Bundessozialgericht, Beschluss vom 16.02.2023, Az. B 7 AS 146/22 B

7. Senat | REWIS RS 2023, 1896

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Beiordnung eines Notanwalts - Aussichtslosigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Beiordnung eines Notanwalts zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 1. Juli 2021 - L 7 AS 328/21 [X.] - wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 1. Juli 2021 - L 7 AS 328/21 [X.] - wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Umstritten war ursprünglich die vorzeitige Beendigung einer Weiterbildungsmaßnahme durch das beklagte Jobcenter im Jahr 2012. Der Kläger verfolgt hierzu im gerichtlichen Verfahren nach Ablauf der Maßnahme verschiedene Feststellungsbegehren. Klage und Berufung blieben insoweit ohne Erfolg (Urteil des [X.] vom 15.10.2015 - [X.] AS 237/13 - und Urteil des L[X.] vom 19.10.2017 - L 7 [X.]). Die hiergegen vom Kläger erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat das B[X.] bei gleichzeitiger Ablehnung von [X.] als unzulässig verworfen (Beschluss vom [X.] [X.]/17 B). Einen Antrag ua auf Ergänzung des Berufungsurteils lehnte das L[X.] durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 [X.]G ab (Beschluss vom 6.12.2018 - L 7 AS 1182/18 WA). Die hiergegen vom Kläger erhobene Verfahrensrüge war erfolgreich und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits insoweit (B[X.] vom [X.] [X.]). Mit dem streitgegenständlichen Beschluss hat das L[X.] den Antrag auf Ergänzung des Berufungsurteils vom 19.10.2017 (erneut) abgelehnt (Beschluss vom [X.]). Den Antrag auf Bewilligung von [X.] für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat das B[X.] aufgrund fehlender wirtschaftlicher Bedürftigkeit abgelehnt, nachdem der Kläger eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hatte (Beschluss vom 11.10.2022 - [X.]/14 AS 57/21 BH). Dieser Beschluss ist ihm am 15.11.2022 zugestellt worden. Am 12.12.2022 hat der zu diesem Zeitpunkt anwaltlich vertretene Kläger Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten ebenfalls vom 12.12.2022 hat das B[X.] den Antrag auf Verlängerung der Frist zur Begründung der Beschwerde bis 15.2.2023 einschließlich verlängert. Am 13.1.2023 haben die (vormaligen) Prozessbevollmächtigten des [X.] angezeigt, dass sie den Kläger nicht mehr vertreten. Daraufhin hat der Kläger mit am 18.1.2023 beim B[X.] eingegangenen Schreiben vom 14.1.2023 beantragt, ihm für das weitere Beschwerdeverfahren einen Rechtsanwalt gemäß § 202 [X.]G iVm § 78b ZPO beizuordnen, weil er trotz intensiver Suche keinen zur Vertretung bereiten Prozessbevollmächtigten habe finden können.

2

II. 1. Der Antrag des [X.], ihm für sein Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des L[X.] einen Notanwalt beizuordnen, ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aussichtslos ist.

3

Nach § 202 Satz 1 [X.]G iVm § 78b Abs 1 ZPO hat das Prozessgericht, soweit - wie hier im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160a [X.]G iVm § 73 Abs 4 [X.]G - eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen. Erforderlich hierfür ist, dass sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Aussichtslosigkeit besteht, wenn ein günstiges Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann. Bei einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil des L[X.] liegt eine solche Aussichtslosigkeit vor, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen der in § 160 Abs 2 [X.]G enumerativ aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz, Verfahrensmangel - offenbar nicht vorliegen (B[X.] vom 29.3.2012 - B 14 [X.]/11 B - [X.] 4-1750 § 78b [X.] ff; B[X.] vom 16.3.2022 - B 1 KR 29/21 B - Rd[X.] 6).

4

Dies ist hier der Fall. Nach § 160 Abs 2 [X.]G ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat ([X.]), der Beschluss des L[X.] von einer Entscheidung des B[X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht ([X.]) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann ([X.] 3). Ein solcher Zulassungsgrund liegt nach dem Vorbringen des [X.] und nach summarischer Prüfung des Streitstoffs aufgrund des Inhalts der beigezogenen Verfahrensakte offensichtlich nicht vor.

5

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) ist nur dann anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es ist nicht erkennbar, dass sich wegen der Entscheidung der Vorinstanz, der Antrag des [X.] auf Ergänzung des Urteils vom 19.10.2017 sei unbegründet, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen. Mit den Ausführungen des [X.] zur - vermeint-lich - grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wendet er sich nur (weiterhin) gegen die inhaltliche Richtigkeit des Berufungsurteils, was eine grundsätzliche Bedeutung nicht begründen kann. Dies gilt erst recht im Hinblick auf das vorliegend allein streitgegenständliche [X.]. Dieses Verfahren dient - anders als der Kläger meint - allein der Ergänzung unvollständiger, nicht aber der Korrektur - vermeintlich - unrichtiger Entscheidungen.

6

Die Entscheidung des L[X.] weicht auch nicht von einer Entscheidung des B[X.], des [X.] oder des [X.] ab, weshalb eine [X.] keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G). Divergenz kommt ausschließlich in Betracht, wenn das L[X.] einen Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des B[X.], des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage sein könnte, derartige abweichende Rechtssätze, auf denen die Entscheidung beruht, zu benennen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das vom Kläger angeführte Urteil des B[X.] vom 22.9.1981 (1 RJ 112/80 - [X.] 1300 § 48 [X.]). Auch insoweit wendet sich der Kläger allein gegen die inhaltliche Richtigkeit des ursprünglichen Berufungsurteils.

7

Schließlich ist nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter einen Verfahrensmangel geltend machen könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des L[X.] beruhen kann (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbsatz 1 [X.]G). Soweit der Kläger im vorliegenden Verfahren rügt, das L[X.] habe im Berufungsurteil von ihm erhobene Ansprüche übergangen, ist für eine solche Entscheidungslücke, die im [X.] gemäß § 140 [X.]G zu schließen wäre, nichts ersichtlich (zur Geltendmachung einer Verletzung des § 140 [X.]G im [X.] B[X.] vom [X.] KR 4/16 B - [X.] 4-1500 § 140 [X.] 3 Rd[X.] 5 f; vgl zum Anwendungsbereich dieses besonderen Verfahrens nur [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 140 Rd[X.], 2c mwN). Aus dem Inhalt der Verfahrensakte ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das L[X.] im Urteil vom 19.10.2017 einen vom Kläger erhobenen Anspruch ganz oder teilweise übergangen hat. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem umfangreichen schriftlichen Vortrag des [X.]. Hieraus ergibt sich gerade, dass das L[X.] über seine drei Feststellungsanträge, die er ausweislich der Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung genehmigt hat und die inhaltlich bereits seiner Berufungsschrift vom 15.12.2015 entsprechen, entschieden hat, wenn aus Sicht des [X.] auch fehlerhaft.

8

Auch im Übrigen sind keine Verfahrensmängel erkennbar, auf denen die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Soweit der Kläger insbesondere rügt, das L[X.] hätte in dem Berufungsurteil die Zulässigkeit des nach Erledigung des ursprünglich angefochtenen Bescheids noch verfolgten [X.] nicht unter Hinweis auf die Begründetheit offenlassen dürfen, ist kein Mangel des [X.]s ersichtlich, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann. Dies gilt zugleich im Hinblick auf die weiteren [X.], das Berufungsurteil verletze das Willkürverbot, den Grundsatz des fairen Verfahrens, den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs und die Verpflichtung des Gerichts zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen.

9

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht innerhalb der bis zum 15.2.2023 verlängerten Frist zu ihrer Begründung durch einen zur Prozessvertretung beim B[X.] berechtigten Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 [X.]G) begründet worden ist. Einer Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 Abs 1 [X.]G) bedarf es nicht, weil die Beschwerdebegründung als versäumte [X.] nicht nachgeholt worden ist. Wiedereinsetzung scheidet hier zudem aus, weil - wie oben dargelegt - die Rechtsverfolgung aussichtslos ist (vgl auch B[X.] vom 16.3.2022 - B 1 KR 29/21 B - Rd[X.]9). Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 [X.]G ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 [X.]G.

S. Knickrehm

Siefert

Harich

Meta

B 7 AS 146/22 B

16.02.2023

Bundessozialgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 1. Juli 2021, Az: L 7 AS 328/21 ZVW, Beschluss

§ 160a SGG, § 73 Abs 4 S 1 SGG, § 202 S 1 SGG, § 78b Abs 1 ZPO, § 160 Abs 2 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 16.02.2023, Az. B 7 AS 146/22 B (REWIS RS 2023, 1896)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1896

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 9 V 51/15 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Bestellung eines Notanwalts zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde - substantiierte Darlegung einer unverschuldeten …


B 9 V 19/18 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Beiordnung eines Notanwalts - Aussichtslosigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde - soziales Entschädigungsrecht - Gewaltopfer …


B 14 AS 251/11 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Beiordnung eines Notanwalts - Aussichtslosigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde - Prozesskostenhilfe


B 2 U 3/22 BH (Bundessozialgericht)

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - PKH-Bewilligung - Verfahren der Urteilsergänzung gem § 140 SGG vor …


B 9 SB 61/17 B (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - barrierefreier Zugang zum Gericht - kein Anspruch auf fernschriftliches Online-Chat-Verfahren anstelle der …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.