Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.01.2010, Az. VI B 115/09

6. Senat | REWIS RS 2010, 10055

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Gegenstand

(Aussetzung und Aufhebung der Vollziehung wegen verfassungsrechtlicher Bedenken hinsichtlich des Abzugsverbots des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.F. des StÄndG 2007 - Beschränkung der Vollziehungsaussetzung bei anzurechnenden Steuerabzugsbeträgen ist verfassungsgemäß - Schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsvorschrift allein rechtfertigen die Aufhebung der Vollziehung wegen wesentlicher Nachteile nicht - Keine Überzeugung des BFH von der Verfassungswidrigkeit des Abzugsverbots des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.F. des StÄndG 2007)


Leitsatz

1. NV: Eine Aufhebung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2007 wegen verfassungsrechtlicher Bedenken an dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.F. des StÄndG 2007 betreffend Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ist insoweit gerechtfertigt, als die Einkünfte der Antragstellerin aus nichtselbständiger Arbeit um weitere Werbungskosten in Höhe von 1.250 € zu mindern sind .

2. NV: Die Aufhebung der Vollziehung eines Steuerbescheids erscheint hingegen erst dann nötig, wenn das zuständige Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer streitentscheidenden Vorschrift überzeugt ist und diese deshalb gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG zur Prüfung vorgelegt hat .

Tatbestand

1

I. [X.]ie Antragsteller, [X.]eschwerdegegner und [X.]eschwerdeführer (Antragsteller) sind [X.]hegatten, die in den Streitjahren 2007 und 2008 zusammen zur [X.]inkommensteuer veranlagt wurden. [X.]er Antragsteller erzielt [X.]inkünfte aus selbständiger Tätigkeit als freier Journalist. [X.]ie Antragstellerin ist als [X.]auingenieurin nichtselbständig für die [X.] tätig. Sie betreut als Außendienstmitarbeiterin ein Verkaufsgebiet mit den Schwerpunkten A, [X.], [X.], [X.], [X.] und [X.] In ihren Steuererklärungen für die Streitjahre machten die Antragsteller Aufwendungen für das Arbeitszimmer der Antragstellerin in Höhe von 1.494 € bzw. 1.722 € als Werbungskosten bei den [X.]inkünften aus § 19 des [X.]inkommensteuergesetzes ([X.]StG) geltend. [X.]ie Aufwendungen des Jahres 2007 entfielen mit 595 € auf eine Mietwohnung in [X.] (1. Januar bis 30 Juni) und mit 899 € auf ein Haus in [X.] (1. Juli bis 31. [X.]ezember). [X.]er Antragsgegner, [X.]eschwerdeführer und [X.]eschwerdegegner (Antragsgegner) ließ die geltend gemachten Aufwendungen für das Arbeitszimmer in den [X.]inkommensteuerbescheiden vom 5. Februar bzw. 27. März 2009, mit [X.] vom 5. Juni 2009, die im Hinblick auf die Anwendung der Neuregelung zur Abziehbarkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer für vorläufig erklärt worden sind, nicht zum Werbungskostenabzug zu, da das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit der Antragstellerin darstelle.

2

[X.]ie Antragsteller haben zunächst beim Antragsgegner erfolglos und sodann am 8. Juli 2009 beim Finanzgericht ([X.]) einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) gestellt. [X.]arüber hinaus haben sie nach erfolglosem Vorverfahren am 17. Juli 2009 Klage erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist.

3

[X.]as [X.] gab dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes für das [X.] wegen verfassungsrechtlicher [X.]edenken hinsichtlich des Abzugsverbots des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b [X.]StG i.d.[X.] des Steueränderungsgesetzes 2007 (StÄndG 2007) betreffend Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer statt. [X.]s hob die Vollziehung der angefochtenen [X.]inkommensteuerfestsetzung insoweit auf, als Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer der Antragstellerin in Höhe von 1.494 € nicht als Werbungskosten bei den [X.]inkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt worden sind. Für das [X.] wurde der Antrag abgelehnt, da [X.] ernstlicher Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden [X.] gemäß § 69 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 8 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) eine [X.]rstattung von [X.] und Vorauszahlungen ausscheide. [X.]ie [X.]eschwerde wurde zugelassen. [X.]er Aussetzungsbeschluss des [X.] ist in [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte 2009, 1839 veröffentlicht.

4

Mit Verfügung vom 9. November 2009 hat der Antragsgegner die Vollziehung des [X.]inkommensteuerbescheids 2007 insoweit aufgehoben, als Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 € nicht als Werbungskosten berücksichtigt wurden. [X.]arüber hinaus hat der Antragsgegner angekündigt, dass er beabsichtige, auch die Vollziehung des [X.]inkommensteuerbescheids 2008 in nämlichem Umfang aufzuheben.

5

Mit seiner [X.]eschwerde bringt der Antragsgegner vor, dass die Aufhebung der Vollziehung des [X.]inkommensteuerbescheids für 2007 wegen verfassungsrechtlicher [X.]edenken lediglich insoweit gerechtfertigt sei, als wegen des Arbeitszimmers weitere Werbungskosten in Höhe von 1.250 € zum Abzug zuzulassen seien. [X.]ie von der Antragstellerin beruflich genutzten Räumlichkeiten seien nicht als häusliche [X.]etriebsstätte, sondern als häusliches Arbeitszimmer zu beurteilen. [X.]a sich dort aber nicht der Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit der Antragstellerin befinde, könnten die Aufwendungen für das Arbeitszimmer nicht in dem geltend gemachten Umfang von 1.494 €, sondern nur bis zu dem Höchstbetrag in Höhe von 1.250 € berücksichtigt werden. [X.]ie verfassungsrechtlichen [X.]edenken an dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b [X.]StG betreffend Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer zwängen im Streitfall nicht, darüber hinausgehenden Aufwand hierfür zu berücksichtigen.

6

[X.]er Antragsgegner beantragt,

den [X.]eschluss des [X.] [X.]üsseldorf vom 21. August 2009  11 V 2481/09 A([X.]) insoweit aufzuheben, als hierdurch nach § 69 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 [X.]O vorläufiger Rechtsschutz über die zwischenzeitlich vom Antragsgegner ausgesprochene Aufhebung der Vollziehung des [X.]inkommensteuerbescheids für 2007 hinaus gewährt wurde.

7

[X.]ie Antragsteller beantragen,

die [X.]eschwerde zurückzuweisen.

8

[X.]as [X.] habe die Vollziehung des [X.]inkommensteuerbescheids für 2007 zu Recht in Höhe von 1.494 € und damit in Höhe der tatsächlichen Kosten für das häusliche Arbeitszimmer aufgehoben. [X.]as von der Antragstellerin genutzte [X.] sei kein klassisches häusliches Arbeitszimmer. [X.]s handele sich bei den Räumlichkeiten vielmehr um ein räumlich abgeschlossenes [X.], das sich im Obergeschoss des [X.]infamilienhauses befinde, über eine Treppe erreicht werden könne, ohne den Wohnbereich zu berühren, und ausschließlich beruflich genutzt werde. [X.]as [X.] müsse auch für [X.]esuche des Verkaufsleiters der [X.] und für Kundenbesuche bereitgehalten werden. Auch sei die Antragstellerin arbeitsvertraglich gezwungen, ein solches [X.]üro bereitzustellen. Außerdem könne sie ohne das [X.]üro --anders als ein Lehrer-- ihren [X.]eruf nicht ausüben. [X.]eshalb bestünden am Abzugsverbot betreffend Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer insbesondere bei Außendienstmitarbeitern verfassungsrechtliche [X.]edenken. Im Grunde handele es sich bei dem [X.]üro um eine [X.]etriebsstätte des Arbeitgebers, in der die Antragstellerin als angestellte Heimarbeiterin tätig sei. Überdies befinde sich der [X.]reh- und Angelpunkt der beruflichen Tätigkeit der Antragstellerin in diesen Räumlichkeiten. [X.]ort befinde sich sowohl in zeitlicher als auch in quantitativer Hinsicht der Mittelpunkt der [X.]. Letztlich erziele die Antragstellerin durch die Zurverfügungstellung des [X.]s [X.]inkünfte aus Vermietung und Verpachtung. [X.]ie Miete sei im Arbeitslohn pauschal enthalten. [X.]eshalb müsse der Arbeitslohn um den ortsüblichen Mietzins in Höhe von 2.040 € per anno gekürzt werden. [X.]ei der [X.]rmittlung der [X.]inkünfte aus Vermietung und Verpachtung sei diesen [X.]innahmen der geltend gemachte Aufwand für das [X.] entgegenzusetzen, so dass lediglich positive [X.]inkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 594 € bzw. 318 € verblieben.

9

[X.]ie Antragsteller haben wegen des [X.] ebenfalls [X.]eschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 11. September 2009 haben sie gegenüber dem [X.] ihre Zustimmung zur Aussetzung des Hauptsacheverfahrens bis zu einer [X.]ntscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts ([X.]VerfG) davon abhängig gemacht, dass der [X.]eschluss des [X.] vom 21. August 2009 hinsichtlich der Aussetzung der streitigen Steuer 2008 nochmals überprüft wird. Nach dem Wortlaut des Gesetzes seien Vorauszahlungen zwar nicht aussetzungsfähig. § 69 Abs. 2 Satz 8 [X.]O sei aber insbesondere dann unfair, wenn die Vorschrift auf Vorauszahlungen angewendet werde, die --wie im [X.] nach Ablauf des betreffenden Steuerjahres geleistet worden seien. Mit Schriftsatz vom 30. September 2009 an den [X.]undesfinanzhof ([X.]FH) begehren die Antragsteller die Annahme dieser [X.]eschwerde, da § 69 Abs. 2 Satz 8 [X.]O auch verfassungsrechtlichen [X.]edenken begegne. [X.]ie Vorschrift entbehre jeglicher Sachlogik, sei völlig willkürlich und stelle Sinn und Zweck des vorläufigen Rechtsschutzes auf den Kopf. [X.]ie Antragstellerin hätte die Arbeitszimmerkosten bereits im Lohnsteuer-[X.]rmäßigungsverfahren geltend machen und dadurch in den Genuss einer Lohnsteuerminderung kommen können. [X.]ies müsse aus Gleichheitsgründen auch im AdV-Verfahren gelten.

[X.]ie Antragsteller beantragen sinngemäß,

die Vorentscheidung aufzuheben und auch die Aufhebung der Vollziehung des [X.]inkommensteuerbescheids für 2008 insoweit anzuordnen, als die Aufwendungen für das Arbeitszimmer in Höhe von 1.722 € nicht als Werbungskosten berücksichtigt wurden.

[X.]er Antragsgegner beantragt,

die [X.]eschwerde zurückzuweisen.

[X.]ie [X.]eschwerde der Antragsteller sei unzulässig. [X.]ei dem Schriftsatz der vertretenen Antragsteller vom 11. September 2009 an das [X.] handele es sich nicht um eine [X.]eschwerde i.S. von § 128 Abs. 3 [X.]O. [X.]ie bloße [X.]itte um nochmalige Prüfung der getroffenen [X.]ntscheidung, die zudem noch in einem anderen Verfahren und einer nicht mit dem AdV-[X.]eschluss zusammenhängenden Prozesshandlung vorgebracht worden sei, könne auch nicht als solche ausgelegt werden. [X.]ie späteren Schriftsätze an den [X.]FH, in denen der Prozessbevollmächtigte diesen Fehler zu heilen suche, seien nach Ablauf der [X.]eschwerdefrist eingegangen und deshalb unbehelflich.

Entscheidungsgründe

II. 1. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Eine Aufhebung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2007 wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.[X.] des StÄndG 2007 betreffend Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ist lediglich insoweit gerechtfertigt, als die Einkünfte der Antragstellerin aus nichtselbständiger Arbeit um weitere Werbungskosten in Höhe von 1.250 € zu mindern sind.

a) Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG a.[X.] sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehbar. Dies gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG a.[X.] dann nicht, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 % der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 EStG a.[X.] die Höhe der abziehbaren Aufwendungen regelmäßig auf 1.250 € begrenzt. Die Begrenzung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.

b) Danach kommt im Streitfall lediglich ein beschränkter Werbungskostenabzug in Höhe von 1.250 € in Betracht. Die Antragstellerin hat weder glaubhaft gemacht, dass es sich bei den beruflich genutzten Räumlichkeiten um eine "häusliche Betriebsstätte" handelt, noch dass sich dort der Mittelpunkt ihrer gesamten und beruflichen Tätigkeit i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG a.[X.] befindet. Ein weitergehender Werbungskostenabzug wäre deshalb auch im Fall der Ungültigkeit von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG i.d.[X.] des StÄndG 2007 nicht zu gewähren, so dass die Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids für das [X.] entsprechend zu beschränken ist. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist ein Vollabzug von Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer ohnehin nicht geboten ([X.] vom 7. Dezember 1999  2 BvR 301/98, [X.] 101, 297, [X.], 162).

2. Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig (§ 128 Abs. 3 Satz 1 [X.]O), aber nicht begründet und daher zurückzuweisen. Trotz ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerfestsetzung für das [X.] hat das [X.] zu Recht den Antragstellern AdV nicht gewährt.

a) Der Senat legt den Schriftsatz der Antragsteller an das [X.] vom 11. September 2009 wegen des eindeutig erkennbaren Willens der Antragsteller, die Aufhebung der Vollziehung zu erreichen, als insoweit allein zulässigen Antrag nach § 69 Abs. 3 Satz 1 [X.]O aus. [X.] sind unter Beachtung des Grundsatzes der rechtsschutzgewährenden Auslegung von Verfahrensvorschriften (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes --GG--) so auszulegen, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was rechtlich vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht ([X.] vom 8. Mai 2007 [X.]/06, [X.] 2007, 1499; s. auch Senatsbeschluss vom 29. Juli 2009 [X.]/09, [X.] 2009, 1822, m.w.N.). Im Streitfall zielt das fristgerecht beim [X.] eingegangene Schreiben auf eine Überprüfung des [X.] vom 21. August 2009 hinsichtlich der Aussetzung der strittigen Steuer 2008. Damit haben die Antragsteller ihr Begehren, Beschwerde einzulegen, deutlich zum Ausdruck gebracht.

b) Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das [X.] hat die Aufhebung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids für das [X.] zu Recht wegen § 69 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 8 [X.]O versagt.

aa) Gemäß § 69 Abs. 2 Satz 8 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 [X.]O sind bei Steuerbescheiden die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden [X.], um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Begriff der wesentlichen Nachteile i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 8 [X.]O ist im Sinne der Rechtsprechung zu § 114 [X.]O zu verstehen ([X.] vom 2. November 1999 [X.]/99, [X.], 59, [X.], 57, unter [X.], m.w.N.). Diese Beschränkung ist mit dem Grundgesetz vereinbar und nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung zu korrigieren ([X.] vom 24. Januar 2000 [X.]/99, [X.], 197, [X.], 559, und vom 22. Dezember 2003 [X.], [X.], 39, [X.] 2004, 367).

bb) Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass danach die Aufhebung der Vollziehung im Streitfall auf 0 € beschränkt ist. Wesentliche Nachteile, die den Antragstellern im Falle der Nichtaufhebung der Vollziehung drohen könnten, sind auch im Beschwerdeverfahren weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere wird die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides für 2008 nicht unmittelbar und ausschließlich bedroht (vgl. [X.] vom 22. November 2001 [X.]/01, [X.] 2002, 519, unter [X.]; vom 11. Juni 2001 [X.]/01, [X.] 2001, 1223, und vom 29. Januar 1985 [X.]/84, [X.] 1985, 40, zu § 114 [X.]O). Auch ist vorliegend die Aufhebung der Vollziehung nicht geboten, um eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung von Grundrechten zu vermeiden, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. [X.] vom 15. August 2002  1 BvR 1790/00, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 3691, unter [X.]; vom 16. Mai 1995  1 BvR 1087/91, [X.] 93, 1, 14; vom 25. Oktober 1988  2 BvR 745/88, [X.] 79, 69, 74 f.). Denn selbst schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Rechtsvorschrift allein rechtfertigen die Gewährung einer Aufhebung der Vollziehung wegen wesentlicher Nachteile nicht. Dies erscheint erst dann geboten, wenn das zuständige Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer streitentscheidenden Vorschrift überzeugt ist und diese deshalb gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem [X.] zur Prüfung vorgelegt hat ([X.] in [X.], 39, [X.] 2004, 367).

cc) Ein solcher Vorlagebeschluss hinsichtlich des in § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.[X.] des StÄndG 2007 normierten Abzugsverbots betreffend der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ist bislang nicht ergangen. Der Senat hat zwar in dem Beschluss vom 25. August 2009 [X.]/09 ([X.], 85, [X.] 2009, 826) verfassungsrechtliche Zweifel an diesem Abzugsverbot geäußert; diese jedoch mit beachtlichen Bedenken im Schrifttum gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung und einander widersprechenden Entscheidungen der [X.] begründet. Dass der erkennende Senat von der Verfassungswidrigkeit der §§ 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.[X.] des StÄndG 2007 überzeugt ist, lässt sich daraus nicht herleiten. Der Senat hat in dem Beschluss in [X.], 85, [X.] 2009, 826 vielmehr ohne Präjudiz für die Hauptsache entschieden.

Damit ist das [X.] im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass im Streitfall die Aufhebung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids für 2008 nicht zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint und deshalb wegen der Beschränkung des § 69 Abs. 2 Satz 8 [X.]O nicht zu gewähren ist.

3. Die Übertragung der Berechnung des auszusetzenden Steuerbetrags auf den Antragsgegner folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 100 Abs. 2 Satz 2 [X.]O.

Meta

VI B 115/09

26.01.2010

Bundesfinanzhof 6. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 21. August 2009, Az: 11 V 2481/09 A(E), Beschluss

§ 69 Abs 3 FGO, § 69 Abs 2 S 8 FGO, § 9 Abs 5 EStG 2002, § 4 Abs 5 S 1 Nr 6b S 1 EStG vom 19.07.2006, Art 100 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26.01.2010, Az. VI B 115/09 (REWIS RS 2010, 10055)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10055


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VI S 1/10

Bundesfinanzhof, VI S 1/10, 20.04.2010.


Az. VI B 115/09

Bundesfinanzhof, VI B 115/09, 26.01.2010.


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Referenzen
Wird zitiert von

VI S 1/10

Zitiert

2 BvR 301/98

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