Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.01.2010, Az. AnwZ (B) 79/09

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2010, 10637

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[X.][X.]ESCHLUSS [X.] ([X.]) 79/09 vom 7. Januar 2010 in dem Verfahren wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft - 2 - Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat durch [X.] im Einverständnis der Parteien im schriftlichen Verfahren am 7. Januar 2010 beschlossen: Die sofortige [X.]eschwerde der Antragstellerin gegen den [X.]e-schluss des 1. Senats des [X.]s des Landes [X.] vom 24. April 2009 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat die Kosten des [X.]eschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im [X.]eschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstat-ten. Der Geschäftswert für das [X.]eschwerdeverfahren wird auf 50.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Die Antragstellerin ist im [X.]ezirk der Antragsgegnerin als Rechtsanwältin zugelassen. Am 29. Februar 2008 beantragte sie die Eröffnung des [X.] über ihr Vermögen. Dem entsprach das Amtsgericht - [X.] - 3 - richt Œ M...................... mit [X.]eschluss vom 24. September 2008. Am 27. Oktober 2008 waren in dem bislang nicht abgeschlossenen Insolvenzver-fahren Forderungen in Höhe von 92.417,73 • angemeldet. Mit [X.]escheid vom 27. Januar 2009 hat die Antragsgegnerin die Zulassung der Antragstellerin zur Rechtsanwaltschaft wegen [X.] widerrufen. Deren Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der [X.] zurückgewiesen. [X.] wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen [X.]eschwerde. Die An-tragsgegnerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. I[X.] Das nach § 215 Abs. 3 [X.]RAO [X.]. § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 [X.]RAO a. F. zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg. 2 1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO ist die Zulassung zur Rechtsanwalt-schaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in [X.], schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. [X.]eweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. Senat, [X.]eschl. v. 25. März 1991, [X.] ([X.]) 73/90, [X.]RAK-Mitt. 1991, 102; [X.]eschl. v. 21. November 1994, [X.] ([X.]) 40/94, [X.]RAK-Mitt. 1995, 126; [X.]eschl. v. 26. November 2002, [X.] ([X.]) 18/01, [X.], 577). Wird das Insolvenzverfahren über sein [X.] eröffnet, wird der Vermögensverfall gesetzlich vermutet. 3 2. Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass des [X.] vor. 4 - 4 - a) Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Antragstellerin in [X.]. Sie hatte über 70.000 • Schulden, die sie weder mit ihren Einnahmen aus ihrer anwaltlichen Tätigkeit noch aus ihrem Vermögen zurückzahlen konnte. Sie hatte deshalb selbst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beantragt und später Restschuldbefreiung beantragt. Der von dem Insolvenzge-richt bestellte vorläufige Insolvenzverwalter stellte in seinem [X.]ericht fest, dass ermittelten Gläubigerforderungen von etwa 92.000 • eine freie Masse von etwa 14.500 • gegenüberstand. Aus diesem [X.]ericht ergibt sich auch, dass die [X.] nicht in der Lage war, ihren eigenen und den Lebensunterhalt ihrer beiden minderjährigen Kinder aus ihren Einkünften zu bestreiten, und dass ihr deshalb staatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 1.030,40 • bewilligt worden waren. Der Vermögensverfall wurde bei der Antragstellerin auch gesetzlich vermutet, weil das Insolvenzgericht auf Grund des [X.]erichts des vorläufigen Insolvenzverwalters mit [X.]eschluss vom 24. September 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Antragstelle-rin eröffnet hatte. Diese Vermutung hat die Antragstellerin nicht entkräftet. 5 b) [X.]ei Erlass des [X.] lagen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren und deshalb nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 1 [X.]RAO von einem Widerruf abzuse-hen war. 6 aa) Wie der [X.]estimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Interessen der Rechtsuchenden [X.] sind, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet (Senat, [X.]eschl. v. 31. März 2008, [X.] ([X.]) 33/07, juris). Das ist in der Regel auch der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremd-geldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern (Senat, [X.]eschl. v. 18. Oktober 2004, [X.] ([X.]) 43/03, [X.], 511 unter [X.]). Diese [X.] - 5 [X.] entfällt nicht bereits durch die Insolvenzeröffnung und die damit verbun-dene Verfügungsbeschränkung des Insolvenzschuldners (Senat, [X.]eschl. v. 25. Juni 2007, [X.] ([X.]) 101/05, NJW 2007, 2924, 2925, [X.]. 12; [X.]eschl. v. 31. März 2008, [X.] ([X.]) 33/07, juris). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens löst nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 [X.]RAO die Vermutung des [X.] aus. Das wiederum hat seinen Grund darin, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 16 [X.] einen Eröffnungsgrund - das sind nach §§ 17 bis 19 [X.] Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Ü-berschuldung - voraussetzt und damit eine Gefährdung der Rechtsuchenden indiziert. Nach dieser Wertung des Gesetzgebers kann die Eröffnung des [X.] nicht schon als solche dazu führen, dass die Gefährdung der Rechtsuchenden durch den mit der Verfahrenseröffnung gerade vermuteten Vermögensverfall nicht mehr besteht. Dann liefe die Vermutung im Ergebnis ins Leere. [X.]) Die Gefährdung der Rechtsuchenden entfällt auch nicht schon mit der Freigabe der Kanzlei durch den Insolvenzverwalter (Senat, [X.]eschl. v. 16. April 2007, [X.] ([X.]) 6/06, [X.] 2007, 619, 620). Die Kanzlei wird nämlich regelmäßig - und so auch im Fall der Antragstellerin - deshalb freigegeben, weil sich der Insolvenzverwalter von ihrem weiteren [X.]etrieb keine Übererlöse für die Insolvenzmasse verspricht und Kosten vermeiden möchte. Mit ihrer Freigabe durch den Insolvenzverwalter unterliegt die Kanzlei zwar nicht mehr dem [X.]. Damit kann der Rechtsanwalt dann auch wieder frei seine [X.] betreiben. Entgegen der Annahme der Antragstellerin verbessert das die Lage der Rechtsuchenden aber nicht. Der Rechtsanwalt kann wieder Fremd-gelder entgegennehmen und über sie verfügen. Seine Gläubiger können auf das Kanzleivermögen zugreifen wie auf andere freie Vermögenswerte des Rechtsanwalts. Die Interessen der Rechtsuchenden bleiben deshalb auch und 8 - 6 - gerade nach einer Freigabe der Kanzlei mangels Ertrags unverändert gefähr-det. 3. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung sind auch nicht im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens zweifelsfrei entfallen. 9 a) Im gerichtlichen Verfahren gegen Entscheidungen über den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats zu berücksichtigen, ob der Grund für den Widerruf nachträglich entfallen ist ([X.]GHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der Rechtsanwalt andernfalls nach [X.]estätigung des Widerrufs sogleich wieder zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden müsste. Erfolgt der Widerruf wegen [X.], besteht ein Anspruch auf Wiederzulassung aber nur, wenn geordnete Verhältnisse zweifelsfrei wiederhergestellt sind. Die [X.] und [X.]eweislast dafür, dass es ihm gelungen ist, den Vermögensverfall zu beseitigen, trifft den Rechtsanwalt ([X.]GH, [X.]eschl. v. 10. Dezember 2007, [X.] ([X.]) 1/07, [X.]RAK-Mitt. 2008, 73, [X.]. 8; [X.]/[X.], [X.]RAO, 7. Aufl., § 14 Rdn. 60). Deshalb kann ein nachträglicher Wegfall des Widerrufsgrunds des [X.] auch bei der gerichtlichen Überprüfung des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nur berücksichtigt werden, wenn er zwei-felsfrei nachgewiesen wird. 10 b) Diesen Nachweis hat die Antragstellerin nicht geführt. 11 aa) Die Vermögensverhältnisse eines Rechtsanwalts können grundsätz-lich erst mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, mit welcher der Schuldner das Recht zurückerhält, über die vormalige Insolvenzmasse frei zu verfügen (§ 259 Abs. 1 Satz 2 [X.]), und mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung durch [X.]eschluss des Insolvenzgerichts (§ 291 Abs. 1 [X.]) wieder als geordnet angesehen werden (Senat, [X.]eschl. v. 7. Dezember 2004, [X.] ([X.]) 40/04, [X.], 1271 unter [X.] und 3). Daran fehlt es hier. Das Insolvenzverfahren ist nicht abgeschlossen. Greifbare Anhaltspunkt dafür, dass sich ein Verfahrens-abschluss mit einer Restschuldbefreiung oder einem Insolvenzplan kurzfristig erreichen ließe, bestehen nicht. Der Insolvenzverwalter hat zwar in seinem Gutachten für das Insolvenzgericht vom 29. August 2008 die Möglichkeit ange-sprochen, mit einem Darlehen der Eltern der Antragstellerin über 10.000 • ei-nen "Vergleich" mit den Gläubigern und einen kurzfristigen [X.] zu erreichen. Die Antragstellerin hat aber weder die [X.]ereitstellung der Mittel nachgewiesen noch dargelegt, dass sie statt der von ihr zunächst bean-tragten Restschuldbefreiung vorrangig den Abschluss des Verfahrens durch Schuldenbereinigungsplan anstrebt und aus welchen Gründen der erwogene Schuldenbereinigungsplan in dem seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ver-strichenen Zeitraum von mehr als einem Jahr nicht zustande gekommen ist. Das geht zu ihren Lasten. [X.]) Die Gefährdung der Rechtsuchenden besteht grundsätzlich fort, [X.] das Verfahren läuft. Auch der Antrag auf Restschuldbefreiung im Insol-venzverfahren ändert an dem Fortbestand einer Gefährdung der Rechtsuchen-den nichts (Senat, [X.]eschl. v. 13. März 2000, [X.] ([X.]) 28/99, [X.], 1228, 1229; [X.]eschl. v. 7. März 2005, [X.] ([X.]) 7/04, [X.], 1944; [X.]eschl. v. 31. März 2008, [X.] ([X.]) 33/07, juris). Vielmehr kann in aller Regel erst dann davon ausgegangen werden, dass nicht nur der Vermögensverfall, sondern auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nach dem [X.] des Insolvenzverfahrens nicht mehr fortbesteht, wenn das Insolvenz-verfahren zu einem Abschluss führt, bei dem mit einer Konsolidierung der [X.]sverhältnisse des Antragstellers gerechnet werden kann. Das setzt die Ankündigung der Restschuldbefreiung durch [X.]eschluss des Insolvenzgerichts (Senat, [X.]eschl. v. 7. Dezember 2004, [X.] ([X.]) 40/04, [X.], 1271 unter [X.]; [X.]eschl. v. 7. März 2005, [X.] ([X.]) 7/04, [X.], 1944; [X.]eschl. v. 13 - 8 - 16. April 2007, [X.] ([X.]) 6/06, [X.] 2007, 619, 620) oder die Annahme eines Schuldenbereinigungsplans durch die Gläubiger oder die Ersetzung von deren Zustimmung durch das Insolvenzgericht (Senat, [X.]eschl. v. 6. November 2000, [X.] ([X.]) 1/00, juris; [X.]eschl. v. 7. Dezember 2004, [X.] ([X.]) 40/04, [X.], 1271) voraus. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es ist nicht einmal erkennbar, ob das Verfahren durch Schuldenbereinigungsplan oder im Wege der Restbeschuldbefreiung beendet werden soll. Auch das geht zu Lasten der Antragstellerin. - 9 - 4. Der Senat entscheidet im schriftlichen Verfahren, weil die [X.]eteiligten auf eine mündliche Verhandlung verzichtet haben. Die [X.]esetzung bestimmt sich mangels abweichender Übergangsregelung auch in Verfahren, die vor dem 1. September 2009 bei dem Senat anhängig geworden sind, nach § 106 Abs. 2 Satz 1 [X.]RAO in der seitdem geltenden Fassung (Senat, [X.]eschl. v. 4. November 2009, [X.] ([X.]) 16/09 für [X.]GHZ bestimmt, juris). 14 [X.] Schmidt-Räntsch
Wüllrich [X.]raeuer Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 24.04.2009 - 1 [X.] 11/09 -

Meta

AnwZ (B) 79/09

07.01.2010

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.01.2010, Az. AnwZ (B) 79/09 (REWIS RS 2010, 10637)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10637

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