Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.02.2016, Az. 1 AZR 73/14

1. Senat | REWIS RS 2016, 15799

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Gegenstand

Beschlussverfahren - präjudizielle Bindungswirkung


Leitsatz

Ist in einem Beschlussverfahren ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf eine freiwillige übertarifliche Zulage rechtskräftig verneint worden, kann der Arbeitnehmer den Anspruch auf Zahlung einer ungekürzten Zulage nicht auf die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung stützen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 29. November 2013 - 10 [X.] - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Anrechnung tariflicher [X.]ntgelterhöhungen auf eine übertarifliche Zulage.

2

Der Kläger ist als Projektingenieur in [X.] ([X.]) beschäftigt. Nach einer am 14./20. Januar 1988 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossenen „Anstellungsvereinbarung“ setzte sich seine Vergütung aus einem monatlichen Grundgehalt nach dem „Manteltarifvertrag der [X.] Metallindustrie“ und einer „freiwilligen, jederzeit widerruflichen übertariflichen Zulage“ iHv. 1.686,00 DM brutto zusammen. Im Übrigen heißt es dort, dass sich „alle weiteren das Arbeitsverhältnis betreffenden Punkte … nach den jeweils gültigen Bestimmungen des Tarifvertrages der [X.] Metallindustrie …“ richten.

3

Mit Wirkung vom 1. April 2007 ging das Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs auf die nicht tarifgebundene Beklagte über. Zu diesem [X.]punkt erhielt der Kläger ein Tarifentgelt iHv. 3.802,00 [X.]uro brutto, eine Leistungszulage iHv. 25 % des [X.] (940,50 [X.]uro brutto) und eine - von beiden Parteien so bezeichnete - „freiwillige übertarifliche Zulage ([X.])“ iHv. 325,18 [X.]uro brutto. Die zwischen der [X.] und dem Verband der Metall- und [X.]lektrounternehmen [X.] vereinbarten [X.]en ab 1. Juni 2007 bis einschließlich 1. April 2011 gab die Beklagte nicht an den Kläger weiter. Nachdem das [X.] in einem von einem Kollegen des [X.] angestrengten Rechtsstreit zu einer inhaltsgleichen [X.] rechtskräftig festgestellt hatte, dass die Beklagte als Betriebserwerberin verpflichtet ist, die [X.]ntgelttarifverträge für die [X.] Metallindustrie in der jeweils gültigen Fassung anzuwenden (21. Oktober 2009 - 4 [X.]), traf diese am 29. Juni 2010 die - auch andere Arbeitnehmer betreffende - [X.]ntscheidung, die tariflichen [X.]ntgelterhöhungen auf die freiwillige übertarifliche Zulage anzurechnen.

4

Der in dem Betrieb [X.] gebildete Betriebsrat leitete daraufhin ein Beschlussverfahren mit dem Antrag ein, ua. „festzustellen, dass ihm ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der ungleichmäßigen Verrechnung der … freiwilligen (übertariflichen) Zulage ([X.]) durch die Antragsgegnerin zusteht“. Das [X.] wies den Feststellungsantrag mit Beschluss vom 28. Juli 2011 ab (- 5 [X.] -). Die Beschwerde des Betriebsrats vor dem [X.] (9. Februar 2012 - 5 [X.] -) blieb ebenso ohne [X.]rfolg wie seine Nichtzulassungsbeschwerde ([X.] 24. Juli 2012 - 1 [X.] -).

5

Anlässlich der Anhebung des [X.] ab dem 1. Mai 2012 erhöhte die Beklagte das [X.]ntgelt und die Leistungszulage des [X.] um 4,3 %, kürzte allerdings die freiwillige übertarifliche Zulage um den Steigerungsbetrag.

6

Mit seiner Klage hat der Kläger - soweit für die Revision noch von Bedeutung - die ungekürzte Zahlung der freiwilligen übertariflichen Zulage für die [X.] von Oktober 2008 bis Oktober 2012 iHv. insgesamt 14.242,89 [X.]uro brutto sowie für den [X.]raum vom Mai 2012 bis Oktober 2012 iHv. weiteren 1.226,16 [X.]uro brutto geltend gemacht. [X.]r hat die Auffassung vertreten, die Anrechnung der [X.] sei mangels Beteiligung des Betriebsrats unwirksam. Die rechtskräftige [X.]ntscheidung des [X.] vom 9. Februar 2012 (- 5 [X.] -) sei für den vorliegenden Rechtsstreit ohne [X.]influss. [X.]r sei an diesem Beschlussverfahren nicht beteiligt gewesen.

7

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - in der Sache - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen,

        

1.    

an ihn (weitere) 14.242,89 [X.]uro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. November 2012 zu zahlen,

        

2.    

an ihn 1.226,16 [X.]uro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. November 2012 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

9

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag zu 1., mit dem der Kläger erstinstanzlich eine Gesamtforderung von 27.236,74 [X.]uro erhoben hat, in Höhe von 12.993,85 [X.]uro stattgegeben; dies betrifft die Differenz zwischen dem für die [X.] Oktober 2008 bis Oktober 2012 beanspruchten tariflichen [X.]ntgelt einschließlich einer in ihrer Höhe davon abhängigen Leistungszulage unter Anrechnung der Tariferhöhung auf die freiwillige übertarifliche Zulage zuzüglich der für diesen [X.]raum beanspruchten tariflichen Sonderzahlungen und der Differenzen zwischen tariflichem und [X.] sowie Urlaubsgeld, bei denen die Beklagte keine Verrechnung mit der Zulage angebracht hat. Das [X.] hat die nur von dem Kläger eingelegte Berufung mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage im Übrigen abgewiesen wird. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger die von seinen Anträgen zu 1. und zu 2. umfassten ursprünglichen Zahlungsziele weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem Klageantrag zu 1. zu Recht nicht in der geltend gemachten Höhe entsprochen. Bei dem Klageantrag zu 2. ist die Revision bereits deshalb unbegründet, weil es insoweit an einer zulässigen Berufung des [X.] gegen die arbeitsgerichtliche Entscheidung fehlt.

I. Der Kläger kann die mit dem Klageantrag zu 1. verfolgte ungekürzte Zahlung der freiwilligen übertariflichen Zulage unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beanspruchen.

1. Er hat im Streitzeitraum keinen vertraglichen Anspruch auf die erstrebte weitere Vergütung.

a) Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien ein Entgelt, das sich aus einem [X.] und einer Zulage zusammensetzt, und erweist sich später das [X.] aus Rechtsgründen als zu niedrig angesetzt, besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Leistung der unverminderten Zulage neben dem erhöhten [X.] nur dann, wenn die Zulage als selbständiger, anrechnungsfester Bestandteil der Gesamtvergütung vereinbart ist (vgl. [X.] 3. September 2014 - 5 [X.] - Rn. 12, [X.]E 149, 78).

b) Das [X.] hat zu Recht erkannt, dass die Parteien keinen eigenständigen und damit anrechnungsfesten Vergütungsbestandteil „freiwillige übertarifliche Zulage ([X.])“ iHv. 325,18 Euro brutto monatlich vereinbart haben. Dafür fehlt es nach den Feststellungen des [X.]s an Anhaltspunkten, zumal die Gesamtvergütung des [X.] - jedenfalls seit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs auf die Beklagte - auch eine „Leistungszulage“ enthielt. Dies hindert die Annahme eines besonderen Leistungszwecks der freiwilligen übertariflichen Zulage, der einer Anrechenbarkeit entgegenstehen könnte. Weiterhin hat das [X.] rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Anrechnung individualrechtlich zulässig war. Gegenteiliges macht der Kläger mit seiner Revision auch nicht mehr geltend.

2. Die Beklagte ist auch nicht nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung verpflichtet, dem Kläger die begehrte ungekürzte freiwillige übertarifliche Zulage zu zahlen.

a) Nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls zur Unwirksamkeit von Maßnahmen oder Rechtsgeschäften, die den Arbeitnehmer belasten. Das soll verhindern, dass der Arbeitgeber dem Einigungszwang mit dem Betriebsrat durch Rückgriff auf arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten ausweicht. Dem Arbeitgeber darf aus einer betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtwidrigkeit auch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses kein Vorteil erwachsen ([X.] 22. Oktober 2014 - 5 [X.] 731/12 - Rn. 31, [X.]E 149, 343). Verletzt der Arbeitgeber bei einer Anrechnung von Tarifsteigerungen auf Zulagen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, hat dies die Unwirksamkeit der Anrechnung zur Folge (vgl. [X.] 22. Mai 2012 - 1 [X.] 94/11 - Rn. 29 mwN).

b) Die Beklagte hat bei der Anrechnung der [X.]erhöhungen auf die freiwillige übertarifliche Zulage kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt. Dies steht aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des [X.]s Düsseldorf (9. Februar 2012 - 5 [X.] -) in dem vom Betriebsrat angestrengten Beschlussverfahren fest und schließt eine abweichende gerichtliche Beurteilung zu einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anrechnungsentscheidung der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit aus.

aa) Der Betriebsrat hatte bei der Anrechnungsentscheidung der Arbeitgeberin nach rechtskräftiger Entscheidung des [X.]s Düsseldorf nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen.

(1) Nach dem auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 322 Abs. 1 ZPO sind Beschlüsse der Rechtskraft fähig, soweit über den durch den Antrag erhobenen Anspruch entschieden ist ([X.] 5. März 2013 - 1 [X.] - Rn. 12 mwN). Der Begriff des Anspruchs in § 322 Abs. 1 ZPO bezeichnet den prozessualen Anspruch im Sinn der Streitgegenstandslehre. Dieser richtet sich nach dem zur Entscheidung gestellten Antrag und dem zugehörigen Lebenssachverhalt, aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird. Dabei sind die Gründe des Beschlusses ergänzend heranzuziehen, wenn die Entscheidungsformel, wie insbesondere bei einer den Antrag abweisenden Entscheidung, den Streitgegenstand und damit den Umfang der Rechtskraft nicht erkennen lässt ([X.] 5. März 2013 - 1 [X.] - Rn. 13 mwN).

(2) Das [X.] hat rechtskräftig über das Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts bei vergangenheits-, gegenwarts- und zukunftsbezogenen Anrechnungen von [X.] auf die freiwillige übertarifliche Zulage entschieden. In dem von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Betriebsrat des [X.] ua. ein Mitbestimmungsrecht bei der „ungleichmäßigen Verrechnung der … freiwilligen (übertariflichen) Zulage“ ([X.]) durch die Arbeitgeberin reklamiert. Die erstrebte Feststellung bezog sich - zumindest auch - auf die am 29. Juni 2010 getroffene Entscheidung der Beklagten, Tariferhöhungen auf übertarifliche Zulagen anzurechnen. Für diese Angelegenheit ist mit der rechtskräftigen Antragsabweisung ein Mitbestimmungsrecht verneint worden.

bb) Der Kläger muss das rechtskräftige Ergebnis über ein fehlendes Beteiligungsrecht des Betriebsrat bei der Anrechnungsentscheidung gegen sich gelten lassen. Dem Beschluss des [X.]s Düsseldorf vom 9. Februar 2012 (- 5 [X.] -) kommt insoweit eine präjudizielle Bindungswirkung zu.

(1) Rechtskräftige Beschlüsse im Beschlussverfahren über betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten können für spätere Individualstreitigkeiten auch dann präjudizielle Bindungswirkung entfalten, wenn der Arbeitnehmer am Beschlussverfahren nicht beteiligt gewesen ist. So ist etwa bei Entscheidungen über die Mitbestimmungspflichtigkeit einer Betriebsänderung für nachfolgende Ansprüche auf Nachteilsausgleich (§ 113 Abs. 3 BetrVG) oder eine Maßnahme des Arbeitgebers nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eine aus der Rechtskraft folgende Präklusionswirkung anzunehmen (vgl. [X.] 10. März 1998 - 1 [X.] 658/97 -; 31. Januar 1990 - 1 [X.] - [X.]E 65, 28; 10. November 1987 - 1 [X.] 360/86 - [X.]E 56, 304). Unabhängig von Abgrenzungsfragen und terminologischen Unterschieden im Einzelnen ist eine präjudizielle Bindungswirkung oder Präklusionswirkung - auch außerhalb vom Bestehen ausdrücklicher Präklusionsnormen und des vom Wortlaut des § 325 ZPO vorgegebenen Rahmens - dann gerechtfertigt, wenn die Rechtslage des Arbeitnehmers primär durch eine kollektivrechtliche Vorfrage geprägt und daher seine individuelle Position in ein übergreifendes Bezugssystem eingebettet ist (vgl. [X.] 18. Oktober 2006 - 2 [X.] 434/05 - Rn. 44). Insoweit gründet sich die Bindungswirkung von Entscheidungen im Beschlussverfahren für einen nachfolgenden [X.] vor allem in der [X.] und verfahrensrechtlichen Kompetenz der Betriebsparteien. Allein dem Betriebsrat und nicht dem einzelnen Arbeitnehmer ist die Mitbestimmung in [X.], personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten zugewiesen. In der Folge können einzelne Arbeitnehmer nicht gegenüber dem Betriebsrat verlangen, in einem bestimmten Sinn tätig zu werden, also etwa die Zustimmung zu einer mitzubestimmenden Maßnahme zu verweigern. Nur den Betriebsparteien - nicht den jeweiligen Arbeitnehmern - kommt die Befugnis zu, in einem Beschlussverfahren das (Nicht-)Bestehen von Mitbestimmungsrechten klären zu lassen. Entsprechend kann sich der einzelne Arbeitnehmer auch dann, wenn er an dem vorherigen Beschlussverfahren nicht beteiligt war, im nachfolgenden [X.] nicht darauf berufen, die Entscheidung über die kollektivrechtliche Streitfrage, die als Vorfrage auch im [X.] zu beantworten ist, sei unrichtig entschieden (vgl. [X.] 10. März 1998 - 1 [X.] 658/97 - zu [X.] 2 a bb der Gründe; 3. Juli 1996 - 2 [X.] 813/95 - zu II 2 b der Gründe, [X.]E 83, 267; 23. November 1993 - 1 [X.] 441/93 - zu I 1 a der Gründe; 17. Februar 1992 - 10 [X.] 448/91 - [X.]E 69, 367; 10. November 1987 - 1 [X.] 360/86 - zu 2 c der Gründe, [X.]E 56, 304).

(2) Von einer präjudiziellen Wirkung ist daher auch auszugehen, wenn - wie im vorliegenden Rechtsstreit - in einem vorangegangenen Beschlussverfahren rechtskräftig über das Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Anrechnung von [X.]erhöhungen auf freiwillige übertarifliche Zulagen befunden worden ist. Der Arbeitnehmer kann den auf die kollektivrechtliche Unwirksamkeit der Anrechnung gestützten Anspruch auf ungekürzte Zulagenzahlung nicht unabhängig von der für die Betriebsparteien rechtskräftigen betriebsverfassungsrechtlichen Beurteilung des Anrechnungstatbestands geltend machen. Die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung bezweckt den Schutz des Mitbestimmungsrechts. Ein hierauf gestützter Anspruch setzt ein mitbestimmungswidriges Verhalten des Arbeitgebers voraus. Ist in einem Beschlussverfahren allerdings rechtskräftig geklärt, dass kein Beteiligungsrecht des Betriebsrats besteht, fehlt es an einem zu schützenden Mitbestimmungsrecht, das durch die Anerkennung der (individualrechtlich wirkenden) Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung zu flankieren oder zu sichern wäre.

(3) Die Präjudizialität der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über das Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Anrechnung der [X.]erhöhungen auf die freiwillige übertarifliche Zulage verletzt den am Beschlussverfahren nicht beteiligten Kläger - entgegen der Auffassung der Revision - nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Sind auf die Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung gestützte Ansprüche eines Arbeitnehmers auf eine ungeschmälerte Zulagenzahlung allein von der kollektivrechtlichen Beteiligung des Betriebsrats bei der Anrechnung von Tariferhöhungen abhängig, betrifft der Streit der Betriebsparteien über den Bestand eines Mitbestimmungsrechts und eine gerichtliche Entscheidung hierüber nur die Betriebsparteien. In einem solchen Beschlussverfahren sind die Arbeitnehmer ebenso wenig aus Gründen des rechtlichen Gehörs zu beteiligen, wie sie etwa vom Betriebsrat vor einer Zustimmung zur Anrechnung gehört werden müssten. Die Bindung an die in einem Beschlussverfahren ergangene Entscheidung verkürzt auch keine originäre individuelle Rechtsposition der Arbeitnehmer. Sie bewirkt lediglich, dass im Hinblick auf die abschließend geklärte betriebsverfassungsrechtliche Fragestellung kein Anwendungsfall der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung vorliegt.

(4) Der Präjudizialität einer rechtskräftigen Entscheidung über den Bestand eines Mitbestimmungsrechts bei der Anrechnung steht die Entscheidung des Sechsten Senats des [X.] vom 15. Januar 1987 (- 6 [X.] 589/84 -) nicht entgegen. Zwar hat der [X.] hierin ausgeführt, trotz rechtskräftiger Abweisung eines Antrags des Personalrats auf Feststellung, der Arbeitgeber habe bei der Kürzung eines [X.] Mitbestimmungsrechte verletzt, seien die Gerichte für Arbeitssachen befugt, im [X.] selbständig zu prüfen, ob solche Mitbestimmungsrechte bestünden oder nicht. Seine Ausführungen zur Ablehnung einer Bindungswirkung waren aber nicht tragend; seine die Klage abweisende Entscheidung beruhte auf anderen Gründen.

II. Die Revision ist in Bezug auf den Klageantrag zu 2. bereits deshalb unbegründet, weil insoweit die Berufung des [X.] gegen das arbeitsgerichtliche Urteil unzulässig war. Es fehlt damit an einer - vom [X.] wegen zu prüfenden - Prozessfortsetzungsvoraussetzung. Unerheblich ist, dass das [X.] die Berufung des [X.] insgesamt als zulässig angesehen hat ([X.] 13. Oktober 2015 - 1 [X.] 429/14 - Rn. 35 mwN).

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Bezieht sich das Rechtsmittel auf mehrere Ansprüche im prozessualen Sinn, ist zu jedem Anspruch eine ausreichende Begründung zu geben. Fehlen Ausführungen zu einem Anspruch, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig ([X.] 13. Oktober 2015 - 1 [X.] 429/14 - Rn. 36).

2. Diesen Grundsätzen genügte die Berufungsbegründung des [X.] bezogen auf den mit dem Antrag zu 2. eigenständig erhobenen Streitgegenstand nicht. Das Arbeitsgericht hat hierzu ausgeführt, die tatsächliche Entgelterhöhung im Mai 2012 sei nicht anspruchserhöhend zu werten, denn der Kläger habe die jeweiligen Tariferhöhungen bereits bei seiner Berechnung der monatlichen [X.] ab Mai 2012 berücksichtigt. Damit setzt sich die Berufungsbegründung nicht auseinander.

        

    Schmidt    

        

    Treber    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    Sibylle Spoo    

        

    Hann    

                 

Meta

1 AZR 73/14

23.02.2016

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 28. März 2013, Az: 5 Ca 5980/12, Urteil

§ 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG, § 325 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.02.2016, Az. 1 AZR 73/14 (REWIS RS 2016, 15799)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15799


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 AZR 73/14

Bundesarbeitsgericht, 1 AZR 73/14, 23.02.2016.


Az. 5 Ca 5980/12

Arbeitsgericht Düsseldorf, 5 Ca 5980/12, 28.03.2013.


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15 Sa 1738/11 (Landesarbeitsgericht Hamm)


Referenzen
Wird zitiert von

7 Sa 441/16

4 Ta 250/18

9 Sa 233/16

Zitiert

1 ABR 75/11

Zitieren mit Quelle:
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