Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2014, Az. IX ZB 117/12

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2584

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

IX [X.]
vom

25. September 2014

in der Zwangsvollstreckungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 89 Abs. 1; [X.] § 110
Während des Insolvenzverfahrens ist die [X.] wegen einer Insolvenzforderung in den Freistellungsanspruch des Schuldners gegen dessen Haftpflichtversicherer unzulässig, sofern der Gläubiger seine persönliche Forderung und nicht das Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Schuldners verfolgt.

[X.], Beschluss vom 25. September 2014 -
IX [X.] -
LG [X.]

[X.]

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], [X.] Dr. Gehrlein, [X.], Grupp und die Richterin Möhring

am 25. September 2014
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 52. Zivilkam-mer des [X.] vom 5. November 2012 wird auf Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf

Gründe:

I.

Die Gläubigerin hat wegen einer durch vorläufig vollstreckbares Urteil titulierten Geldforderung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihrer Schuldnerin im Wege der Sicherungsvollstreckung nach §
720a ZPO die Pfändung der Forderung der Schuldnerin gegen ihren Haftpflichtversi-cherer beantragt. Sie
behauptet, der Insolvenzverwalter habe die zu pfändende Forderung aus der Insolvenzmasse freigegeben. Das Vollstreckungsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat [X.]
-

3

-
nen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbe-schwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Pfändungsantrag weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, §
793
ZPO) und
auch
im Übrigen
zulässig. Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat gemeint,
die beabsichtigte Einzelzwangs-vollstreckung
sei unzulässig. Die Gläubigerin sei als [X.] (§
38 [X.]) vom Vollstreckungsverbot des §
89 [X.] betroffen, weil der Deckungsan-spruch
der Schuldnerin nach seiner Freigabe durch den Insolvenzverwalter in deren sonstiges Vermögen im Sinne von §
89 Abs.
1 [X.] falle.

2. Diese Ausführungen halten
rechtlicher
Nachprüfung
im Ergebnis
stand.
Der von der Gläubigerin betriebenen
Zwangsvollstreckung steht das als Vollstreckungshindernis von Amts wegen zu beachtende ([X.], Beschluss vom 17.
April 2013 -
IX
ZB 300/11, [X.], 939 Rn.
8 mwN) Vollstreckungsverbot des §
89 Abs.
1 [X.] entgegen. Hiernach sind Zwangsvollstreckungen für [X.] während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig.

a) Die Gläubigerin gehört zu den von dem [X.] Gläubigern. Mit ihrem Antrag auf Erlass eines [X.] be-treibt sie die Sicherungsvollstreckung eines vor Eröffnung des Insolvenzverfah-rens entstandenen und vorläufig vollstreckbar titulierten persönlichen An-spruchs. Hinsichtlich dieses Anspruchs ist sie deshalb [X.] (§
38 [X.]). Sie wäre nur dann nicht von §
89 Abs.1 [X.] betroffen, wenn mit 2
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4
5
-

4

-
dem Pfändungsantrag nicht die persönliche Forderung vollstreckt, sondern ein Absonderungsrecht verwertet
werden sollte
([X.], Beschluss vom 12.
Februar 2009 -
IX
ZB 112/06, [X.], 807 Rn.
4; MünchKomm-[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
89 Rn.
11, 18, 21;
HK-[X.]/Kayser, 7.
Aufl., §
89 Rn.
7; [X.], [X.], 13.
Aufl., §
89 Rn.
20;
FK-[X.]/App, 7.
Aufl., §
89 Rn.
6). So liegt der Fall [X.] nicht.

aa) Die Rechtsbeschwerde macht allerdings
mit Recht geltend, dass
die Gläubigerin
als Haftungsgläubigerin
wegen des
ihr gegen die Schuldnerin zu-stehenden [X.]
gemäß
§
110 [X.]
abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch der Schuldnerin gegen deren Haftpflichtversi-cherer verlangen
kann, nachdem über das Vermögen der Schuldnerin als Ver-sicherungsnehmerin das Insolvenzverfahren eröffnet ist.

(1) Gemäß
§
110 [X.]
kann der geschädigte Dritte
wegen des ihm ge-gen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte [X.] aus dem Freistellungsanspruch des Versicherungsnehmers verlangen, wenn über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Dies stellt
sicher, dass die Versicherungsleistung dem geschädigten [X.] und nicht den Gläubigern des Versicherungsnehmers zugutekommt; letzteres
widerspräche der Sozialbindung der Haftpflichtversicherung zu Gunsten des [X.]
(MünchKomm-[X.]/[X.], §
110 Rn.
5
f; [X.], [X.], 9.
Aufl., §
110
Rn.
3; [X.]/[X.]/Retter, [X.], 2.
Aufl., §
110 Rn.
1; vgl. auch [X.], Urteil vom 15.
November 2000 -
IV
ZR 223/99, [X.], 90, 91).
Materiell-rechtlich
erlangt der Dritte wegen §
110 [X.] in der
Insolvenz
des Schädigers ein gesetzliches Pfandrecht
am Freistellungsanspruch ([X.],
Urteil vom 28.
März 1996 -
IX
ZR 77/95, [X.], 61, 62
mwN;
vom 2.
April 2009 -
IX
ZR 23/08, [X.], 960
Rn.
7; vgl. auch MünchKomm-[X.]/[X.], 6
7
-

5

-
3.
Aufl., §
50 Rn.
115;
aA -
im Sinne eines dem gesetzlichen Pfandrecht ledig-lich ähnlichen Rechts
-
etwa [X.]/[X.], [X.], Vor §§
49-52 Rn.
20, 22).

(2) Das
Absonderungsrecht nach §
110 [X.] entsteht bei Vorliegen eines Schadensfalls schon mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Ver-mögen des versicherten Schädigers, auch wenn der Haftpflichtanspruch noch nicht mit bindender Wirkung für den Versicherer (§
106 Satz
1 [X.]) festgestellt ist (vgl. [X.], aaO
§
110 Rn.
5; [X.]/[X.]/Lücke, [X.], 28.
Aufl., §
110 Rn.
3; [X.], [X.], 665, 667). Es bedarf deshalb
keiner Entscheidung, ob auch ein lediglich vorläufig vollstreckbares Urteil, das [X.] der von der Gläubigerin betriebenen Sicherungsvollstreckung ist, die Fäl-ligkeit des [X.] nach §
106 Satz
1 [X.]
auslösen kann (so [X.]/[X.]/Lücke, aaO §
106 Rn.
4; [X.]/[X.]/Retter, aaO §
106 Rn.
4; aA MünchKomm-[X.]/[X.],
aaO
§
106 Rn.
17; [X.], aaO
§
106 Rn.
9; jeweils mwN).

bb) Mit dem Antrag auf
Pfändung des [X.] macht die Gläubigerin jedoch nicht ihr
Absonderungsrecht
geltend.

(1) Aufgrund der Regelung in §
110 [X.] verfügt die Gläubigerin bereits über ein Pfandrecht, mindestens über ein pfandrechtsähnliches Recht an dem Freistellungsanspruch der
Schuldnerin. Gemäß
dem hiernach anwendbaren
§
50 Abs.
1 [X.]
sind Gläubiger, die an einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein Pfandrecht haben, nach Maßgabe der §§
166 bis 173
[X.]
für Hauptforde-rung, Zinsen und Kosten zur abgesonderten Befriedigung an dem [X.] berechtigt.
Ein Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters nach §
166 Abs.
2 [X.] besteht nicht
(vgl. [X.], Urteil vom 11.
April 2013 -
IX
ZR 176/11, [X.], 935 Rn.
15 mwN). Der deshalb
gemäß
§
173 Abs.
1 [X.] selbst zur 8
9
10
-

6

-
Verwertung berechtigte Gläubiger kann sein
Absonderungsrecht
entsprechend den
auf sein
Sicherungsrecht
anwendbaren
gesetzlichen Bestimmungen au-ßerhalb des Insolvenzverfahrens
durchsetzen (vgl. HK-[X.]/Landfermann, 7.
Aufl., §
173 Rn.
2; [X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
173 Rn.
3;
Flöther in [X.], [X.], 2009, §
173 Rn.
7).
Als Inhaberin eines Pfandrechts könnte die Gläubigerin entweder die Forderung der Schuldnerin gegen ihren Haftpflichtversicherer unmittelbar einziehen (§
1282 Abs.
1, §
1228 Abs.
2 [X.]), nach Feststellung des [X.] somit unmittelbar vom Versicherer Zahlung verlangen (vgl. [X.], Urteil vom 17.
März 2004 -
IV
ZR 268/03, [X.], 634, 635
mwN; [X.], aaO §
110 Rn.
9
ff; MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 51 Rn. 236; HK-[X.]/[X.], 7.
Aufl., §
51 Rn. 53; [X.], [X.], 665, 667). Einer vorherigen Pfändung bedarf es in diesem Fall nicht. Alternativ könnte die Gläubigerin nach §
1282 Abs. 2, §
1277 [X.]
Befriedigung aus dem mit dem Pfandrecht belasteten
Recht su-chen. Erforderlich wäre hierfür ein dinglicher Titel auf Duldung der [X.] oder auf Gestattung der Befriedigung aus dem verpfändeten Recht
(vgl. [X.], Beschluss vom 19.
März 2004 -
IXa
ZB 199/03, [X.]Report
2004, 1323; [X.], 137, 139; [X.]/[X.], [X.], 2009, §
1277
Rn.
2). Aus einem solchen Titel geht die Gläubigerin nicht vor. Sie betreibt vielmehr die Si-cherungsvollstreckung aus einem persönlichen Zahlungstitel. Mit ihrem Abson-derungsrecht aus §
110 [X.] hat dies nichts zu tun.

(2) Nichts anderes gilt, wenn der Insolvenzverwalter, wie von der Gläubi-gerin behauptet, den Freistellungsanspruch der Schuldnerin gegen ihren [X.] freigegeben hat. Das nach §
110 [X.] materiell-rechtlich ent-standene Pfandrecht
am Deckungsanspruch
erlischt durch die Freigabe nicht ([X.], Urteil vom 28.
März 1996 -
IX
ZR 77/95, [X.], 835, 837 mwN; vom 2.
April 2009 -
IX
ZR 23/08, [X.], 960 Rn. 7).
Seine Verwertung erfolgt 11
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7

-
auch in diesem Fall nach den vorstehend angeführten gesetzlichen Bestim-mungen.
Der Antrag auf
Pfändung dient dieser Verwertung nicht.

b) Vollstreckt die Gläubigerin mithin als [X.] ihre persön-liche Forderung, greift das Vollstreckungsverbot des §
89 Abs.
1 [X.]. Dieses gilt für Vollstreckungen in die Insolvenzmasse wie auch in das sonstige Vermö-gen des Schuldners. Auf die von der Gläubigerin behauptete Freigabe des [X.] kommt es auch in diesem Zusammenhang nicht an. Denn die vom Insolvenzverwalter aus der Masse freigegebenen Gegenstände gehören zu dem sonstigen
Vermögen
des Schuldners
im Sinne von §
89 Abs.
1 [X.]
([X.], Urteil vom 19.
Januar 2006 -
IX
ZR 232/04, [X.]Z 166, 74 Rn.
26; [X.] vom 12.
Februar 2009 -
IX
ZB 112/06, [X.], 807 Rn.
12).
Die Zu-ordnung freigegebener Gegenstände zum sonstigen Vermögen des Schuldners und damit deren Einbeziehung in den Vollstreckungsschutz des §
89 Abs.
1 [X.] soll es dem Schuldner ermöglichen, noch während des Insolvenzverfah-rens eine neue wirtschaftliche Existenz zu begründen (vgl. [X.], Beschluss vom 12.
Februar 2009, aaO
Rn.
11 mwN). Soweit die Rechtsbeschwerde gel-tend macht, der Freistellungsanspruch des insolventen Versicherungsnehmers sei hiervon auszunehmen, weil er für dessen neue wirtschaftliche Existenz nicht erforderlich sei
und ein Ausschluss der [X.] lediglich dem Haftpflichtversicherer zugutekomme, rechtfertigt dies keine abweichende

12
-

8

-
Beurteilung.
Unbillige Ergebnisse sind nicht zu befürchten.
Dem [X.] bleibt es unbenommen, seine Rechte aus §
110 [X.] entsprechend den
aufgezeigten
gesetzlichen Verfahrensweisen zu verfolgen.

Kayser
Gehrlein
Fischer

Grupp
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 31.08.2012 -
715 M 155469/12 -

LG [X.], Entscheidung vom 05.11.2012 -
52 [X.]/12 -

Meta

IX ZB 117/12

25.09.2014

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2014, Az. IX ZB 117/12 (REWIS RS 2014, 2584)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2584

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZB 117/12

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