Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2008, Az. II ZR 204/07

II. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 2838

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[X.]/07 vom 14. Juli 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB §§ 126, 138 Aa, 242 Cd; HGB §§ 171, 172 Abs. 4 Eine unzulässige Rechtsausübung in Form des Ausnutzens eines fremden Vertrags-bruchs setzt ein in besonderem Maße illoyales Vorgehen voraus. Dafür reicht es nicht aus, dass der Gläubiger einer Kommanditgesellschaft die Kommanditisten aus §§ 171, 172 Abs. 4 HGB in Anspruch nimmt, obwohl er weiß, dass diese der Gesell-schaft gegenüber nicht zur Erstattung der an sie zurückgezahlten Einlagen verpflich-tet sind. [X.], Beschluss vom 14. Juli 2008 - [X.]/07 - [X.] - 2 - [X.] [X.] hat am 14. Juli 2008 durch [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 3. August 2007 aufgeho-ben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an den 17. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.932,72 • festgesetzt. Gründe: [X.] Die zum Unternehmensverbund der [X.]gehörende Klägerin nimmt den Beklagten als Kommanditisten der B.

GmbH & Co. KG gemäß §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB auf Rückzahlung eines Teilbetrages [X.]. 25.932,72 • der Rate für Dezember 2003 eines der [X.] gewährten Darlehens in Anspruch. Der Beklagte, dessen [X.] 160.000,00 DM beträgt, hatte diesen Betrag zuzüglich eines 5 %-igen Agios an die Gesellschaft gezahlt, dann aber einen Betrag in Höhe der Klagesumme zurückerhalten. 1 - 3 - Das [X.] hat der Klage bis auf einen Teil des [X.] stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin. 2 3 I[X.] Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO un-ter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen [X.]at des Berufungsgerichts, § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt. 1. Das gilt zum einen für die Annahme, die Rechtsverfolgung der Kläge-rin gegenüber dem Beklagten stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar. Das Berufungsgericht hat dabei wesentliche Teile des Vortrags der Klägerin nicht berücksichtigt. 4 a) Das Berufungsgericht sieht die unzulässige Rechtsausübung darin, dass die Klägerin ein vertragswidriges Verhalten der Kommanditgesellschaft gefördert habe. Dazu hat es sinngemäß ausgeführt: Die Kommanditgesellschaft sei aufgrund der "Genehmigung" der bisherigen Ausschüttungen in § 13 des neu gefassten Gesellschaftsvertrages vom 30. August 1999 daran gehindert gewesen, die an die Kommanditisten unberechtigt ausgezahlten Beträge [X.]. 880.695,15 • wieder zurückzufordern. In dem die Komplementär-GmbH Darle-hensraten [X.]. insgesamt 897.317,25 • habe auflaufen lassen, habe sie den Zweck verfolgt, die Kommanditistin über deren Außenhaftung nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB zur Zahlung zu zwingen. Zu diesem Zweck habe sie sogar die [X.] gezahlt und ihre Hausanwältin zur Verfügung gestellt. Dieses Verhalten stelle einen Verstoß der Komplementär-GmbH gegen den [X.] dar. Der Klägerin seien diese Zusammenhänge be-5 - 4 - kannt gewesen, und sie habe dieses Verhalten gefördert, wenn nicht gar - durch die Forderung nach [X.] - provoziert. 6 b) Bei dieser Abwägung hat das Berufungsgericht den Vortrag der Kläge-rin nicht erschöpfend berücksichtigt und damit gegen deren Anspruch auf Ge-währung rechtlichen Gehörs verstoßen. 7 Voraussetzung für die Einrede des Schikaneverbots nach § 226 BGB und der unzulässigen Rechtsausübung ist - wie der [X.]at in seinem dieselbe Gesellschaft betreffenden Beschluss vom 9. Juli 2007 ([X.], [X.], 2074, [X.]. 9) ausgeführt hat -, dass die Geltendmachung eines Rechts keinen anderen Zweck haben kann als die Schädigung eines anderen ([X.], 424, 425), dass der Rechtsausübung kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt ([X.] 29, 113, 117 f.) oder dass das Recht nur geltend gemacht wird, um ein anderes, vertragsfremdes oder unlauteres Ziel zu erreichen ([X.] 107, 296, 310 f.; [X.]/[X.], [X.] Aufl. § 242 Rdn. 50 f.). Ein [X.] kann sich auch aus dem Gesichtspunkt des [X.] zum Ver-tragsbruch oder des Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs ergeben (vgl. [X.], [X.]. § 138 Rdn. 85). Dafür ist erforderlich, dass in dem Eindringen des [X.] in die Beziehungen der Vertragspartner ein besonderes Maß an Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Betroffenen hervortritt. Das kann bei [X.] Zusammenwirken mit dem Vertragsschuldner gerade zur [X.] anzunehmen sein oder bei einer Anwendung verwerflicher Mittel zur Umstimmung des [X.] oder bei einem Missverhältnis von Zweck und Mittel, das in der besondere Situation, in der das Vorgehen des [X.] den Vertragsgläubiger trifft, mit Grundbedürfnissen loyaler Rechtsgesinnung unvereinbar ist ([X.], Urt. v. 2. Juni 1981 - [X.], [X.] 1981, 872, 873 m.w.Nachw.). Das zu beurteilen, ist Sache des Tatrichters. [X.] kann nur überprüft werden, ob der - 5 - Tatrichter den Sachverhalt zutreffend festgestellt hat, ob er den Rechtsbegriff der Schikane oder der unzulässigen Rechtsausübung zutreffend erfasst hat und ob seine Wertung gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstößt. Diese Prüfung ergibt hier, dass schon der Sachverhalt nicht zutreffend und erschöpfend fest-gestellt worden ist, weil das Berufungsgericht den Vortrag der Parteien in einer Weise unvollständig gewürdigt hat, die einem Übergehen entscheidungserheb-lichen Vortrags gleichkommt. Von einem Verleiten zum Vertragsbruch, einem Ausnutzen eines frem-den Vertragsbruchs oder einem Rechtsmissbrauch aus sonstigen Gründen kann nicht schon dann die Rede sein, wenn die Klägerin die vertraglichen Rechte, die den Kommanditisten gegen die Komplementärin zustehen, nicht respektiert. Ob die Komplementärin den [X.] dadurch ver-letzt hat, dass sie Rückstände hat auflaufen lassen, um eine Inanspruchnahme der Kommanditisten aufgrund der Außenhaftung zu provozieren, betrifft in [X.] Linie das Innenverhältnis der Kommanditgesellschaft. Die Klägerin könnte davon nur betroffen sein, wenn die Gesellschaft in der Lage gewesen wäre, nicht nur die rückständigen, sondern auch die laufenden Darlehensraten zu [X.], und wenn außerdem die Kommanditisten gegenüber der Außenhaf-tung rechtlos wären. Beides ist nicht festgestellt. 8 Im Gegenteil hat das [X.] - gestützt auf die Aussagen der [X.]und [X.]- festgestellt, dass die Kommanditgesellschaft nicht ge-nügend Liquidität gehabt habe, um sämtliche Darlehensraten zu zahlen. Dem folgt das Berufungsgericht nicht und führt zur Begründung an, die Folgeraten ab Januar 2004 seien - wenn auch nicht immer fristgerecht - gezahlt worden. [X.] daraus folgen soll, dass die Kommanditgesellschaft auch genügend Mittel hatte, um die drei rückständigen Raten [X.]. insgesamt 897.317,25 • zu zah-9 - 6 - len, ist nicht nachvollziehbar und setzt sich über den entsprechenden Vortrag der Klägerin hinweg. 10 Weiter hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, dass die Komman-ditisten aus §§ 110, 161 Abs. 2 HGB grundsätzlich einen Freistellungs- bzw. Rückgriffsanspruch gegen die Kommanditgesellschaft haben, wenn sie aus der Außenhaftung - im Widerspruch zu ihren Verpflichtungen im Innenverhältnis - in Anspruch genommen werden ([X.].Urt. v. 30. April 1984 - [X.], [X.], 893, 895). Darauf hat der [X.]at in dem Hinweisbeschluss vom 9. Juli 2007 (aaO) entscheidend abgestellt. Vom Berufungsgericht wird dieser Ge-sichtspunkt indes überhaupt nicht in Erwägung gezogen. Das ist umso unver-ständlicher, als der Beklagte diesen Anspruch im Wege einer - dann allerdings abgetrennten - Drittwiderklage geltend gemacht hatte. Das Berufungsgericht wird in der neu eröffneten mündlichen Verhandlung Gelegenheit haben, dazu die erforderlichen Feststellungen zu treffen. 2. Dieser Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Denn das Beru-fungsurteil ist auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis richtig. 11 a) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die von der Klägerin nach § 488 BGB i.V.m. §§ 128, 171, 172 Abs. 4 HGB allein geltend gemachte Darle-hensrate für Dezember 2003 bereits durch die Zahlungen der Kommanditge-sellschaft erloschen sei. Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe nicht dargelegt, "welche [X.] in welcher Form die einzelnen Zah-lungen aufwiesen". Damit seien zumindest die nach dem Ablauf der [X.] am 1. Januar 2005 von der Kommanditgesellschaft gezahlten Raten gemäß § 366 Abs. 2 BGB auf die offenen Darlehensraten aus Oktober bis Dezember 2003 zu verrechnen. 12 - 7 - Das begegnet in mehrfacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Be-denken. Einerseits widerspricht sich das Berufungsgericht selbst, wenn es auf S. 10 seines Urteils die Darlegung von [X.] vermisst und auf [X.] feststellt, dass die Klägerin entsprechende [X.] vorge-tragen hat. Zum anderen überspannt es die [X.] der Klägerin und verstößt so ebenfalls gegen Art. 103 Abs. 1 GG. 13 Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt für die Schlüssigkeit einer Klage der Vortrag von Tatsachen, die in Verbindung mit ei-nem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur dann [X.], wenn sie für die Rechtsfolgen bedeutsam sind ([X.].Urt. v. 6. November 2000 - [X.], [X.] 2001, 28, 30; v. 25. Juli 2005 - [X.], [X.] 2005, 1738, 1740). Danach genügte es hier vorzutragen, nach dem Jahre 2003 seien Zahlungen von der Kommanditgesellschaft nur noch mit [X.] geleistet worden, die sich nicht auf die Raten für Oktober bis Dezember 2003 bezogen hätten. Das hat die Klägerin vorgetragen ([X.] f.). Der Begriff Til-gungsbestimmung ist eine den Parteien geläufige Rechtstatsache, die nicht er-läutert werden muss (vgl. [X.]/[X.], ZPO 26. Aufl. § 138 Rdn. 2). Damit hätte das Berufungsgericht, wenn es diesen Vortrag als beweiserheblich ansah, den von der Klägerin dazu benannten Zeugen G. vernehmen müssen. 14 b) Zudem hat das Berufungsgericht nicht erwogen, dass eine Tilgungs-bestimmung auch konkludent gegeben werden kann und hier ein solcher Fall in Betracht kommt mit der Folge, dass die Klägerin gegebenenfalls gehindert war, nach § 366 Abs. 2 BGB zu verfahren. 15 Nach der [X.]atsrechtsprechung reicht für eine Tilgungsbestimmung i.S. des § 366 Abs. 1 BGB, dass bei mehreren unterschiedlich hohen Forderungen 16 - 8 - genau der Betrag einer der Forderungen gezahlt wird ([X.].Urt. v. 17. September 2001 - [X.], [X.] 2001, 1997, 1998; ebenso [X.]/[X.] 5. Aufl. § 366 Rdn. 10). Das soll hier nach dem Vortrag der Klägerin insofern geschehen sein, als sich die monatlichen Darlehensraten für das Darlehen Nr. 3 –

ab dem 1. Januar 2004 von 108.582,51 • auf 88.197,85 • verringert haben ([X.]. [X.] und [X.]) und die Kommanditge-sellschaft ab diesem Zeitpunkt nur noch Zahlungen in dieser geringeren Höhe geleistet hat. Goette [X.] Strohn Caliebe Reichart
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 19.05.2006 - 24 O 2535/04 - [X.], Entscheidung vom 03.08.2007 - 5 U 3822/06 -

Meta

II ZR 204/07

14.07.2008

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2008, Az. II ZR 204/07 (REWIS RS 2008, 2838)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 2838

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