Bundessozialgericht, Urteil vom 02.12.2014, Az. B 14 AS 60/13 R

14. Senat | REWIS RS 2014, 803

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Gegenstand

(Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Erstattung von Kosten im Vorverfahren - Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs - Erstattungspflicht auch bei Nichtvorliegen einer vom Rechtsanwalt an seinen Mandanten gerichteten Kostenrechnung - Anwendungsbereich von § 10 RVG)


Leitsatz

Zu den Voraussetzungen für die Erstattung von Kosten des Widerspruchsverfahrens zählt nicht die Berechnung der Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts im Innenverhältnis zu seinem Mandanten.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über Kosten eines Widerspruchsverfahrens.

2

Der im Juni 1980 geborene Kläger, der von dem beklagten Jobcenter laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem [X.] ([X.]) bezieht, machte die Übernahme von [X.] bei dem Beklagten geltend und schaltete zur Interessenwahrnehmung einen Rechtsanwalt ein. Die Bevollmächtigung umfasste auch die Geltendmachung von Folgeverfahren, insbesondere die Kostenfestsetzung. Im Ergebnis obsiegte der Kläger vollständig, nachdem seinem Antrag zunächst teilweise stattgegeben und mit Bescheid vom [X.] dem Widerspruch des [X.] abgeholfen wurde.

3

Der Klägerbevollmächtigte mahnte mit Schreiben vom [X.] unter Bezugnahme auf die Abhilfe des Widerspruchs eine Kostenentscheidung an und übersandte zugleich eine an den Beklagten adressierte Gebührenrechnung, in der unter Nennung der genauen Angelegenheit und der Aufschlüsselung der Gebühren nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ([X.]) eine Gesamtsumme von 309,40 [X.] in Rechnung gestellt wurde. Mit Rundschreiben vom 19.10.2010 forderte der Beklagte die Verfahrensbevollmächtigten seiner Kunden, ua auch den hiesigen Klägerbevollmächtigten, auf, die Gebührenrechnungen an die Auftraggeber zu richten und zu adressieren und ihm jeweils eine Abschrift dieser Rechnungen zur Prüfung des Erstattungsanspruchs vorzulegen. Mit Schreiben vom 3.11.2010 ergänzte der Beklagte den [X.] vom [X.] dahingehend, dass er die Zuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärte. Dem Grunde nach bestehe ein Kostenerstattungsanspruch, die Kostenrechnung vom [X.] begegne jedoch Bedenken, da sie nicht an den Kläger adressiert sei.

4

Nach weiterer Korrespondenz setzte der Beklagte mit Bescheid vom [X.] unter Hinweis auf die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit der Kosten des Widerspruchsverfahrens die zu erstattenden Kosten auf 0,00 [X.] fest und führte zur Begründung aus, es sei nicht nachgewiesen, dass erstattungsfähige Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwalts entstanden seien, da keine Kostenrechnung des Rechtsanwalts an den Kläger vorliege. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25.7.2011).

5

In dem daraufhin vom Kläger angestrengten Klageverfahren hat der Beklagte vor dem Sozialgericht ([X.]) zu Protokoll erklärt, dass er die Hinzuziehung des Bevollmächtigten als notwendig anerkenne und auch die Höhe der Kostenrechnung von 309,40 [X.] nicht angegriffen werde. Mit Urteil vom 10.5.2012 hat das [X.] den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, den Kläger von dem Vergütungsanspruch seines Bevollmächtigten in Höhe von 309,40 [X.] freizustellen.

6

Die Berufung des Beklagten ist nach deren Zulassung durch das [X.] (L[X.]) zurückgewiesen worden (Urteil vom 17.10.2013). Die Klage sei als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, gerichtet auf die Freistellung des [X.] von dem Vergütungsanspruch seines Bevollmächtigten, zulässig. Da der Kläger den Gebührenanspruch seines Rechtsanwalts bisher nicht beglichen habe, sei das [X.] zutreffend von einem Freistellungsanspruch anstelle eines Leistungsanspruchs ausgegangen. Die Klage sei auch nicht wegen fehlenden [X.] unzulässig, denn im vorliegenden Fall bestehe zumindest die Möglichkeit, dass der Kläger als Adressat eines belastenden Verwaltungsakts (Bescheid vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.7.2011) in seinen Rechten verletzt sei. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch sei auch nach § 63 [X.] ([X.]B X) begründet. Streitig sei allein die Frage, ob dem Kläger wegen des Fehlens der formalen Voraussetzungen nach § 10 [X.] Kosten nicht entstanden seien. Zur Entscheidung dieser Frage sei eine rechtliche Differenzierung zwischen verfahrensrechtlichem Kostenerstattungsanspruch und [X.] Kostenerstattungsanspruch nicht notwendig. Der Schutzzweck des § 10 [X.] betreffe nur das Innenverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt.

7

Der Beklagte hat die vom L[X.] zugelassene Revision eingelegt und begründet diese mit einem Verstoß gegen § 10 [X.]. Der Berechtigte iS des § 63 [X.]B X sei bei einem erfolgreichen Widerspruch der Widerspruchsführer. Dieser könne die Honorarforderung seines Bevollmächtigten als notwendige Aufwendung aber nur geltend machen, wenn sie ihm gegenüber tatsächlich in Rechnung gestellt werde, was gemäß § 10 [X.] nur aufgrund einer vom Rechtsanwalt unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung geschehen könne.

8

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.]s Nordrhein-Westfalen vom 17. Oktober 2013 und des [X.] vom 10. Mai 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und auch im Übrigen zulässig, denn es geht vorliegend um einen Streit über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens und nicht um Kosten des Rechtsstreits, bei denen Berufung und Revision nicht statthaft sind (stRspr vgl B[X.] Urteil vom [X.] [X.]/08 R - [X.] 4-1300 § 63 [X.]).

Die Revision ist jedoch unbegründet. Das [X.] hat die Berufung des Beklagten zu Recht zurückgewiesen und damit zutreffend die Entscheidung des [X.] bestätigt, dem Kläger stehe ein Freistellungsanspruch in Höhe von 309,40 [X.] gegen den Beklagten zu.

1. Streitgegenstand ist nur dieser Anspruch des [X.] auf Erstattung von Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von insgesamt 309,40 [X.], die der Beklagte als der Höhe nach angemessen anerkannt hat und bezüglich derer die Zuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärt wurde (vgl § 63 Abs 2 [X.]B X), sowie neben den Urteilen des [X.] und des [X.] der Bescheid des Beklagten vom [X.], mit dem er unter Hinweis auf die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit der Kosten des Widerspruchsverfahrens die zu erstattenden Kosten auf 0,00 [X.] festgesetzt hat, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.7.2011.

Der Kläger verfolgt sein Anliegen zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>), gerichtet auf die Freistellung von dem Vergütungsanspruch seines Bevollmächtigten (vgl B[X.] Urteil vom [X.] [X.]/08 R - [X.] 4-1300 § 63 [X.] RdNr 12, 13; für das Zivilrecht auch [X.] <[X.]> Urteil vom 22.3.2011 - [X.]/10 - juris RdNr 18). Der Kläger ist bereits dadurch beschwert, dass die zu erstattenden Kosten auf 0,00 [X.] statt auf 309,40 [X.] festgesetzt worden sind, ohne dass es darauf ankommt, ob der Beklagte bei Vorlage einer an den Kläger gerichteten Gebührenrechnung die Kosten in der beantragten Höhe erstattet hätte. Eine Trennung einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage in einen Anfechtungs- und einen Leistungsteil sieht das Gesetz insoweit nicht vor. Das Rechtsschutzbedürfnis des [X.] folgt daraus, dass er zu Recht die Klärung des umstrittenen Anspruchs begehrt.

2. Der Kläger hat den geltend gemachten Anspruch hinsichtlich seiner Aufwendungen im Vorverfahren nach § 63 Abs 1 Satz 1 [X.]B X. Danach hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

Die Voraussetzungen für den Kostenerstattungsanspruch liegen vor. Der Widerspruch des [X.] war im Ergebnis in vollem Umfang erfolgreich; mit Bescheid vom [X.] wurde eine Nachzahlung aufgrund von Nebenkostenabrechnungen in Höhe von insgesamt 1739,64 [X.] als berechtigt anerkannt und zur Überweisung auf das Konto des [X.] angewiesen. Zu den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zählen gemäß § 63 Abs 2 [X.]B X regelmäßig die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war, was der Beklagte anerkannt hat. Gebühren und Auslagen iS des § 63 Abs 2 [X.]B X sind die gesetzlichen Gebühren (B[X.]E 78, 159 = [X.] 3-1300 § 63 [X.] f), also auch die Gebühren und Auslagen, die ein Rechtsanwalt nach den Vorschriften des [X.] in Rechnung stellt (B[X.] Urteil vom [X.] [X.]/08 R - [X.] 4-1300 § 63 [X.]). Hier ist eine ordnungsgemäße Abrechnung, die den Anforderungen des § 10 Abs 2 [X.] entspricht, durch das Schreiben des Bevollmächtigten vom [X.] erfolgt, wie sich aus den Feststellungen des [X.] ergibt.

3. Außer den genannten Voraussetzungen für die Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens sind keine weitergehenden Anforderungen an einen Kostenerstattungsanspruch zu erkennen. Insbesondere steht dem Kostenerstattungsanspruch nach § 63 Abs 1 [X.]B X nicht entgegen, dass der Rechtsanwalt des [X.] bislang an diesen persönlich keine Abrechnung übersandt hat, die den Anforderungen des § 10 [X.] genügt. Insofern schließt sich der Senat der Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 22.3.2011 - [X.]/10 - juris RdNr 9 und 18) an, der bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der einem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ausgeführt hat, es sei zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Die Vorschrift des § 10 Abs 1 Satz 1 [X.], wonach der Rechtsanwalt die Vergütung grundsätzlich nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern könne, betreffe lediglich die Frage, wann eine entstandene und nach § 8 Abs 1 Satz 1 [X.] mit Erledigung des Auftrags oder Beendigung der Angelegenheit fällige Gebühr von dem Mandanten einforderbar sei. Somit wird von § 10 Abs 1 [X.] allein das Innenverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt geregelt, nicht aber das Außenverhältnis zu einem erstattungspflichtigen Dritten.

Weiterhin wird vom [X.] ausgeführt, dass für den Fall, dass dem Gegner keine den Anforderungen des § 10 [X.] entsprechende Berechnung vorgelegt worden sei, der Anspruch nicht an der Bestimmbarkeit der Höhe des [X.] scheitere, da der Rechtsanwalt - im dortigen Fall mit der von ihm selbst verfassten Klageschrift betreffend diese Geltendmachung des [X.] für seinen Mandanten - von seinem Bestimmungsrecht iS des § 14 [X.] hinreichend Gebrauch gemacht habe ([X.] aaO, RdNr 18). Die herausgearbeiteten Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall übertragbar, denn auch im dortigen Fall ist eine Rechnungsstellung der Rechtsanwaltsgebühren an den Kläger nicht erfolgt und direkt Zahlungsklage erhoben worden. Die den Anforderungen des § 10 Abs 2 [X.] entsprechende Berechnung der Höhe der Kosten ist vorliegend nicht durch Klageerhebung, sondern aufgrund der Abrechnung gegenüber dem Beklagten vom [X.] erfolgt. Außerdem ist es möglich, dass die Berechnung des Rechtsanwalts nicht dem Auftraggeber, sondern einem Dritten (etwa der Rechtsschutzversicherung) mitgeteilt wird (vgl [X.] in [X.], [X.], 21. Aufl 2013, § 10 [X.] RdNr 8). Dass eine Berechnung nach § 10 [X.] keine Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch ist und der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht über das Innenverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt hinaus auch auf das Außenverhältnis zu einem erstattungspflichtigen Dritten auszudehnen ist, zeigt im Übrigen auch die Möglichkeit, dass ein Auftraggeber auf die Einhaltung der Erfordernisse des § 10 [X.] ganz oder teilweise verzichten kann, was auch stillschweigend erfolgen kann ([X.], [X.], 40. Aufl 2010, § 10 [X.] RdNr 9).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 [X.]G.

Meta

B 14 AS 60/13 R

02.12.2014

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Köln, 10. Mai 2012, Az: S 25 AS 3192/11, Urteil

§ 63 Abs 1 S 1 SGB 10, § 63 Abs 2 SGB 10, § 10 Abs 1 RVG, § 10 Abs 2 RVG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 02.12.2014, Az. B 14 AS 60/13 R (REWIS RS 2014, 803)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 803

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