Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2015, Az. 1 StR 423/15

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 594

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:161215U1STR423.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
1
StR
423/15

vom
16. Dezember
2015
in der Strafsache
gegen

wegen Betruges

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 16. Dezember
2015, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Raum

und [X.] am [X.]
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. [X.],
Prof. Dr. Mosbacher,
[X.],

Oberstaatsanwältin beim [X.]

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger,

Justizobersekretärin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 10. Februar
2015
mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf des Betruges freigesprochen und ihm eine Entschädigung für Strafver-folgungsmaßnahmen zugesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwalt-schaft mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.

I.
1. Zu den in der Anklage erhobenen Vorwürfen hat das
[X.] im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen
([X.]

17):
Die anderweitig Verfolgten

[X.]

,

F.

und

P.

, die sich aus vorausgegangenen Haftaufenthalten kannten, planten 1
2
3
-
4
-
2010 die Verwirklichung von
Solarpark-Großprojekten, die über die kurz zuvor Firma N.

Inc.

.

mit Sitz in [X.] ([X.]) mit einer Niederlas-sung in D.

realisiert werden sollten. Da die N.

über keine [X.] Mittel verfügte, sollten diese über Investoren organisiert werden. Dazu kam es am 16. Oktober 2010 zu einem ersten Treffen des

[X.]

mit dem anderweitig verfolgten

[X.]

. Nachdem eine Finanzierung durch einen [X.] Oligarchen als Investor über eine
russische Bank an noch un-zureichenden
Projektplanungen
gescheitert war, brachte

[X.]

im Dezember 2010 den Angeklagten als Investor ins Gespräch.
Der als Verant-wortlicher der M.

.

Südafrika handelnde Angeklagte übermittelte daraufhin der N.

zwei auf den 14.
Januar 2011 bzw. 27.
Januar 2011 datierte und von ihm unterzeichnete Ur-kunden zur
Darlehensfinanzierung zwischen der M.

und der N.

.
Darin
verpflichtete sich die M.

gegenüber der
N.

zur Gewährung zweier ver-zinslicher Darlehen
mit einem jährlichen Zinssatz von 4,5 % über 285 bzw. 315 Millionen Euro. Die
beiden Verträge
standen unter dem Vorbehalt, dass von oder im Namen der N.

eine angemessene Sicherheit durch [X.], Schuldbrief oder eine andere annehmbare Sicherheit im Gegenwert von 250 Millionen bzw. von 450 Millionen Euro geleistet wird, die aber zu kei-nem Zeitpunkt erfolgte.

Im Rahmen der Bemühungen zur Finanzierung der Projekte kam es ab Januar
2011 zu Treffen der N.

-Mitarbeiter mit verschiedenen Geldgebern. In der Folge wurde am 3.
Februar 2011 von diesen Geldgebern einen
Betrag von 285.000 Euro unmittelbar an den anderweitig verfolgten

[X.]

überwiesen, der davon am selben
Tag einen
Betrag von 55.000 Euro auf das Konto des Angeklagten weiterleitete. Am
27.
Januar 2011 erfolgte eine weitere Zahlung
von 285.000 Euro durch andere Geldgeber an

[X.]

, der am 4
-
5
-
28. Januar 2011 nochmals einen Betrag in Höhe von 55.000
Euro an den [X.] überwies.
Da es in der Folge zu keiner Auszahlung der Kredite ge-kommen war, erfolgten zahlreiche
E-Mail-Kontakte zwischen

[X.]

und dem Angeklagten. Dieser teilte mit, er habe lediglich 2 x 55.000 Euro erhal-ten für die Einrichtung von zwei Kreditlinien, nicht jedoch Zahlungen für [X.]. Im weiteren Verlauf bot der Angeklagte an, gegen Zahlung von [X.] 127.000 Euro selbst eine Bankgarantie besorgen zu können. Deshalb
kam es auf Veranlassung des Angeklagten zu weiteren Kontakten
der Verant-wortlichen der N.

mit Geldgebern, die weitere Geldbeträge leisteten, von denen im April 2011 und Mai 2011 insgesamt 65.000 Euro auf ein Konto des Angeklagten überwiesen
wurden. In der Folgezeit kam es zu keinen Auszah-lungen von Krediten.
2. [X.] kommt im Rahmen der
Beweiswürdigung ([X.] 18

44) zu dem Ergebnis, dass
schon
keine Täuschungshandlung des Angeklag-ten gegeben sei, da durch nichts belegt sei, dass der Angeklagte per se nicht im Stande gewesen wäre, eine Kreditauszahlung in den verfahrensgegenständ-lichen Größenordnungen zu bewerkstelligen
([X.] 28);
er
verkehrte
unwider-legten eigenen Angaben zufolge in
Kreisen der Hochfinanz. Dies gelte auch für die [X.] mit der N.

bzgl. der
Kosten für die Einrichtung der Kreditlinien und [X.] ([X.] 28). Auch sei das Verhalten des Angeklagten nicht ursächlich für die Überweisungen. [X.] sieht auch keinerlei Anhaltspunkte für eine Unrechtsvereinbarung mit dem anderwei-tig verfolgten

[X.]

. Aus den von diesem
veranlassten Überweisun-gen von 2 x 55.000 Euro an den Angeklagten lasse sich entsprechendes
nicht ableiten, da diese Zahlungen
auch auf vertragliche Vereinbarungen zurückge-führt werden könnten ([X.] 30

31). Bei würdigender Gesamtschau halte
es die [X.] daher zwar für gut möglich, dass der Angeklagte auch aus
5
-
6
-
betrügerischen Motiven handelte, ist jedoch nicht mit der erforderlichen Sicher-heit davon überzeugt.

II.

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, denn die Beweiswür-digung des [X.] (§ 261 StPO) hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es

wie hier

Zweifel an seiner Täterschaft oder am Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines strafbaren Verhaltens nicht zu überwinden vermag, ist dies durch das Re-visionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist
in sachlich-rechtlicher Hinsicht dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung wider-sprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. [X.] ist es auch, wenn sich das Tatge-richt bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungs-indizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Denn einzelne Belastungsindizien, die für sich ge-nommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, können doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen. Deshalb bedarf es einer Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt zudem, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind und dabei nicht beachtet wurde, 6
7
-
7
-
dass eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende und von niemandem anzweifelbare Gewissheit nicht erforderlich ist, vielmehr ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit genügt, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretischen Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zulässt ([X.] Rspr.; vgl. nur [X.], Urteile vom 3. Juni 2015

5 StR 55/15, [X.], 255; vom 17.
Juli 2014

4 [X.]; vom 27. April 2010

1
StR 454/09, [X.], 108, 109; vom 1. Februar 2011

1 StR 408/10 Rn.
15, [X.], 184; vom 7. Juni 2011

5 [X.] Rn. 9; vom 7. November 2012

5 StR 322/12 Rn.
10; vom 18. Dezember 2012

1
StR 415/12 Rn.
28 [insoweit in [X.]St 58, 72 nicht abgedruckt]).

Der Tatrichter darf dabei entlastende Angaben des Angeklagten, für de-ren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinnehmen. Er muss sich vielmehr auf der Grundlage des gesam-ten Beweisergebnisses entscheiden, ob diese Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. [X.], Urteil
vom 24.
Oktober 2002

5
StR
600/01, [X.]St 48, 52, 71; Beschluss vom 25.
April 2007

1
StR 159/07, [X.]St 51, 324, 325; Urteil vom 28.
Januar 2009

2 StR 531/08, [X.], 285). Der [X.] gebietet es nicht etwa, zu Gunsten des [X.] zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat ([X.] Rspr.;
vgl. [X.], Urteile
vom 26.
Juni 2003

1
StR
269/02, [X.], 35, 36; vom 17.
März 2005

4 StR
581/04, [X.], 209 und
vom 21.
Oktober 2008

1
StR 292/08, [X.], 90
jew. mwN).

2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.

8
9
-
8
-

[X.] geht dav([X.]
u-
handelsgerichtlich
.

.

) aufgetreten ist, wobei sich aber weder zu diesem noch zu einem angeblich weiteren Unterneh-men des Angeklagten im [X.] Informationen finden lassen
([X.] 39). Dies
[X.] in Fi

Schon im Ansatz bleibt damit unklar, auf welche konkreten Anhaltspunk-te die Kammer ihre Annahme stützt, dass der Angeklagte innerhalb
weniger Wochen für die M.

seriös über die Vergabe von zwei verzinslichen Darlehen über 285 Millionen bzw. 315 Millionen Euro ([X.] 11

12) entscheiden
hätte
können. Dies
gilt insbesondere
auch angesichts der Vorlage einer unwirksam ausgestellten oder gefälschten Bankgarantie einer [X.] Bank, die

Angeklagte ohn([X.]
10

11). Allein die .

oder [X.] von einer entsprec([X.] 39),
lässt einen Schluss darauf nicht zu, ob der M.

Darlehen in der angenommenen Höhe hätte vergeben bzw. vermitteln können.
Im Übrigen bleibt auch angesichts des nicht mitgeteilten vollständigen Inhalts der beiden genannten Verträge völlig unklar, ob und wenn ja welche weiteren Sicherheiten zu stellen waren ([X.]
21 und 37). Nicht nachvollziehbar
ist auch die von der Kammer festgestellte unterschiedliche Höhe der zu stellenden Sicherheiten von 250 Millionen
Euro
für das Darlehen über 315 Millionen und von 450 Millionen Euro für das weitere Darlehen über 285 Millionen
Euro
([X.] 11

12).

10
11
-
9
-

Hinzu kommt, dass
sich
nach den Feststellungen der [X.] bei der nur unvollständig erfolgten Auswertung des beim Angeklagten sichergestell-ten Rechners einerseits durchaus Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass auch andere Personen erfolglos versucht hätten, über den Angeklagten an Bankgarantien zu gelangen,
sich aber andererseits keinerlei
Hinweise dafür fanden, dass der Angeklagte [X.] tatsächlich erfolgreich ab-geschlossen habe ([X.] 40).

Nach den Feststellungen der [X.] bleibt zudem
völlig offen, wel-soll. Während
ursprünglich vereinbart gewesen
sei

[X.]

bzw.

[X.]

eine Bankgarantie einer [X.] Bank liefern würden und er sich dann um die Erlangung bzw. Auszahlung des

([X.]
18), gehörte die Beschaffung
einer Bankgarantie ursprünglich nicht zu seinen Aufgaben. Erst als keine Bankgarantien geliefert wurden, habe er schließlich angeboten, diese zur Absicherung der Kredite selbst zu organisie-ren.

III.

Das Urteil ist somit auf die Revision der Staatsanwaltschaft insgesamt mit den Feststellungen aufzuheben; die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere [X.] des
[X.]
zurückzuverwei-sen.
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14
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10
-
Mit der Aufhebung des freisprechenden Urteils werden die damit ver-knüpfte Entschädigungsentscheidung (§
8 Abs. 1 Satz 1 StrEG) und die
hierge-gen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegenstandslos
([X.], Urteil vom 8. Oktober 2014

1 [X.] juris Rn. 96 mwN).
Raum Jäger [X.]

Mosbacher

Bär
15

Meta

1 StR 423/15

16.12.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.12.2015, Az. 1 StR 423/15 (REWIS RS 2015, 594)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 594

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5 StR 55/15

1 StR 408/10

1 StR 114/14

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