Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.07.2011, Az. AnwZ (B) 28/10

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2011, 4711

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft: Vermutung des Vermögensverfalls bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung


Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes [X.] vom 20. November 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist seit 1988 im [X.]ezirk der Antragsgegnerin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Auf Antrag des Antragstellers vom 7. Januar 2008 ist am 17. Juli 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet worden. Der Antragsteller hat Restschuldbefreiung beantragt.

2

Mit [X.]escheid vom 27. Februar 2009 hat die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls widerrufen. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der [X.] zurückgewiesen. Mit seiner sofortigen [X.]eschwerde will der Antragsteller weiterhin die Aufhebung des [X.] erreichen.

II.

3

Die sofortige [X.]eschwerde ist zulässig (§ 215 Abs. 3 [X.]; § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 [X.] a.F.), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

4

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, die Interessen der Rechtsuchenden sind hierdurch nicht gefährdet. Vermögensverfall ist eingetreten, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. [X.]eweisanzeichen hierfür sind das Erwirken von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn ([X.], [X.]eschluss vom 31. Mai 2010 - [X.] ([X.]) 27/09, [X.], 1380 Rn. 4 m.w.N.). Der Vermögensverfall wird gesetzlich vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 [X.]).

5

2. Im Zeitpunkt des [X.] waren diese Voraussetzungen erfüllt.

6

a) Der Antragsteller befand sich in Vermögensverfall. Über sein Vermögen war das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Dadurch war der Vermögensverfall indiziert. Umstände, die geeignet gewesen wären, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen, sind weder dargetan noch ersichtlich.

7

aa) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Rechtsanwalts führt, wie sich schon aus der gesetzlichen Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 [X.] ergibt, allein nicht zu einer Ordnung der Vermögensverhältnisse ([X.], [X.]eschluss vom 13. März 2000 - [X.] ([X.]) 28/99, [X.], 1018; vom 7. Dezember 2004 - [X.] ([X.]) 40/04, [X.] 2005, 324, 325; vom 16. April 2007 - [X.] ([X.]) 6/06, [X.] 2007, 619 Rn. 9; vom 31. Mai 2010 - [X.] ([X.]) 27/09, [X.], 1380 Rn. 12). Geordnete Vermögensverhältnisse können in einem solchen Fall vielmehr erst dann wieder angenommen werden, wenn dem Schuldner durch [X.]eschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt worden ist (§ 291 [X.]) oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 [X.]) oder ein angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 [X.]) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen Verbindlichkeiten befreit wird. Nur dann besteht die hinreichend konkrete Erwartung, dass nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht auf unabsehbare Zeit Forderungen offen bleiben.

8

bb) Die Anordnung der Eigenverwaltung ändert im Ergebnis nichts. Wird Eigenverwaltung angeordnet, bleibt der Schuldner berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen (§ 270 Abs. 1 [X.]). Auf die Verbindlichkeiten des Schuldners hat die Eigenverwaltung jedoch keinen Einfluss. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens können die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen unbeschränkt geltend machen (§ 201 [X.]).

9

b) Entgegen der Ansicht des Antragstellers war auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht auszuschließen. Wie der Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 [X.] zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt ([X.], [X.]eschluss vom 25. Juni 2007 - [X.] ([X.]) 101/05, [X.] 2007, 618 Rn. 8 m.w.N.). Das gilt auch im vorliegenden Fall. Die Gefahr des unberechtigten Zugriffs auf [X.] blieb trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen, nachdem Eigenverwaltung angeordnet und von der Möglichkeit des § 275 Abs. 2 [X.] kein Gebrauch gemacht worden war. Dass der Antragsteller, wie er vorgetragen hat, keine Fremdgelder eingenommen, sondern die Schuldner seiner Mandanten (Drittschuldner) angehalten hat, unmittelbar an die Mandanten zu zahlen, schloss nicht aus, dass gleichwohl Fremdgeld auf sein Konto gelangte.

3. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung sind auch nicht nachträglich entfallen.

a) Nach der zum alten, hier noch maßgeblichen (vgl. § 215 Abs. 3 [X.]) Verfahrensrecht entwickelten Rechtsprechung des Senats scheidet ein Widerruf der Zulassung aus, wenn der [X.] im Verlauf des Verfahrens entfallen ist ([X.], [X.]eschluss vom 12. November 1979 - [X.] ([X.]) 16/79, [X.]Z 75, 356, 357; vom 17. Mai 1982 - [X.] ([X.]) 5/82, [X.]Z 84, 149, 150; vgl. jetzt aber [X.], [X.]eschluss vom 29. Juni 2011 - [X.] ([X.]rfg) 11/10, z.[X.].). Dies setzt jedoch voraus, dass der Fortfall des [X.], hier des Vermögensverfalls, von dem Rechtsanwalt zweifelsfrei nachgewiesen wird ([X.], [X.]eschluss vom 31. Mai 2010, aaO Rn. 10 m.w.N.). Die Darlegungs- und [X.]eweislast dafür, dass es ihm gelungen ist, seine Vermögensverhältnisse wieder zu ordnen, trifft den Rechtsanwalt, dem eine entsprechende Mitwirkungspflicht nach § 215 Abs. 3 [X.] [X.]. § 36a [X.] a.F. obliegt (heute § 32 [X.] [X.]. § 26 Abs. 2 VwVfG).

b) Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der Antragsteller weder dargelegt noch nachgewiesen.

aa) Das Insolvenzverfahren über sein Vermögen ist noch nicht aufgehoben worden, so dass der Vermögensverfall nach wie vor vermutet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 [X.]). Am 18. März 2011 hat der Antragsteller zwar einen Insolvenzplan vorgelegt (§ 284 Abs. 1, §§ 217 ff. [X.]). Dieser ist bisher weder von den Gläubigern angenommen noch vom Insolvenzgericht bestätigt worden.

bb) Der Antragsteller hat angeregt, im Hinblick auf den nunmehr vorgelegten Insolvenzplan sowie wegen der seiner Ansicht nach erzielten Fortschritte bei der Konsolidierung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Dieser Anregung kann der Senat nach dem Ergebnis der Verhandlung nicht nachkommen. Der Antragsteller hat erläutert, dass er mit mehreren Gläubigern in Verhandlungen stehe. Die Steuerverwaltung sei grundsätzlich einverstanden, wenn die angemeldete Forderung festgestellt und mit der für die betreffende Gruppe vorgesehenen Quote erfüllt werde; an die [X.] D.       sei zwischenzeitlich zur [X.]ereinigung einer streitigen Forderung aus Avalkrediten von dritter Seite ein [X.]etrag von 83.000 € gezahlt worden. Damit steht fest, dass der Insolvenzplan so, wie er jetzt vorliegt, nicht beschlossen werden kann. Ob die Darlehenszusage der [X.], deren Geschäftsführerin die Lebensgefährtin des Antragstellers ist, überhaupt eine ausreichende Grundlage für die Durchführung eines Insolvenzplans darstellt, mag offenbleiben. Gelingt es dem Antragsteller, seine wirtschaftlichen Verhältnisse mit Hilfe eines gerichtlich bestätigten Insolvenzplans wieder zu ordnen, kann er erneut die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragen.

[X.]                                 Seiters

                           Stüer                                         [X.]

Meta

AnwZ (B) 28/10

18.07.2011

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 20. November 2009, Az: 1 AGH 27/09, Beschluss

§ 14 Abs 2 Nr 7 Halbs 2 BRAO, § 270 Abs 1 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.07.2011, Az. AnwZ (B) 28/10 (REWIS RS 2011, 4711)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4711

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

AnwZ (B) 28/10 (Bundesgerichtshof)


AnwZ (B) 79/09 (Bundesgerichtshof)

Anwaltliches Berufsrecht: Widerruf der Anwaltszulassung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei Kanzleifreigabe und Beantragung der Restschuldbefreiung


AnwZ (B) 79/09 (Bundesgerichtshof)


AnwZ (B) 81/07 (Bundesgerichtshof)


AnwZ (B) 36/09 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.