Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.08.2019, Az. 1 StR 267/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 4224

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Serienbetrug: Konkurrenzverhältnisse bei mehreren Beihilfeakten


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]            wird das Urteil des [X.] vom 18. Dezember 2018

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte in 13 Fällen der Beihilfe zum Betrug schuldig ist;

b) aufgehoben

aa) im gesamten den Angeklagten betreffenden Strafausspruch,

bb) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen

(1) hinsichtlich des Angeklagten, soweit die Einziehung eines Betrages in Höhe von mehr als 304.367,95 €, davon in Höhe von 183.946,05 € als Gesamtschuldner mit dem Mitangeklagten   Z.    , angeordnet wurde;

(2) hinsichtlich des Mitangeklagten   Z.    - unter Erstreckung auf diesen -, soweit die Einziehung eines Betrages in Höhe von mehr als 354.563 €, davon in Höhe von 183.946,05 € als Gesamtschuldner mit dem Angeklagten, angeordnet wurde.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen [X.]ihilfe zum [X.]trug in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es betreffend den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 334.367,95 € angeordnet, davon in Höhe von 213.946,05 € gesamtschuldnerisch haftend mit dem Mitangeklagten   Z.    . Den nicht revidierenden Mitangeklagten   Z.    hat es wegen [X.]ihilfe zum [X.]trug in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 384.563 € - davon in Höhe von 213.946,05 € als Gesamtschuldner mit dem Angeklagten - angeordnet.

2

Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat - hinsichtlich der Einziehung unter Erstreckung auf den Mitangeklagten   Z.    - in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

3

1. Nach den Feststellungen des [X.]s unterstützte der Angeklagte nicht identifizierte Hintermänner bei der [X.]gehung von insgesamt 13 [X.]trugstaten, indem er für die Zahlungsabwicklung vier - auf die Namen anderer Personen, unter anderem den nicht revidierenden Mitangeklagten   Z.    , „laufende“ - Konten zur Verfügung stellte und an der Vereinnahmung sowie Verteilung der betrügerisch erlangten [X.]träge mitwirkte. Durch die Unterstützung der Haupttäter wollte sich der Angeklagte eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang in Form der ihm für seine Mitwirkung versprochenen „Provisionen“ in Höhe von ca. 15-20 % der [X.]ute verschaffen.

4

Die vom Angeklagten geförderten [X.] bestanden darin, dass die Hintermänner die Geschädigten in den Jahren 2014 und 2015 - meist telefonisch - kontaktierten und diesen gegenüber entweder wahrheitswidrig behaupteten, dass sie günstig Aktien erwerben und diese zeitnah zu einem deutlich höheren Preis an einen Investor weiterveräußern und damit einen erheblichen Gewinn erzielen könnten (Geschädigte B.     und   [X.].   ), oder ihnen wahrheitswidrig vorspiegelten, dass für eine erforderliche Umschreibung von Aktien, deren Inhaber die Geschädigten waren, Kosten und Gebühren zu entrichten und auf das jeweils genannte [X.] zu überweisen seien (Geschädigte P.    und [X.].       ). Die Geschädigten überwiesen infolge der jeweiligen Täuschung irrtumsbedingt den jeweils angeforderten [X.]trag auf eines der vom Angeklagten benannten Zielkonten. Eine Gegenleistung erhielten die Geschädigten für ihre Überweisungen, wie von den Hintermännern von vornherein beabsichtigt, nicht.

5

Der Angeklagte sorgte seinerseits in Kenntnis des Umstands, dass es sich bei den auf den Zielkonten eingegangenen Überweisungen um [X.]träge aus von den Hintermännern begangenen [X.]trugstaten handelte, für den erforderlichen Informationsfluss zwischen den Hintermännern und den über die Zielkonten Verfügungsberechtigten. Insbesondere kündigte er die jeweils bevorstehenden Kontogutschriften an und teilte mit, wie mit den eingegangenen [X.]trägen weiter zu verfahren sei. Nach Eingang der [X.]träge auf den Zielkonten veranlasste er die Verteilung der Gelder, wobei er den nach Abzug der Provisionen verbleibenden Rest der [X.]träge meist über eigene Konten oder in bar - in den [X.]. und b., B.II.2.a.aa. und [X.]., c.aa. und [X.]. sowie d., [X.]., b. und c. der Urteilsgründe unter Einbindung des Mitangeklagten   Z.    - an die Hintermänner weiterleitete.

6

2. Das [X.] hat die Unterstützungshandlungen des Angeklagten für die einzelnen [X.] zu jeweils einer Tat je [X.] zusammengefasst und ist auf dieser Grundlage von vier im Konkurrenzverhältnis der [X.] stehenden [X.]ihilfetaten des Angeklagten ausgegangen. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen beim Angeklagten hat das [X.] in Höhe der [X.]träge angeordnet, die zumindest vorübergehend auf dessen Konten gutgeschrieben oder in bar an diesen gelangt sind.

II.

7

Die Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg.

8

1. Der Schuldspruch bedarf der Änderung, weil die vom [X.] vorgenommene konkurrenzrechtliche Einordnung der [X.]ihilfehandlungen Rechtsfehler aufweist. Zwar ist das [X.] rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Angeklagte durch seine Unterstützungshandlungen zu 13 [X.] des [X.]truges (§ 263 Abs. 1 StGB) [X.]ihilfe geleistet hat. Die konkurrenzrechtliche Zusammenfassung der Tatbeiträge des Angeklagten zu vier Fällen der [X.]ihilfe zum [X.]trug hält jedoch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

9

a) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem [X.]teiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. nur [X.], [X.]schlüsse vom 27. März 2018 - 4 StR 75/17 Rn. 3 und vom 20. September 2016 - 3 StR 302/16 Rn. 6 sowie Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 [X.] Rn. 20, [X.]St 49, 177, 182 f.). Maßgeblich ist hierbei der Umfang der Tatbeiträge des jeweiligen [X.]teiligten. Erfüllt er hinsichtlich aller oder einzelner Taten einer Serie sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person oder leistet er für alle oder einige [X.] zumindest einen individuellen, nur diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten, soweit nicht natürliche [X.] vorliegt, als tatmehrheitlich begangen (§ 53 StGB) zuzurechnen. Ob bei der akzessorischen [X.]ihilfe Tateinheit oder [X.] anzunehmen ist, hängt sowohl von der Anzahl der [X.]ihilfehandlungen als auch von der Zahl der vom Gehilfen geförderten [X.] ab. [X.] ist danach anzunehmen, wenn durch mehrere Hilfeleistungen mehrere selbständige [X.] unterstützt werden. Dagegen liegt nur eine einzige [X.]ihilfe vor, wenn der Gehilfe mit seiner Unterstützungshandlung zu mehreren [X.] eines Anderen Hilfe leistet. [X.] liegt ferner vor, wenn sich mehrere Unterstützungshandlungen auf dieselbe Haupttat beziehen (vgl. [X.], [X.]schlüsse vom 5. September 2018 - 2 StR 31/18 Rn. 29 mwN und vom 20. September 2016 - 3 StR 302/16 Rn. 6; Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 [X.] Rn. 20, [X.]St 49, 177, 182 f.).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Angeklagte wegen 13 in [X.] stehenden Taten der [X.]ihilfe zum [X.]trug strafbar.

Durch die Mitwirkung an der Vereinnahmung und Verteilung der von den Geschädigten jeweils überwiesenen [X.]träge leistete der Angeklagte zu den [X.] [X.] jeweils eigenständige [X.]ihilfehandlungen im [X.] der jeweiligen Haupttat. Seine darüber hinausgehende, tatübergreifend alle Taten erfassende Mitwirkung im [X.] dieser [X.] führt angesichts seines individuellen Tatbeitrags im [X.] zu keiner anderen [X.]urteilung des [X.] (vgl. [X.], [X.]schlüsse vom 5. September 2018 - 2 StR 31/18 Rn. 30; vom 12. März 2012 - 3 [X.] Rn. 4; vom 28. Februar 2012 - 3 [X.] Rn. 8 und vom 22. September 2008 - 1 [X.] Rn. 20; [X.], StGB, 66. Aufl., § 27 Rn. 31a; [X.] in Matt/[X.], StGB, § 27 Rn. 49).

c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte hiergegen nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

2. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs nach sich. Die Feststellungen sind von der vom [X.] vorgenommenen unzutreffenden konkurrenzrechtlichen Einordnung der Taten nicht betroffen und haben daher [X.]stand (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende, mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen.

3. Auch die den Angeklagten betreffende Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit sie über die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 304.367,95 € hinausgeht.

a) Das Urteil leidet insoweit an einem Erörterungsmangel, weil das [X.] den im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigten Umstand, dass der Angeklagte im [X.]mühen um Schadenswiedergutmachung einen [X.]trag von 30.000 € hinterlegt hat, bei der Frage des Umfangs der Einziehung des Wertes von Taterträgen nicht in den Blick genommen hat. Es hätte diesbezüglich erörtern müssen, ob der Angeklagte auf die Rückgabe des hinterlegten [X.]trags verzichtet hat. Denn die Hinterlegung unter Verzicht auf die Rückgabe steht der Erfüllung gleich (§§ 378, 376 Abs. 2 Nr. 1 [X.]; vgl. [X.], Urteil vom 15. März 2012 - [X.] Rn. 14; [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 378 Rn. 1 mwN). Im Falle eines Verzichts auf die Rückgabe der hinterlegten 30.000 € wäre der Anspruch des hierdurch begünstigten Verletzten auf Ersatz des [X.]trugsschadens in dieser Höhe erloschen und eine Einziehungsanordnung gemäß § 73e Abs. 1 StGB insoweit ausgeschlossen.

b) Da nicht festgestellt ist, im Hinblick auf welchen Schadensersatzanspruch zu Gunsten welches Geschädigten der [X.]trag von 30.000 € hinterlegt wurde, und damit offen bleibt, ob die Hinterlegung dem Ausgleich eines Schadens dient, für den die gesamtschuldnerische Haftung des Mitangeklagten   Z.    angeordnet wurde, ist in Höhe des hinterlegten [X.]trags auch der Ausspruch über die Anordnung gesamtschuldnerischer Haftung aufzuheben.

c) Einer Aufhebung der zugehörigen Feststellungen bedarf es nicht; das neue Tatgericht wird allerdings ergänzende Feststellungen zur Hinterlegung des [X.]trags von 30.000 € durch den Angeklagten zu treffen haben, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen dürfen.

4. Gemäß § 357 Satz 1 StPO ist die Einziehungsentscheidung wegen der Gesamtwirkung einer Hinterlegung beziehungsweise Erfüllung nach § 422 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.] auch hinsichtlich des Mitangeklagten   Z.    in Höhe eines von der [X.] umfassten [X.]trags von 30.000 € aufzuheben.

Jäger     

        

[X.]llay     

        

Hohoff

        

Leplow     

        

Pernice     

        

Meta

1 StR 267/19

22.08.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hof, 18. Dezember 2018, Az: 17 Js 10397/17

§ 27 StGB, § 52 StGB, § 53 StGB, § 263 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.08.2019, Az. 1 StR 267/19 (REWIS RS 2019, 4224)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4224

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 171/21 (Bundesgerichtshof)

Beihilfe zum gewerbsmäßigen Betrug: Konkurrenzverhältnisse bei Deliktsserie


2 StR 31/18 (Bundesgerichtshof)

Beihilfe zum versuchten Betrug


1 StR 436/21 (Bundesgerichtshof)

Strafverurteilung wegen Steuerhinterziehung u.a.: Abgrenzung zwischen Tateinheit und Tatmehrheit bei Steuerverkürzung durch Ausstellung von Scheinrechnungen


3 StR 343/22 (Bundesgerichtshof)

Einziehung bei ganz kurzzeitigem „transitorischem" Besitz


2 StR 395/22 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.