Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.12.2012, Az. I B 48/12

1. Senat | REWIS RS 2012, 211

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Gegenstand

(Entsprechende Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde - Beurteilung einer unzulässig gebildeten Tantieme-Rückstellung als verdeckte Gewinnausschüttung)


Leitsatz

NV: Die Zulassung der Revision kommt in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO nicht in Betracht, wenn zwar möglicherweise eine Divergenz des FG-Urteils zur BFH-Rechtsprechung gegeben ist (hier: bezüglich der Beurteilung einer Tantieme-Rückstellung als vGA), sich die Entscheidung des FG jedoch aus anderen Gründen als richtig darstellt (hier: weil die Rückstellung nicht hätte gebildet werden dürfen) .

Tatbestand

1

I. Die [[[X.].].]eteiligten streiten um drei Positionen der Gewinnermittlung der Klägerin und [[[X.].].]eschwerdeführerin (Klägerin) --einer im [[[X.].].]ereich der Informationstechnologie tätigen, im Jahr 1990 gegründeten [[[[[[[X.].].].].].].] für das Streitjahr 1996.

2

Gesellschafter der Klägerin waren im Streitjahr [[[[[[X.].].].].].] sowie dessen Vater zu je 25 % sowie die [[[[[[X.].].].].].] zu 50 %. An der [[[[[[X.].].].].].] waren [[[[[[X.].].].].].], dessen Vater sowie zwei weitere Personen zu je 25 % beteiligt. [[[[[[X.].].].].].] war zugleich alleiniger Geschäftsführer der Klägerin. Nach dem [[[[X.].].].] vom 28. September 1990 sollte er ein festes Monatsgehalt von 12.000 DM erhalten. In einer Zusatzvereinbarung vom 1. Oktober 1990 wurde jedoch festgelegt, dass die Geschäftsführerbezüge vorläufig auf 5.000 DM festgesetzt würden, weil in den ersten Monaten der Gründung der Gesellschaft mit keiner positiven Ertragssituation zu rechnen sei; [[[[[[X.].].].].].] sollte die Geschäftsführerbezüge, auf die er mit dieser Regelung verzichtet habe, nachgezahlt erhalten, sobald sich ein [[[X.].].]ilanzgewinn ergebe. Darüber hinaus enthielt die Zusatzvereinbarung eine Tantiemeregelung. Im Dezember 1994 wurde eine "Erhöhung des Gehalts" des [[[[[[X.].].].].].] auf 6.000 DM, im Dezember 1995 eine solche auf 12.000 DM ([[[X.].].] 13. Monatsgehalt von 12.000 DM) vereinbart.

3

Das seinerzeit zuständige Finanzamt [[[X.].].] erkannte die Gewinnermittlung der Klägerin für das Streitjahr in folgenden Punkten nicht an und setzte die Körperschaftsteuer und den [[[X.].].] entsprechend fest:

4

- Kürzung einer Pauschal-Rückstellung für ein außerordentliches [[[X.].].] hinsichtlich Computer-Soft- und -Hardware unter besonderer [[[X.].].]erücksichtigung des Risikos der "[[[X.].].]" von 289.100 DM auf 175.625 DM

5

- Hinzurechnung einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) in Höhe von 98.000 DM wegen der im Streitjahr auf die Tantieme des [[[[[[X.].].].].].] entfallenden Aufwendungen (Vorauszahlung von 84.300 DM und Zuführung zur [[X.].] von 493.537 DM).

6

Mit der deswegen erhobenen Klage verlangt die Klägerin zudem die erstmalige [[[X.].].]erücksichtigung einer bislang nicht bilanzierten Verbindlichkeit in Höhe von 429.000 DM wegen [[[[[[X.].].].].].] nach ihrer Auffassung zustehenden Gehaltsnachzahlungen für den Zeitraum vom 1. Oktober 1990 bis 31. Dezember 1995. Die Klage blieb ohne Erfolg; das [X.] ([X.]) hat sie mit Urteil vom 29. Februar 2012  4 K 812/09 als unbegründet abgewiesen.

7

Die Klägerin beantragt mit ihrer [[[X.].].]eschwerde die Zulassung der Revision gegen das [X.]-Urteil.

8

Der [[[X.].].]eklagte und [[[X.].].]eschwerdegegner (das nunmehr für die Klägerin zuständige Finanzamt --FA--) beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen --soweit sie den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([[[[[[X.].].].].].]O) entsprechend dargetan worden sind-- nicht vor.

1. Als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [[[[[[X.].].].].].]O) möchte die Klägerin zunächst geklärt wissen, ob die Bildung von [[[[[[X.].].].].].] ausgeschlossen sei, "wenn den zu befürchtenden und zu bewertenden Risiken keine Erfahrungswerte aus der Vergangenheit wegen bestehender Einmaligkeit des zu erwartenden künftigen Ereignisses gegenüberstehen". Dem [[[[[[X.].].].].].] ist jedoch der von der Klägerin unterstellte entscheidungserhebliche Rechtssatz, dass künftige, bisher nicht aufgetretene Risiken im Rahmen von [[[[[[X.].].].].].] nicht erfasst werden können, nicht zu entnehmen. Ausweislich der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils hat das [[[[[[X.].].].].].] die Rückstellungen wegen des mit der möglichen "[[[[[[X.].].].].].]" der von der Klägerin vertriebenen Software verbundenen [[[[[[X.].].].].].] deshalb reduziert, weil nach seiner Sachverhaltswürdigung zum 31. Dezember 1996 eine Inanspruchnahme aus derartigen [[[[[[X.].].].].].] (noch) nicht überwiegend wahrscheinlich gewesen sei. Die Ausführungen zu den Voraussetzungen von [[[[[[X.].].].].].] beziehen sich nicht speziell auf das "[[[[[[X.].].].].].]", sondern auf allgemeine, branchentypische Haftungsrisiken ([[[[[[X.].].].].].] S. 17, 2. Absatz).

2. Auch die des Weiteren von der Klägerin zur Klärung gestellte Rechtsfrage, ob "die allgemeinen Rechtsgrundsätze zum Gehaltsverzicht mit Besserungsvereinbarung eines beherrschenden Gesellschafters, nämlich die klare und eindeutige Formulierung der Besserungsabrede, ohne Einschränkungen auf den Fall eines nichtbeherrschenden Gesellschafters übertragen werden" könnten, geht an den tragenden Erwägungen des angefochtenen Urteils vorbei. Die Vorinstanz hat rückständige Gehaltsverpflichtungen gegenüber [[[[[X.].].].].] nicht als passivierungsfähig angesehen, weil es die getroffenen Vereinbarungen dahin ausgelegt hat, [[[[[X.].].].].] stehe zivilrechtlich ein einklagbarer Zahlungsanspruch gegen die Klägerin nicht zu. Soweit das [[[[[[X.].].].].].] in diesem Zusammenhang ausführt, die Begründung eines durchsetzbaren Nachzahlungsanspruchs hätte "eine deutlichere Formulierung nahegelegt, die den Rechtsbindungswillen der Klägerin dem Grunde und der Höhe nach erkennen ließ", handelt es sich dabei um ein Argument im Rahmen der zivilrechtlichen Vertragsauslegung. Ein Zusammenhang mit den qualifizierten steuerrechtlichen Anforderungen an Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und beherrschenden Gesellschaftern (sog. "formeller" Fremdvergleich) ist nicht erkennbar; insbesondere hat das [[[[[[X.].].].].].] sein Ergebnis nicht auf den Rechtssatz gestützt, diese Sonderanforderungen müssten auch für Minderheitsgesellschafter Anwendung finden.

3. An einem Bezug zu den das angefochtene Urteil tragenden Erwägungen ermangelt es auch der Verfahrensrüge der Klägerin (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [[[[[[X.].].].].].]O), es handele sich um ein "Überraschungsurteil". Die Klägerin bringt vor, sie habe nicht damit rechnen können und müssen, dass das [[[[[[X.].].].].].] maßgeblich darauf abstellen würde, [[[[[X.].].].].] sei im Verhältnis zur Klägerin von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Verbot des Selbstkontrahierens) befreit gewesen und habe deshalb "schalten und walten" können, wie er gewollt habe.

Solche Erwägungen finden sich in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils an keiner Stelle. Das [[[[[[X.].].].].].] erwähnt zwar die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens gemäß § 4 des [[[X.].].] im [[[X.].].], nimmt darauf aber in den Entscheidungsgründen nicht Bezug. Auch stützt das [[[[[[X.].].].].].] seine rechtlichen Beurteilungen nicht auf die Annahme einer beherrschenden Stellung des [[[[[X.].].].].] im Verhältnis zur Klägerin.

4. Hinsichtlich der Tantieme-Verpflichtung gegenüber [[[[[X.].].].].], die das [[[[[[X.].].].].].] jedenfalls in Höhe jener 98.000 DM, um die die Tantieme (unerkannt) fehlerhaft berechnet worden war, als vGA angesehen hat, macht die Klägerin eine Divergenz zur Rechtsprechung des [[X.].] ([[X.].]) geltend (Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des [[X.].] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [[[[[[X.].].].].].]O). Sie beruft sich insoweit auf den [[X.].]-Beschluss vom 5. April 2004 [[[[[X.].].].].] B 130/03 ([[X.].]Report 2004, 779), dem der Rechtssatz zu entnehmen sei, eine zu geringe Verzinsung eines [[X.].] bei einer Kapitalgesellschaft, die auf einem Fehler des Steuerberaters beruhe, könne vor dessen Aufdeckung nicht zu einer vGA führen.

Ob die geltend gemachte Divergenz tatsächlich vorliegt, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die angestrebte Revision könnte auch dann keinen Erfolg haben, wenn die [[X.].] der Tantieme nicht als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst zu beurteilen wäre: Die von der Klägerin nicht in Abrede gestellte [[X.].] führt nämlich dazu, dass der Betrag von 493.537 DM, den die Klägerin der [[X.].] zum 31. Dezember des [[X.].] zugeführt hat, um die falsch berechneten 98.000 DM zu kürzen ist. In dieser Höhe bestand zivilrechtlich keine Verpflichtung der Klägerin gegenüber [[[[[X.].].].].], so dass weder eine bestehende noch eine ungewisse Verbindlichkeit i.S. von § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs gegeben war. Die fehlerhaft gebildete Rückstellung durfte das [X.] der Besteuerung unabhängig von der Ursache des Fehlers nicht zugrunde legen. Da es somit in Höhe der [[X.].] bereits an einer Vermögensminderung fehlt, kann sich insoweit die Frage einer vGA von vornherein nicht stellen.

Mithin stellt sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als richtig dar und würde deshalb auch bei Vorliegen einer Divergenz eine Zulassung der Revision in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 [[[[[[X.].].].].].]O ausscheiden (vgl. [[X.].]-Beschluss vom 23. März 1994 V B 106/93, [[X.].]/NV 1995, 315; Beschluss des [X.] vom 13. Juni 1977 IV B 13.77, BVerwGE 54, 99; a.M. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 61).

Meta

I B 48/12

18.12.2012

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 29. Februar 2012, Az: 4 K 812/09, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 126 Abs 4 FGO, § 8 Abs 3 S 2 KStG 1996, § 249 Abs 1 S 1 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.12.2012, Az. I B 48/12 (REWIS RS 2012, 211)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 211

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