Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.05.2010, Az. AnwZ (B) 46/09

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2010, 6261

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[X.][X.] ([X.]) 46/09 vom 31. Mai 2010 in dem Verfahren wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft - 2 - Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat durch [X.] Ganter, [X.] Ernemann, die Richterin [X.], den Rechtsanwalt Dr. [X.] und die Rechtsanwältin [X.] nach mündlicher Verhandlung am 31. Mai 2010 beschlossen: Die sofortige [X.]eschwerde der Antragstellerin gegen den [X.]e-schluss des [X.] des Landes [X.]aden-Württemberg vom 12. Juli 2008 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im [X.]eschwerdeverfahren entstande-nen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten. Der Geschäftswert für das [X.]eschwerdeverfahren wird auf 50.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Die Antragstellerin ist seit September 1995 als Rechtsanwältin zugelas-sen. Mit [X.]escheid vom 19. November 2007 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung der Antragstellerin zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensver-falls. Den hiergegen gerichteten Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Ent-scheidung hat der [X.] zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen [X.]eschwerde. 1 - 3 - I[X.] 2 Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 215 Abs. 3 [X.]RAO, § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 [X.]RAO a.F.), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Zulassung der Antragstellerin ist mit Recht widerrufen worden. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, die Interessen der Rechtsuchenden sind hierdurch nicht gefährdet. Diese Voraussetzungen für den Widerruf waren bei Erlass des angefochtenen [X.]e-scheids der Antragsgegnerin gegeben und bestehen fort. 3 1. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in [X.], schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Dies wird nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO dann vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende [X.] (§ 26 Abs. 2 [X.], § 915 ZPO) eingetragen ist. 4 Der gesetzliche Vermutungstatbestand ist erfüllt. Die Antragstellerin hat am 6. September 2006 in zwei Vollstreckungssachen die eidesstattliche Versi-cherung abgegeben und wurde dementsprechend in das Schuldnerverzeichnis des [X.]

eingetragen. Die Vollstreckungen beruhen zum ei-nen auf einem Versäumnisurteil des [X.]

vom 1. Juli 2005 mit einer Schuldsumme von 155.078,25 • und auf einem Vollstreckungsbe-scheid des Amtsgerichts S.

vom 25. Februar 2003 über eine Teilforde-rung von 500,00 •. Die dadurch begründete Vermutung für den Vermögensver-fall der Antragstellerin hat diese nicht widerlegt. Die Antragsgegnerin und der [X.] sind deshalb mit Recht davon ausgegangen, dass die [X.] bei Erlass der Widerrufsverfügung in Vermögensverfall geraten 5 - 4 - war. Dagegen bringt die Antragstellerin im [X.]eschwerdeverfahren nichts Durch-greifendes vor. 6 2. Der Vermögensverfall ist auch nicht nach Erlass der [X.] weggefallen. Eine nachträgliche Konsolidierung der Vermögensverhältnis-se der Antragstellerin wäre zwar im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen ([X.]GHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150), ist aber nicht festzustellen. Die [X.] im Schuldnerverzeichnis bestehen nach wie vor. Die Antragstellerin ist auch nicht ihrer - mehrfach angemahnten - Verpflichtung nachgekommen, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend offen zu legen und im Einzelnen darzutun, ob Forderungen zwischenzeitlich getilgt worden sind oder in welcher Weise sie die bestehenden Verbindlichkeiten zu tilgen gedenkt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Dezember 1991 - [X.] ([X.]) 40/91, juris, [X.]. 6; vom 17. September 2007 - [X.] ([X.]) 75/06, Anw[X.]l. 2008, 66, [X.]. 4). Sie hat lediglich geltend gemacht, nach Mai 2006 seien keine weiteren Schulden hinzugekom-men. Dieses Vorbringen reicht nicht aus, um die fortbestehende gesetzliche Vermutung für den Vermögensverfall der Antragstellerin zu widerlegen, und trifft auch im Übrigen nicht zu. Nach Mitteilung des [X.] [X.].

vom 11. März 2010 ist der [X.]eitragsrückstand der Antragstellerin zwischenzeitlich auf 46.053,96 • angewachsen, weil sie im April 2006 die Zahlung eingestellt hat. 3. Die Antragstellerin hat auch nicht hinreichend dargetan, dass die Inter-essen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall nicht gefährdet sind. 7 a) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers führt der Vermögensverfall eines Rechtsanwalts regelmäßig zu einer Gefährdung der Interessen seiner Mandanten. Diese An-nahme ist in der Regel schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern [X.] - 5 - tigt (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 5. Dezember 2005 - [X.] ([X.]) 13/05, NJW-RR 2006, 559, [X.]. 8, und vom 25. Juni 2007 - [X.] ([X.]) 101/05, NJW 2007, 2924, [X.]. 8 m.w.N.). Eine Gefährdung der finanziellen Interessen der Mandanten lässt sich nur selten mit hinreichender Sicherheit ausschließen (vgl. Senatsbeschluss vom 12. März 2001 - [X.] ([X.]) 27/00, juris, [X.]. 6, [X.]GHReport 2001, 668 [nur Leitsatz]). b) Ein solcher Ausnahmefall, in dem die Interessen der [X.] [X.]evölkerung ungeachtet des Vermögensverfalls nicht gefährdet wären (vgl. [X.] vom 18. Oktober 2004 - [X.] ([X.]) 43/03, [X.], 511, unter [X.]; vom 25. Juni 2007, aaO, [X.]. 9; vom 15. September 2008 - [X.] ([X.]) 67/07, Anw[X.]l. 2009, 64, [X.]. 5), liegt hier nicht vor. Die Antragstellerin meint, eine Gefährdungslage sei auszuschließen, wenn sie auf den Empfang von [X.] - mit Ausnahme von Anwaltsgebühren und ver-auslagten Gebühren - verzichtet und ihre [X.]ankverbindung nur noch auf [X.], nicht dagegen auf ihren anderen Schreiben angibt. Dies trifft - wie der [X.] zutreffend ausgeführt hat - nicht zu. Die [X.]ereitschaft der Antragstellerin, sich gewisse [X.]eschränkungen im Zahlungsverkehr aufzuerle-gen, schließt eine Gefährdung der Vermögensinteressen der Mandanten nicht aus. Die Antragstellerin ist als Einzelanwältin tätig und kann daher - anders als ein bei einer Sozietät angestellter Anwalt, der sich besonderen arbeitsrechtli-chen Einschränkungen und einer Überwachung durch einen (zuverlässigen) Arbeitgeber unterworfen hat (vgl. hierzu Senat, aaO) - nicht auf die Einhaltung der selbst auferlegten [X.]eschränkungen überwacht werden (Senatsbeschluss vom 12. Februar 2001 - [X.] ([X.]) 7/00, juris, [X.]. 8 m.w.N.). Auch bei [X.] wäre keine ausreichende Kontrolle gewährleistet. Dabei kann dahin stehen, ob diese überhaupt über die hierfür erforderlichen Resourcen und (gesetzlichen) [X.]efugnisse verfügt. Denn die von der Antragstel-lerin vorgeschlagene nachträgliche Überprüfung ihrer Kontounterlagen und [X.] - 6 - stellung ihrer [X.]areinnahmen und -ausgaben ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Zum einen erlaubt eine solche Vorgehensweise nur eine nachträgliche Kontrolle, zum anderen wäre die Antragsgegnerin auf die Überprüfung der ihr bekannt gegebenen Kontoverbindungen und [X.]argeldflüsse beschränkt. Eine Gefährdung der Vermögensinteressen der Rechtsuchenden kann damit nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausgeschlossen werden (vgl. Senatsbe-schluss, aaO, [X.] 8 f.; vgl. ferner Senatsbeschluss vom 5. Dezember 2005, aaO, [X.]. 9 f.: unzureichende Überwachung eines angestellten Anwalts durch den Inhaber einer [X.]). c) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin verstößt der Widerruf der Zulassung auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die [X.] des § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO dient dem Schutz der Funktionsfä-higkeit der Rechtspflege, also eines überragend wichtigen Gemeinschaftsguts (Senatsbeschluss vom 12. Februar 2001, aaO, [X.]. 13). [X.] Maßnahmen kommen nicht in [X.]etracht, da im Hinblick auf die schlechten, ungeordneten Vermögensverhältnisse der Antragstellerin nur durch einen Zulassungswiderruf der Gefährdung der Vermögensinteressen von Rechtsuchenden wirksam [X.] werden kann. 10 d) Ohne Erfolg rügt die Antragstellerin schließlich eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG). Dass § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO beim Vermögensverfall eines Rechtsanwalts einen Widerruf der Zulas-sung zur Anwaltschaft vorsieht, während eine solche Vorschrift etwa im [X.]ereich der Vermögensberatung oder bei Personen fehlt, die im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit untergeordnete Rechtsdienstleistungen erbringen (§ 5 [X.]), stellt keine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. Denn das in §§ 1 bis 3 [X.]RAO zum Ausdruck kommende Leitbild des Anwaltsberufs weist einem Rechtsanwalt eine besondere Stellung zu. Er ist als unabhängiges Organ 11 - 7 - der Rechtspflege (§ 1 [X.]RAO) zu einer umfassenden und unabhängigen [X.]era-tung und Vertretung der Rechtsuchenden berufen (§ 3 [X.]RAO). Diese weit rei-chenden Pflichten und [X.]efugnisse haben den Gesetzgeber veranlasst, beson-dere Anforderungen an die Eignung und persönliche Zuverlässigkeit von Rechtsanwälten zu stellen (vgl. zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Fixierung von [X.]erufsbildern [X.]VerfGE 75, 246). Demgegenüber [X.] die in § 5 [X.] genannten untergeordneten Rechtsdienstleistungen nach der maßgeblichen Einschätzung des Gesetzgebers nicht die Qualifikation und Pflichtenbindung von Rechtsanwälten (vgl. hierzu auch [X.]VerfG, NJW 2002, 3531, 3533 zur Vorgängerregelung des Art. 1 § 3 Nr. 6 R[X.]erG). [X.]ei ihnen kann - anders als für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch registrierte Personen (vgl. hierzu § 12 Abs. 1 [X.], § 14 Nr. 1 [X.]) - auf solche Anforde-rungen verzichtet werden. Angesichts der [X.]esonderheiten des [X.] ist mit der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]RAO getroffenen Regelung keine gleich-heitswidrige [X.]enachteiligung der Rechtsanwälte gegenüber anderen [X.] oder sonstigen [X.]erufsgruppen verbunden. 4. Der Senat konnte in Abwesenheit der Antragstellerin verhandeln und entscheiden, weil diese ihr Ausbleiben im Termin nicht entschuldigt hat. Im 12 - 8 - Zeitpunkt der Entscheidung lag noch kein Verzicht auf die Zulassung vor, weil die Antragstellerin diesen erst für den Ablauf des 31. Mai 2010 angekündigt [X.]. [X.]Fetzer

[X.] Hauger

Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 12.07.2008 - [X.] 41/07 (I) -

Meta

AnwZ (B) 46/09

31.05.2010

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.05.2010, Az. AnwZ (B) 46/09 (REWIS RS 2010, 6261)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6261

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