Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.12.2014, Az. VIII ZR 370/13

8. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 753

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Gegenstand

Gaslieferungsvertrag: Ergänzende Vertragsauslegung bei nicht wirksam in den Vertrag eingezogenem formularmäßigem Preisanpassungsrecht


Leitsatz

Zur ergänzenden Vertragsauslegung bei einem langjährigen Gasversorgungsvertrag, in dem mangels wirksamer Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Versorgers kein Preisanpassungsrecht besteht (Fortführung von BGH, Urteil vom 14. März 2012, VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372).

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 7. Zivilkammer des [X.] vom 28. November 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte beliefert den Kläger als Sonderkunden im Rahmen eines [X.] geschlossenen [X.] mit Erdgas. Nach den vertraglichen Vereinbarungen ist die Beklagte verpflichtet, den Kläger zu einem Arbeitspreis von 4,2 Pf/kWh (= 2,15 Cent/kWh) zu beliefern. Ein einseitiges Preisanpassungsrecht der Beklagten wurde nicht vereinbart.

2

In der Folgezeit erhöhte die Beklagte mehrfach die Preise. Der Kläger beanstandete die jährlichen Abrechnungen der Beklagten erstmals im Jahr 2011; zuvor zahlte er die in Rechnung gestellten Preise widerspruchslos.

3

In dem Zeitraum vom 2. April 2007 bis 31. März 2008 bezog der Kläger insgesamt 58.557 kWh Erdgas. Die Beklagte rechnete für diese Leistungen auf der Basis eines Arbeitspreises von 4,31 Cent/kWh in ihrer Rechnung für 2007/2008 insgesamt 3.145,74 € ab, die der Kläger bezahlte.

4

Der Kläger ist der Auffassung, er schulde für den genannten Abrechnungszeitraum lediglich den zu Vertragsbeginn vereinbarten Arbeitspreis zuzüglich eines jährlichen Grundpreises. Für den streitgegenständlichen Zeitraum seien mithin 1.523,44 € ohne Rechtsgrund an die Beklagte geleistet worden.

5

Mit der Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Rückzahlung dieses Betrags nebst Zinsen in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit die Beklagte zur Zahlung von mehr als - von der Beklagten mit der Berufung nicht angegriffenen - 18,29 € (nebst Zinsen) verurteilt worden war; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

6

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat Erfolg.

I.

8

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

9

Dem Kläger stehe - über den mit der Berufung nicht angegriffenen Betrag von 18,29 € (nebst Zinsen) hinaus - kein Rückzahlungsanspruch zu.

Zwar sehe der im Jahr 1997 geschlossene [X.] der Parteien kein einseitiges [X.] der [X.]n vor, auf das die [X.] eine Abrechnung zu gegenüber dem [X.] erhöhten Preisen hätte stützen können. Ein [X.] der [X.]n ergebe sich weder aufgrund einer konkludent zustande gekommenen, nachträglichen Vereinbarung noch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung. Eine einvernehmliche Vertragsänderung sei nicht erfolgt, da der widerspruchslosen Zahlung des auf den streitgegenständlichen Lieferzeitraum entfallenden Entgelts nicht die Erklärung des [X.] entnommen werden könne, er gestehe der [X.]n ein einseitiges Preisänderungsrecht zu und/oder er sei mit den erhöhten Preisen einverstanden.

Für eine ergänzende Vertragsauslegung nach Maßgabe des Urteils des [X.] vom 14. März 2012 ([X.], [X.], 372 ff.) sei kein Raum. Soweit dort im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bei der Berechnung eines bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruchs nicht der vertraglich vereinbarte [X.] zugrunde gelegt worden sei, beruhe dies darauf, dass infolge der Unwirksamkeit der vereinbarten Preisanpassungsklausel eine Lücke im ursprünglichen Regelungsplan der Parteien eingetreten sei. Vorliegend sei eine solche Klausel hingegen nie Vertragsgegenstand gewesen. Es fehle daher an der für eine ergänzende Vertragsauslegung erforderlichen Regelungslücke. Jedoch müssten im Streitfall die Interessen der Parteien nach den Grundsätzen von [X.] und Glauben (§ 242 [X.]) zu einem Ausgleich gebracht werden. Denn der Kläger habe der [X.]n bis zur Einleitung des Mahnverfahrens im Jahr 2011 keinen Anlass gegeben, den Liefervertrag zur Vermeidung oder Minimierung eines etwaigen Ungleichgewichts zwischen Leistung und Gegenleistung zu kündigen. Nur wenn die [X.] in Kenntnis eines Widerspruchs des [X.] weiterhin Gas geliefert hätte, hätte sie wissentlich das Risiko des Eintretens eines wirtschaftlichen Ungleichgewichts in Kauf genommen. So verhalte es sich für den streitgegenständlichen [X.]raum nicht. Vielmehr habe der Kläger die hierauf entfallende Jahresrechnung anstandslos bezahlt. Deshalb müsse er sich nach [X.] und Glauben an einem höheren als dem vertraglich vereinbarten Arbeitspreis festhalten lassen.

Hinsichtlich der Höhe des anzusetzenden [X.] orientiere sich die Kammer an der Rechtsprechung des [X.] vom 14. März 2012. Danach müsse sich ein Kunde billigerweise an dem Preis festhalten lassen, der drei Jahre vor seinem ersten Widerspruch gegolten habe. Da der Kläger vor dem Abrechnungszeitraum 2007/2008 gegenüber zuvor abgerechneten Preisen zu keinem [X.]punkt den Einwand der Unbilligkeit erhoben habe, sehe die Kammer den ab dem 1. April 2007 zugrunde gelegten Arbeitspreis von 4,31 Cent/kWh als angemessen an.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Das Berufungsurteil ist bereits deswegen aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil die tatbestandlichen Feststellungen in den Gründen des Berufungsurteils nicht ausreichen, um dem Senat eine revisionsrechtliche Nachprüfung zu ermöglichen.

1. Gemäß § 559 Abs. 1 ZPO ist Grundlage der Prüfung des [X.] grundsätzlich nur der Tatsachenstoff, der sich aus dem Berufungsurteil einschließlich der in ihm enthaltenen wirksamen Bezugnahmen und aus dem Sitzungsprotokoll erschließt. Eine revisionsrechtliche Prüfung muss mithin scheitern, wenn tatbestandliche Darstellungen in einem Berufungsurteil völlig fehlen oder derart widersprüchlich, unklar oder lückenhaft sind, dass sich die tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung des [X.] nicht mehr zweifelsfrei erkennen lassen ([X.], Urteil vom 6. Juni 2003 - [X.], NJW-RR 2003, 1290 unter [X.]). In diesen Fällen ist das Berufungsurteil von Amts wegen aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ([X.], Urteile vom 6. Juni 2003 - [X.], aaO; vom 13. Februar 1981 - [X.], [X.]Z 80, 64, 67 f.; Musielak/Ball, ZPO, 11. Aufl., § 559 Rn. 18). An einem solchen Mangel leidet das Berufungsurteil.

2. Das Berufungsgericht hat sich zur Ablehnung einer ergänzenden Vertragsauslegung wie auch zur Begründung des von ihm stattdessen gemäß § 242 [X.] für erforderlich gehaltenen Interessenausgleichs unter Bezugnahme auf das amtsgerichtliche Urteil im Berufungsurteil mit den - rudimentären - Feststellungen begnügt, dass der im Jahr 1997 zwischen den Parteien abgeschlossene [X.] kein Preisänderungsrecht enthält, die [X.] aber im Laufe des Lieferverhältnisses ihre Preise erhöhte und der Kläger lange [X.] die berechneten Entgelte widerspruchslos bezahlte.

Einzelheiten zum Zustandekommen des Vertrags und dessen Inhalt hat das Berufungsgericht aber ebenso wenig festgestellt wie die Gründe, aufgrund derer ein Preisänderungsrecht, das in auf unbestimmte [X.] abgeschlossenen [X.] regelmäßig vereinbart wird, hier nicht Vertragsbestandteil geworden ist, die [X.] aber gleichwohl Preisanpassungen vorgenommen und zu höheren Preisen als dem im Jahr 1997 geltenden Preis abgerechnet und der Kläger die auf Preisanpassungen beruhenden Jahresabrechnungen der [X.]n über viele Jahre hinweg widerspruchslos beglichen hat.

Diese Lücken lassen sich auch nicht durch die Bezugnahme auf das amtsgerichtliche Urteil schließen, das wiederum auf den Akteninhalt verwiesen hat. Zum einen lässt sich aus einer solchen pauschalen Bezugnahme schon nicht entnehmen, was das Berufungsgericht für erheblich gehalten und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat ([X.], Urteil vom 30. September 2003 - [X.], NJW 2004, 293 unter [X.]). Zum anderen wurden keine Unterlagen vorgelegt und auch keine Umstände vorgetragen, aus denen sich ableiten lässt, wie und mit welchem Inhalt der [X.] zustande gekommen ist. Das wäre aber erforderlich gewesen, um einen Interessenausgleich, wie ihn das Berufungsgericht für erforderlich angesehen hat, sachgerecht vornehmen zu können oder sonst ergänzungsbedürftige Lücken in den vertraglichen Regelungen zureichend nachgehen zu können.

Insbesondere ist unklar, worauf die fehlende Vereinbarung eines Preisänderungsrechts beruht. So steht nicht fest, ob die Parteien eine Festpreisvereinbarung getroffen oder aus sonstigen Gründen von der Einräumung einer Preisänderungsberechtigung der [X.]n abgesehen haben. Ungeklärt ist auch, ob sich die Parteien zwar an sich auf ein Preisänderungsrecht verständigt haben, dieses aber - mangels wirksamer Einbeziehung (§ 305 Abs. 2 [X.]) - nicht Vertragsbestandteil geworden ist. Im Hinblick auf die unzureichenden Feststellungen des [X.] kommen sämtliche der aufgeführten Sachverhaltsalternativen in Betracht. Ungeklärt ist schließlich auch, auf welche Grundlagen die [X.] ihre Preiserhöhungen gestützt hat und ob sie diese dem Kläger offen gelegt hat. Insbesondere enthalten die von den Parteien vorgelegten Jahresabrechnungen vom 5. Mai 1998, 16. April 2007 und 17. April 2008 keinen Hinweis darauf, auf welcher (vermeintlichen) Rechtsgrundlage die [X.] die Preisanpassungen vorgenommen hat.

3. Die Feststellungen des [X.] zum Abschluss und Inhalt des [X.]s sowie zu den Umständen der von der [X.]n vorgenommenen Preisanpassungen sind daher derart lückenhaft, dass es an einer ausreichenden Tatsachengrundlage für die vom Berufungsgericht angestellte Prüfung fehlt, ob der [X.] eine Regelungslücke enthält, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 [X.]) nach den vom Senat für die Fälle eines nach § 307 [X.] unwirksam vereinbarten [X.]s entwickelten Grundsätzen (vgl. Senatsurteile vom 14. März 2012 - [X.], [X.], 372 Rn. 21, und [X.], [X.], 200 Rn. 26; vom 23. Januar 2013 - [X.], juris Rn. 20; vgl. Senatsurteil vom 15. Januar 2014 - [X.], NJW 2014, 1877 Rn. 20) zu schließen wäre (was das Berufungsgericht verneint), oder ob (was es bejaht) dem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch des [X.] aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 [X.] der Einwand von [X.] und Glauben (§ 242 [X.]) entgegensteht.

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache ist zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Für den Fall, dass sich im Verlauf des weiteren Verfahrens ergeben sollte, dass eine Preisänderungsklausel mangels wirksamer Einbeziehung nach § 305 Abs. 2 [X.] nicht Vertragsbestandteil geworden sein sollte, weist der Senat bezüglich der Berechnung des - dem Kläger dem Grunde nach gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 [X.] zustehenden - Anspruchs auf Rückzahlung der aufgrund unberechtigter Gaspreiserhöhungen für die im streitgegenständlichen [X.]raum gezahlten [X.] auf folgendes hin:

Entgegen der Auffassung des [X.] kann eine im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließende planwidrige Unvollständigkeit eines [X.]s auch darauf beruhen, dass ein formularmäßiges [X.] nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden ist (§ 305 Abs. 2, § 306 Abs. 1 Alt. 1 [X.]).

a) Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt immer dann in Betracht, wenn ein Vertrag innerhalb des durch ihn gesteckten Rahmens oder innerhalb der objektiv gewollten Vereinbarung ergänzungsbedürftig ist, weil eine Vereinbarung in einem regelungsbedürftigen Punkt fehlt ([X.], Urteile vom 4. März 2004 - [X.], [X.]Z 158, 201, 206; vom 20. Januar 1994 - [X.], [X.]Z 125, 7, 17; jeweils mwN; [X.]/[X.], [X.], Neubearb. 2010, § 157 Rn. 15). Allein der Umstand, dass ein Vertrag für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält, besagt nicht, dass es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit handelt. Von einer solchen kann nur gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zu Grunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin wenn ohne die Vervollständigung des Vertrags eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre ([X.], Urteil vom 4. März 2004 - [X.], aaO; Beschluss vom 17. Juli 2013 - [X.] 143/12, NJW 2013, 2753 Rn. 14 mwN; BeckOK [X.]/Wendtland, Stand November 2014, § 157 Rn. 35 ff.).

Auf welchen Gründen die Unvollständigkeit beruht, ist grundsätzlich unmaßgeblich ([X.], Urteil vom 4. März 2004 - [X.], aaO mwN). Insbesondere ist nicht relevant, ob ein Vertrag deshalb lückenhaft ist, weil Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind. In beiden Fällen bleibt der Vertrag gemäß § 306 Abs. 1 Alt. 1 [X.] im Übrigen wirksam und richtet sich sein Inhalt gemäß § 306 Abs. 2 [X.] nach den gesetzlichen Vorschriften. Hierzu zählen auch die Bestimmungen der §§ 133, 157 [X.], in denen die ergänzende Vertragsauslegung ihre Grundlage hat (Senatsurteile vom 1. Februar 1984 - [X.], [X.]Z 90, 69, 75 [zu § 6 [X.]]; vom 14. Juli 2010 - [X.], [X.]Z 186, 180 Rn. 50; jeweils mwN; MünchKomm[X.]/[X.], 6. Aufl., § 306 Rn. 22 f.).

Ob und mit welchem Inhalt eine ergänzende Vertragsauslegung zur Verwirklichung des Regelungsplans der Parteien geboten ist, richtet sich nicht alleine nach den im Vertrag schon vorhandenen Regelungen und Wertungen (vgl. [X.], Urteil vom 4. März 2004 - [X.], aaO [X.] mwN). Vielmehr ist auch zu berücksichtigen, welche Regelung die typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach [X.] und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und bestehender [X.] als redliche Vertragspartner getroffen hätten, wenn ihnen die [X.] des geschlossenen Vertrages bewusst gewesen wäre (vgl. Senatsurteile vom 14. März 2012 - [X.], aaO Rn. 24; vom 18. Juni 2008 - [X.], [X.], 2076 Rn. 13 ff.; vom 9. Juli 2008 - [X.], [X.], 487 Rn. 21; vom 18. Juli 2007 - [X.], NJW-RR 2007, 1697 Rn. 34 f.).

Wie der Senat bereits entschieden hat, besteht bei langfristigen Vertragsverhältnissen ein anerkennenswertes Bedürfnis der Parteien, das bei Vertragsschluss bestehende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung über die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten (Senatsurteil vom 14. März 2012 - [X.], aaO Rn. 26). Diesem Bedürfnis liefe es zuwider, wenn bei einem [X.] mit langer Laufzeit die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen rückwirkend ohne zeitliche Begrenzung geltend gemacht werden könnte. Denn dies hätte zur Folge, dass der Energieversorger ohne Rücksicht auf Schwankungen seiner eigenen Bezugspreise für die gesamte Vertragslaufzeit nur den ursprünglich vereinbarten Preis beanspruchen könnte. Angesichts der Entwicklung der Energiepreise entstünde dadurch bei langfristigen Versorgungsverträgen regelmäßig ein gravierendes Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung. Dies wäre unbillig, würde dem Kunden einen unverhofften und ungerechtfertigten Gewinn verschaffen und entspräche auch nicht dem objektiv zu ermittelnden hypothetischen Parteiwillen (Senatsurteil vom 14. März 2012 - [X.], aaO mwN).

b) Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen weist ein auf unbestimmte [X.] abgeschlossener [X.] regelmäßig auch dann eine im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließende planwidrige Unvollständigkeit auf, wenn die Parteien keine Festpreisabrede getroffen haben, die Einbeziehung eines vertragstypischen und im Grundsatz den Interessen beider Parteien Rechnung tragenden formularmäßigen [X.]s gemäß §§ 305 f. [X.] scheitert, der Kunde den Preisanpassungen und den darauf basierenden Jahresabrechnungen über einen längeren [X.]raum nicht widersprochen hat und nunmehr auch für länger zurückliegende [X.]abschnitte die Unwirksamkeit von Preiserhöhungen geltend macht (vgl. Senatsurteile vom 14. März 2012 - [X.], aaO, und [X.], aaO Rn. 27; vom 23. Januar 2013 - [X.], NJW 2013, 991 Rn. 21 ff., und [X.], [X.] 2013, 224 Rn. 20 f.; vom 15. Januar 2014 - [X.], aaO Rn. 20). Eine nur in die Zukunft wirkende Kündigungsmöglichkeit des Energieversorgungsunternehmens vermag die durch die fehlende Einbeziehung des [X.]s entstandene Regelungslücke im Vertrag nicht in einer für beide Seiten zumutbaren Weise zu schließen. Denn bevor der Kunde Widerspruch erhebt oder Zahlungen nur noch unter Vorbehalt leistet, hat das Energieversorgungsunternehmen auch im Falle einer Nichteinbeziehung eines formularmäßigen [X.]s - ebenso wie bei dessen Unwirksamkeit - grundsätzlich keinen Anlass, das bis dahin praktizierte Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung in Frage gestellt zu sehen und dementsprechend das [X.] zu kündigen (vgl. Senatsurteile vom 14. März 2012 - [X.], aaO Rn. 23, und [X.], aaO Rn. 28; vom 15. Januar 2014 - [X.], aaO).

Aus diesen Erwägungen ist auch die durch die Nichteinbeziehung eines formularmäßigen [X.]s entstehende Regelungslücke innerhalb eines auf unbestimmte [X.] geschlossenen [X.]es im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 [X.] in der Weise zu schließen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten [X.] übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines [X.]raums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (vgl. Senatsurteile vom 14. März 2012 - [X.], aaO Rn. 21, und [X.], aaO Rn. 26; vom 23. Januar 2013 - [X.], aaO; vom 15. Januar 2014 - [X.], aaO).

2. Wäre hingegen die getroffene Risikoverteilung nach den im weiteren Verfahren zu treffenden Feststellungen - etwa aufgrund einer Festpreisabrede - abschließend und deshalb kein Raum für eine nach § 306 Abs. 1 Alt. 1, Abs. 2 [X.] in Verbindung mit §§ 133, 157 [X.] vorzunehmende ergänzende Auslegung des [X.]es, so könnte diese Risikoverteilung ohne das Hinzutreten weiterer - bislang nicht ersichtlicher - Umstände auch nicht über § 242 [X.] korrigiert werden.

Dr. Milger                          Dr. Hessel                      Dr. [X.]

                 [X.]                        Kosziol

Meta

VIII ZR 370/13

03.12.2014

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Potsdam, 28. November 2013, Az: 7 S 40/13

§ 133 BGB, § 157 BGB, § 305 Abs 2 BGB, § 306 Abs 1 Alt 1 BGB, § 306 Abs 2 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.12.2014, Az. VIII ZR 370/13 (REWIS RS 2014, 753)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1167 REWIS RS 2014, 753

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