Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.05.2011, Az. 4 StR 584/10

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 6869

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Gegenstand

Revision im Strafverfahren: Unzutreffender Sachvortrag zu Verfahrenstatsachen in der Revisionsbegründung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. Mai 2010

a) aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen zwei im Oktober 1990 und im September 1993 begangener Taten des sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden ist; insoweit wird das Verfahren eingestellt; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 33 Fällen schuldig ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin trägt der Angeklagte.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 35 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die mit einer Verfahrensrüge und der Sachbeschwerde begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Soweit der Angeklagte wegen zwei im Oktober 1990 und im September 1993 begangener [X.] verurteilt worden ist, ist das Verfahren jeweils wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses einzustellen. Während hinsichtlich der möglicherweise vor dem 3. Oktober 1990 begangenen Tat Verfolgungsverjährung eingetreten ist, wird die im September 1993 - nicht ausschließbar - vor Ende des kalendarischen [X.]s verübte Tat von der Eröffnungsentscheidung der [X.] nicht erfasst.

3

a) Das [X.] hat festgestellt, dass der Angeklagte im Zeitraum von Oktober 1990 bis einschließlich April 1993 sowie vom September 1993 bis Ende des Jahres 1993 jeden Monat eine Missbrauchstat zum Nachteil seiner Tochter [X.]     beging. Nähere Feststellungen zu den jeweiligen [X.] waren nicht möglich. Bei der Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ist daher zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass die Tat im Oktober 1990 vor dem [X.] [X.] zur [X.] und der im September 1993 verübte Missbrauch während des kalendarischen [X.]s begangen wurde.

4

b) Die im Oktober 1990 vor dem Wirksamwerden des Beitritts verübte Tat, auf welche gemäß Art. 315 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 2 Abs. 3 StGB die Strafvorschrift des § 148 Abs. 1 StGB-[X.] mit einer Strafandrohung von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe Anwendung findet, ist verjährt. Die nach der Unterbrechung der Verfolgungsverjährung in Folge des Beitritts gemäß § 315a Abs. 1 Satz 3 [X.] maßgebliche fünfjährige Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB, die nach der auch [X.] nach dem Recht der ehemaligen [X.] erfassenden Regelung des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des [X.] am 18. August 2000 ruhte, war bei der Einleitung des Ermittlungsverfahrens bereits abgelaufen.

5

c) Hinsichtlich der im September 1993 vor Ende des kalendarischen [X.]s begangenen Tat fehlt es an einer wirksamen  Eröffnungsentscheidung (§ 203 StPO), da die [X.] in ihrem Eröffnungsbeschluss vom 4. Februar 2010 im [X.] 1993 begangene Taten von der Eröffnung des Hauptverfahrens ausdrücklich ausgenommen hat.

6

d) Durch den Wegfall von zwei Einzelstrafen von jeweils einem Jahr in Folge der Teileinstellung des Verfahrens wird der Bestand des Gesamtstrafenausspruchs nicht in Frage gestellt. Mit Blick auf die verbleibenden 33 Einzelstrafen von je einem Jahr kann der Senat ausschließen, dass die [X.] ohne die eingestellten Fälle auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

7

2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten ist unbegründet. Insoweit hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

8

Die Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, die Hauptverhandlung im Fortsetzungstermin am 10. Mai 2010 sei unter Verletzung des § 231 Abs. 2 StPO in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt worden, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Revision zu den Verfahrenstatsachen in einem maßgeblichen Punkt objektiv falsch vorgetragen hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 18. August 2010 - 5 [X.]; vom 15. Juni 2005 - 1 [X.], [X.]R StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Beweisantragsrecht 8). Während die Revision behauptet, der Vorsitzende habe in der Hauptverhandlung am 20. April 2010 den Beginn des [X.] am 10. Mai 2010 auf 15.00 Uhr festgesetzt, die im Protokoll vermerkte Uhrzeit von 14.00 Uhr sei dem Angeklagten und seinem Verteidiger "so" nicht mitgeteilt worden, ergibt sich aus dem [X.], der vom Senat eingeholten dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden sowie aus der Gegenerklärung der Nebenklägerin, dass der Beginn des am 10. Mai 2010 vorgesehenen [X.] vom Vorsitzenden der [X.] in der Hauptverhandlung am 20. April 2010 auf 14.00 Uhr bestimmt wurde. Auf einen Irrtum in Folge eines Fehlverständnisses der mündlichen Anordnung des Vorsitzenden hat sich der Beschwerdeführer zur Begründung seiner Verfahrensrüge nicht berufen. Auf Grund des unzutreffenden Sachvortrags bietet die [X.] keine ausreichende Grundlage für die Prüfung der Eigenmächtigkeit der Abwesenheit des Angeklagten durch das Revisionsgericht (vgl. [X.], Urteil vom 6. März 1984 - 5 StR 997/83, [X.], 326; Beschluss vom 10. April 1981 - 3 [X.], [X.] 1981, 393).

9

3. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).

Ernemann     

Rin[X.] Roggenbuck befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben

[X.]

Ernemann

Mutzbauer     

     Bender     

Meta

4 StR 584/10

10.05.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Neubrandenburg, 26. Mai 2010, Az: 8 KLs 34/09 - 832 Js 24681/08, Urteil

§ 344 Abs 2 S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.05.2011, Az. 4 StR 584/10 (REWIS RS 2011, 6869)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6869

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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