Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2011, Az. AnwZ (B) 28/10

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2011, 4691

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[X.]UNDESGERICHTSHOF

[X.]ESCHLUSS
AnwZ ([X.]) 28/10

vom

18. Juli 2011

in dem Verfahren

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft-

2

-

Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat durch den Präsidenten des [X.]undesgerichtshofs Prof. Dr. Tolksdorf, die Richterin
Lohmann, den
Richter Seiters sowie die Rechtsanwälte Prof. Dr. Stüer und Dr. Martini
nach mündli-cher Verhandlung

am 18. Juli
2011
beschlossen:

Die sofortige [X.]eschwerde des Antragstellers gegen den [X.]eschluss des 1. Senats des [X.]s des Landes [X.] vom 20. November
2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im [X.]eschwerdeverfahren entstande-nen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das [X.]eschwerdeverfahren wird auf 50.000

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist seit 1988 im [X.]ezirk der Antragsgegnerin zur [X.] zugelassen. Auf Antrag des Antragstellers vom 7.
Januar 2008 ist
am 17.
Juli 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners 1
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3

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eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet worden. Der Antragsteller hat Rest-schuldbefreiung beantragt.

Mit [X.]escheid vom 27.
Februar 2009 hat die Antragsgegnerin die Zulas-sung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen [X.] [X.]. Den hiergegen gerichteten Antrag auf
gerichtliche Entscheidung hat der [X.] zurückgewiesen. Mit seiner sofortigen [X.]eschwerde will der Antragsteller weiterhin die Aufhebung des [X.] erreichen.

II.

Die sofortige [X.]eschwerde ist zulässig (§
215 Abs.
3 [X.]RAO; §
42 Abs.
1 Nr.
2, Abs.
4 [X.]RAO a.F.), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1. Nach §
14 Abs.
2 Nr.
7 [X.]RAO ist die Zulassung zur Rechtsanwalt-schaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, die Interessen der Rechtsuchenden sind hierdurch nicht gefährdet. Vermögensverfall ist eingetreten, wenn der Rechtsanwalt in
ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. [X.]eweisanzeichen hierfür sind das Erwirken von Schuldtiteln und Vollstre-ckungsmaßnahmen gegen ihn ([X.]GH, [X.]eschluss vom 31.
Mai 2010 -
AnwZ ([X.]) 27/09, [X.], 1380 Rn.
4 m.w.N.). Der Vermögensverfall wird gesetzlich vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet wird (§
14 Abs.
2 Nr.
7 Halbsatz 2 [X.]RAO).

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4
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4

-

2. Im Zeitpunkt des [X.] waren
diese Voraussetzungen
erfüllt.

a) Der Antragsteller befand sich in Vermögensverfall. Über sein
Vermö-gen
war
das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Dadurch war der Vermögens-verfall indiziert. Umstände, die geeignet gewesen wären, die gesetzliche [X.] zu widerlegen, sind weder
dargetan noch ersichtlich.

aa) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Rechtsanwalts führt, wie sich schon aus der gesetzlichen Vermutung des §
14 Abs.
2 Nr.
7 Halbsatz 2 [X.]RAO ergibt, allein
nicht zu einer Ordnung der Vermö-gensverhältnisse
([X.]GH, [X.]eschluss vom 13.
März 2000 -
AnwZ ([X.]) 28/99, [X.], 1018; vom
7.
Dezember 2004 -
AnwZ ([X.]) 40/04, [X.] 2005, 324, 325; vom 16.
April 2007 -
AnwZ ([X.]) 6/06, [X.] 2007, 619 Rn.
9; vom 31.
Mai 2010 -
AnwZ ([X.]) 27/09, [X.], 1380 Rn.
12).
Geordnete Vermögensverhältnisse
kön-nen in einem solchen Fall vielmehr
erst
dann
wieder
angenommen werden, wenn dem Schuldner durch [X.]eschluss des Insolvenzgerichts die [X.] angekündigt worden ist

291
[X.]) oder ein vom Insolvenzgericht be-stätigter Insolvenzplan (§
248 [X.]) oder
ein
angenommener Schuldenbereini-gungsplan (§
308 [X.]) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen Verbindlichkeiten
befreit wird. Nur dann besteht die hinreichend konkrete Erwar-tung, dass nach Aufhebung
des Insolvenzverfahrens nicht auf unabsehbare Zeit Forderungen offen bleiben.

[X.]) Die Anordnung der Eigenverwaltung ändert im Ergebnis nichts. Wird Eigenverwaltung angeordnet, bleibt
der Schuldner
berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen (§
270 Abs.
1 [X.]). Auf die
Verbindlichkeiten des Schuldners hat die Eigen-5
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-

verwaltung jedoch keinen Einfluss. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens können die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen unbeschränkt geltend machen

201 [X.]).

b) Entgegen der Ansicht des Antragstellers war auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht auszuschließen. Wie der Vermutung
des §
14 Abs.
2 Nr.
7
Halbsatz 2
[X.]RAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzge-ber
grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den
darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt ([X.]GH, [X.]eschluss vom 25.
Juni 2007 -
AnwZ ([X.]) 101/05, [X.] 2007, 618 Rn.
8 m.w.N.). Das gilt auch im vorliegenden Fall. Die
Gefahr des unberechtigten Zu-griffs auf Mandantengelder
blieb trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen, nachdem
Eigenverwaltung angeordnet und von der Möglichkeit des §
275 Abs.
2 [X.] kein Gebrauch gemacht worden war.
Dass der Antragsteller, wie er vorgetragen hat,
keine Fremdgelder eingenommen, sondern die Schuld-ner seiner Mandanten (Drittschuldner) angehalten hat, unmittelbar an die [X.] zu zahlen, schloss
nicht aus, dass gleichwohl Fremdgeld auf sein Konto gelangte.

3. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung sind auch nicht nachträglich entfallen.

a) Nach der zum alten, hier noch maßgeblichen (vgl. §
215 Abs.
3 [X.]RAO) Verfahrensrecht entwickelten Rechtsprechung des Senats
scheidet
ein Widerruf der Zulassung aus, wenn der [X.] im Verlauf des [X.] entfallen ist ([X.]GH, [X.]eschluss vom 12.
November 1979 -
AnwZ ([X.]) 16/79, 9
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6

-

[X.]GHZ 75, 356, 357; vom 17.
Mai 1982 -
AnwZ ([X.]) 5/82, [X.]GHZ 84, 149, 150; vgl. jetzt aber [X.]GH, [X.]eschluss vom 29.
Juni 2011 -
AnwZ ([X.]rfg) 11/10, z.[X.].). Dies setzt jedoch voraus, dass der Fortfall des [X.]s, hier
des Ver-mögensverfalls, von dem Rechtsanwalt zweifelsfrei nachgewiesen wird ([X.]GH, [X.]eschluss vom 31.
Mai 2010, aaO Rn.
10 m.w.N.). Die Darlegungs-
und [X.]e-weislast dafür, dass es ihm gelungen ist, seine Vermögensverhältnisse wieder zu ordnen, trifft den Rechtsanwalt, dem eine entsprechende Mitwirkungspflicht nach §
215 Abs.
3 [X.]RAO i.V.m.
§
36a [X.]RAO a.F. obliegt (heute §
32 [X.]RAO i.V.m.
§
26 Abs.
2 VwVfG).

b) Eine Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hat der [X.] weder dargelegt noch nachgewiesen.

aa) Das Insolvenzverfahren über sein Vermögen ist noch nicht aufgeho-ben worden, so dass der Vermögensverfall nach wie vor vermutet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 [X.]RAO). Am 18. März 2011
hat der Antragsteller zwar einen Insolvenzplan vorgelegt (§ 284 Abs. 1, §§ 217 ff.
[X.]). Dieser ist bisher weder von den Gläubigern angenommen noch vom Insolvenzgericht bestätigt worden.

[X.]) Der Antragsteller hat angeregt,
im Hinblick auf den
nunmehr vorge-legten Insolvenzplan sowie wegen der seiner Ansicht nach erzielten Fortschritte bei der Konsolidierung seiner Einkommens-
und Vermögensverhältnisse das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Dieser Anregung kann der Senat nach
dem Ergebnis der Verhandlung nicht nachkommen. Der Antragsteller hat erläutert, dass er mit mehreren Gläubigern in Verhandlungen stehe. Die [X.] sei grundsätzlich einverstanden, wenn die angemeldete Forderung [X.] und mit der für die betreffende Gruppe vorgesehenen
Quote erfüllt werde; 12
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an die [X.] D.

sei zwischenzeitlich zur [X.]ereinigung einer gezahlt worden. Damit steht fest, dass der Insolvenzplan so, wie er jetzt vor-liegt, nicht beschlossen werden kann. Ob die Darlehenszusage der A.

Ge-sellschaft

mbH,
deren Geschäftsführerin die Lebensgefährtin des Antragstellers ist, überhaupt eine ausreichende Grundlage für die Durchführung eines Insolvenzplans dar-stellt, mag offenbleiben. Gelingt es dem Antragsteller, seine wirtschaftlichen Verhältnisse mit Hilfe eines gerichtlich bestätigten Insolvenzplans wieder zu ordnen, kann er erneut die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft beantragen.

Tolksdorf
Lohmann
Seiters

Stüer
Martini

Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 20.11.2009 -
1 AGH 27/09 -

Meta

AnwZ (B) 28/10

18.07.2011

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.07.2011, Az. AnwZ (B) 28/10 (REWIS RS 2011, 4691)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4691

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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