Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2013, Az. V ZR 91/13

5. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2099

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Altrechtliches Wasserentnahmerecht: Bestehen eines im Wasserbuch eingetragenen Wasserbenutzungs- und Wasserleitungsrechts


Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wird das Urteil des 15. Zivilsenats des [X.] vom 27. Februar 2013 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 35.000 €.

Gründe

I.

1

Die Parteien sind Eigentümer von Grundstücken in [X.] im Bezirk des Amtsgerichts M.     . Auf dem Grundstück des Beklagten ist in [X.] eine Belastung mit folgendem Inhalt eingetragen:

„Die Eigentümer der [X.]ellen 6 [X.]. [X.] und 31, der [X.]. 6 Nr. 70/25 pp., 71/26 pp. und 72/27 pp. sowie .... haben das Recht, das Grundstück [X.]. 2 Nr. 2 als [X.], dessen Unterhaltung auf gemeinschaftliche Kosten geschieht, zu benutzen und das Wasser zu ihrem Mühlenbetriebe daraus zu entnehmen. Eingetragen auf Grund der Bewilligung vom 20.09.1889 ... am 25.09.1889…“

2

Die Kläger haben im Jahre 2009 das Grundstück Blatt 1216, zu dessen Bestand die Flurstücke 70/25 und 71/26 gehören, mit der darauf befindlichen [X.] erworben. Dem Mühlenbesitzer war im Jahre 1925 neben dem bereits im Wasserbuch eingetragenen alten Wasserentnahmerecht aus der [X.] ein weiteres Recht zur Ableitung des Wassers durch eine [X.] mit einer Weite von 300 mm zum Antrieb einer Turbine für die [X.] verliehen worden. Der frühere Eigentümer stellte Jahrzehnte später den Mühlenbetrieb ein und schloss die Zuleitung auf seinem Grundstück mit Beton. Im Jahre 2007 verfüllte der Beklagte den vor der [X.] zum Grundstück der Kläger liegenden Teil des Teiches mit Schotter.

3

Die Kläger beabsichtigen, die [X.] wieder in Betrieb zu nehmen; zu welchem Zweck ist zwischen den Parteien streitig. Sie haben von dem Beklagten verlangt, die Verfüllung am Rande des Teiches zu beseitigen und die [X.] wieder mit dem Teich zu verbinden sowie künftige Beeinträchtigungen der eingetragenen Grunddienstbarkeit zu unterlassen. Das [X.] hat der Klage stattgegeben; das [X.] hat sie abgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wollen die Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.

II.

4

Das Berufungsgericht meint, Ansprüche der Kläger auf Beseitigung und Unterlassung bestünden schon deshalb nicht, weil die von dem Beklagten vorgenommene Verfüllung die Grunddienstbarkeit nicht beeinträchtige. Die Kläger wollten das belastete Grundstück zu Zwecken nutzen, die der Beklagte nach dem Inhalt der Dienstbarkeit nicht zu dulden habe. Die Dienstbarkeit sei für einen Mühlenbetrieb bestellt worden; diese Zweckbestimmung gehöre zu ihrem Inhalt. Die von den Klägern beabsichtigte Gewinnung elektrischer Energie für den eigenen Gebrauch liege außerhalb des Inhalts des dinglichen Rechts.

III.

5

Das angefochtene Berufungsurteil ist auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger aufzuheben, weil das Berufungsgericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

6

1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei ihrer Entscheidung in Erwägung zu ziehen ([X.] 64, 1, 12; 87, 1, 33). Daraus folgt zwar nicht, dass die Gerichte jedes Vorbringen der Parteien in den Entscheidungsgründen ausdrücklich bescheiden müssten ([X.] 88, 366, 375); geht ein Gericht aber auf [X.] des [X.] zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen ([X.] 47, 182, 189; 86, 133, 146). Da Art. 103 Abs. 1 GG einen Anspruch darauf gewährt, sich vor einer gerichtlichen Entscheidung sowohl zum Sachverhalt als auch zur Rechtslage zu äußern, gelten die vorstehenden Maßstäbe für beide Aspekte ([X.], Beschluss vom 14. August 2013 - 1 BvR 3157/11, juris Rn. 14).

7

Hiernach hat das Berufungsgericht das Verfahrensgrundrecht der Kläger dadurch verletzt, dass es ihr Vorbringen über das Bestehen eines selbständigen Abwehranspruchs analog § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB aus einem dem früheren Mühlenbesitzer verliehenen Wasserrecht nicht beschieden hat. Die Nichtzulassungsbeschwerde verweist zur Begründung ihrer Rüge zutreffend auf das Vorbringen der Kläger gegenüber dem Berufungsgericht, in dem diese unter Bezugnahme auf Entscheidungen des [X.] (Urteil vom 15. März 2001 - [X.]/00, [X.], 125 ff.) und des [X.]s Celle (NJW 1966, 1758 f.) ausgeführt haben, dass ihnen neben der Grunddienstbarkeit eine wasserrechtliche Befugnis zustehe, auf Grund derer ebenso eine Beseitigung der Störung verlangt werden könne. Auf diesen Vortrag über das Bestehen eines nach §§ 46 ff. des [X.] ([X.]) im Jahre 1925 verliehenen, trotz Einstellung des [X.] fortbestehenden und mit dem Erwerb des Grundstücks auf die Kläger übergegangenen Wasserrechts und die sich daraus ergebenden Ansprüche ist das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen mit keinem Wort eingegangen.

8

2. Das übergangene Vorbringen ist entscheidungserheblich. Die Kläger hätten gegen den Beklagten einen Anspruch auf Beseitigung der Verfüllung und auf Verbindung der [X.] mit dem [X.], wenn ihnen das dem damaligen Mühlenbesitzer verliehene Wasserrecht zustünde.

9

Die nach §§ 46 ff. [X.] verliehenen Rechte sind nämlich von jedermann zu beachtende absolute Rechte, die Abwehr und Schadensersatzansprüche nach §§ 1004, 823 BGB begründen (vgl. [X.], Urteil vom 7. Oktober 1975 - [X.], NJW 1976, 46; [X.], Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Aufl., Rn. 1069). Von dem Bestehen eines verliehenen Wasserbenutzungs- und Wasserleitungsrechts wäre hier auf Grund der Eintragungen im Wasserbuch auszugehen. Diese erzeugen zwar nach § 87 Abs. 4 [X.] keine rechtsbegründende oder rechtsändernde Wirkung, aber eine tatsächliche Vermutung für das Bestehen des gebuchten Rechts (vgl. [X.], Urteil vom 2. Oktober 1978 - [X.], [X.] 1978, Nr. 222; BVerwGE 37, 103, 104), so dass es Sache des Beklagten wäre, gegen die Richtigkeit der Eintragungen im Wasserbuch sprechende Tatsachen vorzutragen.

3. Der Rechtsstreit ist auch nicht im Hinblick auf einen Abwehranspruch aus der Grunddienstbarkeit (§§ 1027, 1004 BGB) entscheidungsreif, da die Kläger nicht dargelegt haben, dass die Aufschüttung, deren Beseitigung sie verlangen, auch eine Beeinträchtigung des „alten“ Wasserrechts darstellt.

a) Der Betrieb einer Turbine über eine eigens dafür angelegte Druckleitung (statt eines Wasserrades an einem Mühlgraben) führte bei kleineren Gewässern ([X.]) in der Regel zu einer Veränderung des Wasserablaufverhaltens, welche die Rechte der anderen Nutzungsberechtigten an dem Gewässer beeinträchtigte. Das für die Turbine erforderliche Wasserbezugsrecht ging damit über ein durch eine [X.] gesichertes Recht zur Wasserentnahme (zu dem Inhalt der [X.]en: [X.], [X.], [X.], 64) hinaus und bedurfte unter Geltung des [X.] der Verleihung eines geänderten Benutzungsrechts ([X.], Das [X.] Wassergesetz, 3. und 4. Aufl., § 379 [X.]. 6.d., S. 587).

b) Der Umstand, dass 1925 ein solches Wasserrecht verliehen worden ist, sowie dessen - aus der in Ablichtung vorgelegten Verleihungsurkunde ersichtlicher - Inhalt sprechen dafür, dass es sich hier ebenso verhalten hat. Anderes ist jedenfalls nicht festgestellt. Dann aber ist der von den Klägern verfolgte Beseitigungsanspruch allein aus dem verliehenen Wasserrecht begründet, so dass es auf die den Inhalt der [X.] betreffende Frage (zu deren Auslegung nach dem früheren Recht: Senat, Urteil vom 24. Juni 1964 - [X.], [X.]Z 42, 63, 66) nicht ankommt, ob das als Grunddienstbarkeit anzusehende Recht nur für die Zwecke eines bestimmten [X.] bestellt war (speziell zu dieser Frage: [X.], aaO, S. 588 mwN aus der damaligen Rechtsprechung).

IV.

Der Wert der Beschwer ist nach den durch ein Gutachten belegten Ausführungen der Kläger zu den Werten des Grundstücks - mit und ohne Grunddienstbarkeit - auf 35.000 € anzusetzen. Die abweichende Wertfestsetzung der Vorinstanzen kann - entgegen den Ausführungen der Erwiderung - für das Revisionsgericht schon deshalb nicht verbindlich sein, weil sie auf einer falschen Rechtsgrundlage beruhte. Auch bei Streitigkeiten über Ansprüche nach §§ 1027, 1004 BGB ist der Wert nicht nach § 3 ZPO, sondern nach § 7 ZPO festzusetzen, wenn - wie hier - der Bestand der Grunddienstbarkeit im Streit ist (vgl. KG, [X.], 73; [X.]/[X.], 3. Aufl., § 3 Rn. 5; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 7 Rn. 7).

Stresemann                            Czub                          Brückner

                       Weinland                      Kazele

Meta

V ZR 91/13

10.10.2013

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 27. Februar 2013, Az: 15 U 12/12, Urteil

§ 823 BGB, § 1004 BGB, § 87 Abs 4 WHG, § 46 WasG PR, §§ 46ff WasG PR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.10.2013, Az. V ZR 91/13 (REWIS RS 2013, 2099)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2099

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 91/13 (Bundesgerichtshof)


III ZR 154/00 (Bundesgerichtshof)


W 4 K 14.928 (VG Würzburg)

Wasserrecht, Altrecht, Rechtsmittelbelehrung, Streitwertfestsetzung, Verwaltungsgerichte, Verpflichtungsklage, Verwaltungsverfahren


2 L 116/16 (Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt)


Au 9 K 18.846 (VG Augsburg)

Fortbestehen eines wasserrechtliches Altrechts


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.