Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.02.2015, Az. V B 107/14

5. Senat | REWIS RS 2015, 15647

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anforderung einer schriftlichen Prozessvollmacht; Zweifel an Bevollmächtigung; isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung


Leitsatz

1. NV: Beim Auftreten einer Person i.S. des § 3 Nr. 1 - 3 StBerG als Bevollmächtigter kann das Gericht den Nachweis der Bevollmächtigung verlangen, sofern begründete Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen.

2. NV: Die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung des FG ist unzulässig, wenn zwar ein Rechtsmittel gegen die Hauptsacheentscheidung (Nichtzulassungsbeschwerde) eingelegt wurde, dieses jedoch unzulässig ist.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 24. Juli 2014  4 K 2394/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht ([[[X.].].]) hat die Klage des [[[X.].].] und Beschwerdeführers (Kläger) wegen der Umsatzsteuer-Voranmeldungen Januar bis Dezember 2010 als unzulässig verworfen. Diese Klage hatten die Rechtsanwälte [[X.].] und [[X.].] im Namen des [[[X.].].] erhoben, trotz mehrfacher Aufforderung des [[[X.].].] aber keine schriftliche Prozessvollmacht eingereicht. Das [[[X.].].] begründete die Klageabweisung damit, dass der Mangel einer Vollmacht auch dann geprüft werden könne, wenn als Bevollmächtigter eine Person i.S. des § 3 Nr. 1 bis 3 des [[X.].]) auftritt (§ 62 Abs. 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung --[[[X.].].]O--). Im Klageverfahren gegen die --zwischenzeitlich erlassenen-- Umsatzsteuer-Jahresbescheide 2010 und 2011 seien nicht die [[X.].] des vorliegenden Verfahrens ([[X.].] und [[X.].]) aufgetreten, sondern die [X.]. Das Agieren unterschiedlicher [[X.].] habe Anlass zur Prüfung gegeben, ob der Kläger in dem die Umsatzsteuer-Voranmeldungen betreffenden Verfahren die erforderliche Prozessvollmacht erteilt habe. Da die [[X.].] ihre Bevollmächtigung nicht bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgewiesen hätten, sei die Klage als unzulässig abzuweisen.

2

Mit ihrer Beschwerde rügt der Kläger einen Verfahrensmangel. Das [[[X.].].] habe die Vollmacht ermessensfehlerhaft angefordert. Die im Urteil angeführten Zweifel an einer Bevollmächtigung seien in keiner Weise nachvollziehbar, sondern beruhten auf Willkür. Dem [[[X.].].] sei bekannt, dass der Rechtsanwalt [[X.].] und die [X.]. in einem engen kollegialen Verhältnis zueinander stünden; es gebe daher eine Unzahl an Verfahren, in denen Rechtsanwalt [[X.].] Verfahren als Bevollmächtigter von der [X.]. übernommen habe, nachdem diese Gesellschaft als Bevollmächtigte zurückgewiesen worden sei. Die Bearbeitung der einen Streitsache (Umsatzsteuer 2010) von der [X.]. und der anderen (Umsatzsteuer-Voranmeldungen 2010) von Rechtsanwalt [[X.].] gebe in keinerlei Hinsicht Anlass zu Zweifeln an der Bevollmächtigung.

3

Ein weiterer Verfahrensmangel liege darin, dass die Verfahrenskosten nicht nur dem Rechtsanwalt [[X.].], sondern auch der bei diesem nur angestellten Rechtsanwältin [[X.].] auferlegt worden seien. Da [[X.].] in keiner Weise als Bevollmächtigte in der Sache aufgetreten und auf dem Briefkopf ausdrücklich als Angestellte bezeichnet worden sei, bestehe gegen diese kein [X.].

Entscheidungsgründe

4

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

5

1. Der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 [[[X.].].]O liegt nicht vor. Das [[[X.].].] hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Rechtsanwälte [[X.].] und [[X.].] im finanzgerichtlichen Verfahren keine Vollmacht vorgelegt haben.

6

a) Nach § 62 Abs. 2 [[[X.].].]O können sich die Beteiligten u.a. durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Die Bevollmächtigung ist durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen (§ 62 Abs. 6 Satz 1 [[[X.].].]O). Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter eine in § 62 Abs. 2 Satz 1 [[[X.].].]O bezeichnete Person oder Gesellschaft auftritt (§ 62 Abs. 6 Satz 4 [[[X.].].]O).

7

Aus § 62 Abs. 6 Satz 4 [[[X.].].]O folgt nicht zwingend, dass das Fehlen der [[X.].] bei Auftreten einer in § 62 Abs. 2 Satz 1 [[[X.].].]O bezeichneten Person oder Gesellschaft unbeachtlich ist. Vielmehr ist in einem solchen Fall nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob die Vorlage einer Vollmacht für notwendig erachtet wird oder nicht (Beschluss des [[X.].] --BFH-- vom 15. April 2010 V B 7/09, [[X.].], 1830). Danach kann eine Vollmacht bei begründeten Zweifeln an der Bevollmächtigung angefordert werden (vgl. BFH-Urteil vom 11. Februar 2003 VII R 18/02, [[X.].], 409, [[X.].] 2003, 606, m.w.N.). Für die Annahme derartiger Zweifel an einer Bevollmächtigung, die bei dem Auftreten von Personen i.S. von § 3 Nr. 1 bis 3 StBerG die Anforderung einer Vollmacht rechtfertigen können, müssen jedoch konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die in § 62 Abs. 6 Satz 4 [[[X.].].]O genannte Person oder Gesellschaft tatsächlich nicht oder nicht wirksam bevollmächtigt ist ([[X.].] vom 7. Mai 2014 II B 117/13, [[X.].], 1232, m.w.N.). Da die Anforderung der Vollmacht keinen strengen Ausnahmecharakter hat, darf der Nachweis der Vollmacht verlangt werden, sofern --zumindest geringe-- Zweifel bestehen ([[X.].] vom 24. Juni 2008 IV B 83/07, [[X.].], 1856, unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 62 [[[X.].].]O in BTDrucks 14/4061, S. 7 f., unter [[X.].] zu Nr. 3).

8

b) Im Streitfall enthalten sowohl das Schreiben des [[[X.].].] vom 5. Februar 2013 als auch die Entscheidungsgründe des Urteils Erwägungen, die geeignet sind, Zweifel an der Bevollmächtigung der Rechtsanwälte [[X.].] und [[X.].] zu rechtfertigen: Das [X.] hatte am 24. September 2012 einen [X.] 2010 erlassen, gegen den die [X.]. im Namen des Klägers Klage erhob. Damit waren für das Streitjahr 2010 zwei Rechtsstreitigkeiten anhängig, in denen es um dieselben materiell-rechtlichen Fragen ging und die zueinander in vielfältiger Beziehung stehen:

9

Die Jahressteuerfestsetzung nimmt materiell-rechtlich den Inhalt der Steuerfestsetzungen für die Voranmeldungszeiträume in sich auf, sodass die [X.] ihre Wirksamkeit verlieren (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. Mai 2005 V R 31/03, [X.], 167, [[X.].] 2005, 671; [[X.].] vom 16. Dezember 2009 V B 23/08, [[X.].], 1866). Das materielle Ergebnis der im Kalenderjahr positiv oder negativ entstandenen Umsatzsteuer wird für die Zukunft ausschließlich mit dem [X.]bescheid festgestellt ([[X.].] vom 22. August 1995 VII B 107/95, [X.], 532, [[X.].] 1995, 916, 917; BFH-Urteil vom 21. Februar 1991 V R 130/86, [X.], 408, [[X.].] 1991, 465, 466). Die Umsatzsteuer-Voranmeldungen haben eine nur vorläufige Wirkung. Dies zeigt sich daran, dass diese keiner materiellen Bestandskraft in dem Sinne fähig sind, dass --mit gegenüber dem Jahressteuerbescheid durchsetzbarer Verbindlichkeit-- über das Bestehen einer Umsatzsteuerschuld entschieden wird (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juni 1999 VII R 3/97, [X.], 14, [[X.].] 2000, 46 ff., 51, unter [X.]) mit Hinweis auf die Senatsurteile vom 29. November 1984 V R 146/83 ([X.], 101, [[X.].] 1985, 370) sowie vom 1. Oktober 1992 V R 81/89 ([X.], 117, [[X.].] 1993, 120). Das endgültige materiell-rechtliche Schicksal der Vorauszahlungsschuld hängt daher grundsätzlich von der Festsetzung der [X.] ab (BFH-Urteil in [X.], 14, [[X.].] 2000, 46 ff., 51, unter [X.]). In verfahrensrechtlicher Hinsicht bewirkt die Festsetzung der [X.], dass sich die Steuerfestsetzungen für Voranmeldungszeiträume aufgrund von Voranmeldungen oder Vorauszahlungsbescheiden nach § 124 Abs. 2 der Abgabenordnung auf andere Weise erledigen (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 2011 V R 42/09, [X.], 519, [[X.].] 2014, 76, m.w.N.).

Auch wenn es einem Steuerpflichtigen unbenommen ist und bleibt, in derartigen Fällen zwei Vertreter mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen, entspräche dies nicht dem Regelfall. Die aufgezeigten Besonderheiten geben vielmehr Anlass zur Nachfrage und Prüfung des [[[X.].].], ob tatsächlich der Ausnahmefall einer doppelten Bevollmächtigung vorliegt.

c) Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, dass das [[[X.].].] von einer kollegialen Zusammenarbeit des Rechtsanwalts [[X.].] mit der [X.]. gewusst und dieser zahlreiche Verfahren der [X.]. nach deren Zurückweisung als Bevollmächtigte übernommen habe. Denn es ist weder vorgetragen noch für den Senat ersichtlich, dass die [X.]. im Rechtsstreit wegen Umsatzsteuer 2010 vom [[[X.].].] zurückgewiesen wurde.

d) Kommt das Gericht --wie im [X.] zu dem Ergebnis, dass die Vorlage der Vollmacht nicht verzichtbar ist, so ist der von dem vollmachtlosen Vertreter eingelegte Rechtsbehelf als unzulässig zu verwerfen ([X.] in [[X.].], 1830, und vom 11. November 2009 I B 153/09, [[X.].], 904).

2. Soweit der Kläger rügt, dass die Kosten des Rechtsstreits zu Unrecht auch der Rechtsanwältin [[X.].] auferlegt wurden, ist die Beschwerde gemäß § 145 [[[X.].].]O unzulässig. Hiernach ist die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig, wenn nicht ein Rechtsmittel gegen die Hauptsacheentscheidung eingelegt wird bzw. wenn dieses --wie im [X.] unzulässig ist (vgl. [X.] vom 24. November 2011 IV B 85/10, [X.], 585, und vom 19. Dezember 2007 [[X.].] B 89/07, [[X.].], 599).

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [[[X.].].]O.

Meta

V B 107/14

11.02.2015

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend FG Köln, 24. Juli 2014, Az: 4 K 2394/11, Urteil

§ 62 Abs 2 FGO, § 62 Abs 6 FGO, § 145 FGO, § 3 Nr 1 StBerG, § 3 Nr 2 StBerG, § 3 Nr 3 StBerG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.02.2015, Az. V B 107/14 (REWIS RS 2015, 15647)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 15647

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

II R 33/16 (Bundesfinanzhof)

Folgen der Zurückweisung eines Bevollmächtigten nach bisherigem Recht - Eigenvertretung einer ausländischen Steuerberatungsgesellschaft beim BFH …


II B 117/13 (Bundesfinanzhof)

Nachlassinsolvenzverfahren bei Erbengemeinschaft; Fehlen einer Prozessvollmacht für Rechtsanwalt oder Steuerberater; keine notwendige Beiladung bei unzulässiger …


V B 7/09 (Bundesfinanzhof)

Aufforderung zur Vorlage einer Prozessvollmacht


X B 190-196/11, X B 190/11, X B 191/11, X B 192/11, X B 193/11, X B 194/11, X B 195/11, X B 196/11 (Bundesfinanzhof)

Auftreten eines Steuerberaters ohne Prozessvollmacht; Kostenpflicht des vollmachtlosen Vertreters


V R 49/14 (Bundesfinanzhof)

Zurückweisung eines Bevollmächtigten - Auslegung eines Verwaltungsakts (hier: Zurückweisungsverfügung) durch Revisionsgericht - Erlass eines Zwischenurteils


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.