Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.07.2013, Az. IX ZR 311/12

9. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 3974

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Abgesonderte Befriedigung eines durch einen insolventen Steuerberater geschädigten Mandanten aus dessen Freistellungsanspruch gegen seinen Vermögensschadenhaftpflichtversicherer: Aufnahme eines durch die Insolvenzverfahrenseröffnung unterbrochenen Kostenfestsetzungsverfahrens durch den Geschädigten zur Geltendmachung der von dem Absonderungsrecht gedeckten Kosten eines Vorprozesses


Leitsatz

1. Ein geschädigter Dritter kann wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus dessen Freistellungsanspruch gegen den Versicherer verlangen, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet ist; er kann den Anspruch im Fall der Verfahrensunterbrechung durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Wege der Aufnahme des gegen den Schuldner geführten Rechtsstreits verfolgen (Fortführung von BGH, 25. April 1989, VI ZR 146/88, ZIP 1989, 857).

2. Die Aufnahme des durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers unterbrochenen Kostenfestsetzungsverfahrens stellt den gegenüber der Zahlungsklage gegen den Insolvenzverwalter des Versicherungsnehmers einfacheren und billigeren Weg zur Geltendmachung der von dem Absonderungsrecht gedeckten Kosten des Rechtsstreits dar.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des [X.] vom 28. November 2012 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Verwalter in dem am 23. Dezember 2004 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (fortan: [X.]  ), die von der Steuerberaterin   -Sch.     (fortan: Schuldnerin) beraten wurde. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter im Verfahren über das Vermögen der Steuerberaterin, das am 3. Juni 2009 eröffnet worden ist. In einem Vorprozess zwischen dem Kläger und der Schuldnerin erließ das [X.] am 29. März 2009 ein Versäumnisurteil gegen die Schuldnerin, in dem unter anderem festgestellt wird, dass diese dem Kläger als Insolvenzverwalter den materiellen Schaden zu ersetzen hat, welcher der Masse dadurch entstanden ist, dass sie die Ansprüche in mehreren für die [X.]  geführten Einspruchsverfahren vor dem Finanzamt [X.] nicht begründet, in einem finanzgerichtlichen Verfahren vor dem [X.] die Klagefrist versäumt und mehrere mit einer Verfügung des Gerichts angeforderte Rechnungen nicht vorgelegt hat. Gegen dieses Versäumnisurteil ist bislang kein Einspruch eingelegt worden. Das dazugehörige Kostenfestsetzungsverfahren ist aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin unterbrochen.

2

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger - soweit hier noch von Bedeutung - die Verurteilung des Beklagten zur Begleichung der Kosten des [X.] vor dem [X.] in Höhe von 2.908,66 € sowie Schadensersatz in Höhe von 34 €. Den letztgenannten Betrag hat das Finanzamt als Verspätungszuschlag wegen der nicht rechtzeitigen Abgabe der Körperschaftsteuererklärung für das [X.] durch die Schuldnerin festgesetzt. Der Kläger hat seine Zahlungsansprüche jeweils auf den Deckungsanspruch der Schuldnerin gegen ihren [X.] beschränkt.

3

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger weiterhin Zahlung von 2.942,66 € beschränkt auf den Deckungsanspruch der Schuldnerin gegen ihren Haftpflichtversicherer.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision ist unbegründet.

I.

5

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klage sei unzulässig, soweit es um die Kosten des vor dem [X.] geführten [X.] gehe. Insoweit habe der Kläger die Möglichkeit, durch Aufnahme des Kostenfestsetzungsverfahrens innerhalb des unterbrochenen Prozesses gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 [X.] auf einfacherem und kostengünstigerem Weg die Titulierung seines Anspruchs zu erreichen. Im Hinblick auf § 110 [X.], der im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Versicherungsnehmers dem geschädigten [X.] wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers gebe, sei anerkannt, dass insoweit unmittelbar Zahlungsklage gegen den Insolvenzverwalter erhoben werden könne. Nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 [X.] könne im Fall einer bei Verfahrenseröffnung anhängigen Haftungsklage der Rechtsstreit beschränkt auf den Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch gegen den Versicherer sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Gegner aufgenommen werden. Einer vorherigen Anmeldung und Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle bedürfe es nicht. Die Möglichkeit der Aufnahme des Verfahrens müsse aus prozessökonomischen Gründen auch hinsichtlich eines durch die Verfahrenseröffnung über das Vermögen des Versicherungsnehmers gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Kostenfestsetzungsverfahrens bestehen. Der Versicherer hafte im Rahmen seiner Freistellungspflicht auch für die Kosten des gegen den Versicherungsnehmer geführten Prozesses auf abgesonderte Befriedigung. Die Aufnahme des Kostenfestsetzungsverfahrens stelle deshalb den einfacheren und billigeren Weg dar, den Anspruch zu titulieren.

6

Soweit das Amtsgericht einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 34 € abgewiesen habe, sei nicht dargelegt, dass die Schuldnerin sich schadensersatzpflichtig gemacht habe, weil schon die Darlegung des [X.] fehle, zu welchem [X.]punkt sich die Beklagte im Besitz der für die Anfertigung der Körperschaftsteuererklärung für das [X.] notwendigen Unterlagen befunden habe. Aus dem Versäumnisurteil des [X.] vom 29. März 2009 könne eine entsprechende Haftung nicht entnommen werden, weil sich dieses Urteil nicht mit dem Säumniszuschlag wegen verspäteter Abgabe der Körperschaftsteuererklärung für 2003 befasse.

II.

7

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

8

1. Die Klage ist mangels [X.] unzulässig, soweit der Kläger den Anspruch auf Bezahlung der Kosten des [X.] im Wege der [X.] verfolgt.

9

Das Berufungsgericht ist zutreffend von einem fehlenden Rechtsschutzbedürfnis des [X.] für die gegen den Beklagten erhobene Zahlungsklage unter Beschränkung auf den Freistellungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer der Schuldnerin ausgegangen. Die Aufnahme des durch die Verfahrenseröffnung unterbrochenen Kostenfestsetzungsverfahrens stellt einen einfacheren und billigeren Weg dar, um zu einer Festsetzung der Kosten des durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen Rechtsstreits unter Beschränkung auf den Freistellungsanspruch der Schuldnerin zu gelangen.

a) Gemäß § 110 [X.], der inhaltlich der früheren Regelung des § 157 [X.] aF entspricht, kann der Dritte wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers verlangen, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Diesen Freistellungsanspruch kann der Dritte durch unmittelbare Klage auf Zahlung gegen den Insolvenzverwalter, beschränkt auf die Leistung aus der Versicherungsforderung, geltend machen, ohne dass es des [X.] über das insolvenzrechtliche Anmeldungs- und Prüfungsverfahren bedarf ([X.], Urteil vom 13. Juli 1956 - [X.], [X.], 625, 626; vom 25. April 1989 - [X.], [X.], 857; [X.], Urteil vom 23. April 2012 - 18 U 236/10, Rn. 47 f; Prölss/[X.]/Lücke, [X.], 28. Aufl., § 110 Rn. 6; MünchKomm-[X.]/[X.], § 110 Rn. 23 f, 28; MünchKomm-[X.]/Ganter, 3. Aufl., § 51 Rn. 238). Ist hinsichtlich der Schadensersatzforderung des [X.] gegen den Schuldner zum [X.]punkt der Verfahrenseröffnung bereits ein Rechtsstreit anhängig, der durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 240 ZPO unterbrochen wird, kann der Dritte diesen Rechtsstreit gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 [X.] insoweit aufnehmen, als er abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen die Versicherung geltend macht. Dies folgt aus der Aufwertung des Zahlungsanspruchs durch § 110 [X.].

§ 86 Abs. 1 Nr. 2 [X.] sieht vor, dass Rechtsstreitigkeiten, die zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner anhängig sind, sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Gegner aufgenommen werden können, wenn sie die abgesonderte Befriedigung betreffen. Es gibt durchgreifende Gründe, die Regelung des § 86 Abs. 1 Nr. 2 [X.] auf das Absonderungsrecht des § 110 [X.] anzuwenden.

aa) Allerdings betrifft die Vorschrift zuvörderst anhängige Rechtsstreitigkeiten gegen den Schuldner, die unmittelbar die abgesonderte Befriedigung betreffen, wie etwa Klagen auf Duldung der Zwangsvollstreckung aus einem Grundstück wegen eines Grundpfandrechts, Vorzugsklagen nach § 805 ZPO und Teilungsklagen (vgl. HK-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 86 Rn. 11). Demgegenüber ist Gegenstand des unterbrochenen [X.]es allein der Zahlungsanspruch des Anspruchstellers gegen den Versicherungsnehmer und nicht das Recht, sich aus der Deckungsforderung gegen den Versicherer zu befriedigen. Der Deckungsanspruch ist nicht gegenständlich beschränkt, sondern auf die Haftung des Schuldners mit seinem gesamten Vermögen ausgerichtet. Es geht in Fällen der vorliegenden Art auch nicht um die Herausgabe oder Freigabe des Deckungsanspruchs, der im [X.] anders als in den genannten typischen Fällen des § 86 Abs. 1 Nr. 2 [X.] keine Rolle spielt (vgl. [X.], [X.], 41, 42 f).

bb) Trotz dieser konstruktiven Unterschiede spricht gleichwohl mehr dafür, auch die Zahlungsklage des Anspruchstellers unter § 86 Abs. 1 Nr. 2 [X.] zu fassen. Da dem Gläubiger nach der Rechtsprechung des [X.] im Sonderfall des § 110 [X.] das Recht eingeräumt ist, gegen den Insolvenzverwalter auf Zahlung, beschränkt auf Leistung aus der Versicherungsforderung, zu klagen und auf diese Weise indirekt das Absonderungsrecht geltend zu machen, liefe es auf eine überflüssige [X.] hinaus, den Gläubiger auf einen neuen Prozess nach Insolvenzeröffnung zu verweisen (vgl. [X.], aaO S. 42). Durch die Notwendigkeit der Beschränkung des Klageantrags ist prozessual auf andere Weise sichergestellt, dass nicht ein als reine Insolvenzforderung zu qualifizierender Haftungsanspruch entgegen § 87 [X.] von § 86 [X.] erfasst wird. Mit der Zulassung der [X.] gegen den Insolvenzverwalter ist deshalb folgerichtig auch die Zulassung einer Verfahrensaufnahme nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 [X.] verbunden.

b) Das Recht zur Aufnahme des Passivprozesses schließt die Aufnahme wegen entstandener Kosten ein, soweit diese durch das Recht gesichert sind, das dem Gläubiger im Sinne des § 86 [X.] abgesonderte Befriedigung gewährt (vgl. [X.] in [X.], [X.], 2010, § 86 Rn. 12; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 86 Rn. 25; [X.], [X.], 13. Aufl., § 86 Rn. 12; HmbKomm-[X.]/Kuleisa, 4. Aufl., § 86 Rn. 10, 21). Dies folgt aus der Reichweite des [X.] aus § 100 [X.]. Der Versicherer ist bei einer Haftpflichtversicherung auch verpflichtet, den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem [X.] aufgrund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden. Der Versicherer muss deshalb in gleicher Weise wie für die Hauptforderung auch für den Kostenerstattungsanspruch des [X.] einstehen.

Aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin ist auch das Kostenfestsetzungsverfahren vor dem [X.] unterbrochen (vgl. [X.], Beschluss vom 29. Juni 2005 - [X.] 195/04, [X.], 128; vom 15. Mai 2012 - [X.], Z[X.] 2012, 2216). Liegt dem Kostenfestsetzungsverfahren - wie vorliegend - ein Anspruch des [X.]s auf abgesonderte Befriedigung zugrunde, kann der [X.] das Verfahren gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 [X.] wieder aufnehmen. Dies kann im Fall des § 110 [X.] mit der Maßgabe geschehen, dass der Anspruch auf Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen die Haftpflichtversicherung beschränkt wird. Dieser Weg ist im Hinblick darauf, dass bereits eine Kostengrundentscheidung ergangen ist, einfacher und prozessökonomischer als die Erhebung einer selbständigen Klage auf Ausgleich der Kosten des [X.] aus dem Freistellungsanspruch gegen den Versicherer. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine derartige Klage besteht deshalb nicht.

2. Die Revision ist unbegründet, soweit sie geltend macht, das Berufungsgericht hätte den Anspruch auf Zahlung von 34 € nicht zurückweisen dürfen. Die Abweisung der Klage beruht insoweit - dies folgt aus der zulässigen Bezugnahme des Berufungsgerichts auf die Entscheidung des Amtsgerichts - auf der fehlenden Darlegung einer Schadensersatzforderung des [X.] gegen die Schuldnerin im Hinblick auf die verspätete Abgabe der Körperschaftsteuererklärung für das [X.]. Hiermit setzt sich die Revisionsbegründung nicht auseinander. Aus dem Versäumnisurteil des [X.] ist eine Verurteilung der Schuldnerin zum Schadensersatz wegen verspäteter Abgabe der Körperschaftsteuererklärung für das [X.] nicht zu entnehmen. [X.] stellen sich danach nicht.

[X.]                        Vill                          Pape

                Grupp                    Möhring

Meta

IX ZR 311/12

18.07.2013

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Düsseldorf, 28. November 2012, Az: 23 S 93/12

§ 86 Abs 1 Nr 2 InsO, § 100 VVG, § 110 VVG, § 240 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.07.2013, Az. IX ZR 311/12 (REWIS RS 2013, 3974)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3974

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 311/12 (Bundesgerichtshof)


IX ZB 117/12 (Bundesgerichtshof)

Insolvenz des Versicherungsnehmers: Einzelzwangsvollstreckung wegen einer Insolvenzforderung in dessen Freistellungsanspruch gegen seinen Haftpflichtversicherer


IX ZB 117/12 (Bundesgerichtshof)


III ZR 70/16 (Bundesgerichtshof)

Nichtzulassungsbeschwerde: Beschwerdebegründungsfrist bei Aufnahme eines durch Insolvenzeröffnung unterbrochenen Verfahrens


IX ZR 216/14 (Bundesgerichtshof)

Insolvenz des Versicherungsnehmers: Rechtsfolgen der Freigabe einer Versicherungsforderung des Geschädigten durch den Insolvenzverwalter des haftpflichtversicherten …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.