Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.04.2011, Az. IX ZB 18/10

9. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7458

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Gegenstand

Insolvenzverwaltervergütung: Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen eine die Entnahme der Vergütung beschränkende gerichtliche Anordnung; Bindung der Vorinstanz an eine zurückverweisende Entscheidung des Gerichts der sofortigen Beschwerde


Tenor

Auf die Rechtsmittel des weiteren Beteiligten zu 1 werden der Beschluss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 6. Januar 2010 und der Beschluss des [X.] vom 23. September 2009 mit der Maßgabe aufgehoben, dass der weitere Beteiligte zu 1 berechtigt ist, die festgesetzte Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter der Masse zu entnehmen.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 9.517,38 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der weitere Beteiligte zu 1 wurde am 22. Mai 2003 zum vorläufigen Insolvenzverwalter und am 21. Juli 2003 mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 20. März 2008 beantragte er, die Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Verwalter auf 8.204,64 € zuzüglich 16 v.H. Umsatzsteuer festzusetzen. Das Amtsgericht hat den Antrag wegen Verjährung des Anspruchs zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten hat das [X.] den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer zurückverwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Verjährung dürfe nur auf die Einrede des Schuldners oder eines Gläubigers berücksichtigt werden. Gegen diesen Beschluss hat der weitere Beteiligte zu 1 kein Rechtsmittel eingelegt. Das Amtsgericht hat hierauf die Vergütung mit Beschluss vom 17. August 2009 antragsgemäß festgesetzt, eine Entnahme aus der Masse aber nur insoweit angeordnet, als kein Insolvenzgläubiger oder der Schuldner die Einrede der Verjährung geltend macht. In der Folgezeit haben die weiteren Beteiligten zu 2 und 3 als Insolvenzgläubiger die Einrede der Verjährung erhoben. Mit Beschluss vom 23. September 2009 hat das Amtsgericht festgestellt, dass die festgesetzte Vergütung nicht der Masse zu entnehmen sei. Das hiergegen gerichtete Rechtsmittel des weiteren Beteiligten zu 1 hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der weitere Beteiligte zu 1 seinen Vergütungsanspruch weiter.

II.

2

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 7, 6, 64 Abs. 3, § 21 Abs. 2 Nr. 1 [X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Zwar sieht die [X.] gegen eine Anordnung, dass die festgesetzte Vergütung nicht der Masse entnommen werden dürfe, keine sofortige Beschwerde vor (§ 6 [X.]). Der Sache nach schränkt eine solche Anordnung aber den Beschluss über die Festsetzung der Vergütung ein, weil diese, soweit nichts Abweichendes angeordnet wird, den Verwalter zur Entnahme der Vergütung aus der Masse berechtigt. Die beschränkende Anordnung kann daher wie die Festsetzung der Vergütung angefochten werden ([X.], Beschluss vom 22. September 2010 - [X.], [X.], 2160 Rn. 10 bis 16).

3

2. Die auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.

4

a) Das [X.] hat ausgeführt, der Vergütungsanspruch sei verjährt. Die Verjährung sei nicht gehemmt worden. Da Insolvenzgläubiger die Einrede der Verjährung erhoben hätten, sei sie auch zu berücksichtigen.

5

b) Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Vergütungsanspruch des weiteren Beteiligten zu 1 ist nicht verjährt. Wie der [X.] zwischenzeitlich entschieden hat, verjährt der Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters bis zur Festsetzung der Vergütung durch das Insolvenzgericht innerhalb der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB. Die Frist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in welchem das Insolvenzverfahren eröffnet, der Vergütungsanspruch mithin entstanden ist. Bis zum Abschluss des eröffneten Insolvenzverfahrens ist die Verjährung jedoch in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 8 Abs. 2 Satz 1 RVG gehemmt ([X.], Beschluss vom 22. September 2010 - [X.], [X.], 2160 Rn. 27 ff; vom 13. Januar 2011 - [X.], juris Rn. 2; vom 20. Januar 2011 - [X.]/09, juris Rn. 2; vom 10. März 2011 - [X.], juris Rn. 4).

6

c) Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Ihrer Aufhebung steht die von der ersten Entscheidung des [X.] ausgehende (Rück-)Bindung des [X.] nicht entgegen (vgl. dazu etwa [X.], Beschluss vom 28. Oktober 1954 - [X.], [X.]Z 15, 122, 124 f; vom 12. Februar 2009 - [X.], [X.], 712 Rn. 9). Die im Gesetz nicht geregelte, auch für die Rückbindung maßgebliche Bindung der Vorinstanz an eine zurückverweisende Entscheidung des Gerichts der sofortigen Beschwerde ist grundsätzlich analog § 563 Abs. 2, § 577 Abs. 4 Satz 4 ZPO auf die der Aufhebung zugrunde gelegte rechtliche Beurteilung beschränkt (Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO, 2. Aufl., § 572 Rn. 14), hier somit auf die Beurteilung, die Verjährung des Vergütungsanspruchs dürfe nicht von Amts wegen, sondern nur auf die Einrede eines hierzu Berechtigten berücksichtigt werden. Im Blick auf die in § 572 Abs. 3 ZPO geregelte Befugnis des [X.], die erforderliche Anordnung der Vorinstanz zu übertragen, kann seiner Entscheidung allerdings auch eine erweiterte Bindungswirkung zukommen ([X.], Beschluss vom 18. Oktober 1968 - [X.], [X.]Z 51, 131, 135 ff; [X.], 4. Aufl., § 572 Rn. 14). Von dieser Möglichkeit hat das Beschwerdegericht im Streitfall aber keinen Gebrauch gemacht. Die im Tenor des Beschlusses vom 9. März 2009 angeordnete Bindung an die Rechtsauffassung des [X.] sollte - lediglich - für die tragenden Gründe der Entscheidung gelten (Seite 5 des Beschlusses). Bei der Beurteilung, ob die Verjährung des Vergütungsanspruchs während des eröffneten Verfahrens gehemmt war, war das Insolvenzgericht somit frei; entsprechendes gilt für das Rechtsbeschwerdegericht.

7

d) Da im Hinblick auf die Frage der Verjährung die erforderlichen Feststellungen getroffen sind und die Höhe der Vergütung bereits festgesetzt ist, hat der [X.] in der Sache selbst zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Der weitere Beteiligte zu 1 ist berechtigt, die festgesetzte Vergütung in Höhe von 9.517,38 € der Insolvenzmasse zu entnehmen.

8

e) Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil die Rechtsbeschwerde Erfolg hat und sich die Beteiligten bei der Vergütung des Insolvenzverwalters und einem sich daran anschließenden Rechtsbeschwerdeverfahren in der Regel nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen. Das steht einer Anwendung von §§ 91 ff ZPO entgegen (vgl. [X.], Beschluss vom 22. September 2010, aaO Rn. 37).

Kayser                                  Gehrlein                                  Fischer

                     Grupp                                    [X.]

Meta

IX ZB 18/10

14.04.2011

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Mühlhausen, 6. Januar 2010, Az: 2 T 281/09, Beschluss

§ 6 InsO, § 64 Abs 3 InsO, § 563 Abs 2 ZPO, § 577 Abs 4 S 4 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.04.2011, Az. IX ZB 18/10 (REWIS RS 2011, 7458)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7458

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Wird zitiert von

IX ZB 18/10

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IX ZB 195/09

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