Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2013, Az. V ZB 58/13

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4163

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 58/13
vom

12. Juli 2013

in der Abschiebungshaftsache

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 12. Juli 2013 durch die Vorsit-zende [X.]in Dr. Stresemann und die [X.] [X.] und Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch, [X.] und Dr. Kazele
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 16. März 2013 und der Beschluss der 25. Zivilkammer des [X.] vom 12. April 2013
ihn in seinen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Landeshauptstadt [X.] auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:
I.
Der Betroffene, der [X.] Staatsangehöriger ist, reiste zu einem un-bekannten Zeitpunkt ohne gültigen Aufenthaltstitel und ohne gültige Reisedo-kumente in das [X.] ein. Als er sich am 15. März 2013 bei der [X.] unter Angabe falscher Personalien anmelden wollte, wurde er vor-läufig festgenommen.

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Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht gegen ihn am 16.
März 2013 Haft zur Sicherung der Abschiebung bis zum 14. Juni 2013 [X.]. Die Beschwerde hat das [X.] mit Beschluss vom 12.
April 2013 zurückgewiesen. Der Senat hat die Haft mit Beschluss vom 8.
Mai 2013 einstweilen ausgesetzt. Der Betroffene ist daraufhin aus der Haft entlassen worden.
Mit der Rechtsbeschwerde strebt er die Feststellung an, dass die [X.] vollzogene Haft rechtswidrig gewesen sei. Die beteiligte Behörde beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

II.
Das Beschwerdegericht meint, der Betroffene sei vollziehbar [X.], und der Haftgrund der Entziehungsabsicht sei erfüllt. Auch erscheine eine Abschiebung innerhalb des [X.] von drei Monaten möglich.

III.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Die Entscheidung des Amtsgerichts hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, weil es an einem zulässigen Haftantrag nach § 417 FamFG und an der für die Anordnung von Abschiebungshaft erforderlichen Abschie-bungsandrohung fehlte.
a) aa) Das Vorliegen eines zulässigen [X.] ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (Senat, Beschlüsse
vom 29. April 2010 -
V [X.], [X.] 2010, 210, 211 Rn.
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und vom 22. Juli 2010 -
V [X.], NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 7). Der 2
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Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG begründet werden. Erforder-lich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den [X.], zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbar-keit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz
2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Die Darlegungen dürfen knapp gehalten sein, müssen aber -
auf den konkreten Fall zugeschnitten -
die für die richterliche Prüfung wesent-lichen Punkte ansprechen (Senat, Beschlüsse
vom 15. September 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 317
f.
Rn. 9
und vom 27. Oktober 2011 -
V [X.], [X.] 2012, 82, 83
Rn. 13). Ein Verstoß gegen den Begründungszwang führt zur Unzulässigkeit des [X.] (Senat, Beschlüsse
vom 29. April 2010
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V [X.], aaO, Rn.
14,
vom 22. Juli 2010 -
V [X.], aaO, Rn. 8
und vom 7. April 2011 -
V [X.], juris Rn. 7).
[X.]) Den genannten Anforderungen genügt der Haftantrag der beteiligten Behörde nicht.
(1) Zu den gemäß § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG darzulegenden [X.] gehört die nach § 59 [X.] erforderliche Ab-schiebungsandrohung. Fehlt es an einer für die Vollstreckung der Abschiebung notwendigen Voraussetzung, darf auch eine [X.] Gesetzes (§ 58 Abs. 2 Satz 1 [X.]) vollziehbare Ausreisepflicht nämlich nicht ohne weiteres durchge-setzt werden (Senat, Beschlüsse vom 30. Juli 2012 -
V [X.], juris Rn. 9 und vom 14. März 2013 -
V [X.], NVWZ
2013, 1027, 1028
Rn. 7).
(2) Ausführungen zu einer Abschiebungsandrohung enthält der [X.] nicht. Solche Angaben sind auch nicht entbehrlich, wenn die beteiligte [X.] meint, es bedürfe keiner vorherigen Abschiebungsandrohung (Senat, Beschluss vom 16. Mai 2013 -
V [X.]/12 juris Rn. 10). Denn zu den [X.] Voraussetzungen der Abschiebung gehört dann die Darlegung,
dass 7
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und weshalb die Abschiebungsandrohung entbehrlich ist. Ohne diese [X.] können weder der [X.] noch der Betroffene prüfen, ob die Vorausset-zungen für ein Absehen von der Abschiebungsandrohung vorliegen und ob die Behörde ihr Ermessen gesetzesgemäß ausgeübt hat.
b) Die Anordnung von Abschiebungshaft setzte auch in der Sache eine Abschiebungsandrohung voraus, die die Behörde vor der Anordnung der Haft nicht erlassen hatte. Von der Androhung der Abschiebung durfte nicht abgese-hen werden.
aa) Wann von einer nach § 59 [X.] an sich erforderlichen Abschie-bungsandrohung im Ermessenswege abgesehen werden kann, ist entgegen der Ansicht der beteiligten Behörde in §
59 Abs. 1 Satz 3 [X.] abschlie-ßend geregelt. Das Vorliegen eines der in §
59 Abs. 1 Satz 2 [X.] be-zeichneten Gründe berechtigt die Behörde zwar dazu, von einer Fristsetzung für die freiwillige Ausreise abzusehen (§
59 Abs. 1 Satz 2 [X.]), macht die Abschiebungsandrohung als solche aber nicht entbehrlich (Senat, Beschluss vom 16. Mai 2013 -
V [X.]/12,
juris Rn. 11). Dass einer der in §
59 Abs. 1 Satz
3 [X.] bestimmten Gründe für ein Absehen von einer Abschiebungs-androhung vorliegt, hat die beteiligte Behörde nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.
[X.]) Eine
Abschiebungsandrohung ist auch nicht entbehrlich, wenn die Ausländerbehörde die Absicht hat, eine solche Androhung -
und damit eine Rückkehrentscheidung im Sinne der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger [X.] (ABl. Nr. L 348 S. 98 -
sog. [X.]) -
dem-nächst zu erlassen. Vielmehr darf die Behörde dann nur eine vorläufige Frei-10
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heitsentziehung gemäß § 427 FamFG beantragen (Senat, Beschluss vom 16.
Mai 2013 -
V [X.]/12,
juris Rn. 11).
2. Die Entscheidung des [X.] hat den Betroffenen in sei-nen Rechten verletzt, weil der Mangel des [X.] im Zeitpunkt seiner Ent-scheidung nicht geheilt war und weil es den Betroffenen persönlich hätte anhö-ren müssen.
a) Der in einem unzulässigen Haftantrag liegende Mangel einer Haftan-ordnung kann zwar im Beschwerdeverfahren -
mit Wirkung für die Zukunft -
ge-heilt werden (zu dieser Möglichkeit vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 317, 318 Rn. 15 mwN). Voraussetzung [X.] ist aber, dass die fehlenden Angaben vor der Entscheidung des [X.] nachgeholt werden und dass der Betroffene hierzu
angehört wird (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 30. August 2012 -
V [X.], juris Rn. 7 mwN). Daran fehlt es hier. Die beteiligte Behörde hat den Betroffenen vor der Entscheidung des [X.] nur zu der beabsichtigten Abschie-bungsandrohung angehört, die Abschiebungsandrohung selbst aber erst am Tag der Entscheidung des [X.] erlassen. Das [X.] hat den Betroffenen dazu nicht angehört.
b) Das Beschwerdegericht durfte von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen nicht absehen. Von der nach § 68 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. §
420 Abs. 1 Satz 1 FamFG und Art. 104 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 GG auch für das Beschwer-deverfahren vorgeschriebenen (Senat, Beschlüsse vom 19.
Mai 2011 -
V [X.], [X.] 2011, 254, 255 Rn. 14 und vom 2. Mai 2012 -
V [X.], juris Rn. 6) persönlichen Anhörung des Betroffenen darf das Beschwerdegericht nur absehen, wenn zusätzliche Erkenntnisse durch eine erneute Anhörung nicht zu erwarten sind (Senat, Beschlüsse vom 17.
Juni 2010 -
V [X.], [X.] 13
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2010, 261 Rn. 8 und vom 4. März 2010 -
V [X.], [X.], 323, 329 Rn. 13). Solche Erkenntnisse waren hier aber schon deshalb zu erwarten, weil es möglich war, dass der in dem unzulässigen Haftantrag liegenden Mangel der Haftanordnung nachträglich geheilt würde.

IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430
FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO
und Art. 5 [X.] analog. Der Gegen-standswert bestimmt sich nach § 128c Abs. 3 Satz 2, § 30 Abs. 2 KostO.
Stresemann
Lemke
Schmidt-Räntsch

Czub
Kazele
Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 16.03.2013 -
151 [X.] -
B -

LG [X.], Entscheidung vom 12.04.2013 -
25 [X.]/13 -

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Meta

V ZB 58/13

12.07.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2013, Az. V ZB 58/13 (REWIS RS 2013, 4163)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4163

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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