen Schutz" auch die Rechte, Nachteilsausgleiche und Begünstigungen zählen, die schwerbehinderten Menschen nach Vorschriften außerhalb des [X.] zustehen (vgl dazu auch [X.], aaO). Dabei bestimmt sich das Zusammenspiel der beiden ranggleichen [X.] (§ 38 [X.] 1986 einerseits und § 236a [X.] 4 [X.]B VI nF andererseits) nach dem Leitgedanken von der Einheit der Rechtsordnung: § 236a [X.] 4 [X.]B VI nF ist eine Schutznorm zugunsten Schwerbehinderter; wer (noch) schwerbehindert ist, regelt ua § 38 [X.] 1986.

d) Wie sich bereits aus der Entstehungsgeschichte ergibt, bestand der Zweck der Schonfrist ursprünglich darin, ehemals [X.] bzw Schwerbehinderten einen nachwirkenden [X.]ündigungsschutz zu verschaffen und ihnen in der Umstellungsphase den Übergang in ein Arbeitsverhältnis zu erleichtern, das vom [X.] bzw [X.] nicht mehr geschützt war ([X.], aaO, § 38 Rd[X.] 7). In der Folgezeit blieb dieser Schutz jedoch nicht auf das Arbeits- und Berufsleben beschränkt (vgl dazu [X.], Schwerbehindertengesetz mit Praxiskommentar, 4. Aufl 1995, § 38 Rd[X.]50), sondern wurde auf eine nahezu unübersehbare Vielzahl weiterer Vorteile und Vergünstigungen ausgedehnt, wenngleich der besondere [X.]ündigungsschutz des Schwerbehindertenrechts weiterhin zu den zentralen und wichtigsten Anwendungsfeldern der Schonfrist zählte. Der Gedanke, Schwerbehinderten die Umstellung auf eine neue Erwerbsquelle zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erleichtern, trägt aber auch und gerade im Übergang vom Arbeitsleben in die Rente. Denn hier wie da kann der Wegfall der Schwerbehinderteneigenschaft großen Einfluss auf die zukünftige Lebensplanung haben (Aufhebungsvertrag, [X.]ündigung, Arbeitslosigkeit, Altersteilzeitvereinbarung) und umfangreiche Vermögensdispositionen im Hinblick auf die Alterssicherung oder eine längere Erwerbsphase erfordern. Zudem besteht beim Wegfall der Schwerbehinderteneigenschaft auch heute noch ein erhöhtes [X.]ündigungsrisiko mit der Gefahr anschließender Arbeitslosigkeit, die durch die vorgezogene Altersrente für schwerbehinderte Menschen gerade reduziert werden sollte (vgl dazu [X.]ünzler in [X.]/[X.], Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung [X.]B VI, 2011, [X.]ap 12 Rd[X.]3). In diesem [X.]ontext erscheint die Nachwirkung der Schwerbehinderteneigenschaft besonders dringlich, so dass auch unter teleologischen Gesichtspunkten die weite Auslegung vorzugswürdig ist.

Dass die [X.]lägerin unter diesen Umständen aufgrund des befristeten Schutzes als Schwerbehinderte einen dauerhaften rentenrechtlichen Vorteil erhält, ist Resultat der vom Gesetzgeber verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich (vgl zuletzt etwa [X.] [X.]ammerbeschluss vom 20.4.2011 - 1 BvR 1811/08 - [X.]/[X.]B 2011, 337 ff) und in sachgerechter Anknüpfung an den Tag der dritten Lesung des [X.] wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im [X.] gewählten Stichtagsregelung. Diese bringt - ohne dass sich hieraus Bedenken gegen ihre Verfassungsmäßigkeit ergäben - durch ihr punktuelles Vorgehen "im Guten wie im Bösen" stets unvermeidbar Unwägbarkeiten mit sich, die bei einer zeitlichen Längsschnittbetrachtung ggf vermieden werden könnten. So bliebe etwa auch unberücksichtigt, wenn ein tatsächlich einen GdB von 50 rechtfertigender körperlicher, geistiger oder seelischer Zustand unmittelbar vor dem Stichtag entfiele oder bereits am Stichtag feststünde, dass er demnächst mit der Folge eines GdB unter 50 entfallen werde. Für den Umstand, dass der Stichtag in die von vorneherein begrenzte Schonfrist fällt oder nicht, gilt nichts anderes.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 5 R 56/10 R

11.05.2011

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Heilbronn, 25. März 2009, Az: S 5 R 3101/06, Urteil

§ 77 Abs 2 Nr 2a SGB 6, § 236a Abs 4 SGB 6, § 2 Abs 2 SGB 9, § 2 Abs 3 SGB 9, § 116 Abs 1 SGB 9, § 4 Abs 5 SchwbG vom 26.08.1986, § 38 Abs 1 SchwbG vom 26.08.1986, § 96 SGG, § 415 ZPO, § 417 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 11.05.2011, Az. B 5 R 56/10 R (REWIS RS 2011, 6802)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6802

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 13 R 15/15 R (Bundessozialgericht)

Inlandsbezug der Schwerbehinderung als Voraussetzung für eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen - Verlust der Schwerbehinderteneigenschaft …


B 9 SB 3/10 R (Bundessozialgericht)

Schwerbehindertenrecht - Behinderung - GdB - Schwerbehinderung - rückwirkende Feststellung - Feststellungsinteresse - Status - …


B 9 SB 1/11 R (Bundessozialgericht)

Schwerbehindertenrecht - besonderes Interesse an der rückwirkenden GdB-Feststellung - beabsichtigte Inanspruchnahme von Steuervorteilen - Glaubhaftmachung …


L 13 R 784/13 (LSG München)

§ 34 Abs. 3 SGB VI ist verfassungsgemäß.


B 13 R 345/09 B (Bundessozialgericht)

Witwenrente - Absenkung des Zugangsfaktors bei Tod des Versicherten vor Vollendung des 60. Lebensjahres - …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 BvR 1811/08

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.