Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.07.2012, Az. IX ZR 217/11

9. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4686

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Gegenstand

Negative Feststellungsklage eines Gesellschafters einer insolventen BGB-Gesellschaft gegen einen Gesellschaftsgläubiger


Leitsatz

Wurde über das Vermögen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts das Insolvenzverfahren eröffnet, ist die von einem Gesellschafter gegen einen Gesellschaftsgläubiger erhobene Klage auf Feststellung, diesem nicht persönlich für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft zu haften, unzulässig.

Tenor

Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des [X.] vom 28. November 2011 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 21.559,36 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger zeichnete im Jahre 1991 eine Beteiligung als [X.]er an der [X.] (nachfolgend: Schuldnerin), über deren Vermögen am 21. April 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Beklagte gewährte der Schuldnerin mehrere Darlehen. Durch Schreiben vom 21. Oktober 2009 machte sie daraus gegenüber dem Kläger als [X.]er der Schuldnerin einen Betrag in Höhe von 21.559,36 € geltend.

2

Der Kläger, der einen wirksamen Beitritt zu der Schuldnerin in Abrede stellt und seine Beteiligung gekündigt hat, nimmt die Beklagte auf die Feststellung in Anspruch, ihr aus den Darlehensverträgen nicht persönlich zur Zahlung verpflichtet zu sein. Das [X.] hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des [X.] durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich dieser mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

3

Die nach § 522 Abs. 3, § 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO statthafte Beschwerde deckt keinen Zulassungsgrund auf (§ 543 Abs. 2 ZPO); die Sache ist nach der eindeutigen Rechtslage auch im Ergebnis zutreffend entschieden. Der Zulässigkeit des von dem Kläger erhobenen [X.] (§ 256 Abs. 1 ZPO) steht § 93 [X.] entgegen.

4

1. Nach dieser Vorschrift kann im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer [X.] ohne Rechtspersönlichkeit die persönliche Haftung eines [X.]ers für Verbindlichkeiten der [X.] während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur von dem Insolvenzverwalter der [X.] geltend gemacht werden. Von dieser Regelung gehen zwei Wirkungen aus, die Sperrwirkung und die Ermächtigungswirkung.

5

a) Die Sperrwirkung besteht darin, dass die Gläubiger nicht mehr gegen persönlich haftende [X.]er vorgehen können und diese nicht mehr befreiend an die Gläubiger der [X.] leisten können. Der Gläubiger kann während der Dauer des Insolvenzverfahrens einen Haftungsanspruch gegen persönlich haftende [X.]er weder durch Klage noch durch Zwangsvollstreckung durchsetzen ([X.], Urteil vom 9. Oktober 2008 - [X.], [X.]Z 178, 171 Rn. 10).

6

b) [X.] verleiht dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der [X.] die treuhänderische Befugnis, die Forderungen der [X.]sgläubiger gegen die [X.]er gebündelt einzuziehen. Hierbei handelt es sich wie bei § 171 Abs. 2 HGB nicht um einen gesetzlichen Forderungsübergang. Der in Anspruch genommene [X.]er tilgt durch die Zahlung an den Insolvenzverwalter der [X.] konkrete Gläubigerforderungen, deren Selbständigkeit durch die Verfahrenseröffnung unangetastet geblieben ist ([X.], aaO Rn. 11).

7

c) Zweck der Regelung des § 93 [X.] ist es, einen Wettlauf der Gläubiger um die Abschöpfung der [X.] zu verhindern, den Haftungsanspruch der Masse zuzuführen und auf diese Weise den Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger auf die [X.]erhaftung auszudehnen (BT-Drucks. 12/2443 [X.]; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 93 Rn. 1). Die Ermächtigung des Verwalters zur Geltendmachung der Haftungsforderungen schließt in Verbindung mit der Sperrfunktion im Sinne einer Ausschließlichkeitsermächtigung (vgl. [X.], Die Stellung des haftenden [X.]ers in der Insolvenz der Personengesellschaft nach geltendem und künftigem Recht, 1996, [X.]) während der Dauer des Insolvenzverfahrens eine Verfolgung dieser Ansprüche gegen den [X.]er aus.

8

2. Sperrwirkung und Ermächtigungswirkung begründen die alleinige Einziehungs- und [X.] für die Geltendmachung von Haftungsansprüchen der [X.]sgläubiger gegen [X.]er.

9

a) Bei der gerichtlichen Geltendmachung der [X.]erhaftung wird der Insolvenzverwalter als gesetzlicher Prozessstandschafter der einzelnen Gläubiger tätig, weil der in Anspruch genommene [X.]er durch Zahlung an ihn konkrete Gläubigerforderungen zum Erlöschen bringt ([X.], Urteil vom 14. November 2005 - [X.], [X.], 573, 574 f.; vom 9. Oktober 2006 - [X.], [X.], 122 Rn. 9; FK-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 93 Rn. 1; [X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, § 93 [X.] Rn. 11). Die Prozessführung für die Einziehung von Forderungen gegen [X.]er liegt während der gesamten Verfahrensdauer allein bei dem Insolvenzverwalter ([X.]/[X.], [X.], 13. Aufl. § 93 Rn. 3). Die Einziehungsermächtigung des Insolvenzverwalters umfasst damit auch die Prozessführungsbefugnis (HK-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 93 Rn. 50; [X.]/[X.], [X.], § 93 Rn. 72; [X.]/[X.], aaO). Im Umkehrschluss verlieren die [X.]sgläubiger die Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen die [X.]er (HmbKomm-[X.]/Pohlmann, 4. Aufl., § 93 Rn. 26; [X.], aaO). Mithin ist eine nach Verfahrenseröffnung von einem [X.]sgläubiger gegen einen [X.]er verfolgte [X.] als unzulässig abzuweisen (HK-[X.]/[X.], aaO; [X.]/[X.], aaO).

b) Wegen der alleinigen [X.] für die Einziehung der Ansprüche erweist sich auch die von dem Kläger gegen die Beklagte als [X.]sgläubigerin erhobene, eine Haftung leugnende Feststellungsklage als unzulässig.

Die [X.] als Verwalter der Masse erstreckt sich sowohl auf [X.] als auch auf Passivprozesse ([X.] in Prütting/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 50 Rn. 36). Die dem Insolvenzverwalter in § 93 [X.] vorbehaltene Prozessführungsbefugnis für die Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen [X.]er umfasst ebenso [X.] und - wie im Streitfall - Passivprozesse. Ganz allgemein ist zur Prozessführung über Forderungen, welche die [X.]erhaftung betreffen, nur der Insolvenzverwalter befugt ([X.]/[X.], aaO). Ebenso wie der [X.]sgläubiger gehindert ist, den [X.]er in [X.] zu nehmen, fehlt umgekehrt dem [X.]er die Befugnis, sich durch die Klage gegen einen [X.]sgläubiger seiner Haftung zu erwehren. Hätte die hier erhobene Feststellungsklage Erfolg, stünde rechtskräftig fest, dass die Beklagte den Kläger nicht als [X.]er der Schuldnerin in Anspruch nehmen kann. Damit würde jedoch dem Insolvenzverwalter die ihm durch § 93 [X.] kraft der Ermächtigungswirkung vorbehaltene Einziehungs- und Prozessführung entzogen. Würde die negative Feststellungsklage hingegen aus sachlichen Gründen abgewiesen, hätte das Urteil dieselbe Rechtskraftwirkung wie ein Urteil, welches das Gegenteil dessen, was mit der negativen Feststellungsklage begehrt wird, positiv feststellt ([X.], Urteil vom 17. März 1995 - [X.], NJW 1995, 1757). Dann stünde fest, dass die Beklagte als [X.]sgläubigerin gegen den Kläger als [X.]er Rückgriff nehmen kann. Ein solches von dem [X.]sgläubiger erstrittenes Erkenntnis wäre jedoch, weil der Kläger auf der Grundlage des Feststellungsurteils nicht befreiend an die Beklagte leisten dürfte, mit der in § 93 [X.] zu Gunsten des Insolvenzverwalters verankerten Sperrwirkung unvereinbar. Bei dieser Sachlage erweist sich die hier erhobene Klage als unzulässig.

[X.]                                                [X.]                                                Fischer

                            [X.]

Meta

IX ZR 217/11

12.07.2012

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 28. November 2011, Az: 5 U 3715/11

§ 93 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.07.2012, Az. IX ZR 217/11 (REWIS RS 2012, 4686)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4686

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Referenzen
Wird zitiert von

1 O 311/18

IX ZR 143/13

IX ZR 217/11

II ZR 175/19

5 O 575/17

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