Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.12.2019, Az. I B 35/19

1. Senat | REWIS RS 2019, 606

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Gegenstand

Drittanfechtungsrecht der Gesellschafter gegen den Bescheid zur Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos


Leitsatz

Wird ein Drittanfechtungsrecht der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft hinsichtlich der gesonderten Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos bejaht, ist jedenfalls nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Gesellschafter den sich aus § 166 AO ergebenden Beschränkungen unterworfen sind.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des [X.] vom 28.05.2019 - 7 V 803/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragsteller zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Antragstellerin und [X.]eschwerdeführerin zu 1. (Antragstellerin zu 1.) ist eine Gesellschaft schottischen Rechts, die nach ihrem Typus einer [X.] Kommanditgesellschaft entspricht. Die Antragsteller und [X.]eschwerdeführer zu 2. bis 36. (Antragsteller) sind vergleichbar einem [X.] Kommanditisten an ihr beteiligt. Die einem [X.] Komplementär entsprechende Funktion übt die [X.]. ([X.]) aus, bei der es sich um eine Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts handelt.

2

[X.] erwarb im Februar 2015 sämtliche Anteile an der [X.] ([X.]). 99,5 % dieser Anteile hielt sie treuhänderisch für die Antragstellerin zu 1., die restlichen Anteile für eine GbR.

3

Um der [X.] den Erwerb einer [X.]eteiligung zu ermöglichen, zahlte die [X.] im März 2015 in ihrer Funktion als Gesellschafterin und Treuhänderin einen [X.]etrag von ... € in die Kapitalrücklage der [X.] ein. Die [X.]ilanz zum 31.12.2015 weist eine dem entsprechende Position aus.

4

Die [X.] gab in ihrer Feststellungserklärung gemäß § 27 Abs. 2 Satz 4 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr (2015) geltenden Fassung ([X.]) gegenüber dem Antragsgegner und [X.]eschwerdegegner (Finanzamt --[X.]--) den [X.]estand des steuerlichen [X.] zum 31.12.2015 mit 0 € an. Das [X.] folgte der Erklärung und stellte den [X.]estand zum 31.12.2015 im Feststellungsbescheid gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 [X.] vom 14.06.2016 mit 0 € fest (im Folgenden: [X.]escheid vom 14.06.2016).

5

Einen von der [X.] am 28.11.2017 gestellten [X.]erichtigungsantrag gemäß § 129 der Abgabenordnung ([X.]) wies das [X.] ab. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.

6

Die Antragsteller legten mit Schreiben vom 08.02.2018 Einspruch gegen den [X.]escheid vom 14.06.2016 ein. Sie beantragten außerdem mit Schriftsatz vom 23.05.2018 Aussetzung der Vollziehung (AdV). Diesen Antrag lehnte das [X.] im März 2019 ab. Die Antragsteller stellten daraufhin beim [X.] ([X.]) einen [X.].

7

Mit dem angegriffenen [X.]eschluss vom 28.05.2019 - 7 V 803/19 lehnte das [X.] diesen Antrag als unzulässig ab. Die Antragsteller seien mangels [X.]eschwer nicht befugt, den [X.]escheid vom 14.06.2016 anzufechten.

8

Dagegen wenden sich die Antragsteller mit ihrer vom [X.] gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zugelassenen [X.]eschwerde.

9

Zur [X.]egründung verweisen sie im Wesentlichen darauf, dass sich aus dem [X.]escheid vom 14.06.2016 für sie eine [X.]eschwer ergebe, weil die erbrachte Einlage materiell-rechtlich fehlerhaft nicht berücksichtigt worden sei und sich bei ihnen wegen der vom erkennenden [X.] angenommenen materiell-rechtlichen [X.]indungswirkung des Feststellungsbescheids gemäß § 27 Abs. 2 [X.] für die Festsetzung der Steuer auf [X.] der Anteilseigner unmittelbar rechtlich auswirke. Die hiermit verbundene [X.] (Klage- bzw. Antragsbefugnis) habe der [X.] auch in anderen Konstellationen, insbesondere in Einbringungsfällen, anerkannt.

Die Antragsteller beantragen (sinngemäß), den [X.]eschluss der Vorinstanz aufzuheben und die Vollziehung des [X.]escheids vom 14.06.2016 mit der Maßgabe auszusetzen, dass vorläufig bis zum Eintritt der [X.]estandskraft der Einspruchsentscheidung im beim [X.] anhängigen Einspruchsverfahren von einem [X.]estand des steuerlichen [X.] zum 31.12.2015 in Höhe von ... € auszugehen ist.

Das [X.] beantragt, den [X.] abzulehnen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Das [X.] hat den [X.] zu Recht abgewiesen, weil die Antragsteller im Ergebnis nicht befugt sind, Einwendungen gegen die Richtigkeit des Bescheids vom 14.06.2016 geltend zu machen.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 [X.]O kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 17.05.2005 - I B 108/04, [X.] 2005, 1778). Eine solche gerichtliche Aussetzungsentscheidung erfordert allerdings, dass neben den in § 69 Abs. 4 [X.]O gesondert genannten Voraussetzungen auch die allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen vorliegen. Deshalb kann AdV eines Verwaltungsakts nur derjenige beantragen, der durch den Bescheid beschwert ist. Ebenso wie für die [X.] bzw. Klagebefugnis gegen einen Verwaltungsakt (vgl. § 350 [X.]; § 40 Abs. 2 [X.]O) ist Voraussetzung für die Antragsbefugnis eine Verletzung rechtlich geschützter Interessen durch den angefochtenen Verwaltungsakt (Beschluss des [X.] --BFH-- vom 29.11.1995 - X B 328/94, [X.], 222, [X.] 1996, 322).

2. Es kann bei der gebotenen summarischen Prüfung dahinstehen, ob die Antragsteller, wie von ihnen geltend gemacht, antragsbefugt sind. Selbst wenn diese Befugnis zu ihren Gunsten unterstellt würde, so müssten sie den Bescheid vom 14.06.2016 gegen sich gelten lassen. Dies folgt aus § 166 [X.], dessen Anwendung im Streitfall vom Senat nicht als rechtlich zweifelhaft erachtet wird.

a) Nach der Senatsrechtsprechung richtet sich der Feststellungsbescheid gemäß § 27 Abs. 2 [X.] ausschließlich gegen die dort genannte Kapitalgesellschaft. Obgleich dem steuerlichen Einlagekonto für die eigene Ertragsbesteuerung der Kapitalgesellschaft keine unmittelbare Bedeutung zukommt, hat der Senat dieser die Befugnis zuerkannt, gegen den Feststellungsbescheid vorzugehen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 30.01.2013 - I R 35/11, [X.], 304, [X.] 2013, 560). Dieser Bescheid entfaltet über § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) materiell-rechtliche Bindungswirkung auch für die Anteilseigner. Nach dieser Vorschrift gehören Bezüge aus Anteilen an einer Körperschaft nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit für diese Eigenkapital i.S. des § 27 [X.] als verwendet gilt. Tatbestandsmerkmal des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG sind damit die im Bescheid nach § 27 Abs. 2 [X.] ausgewiesenen Bestände. Gilt danach das steuerliche Einlagekonto für die Leistung der Körperschaft als verwendet, ist diese Verwendungsfiktion auch auf [X.] der Gesellschafter zu beachten. Ein Gesellschafter kann sich deshalb nicht mit Erfolg darauf berufen, das steuerliche Einlagekonto sei im Bescheid über die Feststellung des steuerlichen [X.] unzutreffend ausgewiesen (Senatsurteil vom 19.05.2010 - I R 51/09, [X.], 128, [X.] 2014, 937). Ob wegen der bestehenden materiell-rechtlichen Bindungswirkung auch die Gesellschafter der Kapitalgesellschaft neben dieser gegen den Feststellungsbescheid als Drittanfechtungsberechtigte klagen können, hat der Senat noch nicht entschieden (bejahend z.B. Urteil des Hessischen [X.] vom 01.12.2015 - 4 K 1355/13, Entscheidungen der Finanzgerichte 2016, 687; [X.], [X.], 1129; [X.], Steuern und Bilanzen 2018, 273; Streck/[X.], [X.], 9. Aufl., § 27 Rz 42; verneinend z.B. Urteil des Schleswig-Holsteinischen [X.] vom 19.09.2019 - 1 K 73/18, juris; [X.] in [X.]/[X.], Körperschaftsteuergesetz, 4. Aufl., § 27 Rz 159; [X.] in [X.]/[X.]/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 27 [X.] Rz 113a; wohl auch [X.] in [X.], Körperschaftsteuergesetz, § 27 Rz 118; den Streit [X.] z.B. [X.] in [X.]/[X.], BeckOK [X.], § 27 Rz 257).

b) Der Senat hat insoweit zwar erhebliche Zweifel, aber selbst wenn ein Drittanfechtungsrecht der Gesellschafter bestünde, so wäre dies jedenfalls den sich aus § 166 [X.] ergebenden Beschränkungen unterworfen.

Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies gemäß § 166 [X.] neben einem Gesamtrechtsnachfolger auch gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten.

aa) Die Voraussetzungen dieser Norm sind erfüllt. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass § 166 [X.] nicht im engeren Sinne allein Steuerfestsetzungen gegenüber dem Steuerpflichtigen erfasst, sondern auf die den Steuerbescheiden grundsätzlich gleichgestellten (§ 181 Abs. 1 Satz 1 [X.]) Bescheiden über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und deren Adressaten zu erstrecken ist [X.]/Rüsken, [X.], 14. Aufl., § 166 Rz 16; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 166 [X.] Rz 4; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 166 [X.] Rz 11; Oellerich in [X.], [X.] § 166 Rz 7; [X.] in [X.]/[X.]/Wagner, BeckOK [X.], § 166 Rz 21). Im Streitfall ist somit der gegenüber der [X.] ergangene Bescheid vom 14.06.2016 tatbestandlich erfasst; der Bescheid ist auch unanfechtbar geworden, weil es diesbezüglich auf den Eintritt der formellen Bestandskraft der [X.] "gegenüber" ankommt ([X.], a.a.[X.], Rz 13; [X.], a.a.[X.], Rz 6). Die weitere Voraussetzung des § 166 [X.] ("wer in der Lage gewesen wäre, den ... Bescheid ... kraft eigenen Rechts anzufechten") erfüllen die Antragsteller ebenfalls, wenn man ihnen --wie geltend gemacht-- die [X.] zuspricht. Letzteres ist mangels gegenteiliger gesetzlicher Aussagen nicht auf die allgemein anerkannten Fälle des Insolvenzverwalters oder sonstiger Parteien kraft Amtes beschränkt, sondern erfasst allgemein [X.] ([X.], a.a.[X.], Rz 24). Für das Merkmal "in der Lage gewesen wäre" kommt es im Übrigen nicht darauf an, ob der Dritte rein tatsächlich die Möglichkeit zur Einspruchseinlegung besaß oder ob er Kenntnis vom Inhalt der von § 166 [X.] vorausgesetzten Steuerfestsetzung oder der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen hatte. Vielmehr ist allein auf dessen rechtliche Befugnis abzustellen, aus eigenem Recht einen Bescheid anfechten zu können (zum Vorstehenden z.B. BFH-Urteil vom [X.], [X.] 1998, 814, zu einer steuerfestsetzungsgleichen Lohnsteueranmeldung; Rüsken, a.a.[X.], Rz 7).

bb) Die Rechtsfolge des § 166 [X.] (vgl. [X.], a.a.[X.], Rz 3: "Art Präklusion") besteht darin, dass der Dritte, der von dem ihm zustehenden Anfechtungsrecht bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft des Bescheids nicht Gebrauch macht, die (angebliche) Rechtswidrigkeit des Bescheids --im Streitfall die unzutreffende Höhe des Bestands des steuerlichen [X.]-- wegen der sich auf ihn erstreckenden Bestandskraft nicht mehr geltend machen kann. Seine Klage wäre demgemäß abzuweisen. Ob als unzulässig oder unbegründet, ändert nichts an den fehlenden Erfolgsaussichten des [X.] und kann daher für Zwecke der Entscheidung über den [X.] dahinstehen.

3. Dass die Antragsteller den Bescheid hiernach nicht mehr auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüfen lassen können, begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

a) Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass die Regelung des § 166 [X.] mit den sich aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Anforderungen grundsätzlich vereinbar ist ([X.], a.a.[X.], Rz 3, m.w.N.; Oellerich, a.a.[X.], Rz 15).

b) Auch mit der Einbeziehung der --vom Senat unterstellten-- [X.] in den Anwendungsbereich des § 166 [X.] wird der Rechtsschutz der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gegenüber dem Feststellungsbescheid gemäß § 27 Abs. 2 [X.] nicht in unzumutbarer und durch [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert.

aa) In erster Linie gebietet es der Sachgrund der Rechtssicherheit, die --vom Senat im Rahmen des vorliegenden Beschlussverfahrens angenommene-- [X.] der Anteilseigner dem Regime des § 166 [X.] zu unterwerfen.

Mit der von § 27 Abs. 2 Satz 1 [X.] angeordneten gesonderten Feststellung des Bestands des steuerlichen [X.] und deren Bindungswirkung für die nächstfolgende Feststellung wollte der Gesetzgeber Rechtssicherheit für die regelungsbetroffenen Steuerpflichtigen und den Fiskus herstellen (allgemeine Meinung vgl. BTDrucks 7/1470, S. 379 und 14/2683, S. 121, zur vergleichbaren Rechtslage bei der früheren gesonderten Feststellung der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals gemäß § 47 [X.] a.F.; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 27 Rz 67; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 27 [X.] Rz 81). § 27 Abs. 2 [X.] dient in besonderer Weise der Ordnung der steuerlichen Verhältnisse einer Vielzahl von Betroffenen. Die Gesamtregelung des steuerlichen [X.] in § 27 [X.] hat Bedeutung für die Kapitalgesellschaft --insbesondere in ihrer Eigenschaft als potentielle Haftungsschuldnerin (vgl. Senatsurteil in [X.], 304, [X.] 2013, 560)-- wie auch für die an ihr beteiligten Gesellschafter, deren Zahl in die Tausende gehen kann, wie das Beispiel großer Aktiengesellschaften zeigt. Mit der gesonderten Feststellung werden jährlich sämtliche Veränderungen des [X.] erfasst und zum Jahresende verbindlich festgeschrieben. Die Bindung des Folgebescheids an den Bescheid des Vorjahres (§ 27 Abs. 2 Satz 2 [X.]) sorgt für eine kontinuierliche Festschreibung des Bestands und der unterjährigen Bestandsveränderungen. Ohne diese verfahrensrechtlichen Sicherungen könnte jederzeit auch für weit zurückreichende [X.] die jeweils maßgebliche Höhe des [X.] in Zweifel gezogen werden. Je nachdem welche und wie viele der potentiell anfechtungsberechtigten Gesellschafter von ihrem Anfechtungsrecht Gebrauch machen, bestünde zudem die Gefahr inhaltlich divergierender Entscheidungen. Dieser Gefahr könnte durch verfahrensrechtliche Sicherungen nicht hinreichend begegnet werden. So hat der Senat z.B. bereits entschieden, dass die Anfechtung des Feststellungsbescheids gemäß § 27 Abs. 2 [X.] durch die Kapitalgesellschaft nach geltender Rechtslage nicht zur notwendigen Beiladung der Gesellschafter führt (Senatsbeschluss vom 25.09.2018 - I B 49/16, [X.] 2019, 288). Die [X.] gemäß § 166 [X.] dient somit sowohl der Rechtssicherheit als auch der Rechtsanwendungsgleichheit, indem sie die formelle Bestandskraft des gegenüber der Kapitalgesellschaft ergangenen Feststellungsbescheids auf etwaige Drittanfechtungsberechtigte erstreckt.

bb) Die damit verbundenen Beschränkungen des Primärrechtsschutzes --etwaige sekundärrechtliche Rechtschutzmöglichkeiten gegenüber der Kapitalgesellschaft und deren gesetzliche und bevollmächtigte Vertreter bei Abgabe fehlerhafter Feststellungserklärungen bleiben unberührt-- sind nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) insbesondere bei sog. mehrpoligen Rechtsverhältnissen hinzunehmen (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 23.05.2006 - 1 BvR 2530/04, [X.]E 116, 1; [X.] in [X.]/[X.], GG, Art. 19 Abs. 4 Rz 22). Ein solches Rechtsverhältnis wird durch den Gesetzgeber in § 27 [X.] geordnet, was angesichts der Weite des [X.] der Betroffenen und deren ggf. abweichenden Interessenlagen keiner weiteren Erläuterung bedarf.

cc) Mit der vom Senat im Streitfall befürworteten Anwendung des § 166 [X.] wird der Rechtsschutz gegenüber fehlerhaften Feststellungsbescheiden auch nicht in unverhältnismäßiger Weise beschnitten. Diesbezüglich ist vor allem darauf hinzuweisen, dass der Kapitalgesellschaft umfassende [X.] zur Verfügung stehen, so dass die von Art. 19 Abs. 4 GG gebotene Kontrolle des Verwaltungshandelns dem Grunde nach sichergestellt ist (kein Rechtswegausschluss). So hat der Senat in seiner Rechtsprechung die Befugnis der Kapitalgesellschaft, gegen den Feststellungsbescheid gemäß § 27 Abs. 2 [X.] zu klagen, ausdrücklich bejaht (Senatsurteil in [X.], 304, [X.] 2013, 560). Darin unterscheidet sich die Rechtslage erheblich von anderen Konstellationen, in denen der Senat das Klagerecht eines Dritten anerkannt hat. So ist der von den Antragstellern angesprochene [X.] dadurch gekennzeichnet, dass die das Betriebsvermögen aufnehmende Kapitalgesellschaft den Körperschaftsteuerbescheid, in dem materiell-rechtlich bindend für den Einbringenden der Wertansatz für das eingebrachte Vermögen als "Veräußerungspreis" festgeschrieben wird, mangels eigener Beschwer nicht anfechten kann (Senatsurteil vom 25.04.2012 - I R 2/11, [X.] 2012, 1649, m.w.N.). Es gilt weiterhin zu bedenken, dass das Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern zwar vom [X.] beherrscht wird, doch stehen sich beide Ebenen nicht beziehungslos gegenüber. Vielmehr sind Gesellschaft und Gesellschafter gesellschaftsvertraglich miteinander verbunden und die Gesellschafter können ihre daraus resultierenden Rechte (z.B. Informationsrechte) einsetzen, um die Kapitalgesellschaft zur Einlegung von Einsprüchen gegen vermeintlich rechtswidrige Feststellungsbescheide zu veranlassen.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I B 35/19

10.12.2019

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 28. Mai 2019, Az: 7 V 803/19, Beschluss

§ 27 Abs 2 S 1 KStG 2002, § 166 AO, Art 19 Abs 4 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.12.2019, Az. I B 35/19 (REWIS RS 2019, 606)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 606


Verfahrensgang

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Az. I B 35/19

Bundesfinanzhof, I B 35/19, 10.12.2019.


Az. 7 V 803/19

FG München, 7 V 803/19, 28.05.2019.


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