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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Zum Fortbestand von Verwaltungsentscheidungen der ehemaligen DDR nach der Herstellung der Einheit Deutschlands (Art. 19 Einigungsvertrag)
L e i t s a t z
zum Beschluss des [X.]
vom 27. Februar 2007
- 1 BvR 1982/01 -
Es ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, Art. 19 Satz 2 und 3 des [X.] in der Weise auszulegen, dass Verwaltungsakte der [X.], die nicht gegen fundamentale rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen, von einer Rücknahme nach § 44 SGB X ausgeschlossen sind.
[X.]
- 1 BvR 1982/01 -
der Frau V...,
als Rechtsnachfolgerin des Herrn V...,
gegen | das Urteil des [X.] vom 11. September 2001 - [X.] U 32/00 R - |
hat das [X.] - Erster Senat - unter Mitwirkung
des Präsidenten Papier,
des Richters [X.],
der Richterin Hohmann-Dennhardt
und [X.],
Bryde,
Gaier,
Eichberger,
Schluckebier
am 27. Februar 2007 beschlossen:
[X.] wird zurückgewiesen.
[X.] betrifft die Frage, ob die zum Fortbestand von Verwaltungsentscheidungen der [X.] nach der Herstellung der Deutschen Einheit in Art. 19 des [X.] getroffene Regelung in ihrer Auslegung durch das [X.] mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Im Ausgangsverfahren ging es konkret um die Anerkennung eines körperlichen Schadens als Folge eines Wegeunfalls nach dem Unfallversicherungsrecht der [X.].
1. Die Entschädigung von Unfällen und Krankheiten als Arbeitsunfall und Berufskrankheit war in der [X.] in §§ 217 ff. des Arbeitsgesetzbuches vom 16. Juni 1977 ([X.]; im Folgenden: [X.]) geregelt. Die Vorschriften entsprachen weithin dem Recht der [X.]. Nach § 220 Abs. 1 [X.] war ein Arbeitsunfall die Verletzung eines Werktätigen im Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess. Die Verletzung musste durch ein plötzliches, von außen einwirkendes Ereignis hervorgerufen worden sein. Als Arbeitsunfall galt auch ein Unfall auf einem mit der Tätigkeit im Betrieb zusammenhängenden Weg zur und von der Arbeitsstelle (§ 220 Abs. 2 [X.]). Gemäß § 222 [X.] traf die Entscheidung, ob ein Arbeitsunfall vorlag, die Betriebsgewerkschaftsleitung.
2. Art. 30 Abs. 5 Satz 1 des [X.]zwischen der [X.] und der [X.] über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag - vom 31. August 1990 ([X.] 889 - im Folgenden: [X.]) behielt die Einzelheiten der Überleitung des Unfallversicherungsrechts der [X.] einem zu erlassenden besonderen [X.] vor. Bis zum 31. Dezember 1991 sollte das Recht der [X.] im Beitrittsgebiet Geltung behalten (Anlage II Kapitel [X.] III Nr. 4 [X.]).
a) Dem Gesetzgebungsauftrag kam der Gesetzgeber mit Art. 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz - RÜG) vom 25. Juli 1991 ([X.] 1606) nach. In die [X.] ([X.]), die damals noch die Rechtsgrundlage des Unfallversicherungsrechts der [X.] bildete, wurden Sonder- und Überleitungsvorschriften für das Beitrittsgebiet eingefügt (§§ 1150 ff. [X.]). Für Arbeitsunfälle, die im Beitrittsgebiet nach dem 31. Dezember 1991 eingetreten waren, sollten gemäß § 1150 Abs. 1 [X.] die Regelungen der [X.] gelten. Eine Sonderregelung erfuhren Arbeitsunfälle, die bereits vor dem 1. Januar 1992 im Beitrittsgebiet eingetreten waren und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle der Sozialversicherung waren. Gemäß § 1150 Abs. 2 Satz 1 [X.] galten diese Arbeitsunfälle als Arbeitsunfälle im Sinne der [X.]. Dies setzte jedoch voraus, dass die Unfälle dem für das Beitrittsgebiet nunmehr zuständigen Träger der Unfallversicherung vor dem 1. Januar 1994 bekannt wurden (§ 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 [X.]). War dies nicht der Fall, bestand ein Anspruch auf Leistungen nur dann, wenn die Anspruchsvoraussetzungen auch nach dem Recht der [X.] verwirklicht waren (§ 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 [X.]). Der Gesetzgeber wollte aus Vertrauensschutzgründen alle bereits im Zeitpunkt des In-[X.]-Tretens des Renten-Überleitungsgesetzes eingetretenen Unfälle, die nach dem [X.]des [X.] versichert waren, in die gesetzliche Unfallversicherung nach der [X.] übernehmen, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn es sich nach der [X.] nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt hätte.
b) An dieser Rechtslage änderte sich durch das In-[X.]-Treten des [X.] ([X.]) zum 1. Januar 1997, das die [X.] als Rechtsgrundlage des gesetzlichen Unfallversicherungsrechts im Wesentlichen ablöste, nichts.
3. Soweit im Zeitpunkt der Herstellung der Deutschen Einheit bereits Verwaltungsakte der zuständigen Stellen der [X.], wie etwa über die Anerkennung eines Wegeunfalls als Arbeitsunfall, vorlagen, regelt Art. 19 [X.] deren Fortbestand. Die Vorschrift lautet:
Fortgeltung von Entscheidungen der
öffentlichen Verwaltung
Vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der [X.] bleiben wirksam. Sie können aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen dieses Vertrags unvereinbar sind. Im Übrigen bleiben die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten unberührt.
In der Denkschrift zum Einigungsvertrag (BTDrucks 11/7760, S. 364) ist zu Art. 19 ausgeführt:
[X.] stellt klar, dass die Wirksamkeit von Verwaltungsakten, die von Behörden der [X.] erlassen worden sind, grundsätzlich nicht mit dem Wegfall der erlassenden Körperschaft endet. Sie werden jedoch unwirksam, soweit der Vertrag oder eine andere Rechtsvorschrift dies bestimmt. Im Übrigen können sie unter den Voraussetzungen des Satzes 2 oder nach den verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften aufgehoben (zurückgenommen, widerrufen) werden. Die Bestimmung berührt nicht besondere Regelungen des [X.]zur Fortgeltung von Verwaltungsentscheidungen, insbesondere Artikel 41 und Anlage III.
1. Der 1926 geborene und zwischenzeitlich verstorbene ursprüngliche Beschwerdeführer (im Folgenden: Versicherter) rutschte im Februar 1984 auf dem Weg zur Arbeit bei Glatteis aus. Dabei zog er sich eine Prellung des linken Knies zu. Im September 1984 wurde sein linker Unterschenkel nach einem akuten Arterienverschluss amputiert. Er beantragte bei der insoweit zuständigen Betriebsgewerkschaftsleitung des "Volkseigenen Betriebes (VEB) [X.]" im Juni 1985, die Amputation des Unterschenkels als Folge des Wegeunfalls anzuerkennen. Dies wurde im Dezember 1985 abgelehnt. Die aufgetretenen Durchblutungsstörungen und die nachfolgende Amputation seien keine Unfallfolge. Es handele sich vielmehr nach der eingeholten medizinischen Stellungnahme um eine anlagebedingte Erkrankung.
2. Nach der Herstellung der Deutschen Einheit beantragte der Versicherte im Juli 1991 bei der nun für ihn zuständigen Berufsgenossenschaft die Anerkennung seiner Unterbeinamputation als Folge eines Arbeitsunfalls. Aufgrund der unfallbedingten Prellung des Knies habe sich ein Blutgerinnsel gebildet, das zu dem Arterienverschluss geführt habe. Die Berufsgenossenschaft lehnte den Antrag mit [X.]vom September 1992 ab. Es bestehe kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Sturz auf das linke Knie und der Notwendigkeit der Amputation.
3. Widerspruch und Klage blieben zunächst ohne Erfolg. Nach Auffassung des [X.] ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallhergang, dem Verletzungsmuster und dem festgestellten akuten arteriellen Verschluss nicht wahrscheinlich. Das [X.] gab dagegen der Klage statt. Der Verlust des linken Unterschenkels des Versicherten sei Folge des im Februar 1984 erlittenen Arbeitsunfalls. Die Berufsgenossenschaft sei verpflichtet, dem Versicherten unter Rücknahme des Bescheides der Betriebsgewerkschaftsleitung vom Dezember 1985 nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch [X.](SGB X) eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 vom Hundert ab dem 1. Januar 1987 zu gewähren.
a) Ob ein Versicherungsfall vorliege, beurteile sich gemäß § 215 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit § 1150 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 [X.] nach dem Recht der [X.]. Denn der Unfall habe sich vor dem 1. Januar 1992 ereignet. Der Versicherte habe ihn der Berufsgenossenschaft vor dem 31. Dezember 1993 bekannt gegeben. Durch den Sturz auf dem Weg zu seiner Tätigkeit habe er einen Arbeitsunfall im Sinne des § 220 Abs. 1 Satz 2 [X.] erlitten. Die Amputation des Unterschenkels sei die Folge dieses Arbeitsunfalls.
b) Art. 19 Satz 2 [X.] stehe der Anwendung des § 44 Abs. 1 SGB X nicht entgegen. Nach seinem Wortlaut und seiner Entstehungsgeschichte sei Art. 19 [X.] so zu lesen, dass sein Satz 2 zusätzliche Aufhebungsmöglichkeiten für Verwaltungsakte begründe, die neben den Aufhebungsmöglichkeiten nach den allgemeinen Vorschriften des jeweiligen Verwaltungsverfahrensrechts zur Anwendung kommen sollen. Denn Satz 3 des Art. 19 [X.] ordne an, dass die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten "im übrigen" unberührt blieben. Art. 19 Satz 1 [X.] stelle Verwaltungsentscheidungen der [X.] mit solchen der [X.] formal gleich. Diese Gleichstellung müsse auch die in Satz 3 erwähnten allgemeinen Aufhebungsmöglichkeiten erfassen.
4. Auf die Revision der Berufsgenossenschaft hob das [X.] das Urteil des [X.]s auf und wies die Berufung des Versicherten gegen das Urteil des [X.] zurück. Der den Anspruch auf Unfallrente ablehnende Bescheid der beklagten Berufsgenossenschaft erweise sich im Ergebnis als rechtmäßig. Die Berufsgenossenschaft sei an den Bescheid vom Dezember 1985, der dem Versicherten in der [X.] erteilt worden sei, im Sinne von § 77 SGG gebunden. Art. 19 [X.] schließe eine Aufhebung dieses Bescheides gemäß § 44 Abs. 1 SGB X aus.
a) Der Senat habe in inzwischen ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Verwaltungsakte der [X.], die vor Wirksamwerden des Beitritts ergangen seien, grundsätzlich wirksam blieben. Sie könnten nur aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des [X.] unvereinbar seien. Dieser grundsätzliche Ausschluss der Anwendbarkeit des § 44 Abs. 1 SGB X gelte für - möglicherweise - rechtswidrige, nicht begünstigende Verwaltungsakte in der [X.] nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats in gleicher Weise wie für rechtswidrige, begünstigende Verwaltungsakte. Auch die Aufhebung und Änderung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung gemäß § 48 Abs. 1 SGB X seien nach Art. 19 Satz 3 [X.] nur möglich, wenn die Änderung der Verhältnisse nach dem 31. Dezember 1990 eingetreten sei.
b) Die gegenteilige Rechtsauffassung des [X.]s überzeuge nicht. Der Wortlaut der vom Berufungsgericht zu Art. 19 [X.] herangezogenen Denkschrift der Vertragsparteien sei keineswegs zwingend dahingehend zu verstehen, dass "nur" der Fortbestand der von Behörden der [X.] erlassenen Verwaltungsakte trotz des Wegfalls dieser Behörden gesichert und der [X.] rückwirkend das Rechtssystem der alten [X.] übergestülpt werden sollte. Dies widerspreche im Übrigen den allgemeinen Grundsätzen über das In-[X.]-Treten von Gesetzen. Diese erfassten, sofern keine mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG zu vereinbarenden, abweichenden Übergangsregelungen geschaffen würden, grundsätzlich nur Tatbestände, die nach dem In-[X.]-Treten des Gesetzes eingetreten seien. Sofern - wie hier - eine Rückwirkung von Rechtsfolgen nicht angeordnet worden sei, wirke der zum 1. Januar 1991 in [X.]getretene § 44 Abs. 1 SGB X nur für Sachverhalte, die nach seinem In-[X.]-Treten einträten.
Aus dem Einigungsvertrag ergebe sich, dass die Vorschriften des Art. 1 und 2 SGB X - und damit auch dessen § 44 - für den Bereich der Krankenversicherung, Rentenversicherung und Unfallversicherung erst ab dem 1. Januar 1991 anzuwenden seien. Die vor In-[X.]-Treten des SGB X verwirklichten Tatbestände seien einer Überprüfung im Rahmen der §§ 44, 45 und § 48 Abs. 3 SGB X entzogen. Für diese Tatbestände biete Art. 19 Satz 2 [X.] entgegen der Auffassung des [X.]s nicht zusätzliche, sondern die alleinigen Aufhebungsmöglichkeiten. Diese Auslegung weiche auch nicht von der Rechtsprechung der anderen obersten Gerichtshöfe des [X.] ab.
c) Aufgrund der bindenden Feststellungen des [X.]s sei nicht anzunehmen, dass die Voraussetzungen des Art. 19 Satz 2 [X.] im Falle des Bescheides vom Dezember 1985 erfüllt seien. Wie der [X.]bereits entschieden habe (unter Hinweis auf [X.], 22 <27>), ergebe sich ein Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze nicht schon aus dem Umstand, dass Ablehnungsbescheide nach dem Recht der [X.] nicht durch Gerichte überprüft werden konnten, oder daraus, dass diese Bescheide gegebenenfalls nach den damals geltenden Vorschriften rechtswidrig gewesen sein könnten. Dies würde nämlich bedeuten, dass gegebenenfalls alle von den Behörden der [X.] erlassenen Verwaltungsakte nach Art. 19 [X.] aufgehoben werden könnten. Gerade das habe aber durch das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Art. 19 Satz 1 und Satz 2 [X.] ausgeschlossen werden sollen.
5. Die Beschwerdeführerin wendet sich als Rechtsnachfolgerin des Versicherten mit der Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des [X.]. Sie rügt eine Verletzung der Art. 3, Art. 19 Abs. 1 und 2, Art. 20, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 95 GG sowie Art. 103 Abs. 1 GG und ist insbesondere der Ansicht, das [X.] habe den Anspruch des Versicherten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Es habe dessen rechtliche Ausführungen nicht zur Kenntnis genommen oder zumindest nicht erwogen. Dies gelte insbesondere für den Hinweis darauf, dass die Rechtsprechung des [X.] zu gleichheitswidrigen Ergebnissen führe. Mit seinen Argumenten sei der Versicherte nicht gehört worden. Die Entscheidung des [X.] verletze zudem Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Gericht weiche mit seiner Rechtsprechung zu Art. 19 [X.] von der Rechtsprechung der anderen obersten Gerichtshöfe des [X.] ab. Es wäre deshalb verpflichtet gewesen, den Gemeinsamen Senat nach Art. 95 Abs. 3 Satz 1 GG anzurufen. Indem das [X.] dies unterlassen habe, verletze es den Anspruch auf [X.]. Seine Entscheidung in der Sache verstoße gegen das Sozialstaatsprinzip und das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG.
Zu der Verfassungsbeschwerde haben das [X.]ministerium für Arbeit und Sozialordnung, der Verband der [X.] Rentenversicherungsträger (jetzt: [X.]), der [X.] Berufsgenossenschaften und die Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie Stellung genommen. Sie schließen sich der Rechtsauffassung des [X.] an. Die obersten Gerichtshöfe des [X.] haben Auskunft erteilt.
1. [X.] hat sich nicht durch den zwischenzeitlichen Tod des ursprünglichen Beschwerdeführers erledigt. Es geht im vorliegenden Fall um finanzielle Ansprüche. Eine Weiterführung des Verfahrens durch die Erbin ist daher möglich (vgl. [X.] 17, 86 <91> m.w.N.; stRspr).
2. Nicht alle mit der Verfassungsbeschwerde erhobenen Rügen sind zulässig. Soweit die Beschwerdeführerin einen Verstoß des Urteils des [X.] gegen Art. 19 Abs. 1 und 2 und Art. 20 GG rügt, macht sie nicht die Verletzung eines Grundrechts geltend (§ 90 Abs. 1 [X.]). Die Rüge einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 95 GG und des Art. 103 Abs. 1 GG genügt nicht den Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde nach § 23 Abs. 1 und § 92 [X.].
[X.] ist unbegründet. Die mit ihr angegriffene Auslegung des Art. 19 [X.] durch das [X.] verletzt nicht Art. 3 Abs. 1 GG.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, wenn er bei Regelungen, die Personengruppen betreffen, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. [X.] 102, 41 <54>; stRspr). Für die Herstellung der Rechtseinheit im Bereich der Sozialversicherung hat das [X.] dem Gesetzgeber allerdings einen besonders weiten Gestaltungsraum zuerkannt (vgl. [X.] 95, 143 <157 f.>; 100, 1 <38 f.>; 104, 126 <147>). Geht es um die Wiedergutmachung früheren, von einer anderen Staatsgewalt zu verantwortenden Unrechts, ist der Gesetzgeber an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als bloßes Willkürverbot gebunden (vgl. [X.] 102, 254 <299> unter Verweis auf [X.] 27, 253 <285>; 84, 90 <131>). Danach verletzt eine Regelung über die Beseitigung von [X.] der [X.] Art. 3 Abs. 1 GG nur dann, wenn für die durch sie getroffene Differenzierung kein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sachlich einleuchtender Grund besteht (vgl. [X.] 102, 254 <302>).
1. Nach der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Auslegung des Art. 19 [X.] durch das [X.] ist eine Überprüfung der ablehnenden Entscheidung der zuständigen Stelle der [X.] über den Antrag des Versicherten auf Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall auf der Grundlage des § 44 Abs. 1 SGB X nicht zulässig. Damit wird der Versicherte im Verhältnis zu der Gruppe nachteilig behandelt, über deren Antrag auf Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall vor der [X.] Einheit Versicherungsträger der [X.] entschieden haben. Deren Entscheidungen unterliegen einer gerichtlichen Kontrolle und sind einer behördlichen Überprüfung auch nach Eintritt der formellen Bestandskraft auf der Grundlage des § 44 Abs. 1 SGB X zugänglich. Demgegenüber kannte die Rechtsordnung der [X.] weder in materieller Hinsicht eine § 44 SGB X entsprechende Möglichkeit der nachträglichen Korrektur von [X.], durch die staatliche Leistungen zu Unrecht versagt wurden, noch - jedenfalls vor 1988 - eine gerichtliche Kontrolle solcher Verwaltungsentscheidungen (vgl. [X.], in: Isensee/Kirchhof <Hrsg.>, Handbuch des Staatsrechts der [X.], [X.], 3. Aufl. 2003, § 11 Rn. 88; [X.], Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der [X.], 2003, S. 385 ff., 423 ff.). Eine nachteilige Ungleichbehandlung ist dem Versicherten auch im Vergleich zu den Personen entstanden, auf deren Verfahren der Entschädigung von Arbeitsunfällen in der [X.] Art. 19 [X.] nicht zur Anwendung kommt, weil vor der Herstellung der Deutschen Einheit keine Entscheidung ergangen ist.
2. Dagegen wird der Versicherte nicht anders behandelt als diejenigen, derem Antrag auf Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall die zuständigen Stellen der [X.] möglicherweise rechtswidrig stattgegeben haben. Nach der Rechtsprechung des [X.] gilt der grundsätzliche Ausschluss einer Überprüfung und Abänderung rechtswidriger Sozialverwaltungsakte der [X.] in gleicher Weise für rechtswidrige, nicht begünstigende wie für rechtswidrige begünstigende Verwaltungsentscheidungen (vgl. [X.], [X.] 2001, S. 657 <658>). Deshalb sind Arbeitsunfälle, die auf der Grundlage des Rechts der [X.] von deren zuständigen Dienststellen vor dem 3. Oktober 1990 anerkannt waren, nicht allein aus Anlass der Überleitung in das gesamtdeutsche Recht von Amts wegen neu festzustellen (vgl. [X.], 124 <126>). Folgerichtig kann auch eine von einem Leistungsträger der [X.] bindend getroffene Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall nicht nach § 48 Abs. 3 SGB X von zukünftigen Erhöhungen der Verletztenrente ausgespart werden (vgl. [X.], 119 <122 f.>).
Die in Frage stehende Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt.
1. In der historischen Umbruchsituation nach der Herstellung der Deutschen Einheit musste ein praktikabler Weg des Umgangs auch mit staatlichem Unrecht gefunden werden, das durch Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung der [X.] begründet worden war und das die [X.] zum Zeitpunkt der [X.] Einigung vorfand, ohne dass sie dafür verantwortlich ist oder dafür einzustehen hat (vgl. für den Justizbereich [X.] 101, 275 <288>). Der Fortbestand von Verwaltungsentscheidungen ist in Art. 19 [X.] geregelt. Dabei wurde in Art. 19 Satz 1 [X.] im Interesse der Rechtssicherheit eine Entscheidung zugunsten der Rechtsbeständigkeit der Verwaltungsentscheidungen der [X.] getroffen. Diese sind danach über den 3. Oktober 1990 hinaus wirksam, wenn und soweit sie nach der seinerzeitigen Staats- und Verwaltungspraxis der [X.] ungeachtet etwaiger Rechtsmängel als wirksam angesehen und behandelt wurden (vgl. [X.], 186 <192>). Art. 19 Satz 2 [X.] ermöglicht nach allgemeiner Auffassung die Aufhebung nur solcher Verwaltungsentscheidungen, die mit tragenden rechtsstaatlichen Grundsätzen in einer Weise unvereinbar sind, dass ihr Fortbestand in der Verfassungs- und Verwaltungsrechtsordnung der [X.] nicht hingenommen werden kann (vgl. [X.], in: Isensee/Kirchhof <Hrsg.>, Handbuch des Staatsrechts der [X.], Band VIII, 1995, § 195 Rn. 19). Zur rechtlichen Bewältigung einer solchen Situation stehen zudem besondere gesetzliche Regelungen zur Verfügung (vgl. Gesetz über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche <Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz - VwRehaG> vom 23. Juni 1994 <[X.]Bl I S. 1311>). Es durfte ohne Verstoß gegen das Grundgesetz im Einigungsvertrag davon abgesehen werden, die 40-jährige Verwaltungspraxis der [X.] am Maßstab der Rechtsordnung der [X.]republik Deutschland aufzuarbeiten.
2. Das materielle Unfallversicherungsrecht der [X.] entsprach zwar weithin dem Recht der [X.]. Es gab jedoch auch Unterschiede, etwa in Bezug auf die Bemessung des Grades des Körperschadens (vgl. BTDrucks 12/405, [X.]). Wäre Art. 19 [X.] dahingehend auszulegen, dass alle von den zuständigen Stellen der [X.] im Rahmen der Unfallversicherung getroffenen Entscheidungen über die Anerkennung und Entschädigung als Arbeitsunfall einer Überprüfung auf der Grundlage des Rechts der [X.] oder auf der Grundlage des gesamt[X.] Rechts unterliegen, wäre diese Aufgabe in einem unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit vertretbaren Zeitrahmen nicht zu leisten gewesen. Die Gesetzesbegründung zum Renten-Überleitungsgesetz spricht von etwa 300.000 übernommenen Entschädigungsfällen und einer nicht unerheblichen Zahl von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, die weit zurücklägen und zur Prüfung und gegebenenfalls Anerkennung noch anstünden (vgl. BTDrucks 12/405, [X.]). Auch der [X.] Berufsgenossenschaften hat in seinem Rundschreiben [X.] vom September 1992 - worauf das [X.] hingewiesen hat (vgl. [X.], 119 <124>) - als Ergebnis eines Informations- und Erfahrungsaustausches seiner Mitgliedsberufsgenossenschaften festgestellt, es würde an der erforderlichen Gutachterkapazität fehlen, um eine größere Zahl der übergeleiteten etwa 300.000 Fälle auf die Richtigkeit der seinerzeit vorgenommenen Bemessung des Körperschadens oder auf die Richtigkeit der Kausalitätsbeurteilung zwischen versicherter Tätigkeit und Körperschaden zu beurteilen. Dabei sind die Fälle noch nicht berücksichtigt, in denen eine Überleitung - wie bei den Rentenfällen - nicht stattfinden konnte, weil in der [X.] der Unfall nicht als Arbeitsunfall anerkannt worden war.
Das [X.] durfte daher Art. 19 [X.] die Entscheidung entnehmen, die verfügbare Verwaltungs- und Sachverständigenkapazität auf die Bearbeitung der noch nicht bestandskräftig entschiedenen Schadenssachverhalte zu konzentrieren, die sich in der [X.] ereignet hatten. Das Abstellen auf den Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität (vgl. dazu BTDrucks 12/405, S. 116) kommt im vorliegenden Fall nicht in Konflikt mit verfassungsrechtlichen Prinzipien. Die Frage der verfassungsrechtlich gebotenen Reaktion einer Verwaltungsrechtsordnung auf die Verletzung tragender rechtsstaatlicher Grundsätze im Sinne des Art. 19 Satz 2 [X.] stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Es geht um die fachlich-medizinisch zutreffende Bewertung eines körperlichen Schadens als Folge eines Arbeitsunfalls. Aus dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) kann zwar unter bestimmten Voraussetzungen eine verfassungsrechtliche Pflicht zum Ausgleich von Schäden folgen, die durch rechtswidriges Verhalten einer nicht an das Grundgesetz gebundenen Staatsgewalt entstanden sind (vgl. [X.] 102, 254 <298>). Für die Annahme einer solchen Ausgleichspflicht ist im vorliegenden Fall jedoch nichts ersichtlich. Zutreffend hat das [X.] in der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass die gesundheitliche Beeinträchtigung des Versicherten von seiner Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung aufgefangen wurde. Im Übrigen ist dem Grundgesetz keine allgemeine Verpflichtung der vollziehenden Gewalt zu entnehmen, rechtswidrig belastende und rechtswidrig begünstigende Verwaltungsakte unbeschadet des Eintritts ihrer formellen Bestandskraft von Amts wegen oder auf Antrag des Adressaten aufzuheben oder abzuändern (vgl. [X.] 20, 230 <235>; 27, 297 <309 f.>; 59, 128 <166 ff., 171>; [X.], Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 -, NVwZ 2006, S. 807 <810>).
3. Es gibt auch hinreichende Sachgründe dafür, dass Art. 19 [X.] nicht auf Verfahren der Anerkennung von Arbeitsunfällen in der [X.] zur Anwendung kommt, über die vor der [X.] Einigung noch nicht entschieden worden ist. Art. 19 [X.] befasst sich ausschließlich mit bereits getroffenen Verwaltungsentscheidungen der [X.]. Es ist sein legitimes Ziel, grundsätzlich eine Kontinuität der durch Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet begründeten Rechtsverhältnisse - zu Gunsten und zu Lasten der Beteiligten - zu sichern. Die durch diese Grundentscheidung geschonte Arbeitskapazität der Sozialverwaltung konnte der Bearbeitung der noch offenen Fälle zugute kommen.
Papier | [X.] | Hohmann-Dennhardt |
[X.] | Bryde | Gaier |
Eichberger | Schluckebier |
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27.02.2007
Sachgebiet: BvR
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 27.02.2007, Az. 1 BvR 1982/01 (REWIS RS 2007, 5070)
Papierfundstellen: REWIS RS 2007, 5070 BVerfGE 117, 302-316 REWIS RS 2007, 5070
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