Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.11.2022, Az. VII ZR 724/21

7. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6972

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Gegenstand

Anwendbarkeit der Mindestsätze der HOAI im Verhältnis zwischen Privatpersonen


Leitsatz

1. Aus dem Unionsrecht folgt keine Verpflichtung, das gegen Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt verstoßende verbindliche Mindestsatzrecht der HOAI (1996/2002) im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich ausschließlich Privatpersonen gegenüberstehen, unangewendet zu lassen (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 18. Januar 2022 - C-261/20, BauR 2022, 527 = NZBau 2022, 103 - Thelen Technopark Berlin und BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 - VII ZR 174/19, BauR 2022, 1515 = NZBau 2022, 530).

2. § 4 HOAI (1996/2002) kann nicht richtlinienkonform dahin ausgelegt werden, dass die Mindestsätze der HOAI im Verhältnis zwischen Privatpersonen grundsätzlich nicht mehr verbindlich sind und daher einer die Mindestsätze unterschreitenden Honorarvereinbarung nicht entgegenstehen.

3. Die Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) über die Niederlassungsfreiheit, den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Kapitalverkehr finden auf einen Sachverhalt, dessen Merkmale nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen, grundsätzlich keine Anwendung und führen daher in einem solchen Fall nicht zu der Verpflichtung, das verbindliche Mindestsatzrecht der HOAI unangewendet zu lassen (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 18. Januar 2022 - C-261/20, BauR 2022, 527 = NZBau 2022, 103 - Thelen Technopark Berlin; EuGH, Urteil vom 27. Oktober 2022 - C-544/21 und BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 - VII ZR 174/19, BauR 2022, 1515 = NZBau 2022, 530).

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 24. Juni 2021 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, ein Ingenieurbüro, verlangt von der [X.], deren Unternehmensgegenstand die Projektentwicklung im Immobiliensektor ist, die Zahlung restlichen Honorars.

2

Die Parteien schlossen am 17. Dezember 2008 einen Vertrag, mit dem sich die Klägerin verpflichtete, Grundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 5 gemäß § 64 der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen in der Fassung vom 21. September 1995, geändert durch Art. 5 Neuntes [X.] vom 10. November 2001 (im Folgenden: [X.]), für ein Bauvorhaben in [X.]        zu erbringen. Der Vertrag sah für die einzelnen Leistungsphasen ein Pauschalhonorar vor, für die Leistungsphase 5 ein solches in Höhe von 71.000 €. Die Leistungsphasen 1 bis 4 rechnete die Klägerin mit Teilschlussrechnungen vom 21. Mai 2009 auf Basis des [X.] ab. Die Beklagte bezahlte die in Rechnung gestellten Beträge. Zur Leistungsphase 5 stellte die Klägerin unter dem 14. August 2009 und unter dem 14. November 2009 Abschlagsrechnungen über 38.865,40 € und 40.555,20 €, die die Beklagte beglich. Die Abschlagsrechnung vom 14. November 2009 enthält den Hinweis auf einen Bearbeitungsstand für die Leistungsphase 5 von 94 %.

3

Unter dem 1. März 2016 übersandte die Klägerin der [X.] zur Leistungsphase 5 eine Schlussrechnung auf Basis der Mindestsätze der [X.] über insgesamt 146.841,18 € und verlangte eine weitere Zahlung von 67.420,58 €.

4

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe nach den Regelungen der [X.] ein über die vereinbarte Vergütung hinausgehendes Mindestsatzhonorar für die Leistungsphase 5 nach § 64 [X.] zu, da die Honorarvereinbarung nicht wirksam sei. Zum einen sei die Honorarvereinbarung nicht schriftlich bei Auftragserteilung erfolgt und zum anderen würden die Mindestsätze der [X.] ohne rechtfertigenden Grund unterschritten.

5

Die Beklagte ist der Auffassung, die Mindestsätze der [X.] verstießen gegen Europarecht, zudem sei die Klägerin nach [X.] und Glauben gemäß § 242 BGB gehindert, die Klageforderung geltend machen.

6

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, da der geltend gemachte Anspruch - sein Bestehen unterstellt - verwirkt sei. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 67.420,58 € nebst Zinsen verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht unbeschränkt zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.

8

Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für ab dem 1. Januar 2002 und bis zum 31. Dezember 2017 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1, § 39 [X.][X.]; ferner ist die mit Wirkung vom 1. Januar 1996 in [X.] getretene Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen in der Fassung vom 21. September 1995, geändert durch Art. 5 Neuntes [X.] vom 10. November 2001, anzuwenden.

I.

9

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Zahlung von 67.420,58 € aus § 4 [X.] in Verbindung mit § 631 [X.] gegen die Beklagte zu. Der Vergütungsanspruch sei gemäß § 8 Abs. 1 [X.] fällig. Die ordnungsgemäße Erbringung der Leistungsphase 5 sei nicht mehr streitig. Einwände gegen die Prüffähigkeit der Schlussrechnung vom 1. März 2016 habe die Beklagte nicht erhoben.

Einer Abrechnung nach [X.] stehe die Vereinbarung der Parteien über ein Pauschalhonorar nicht entgegen, da diese Vereinbarung nach § 4 Abs. 1 [X.] wegen Unterschreitung der geltenden [X.] unwirksam sei. Die von der Klägerin zutreffend berechnete Forderung in Höhe von insgesamt 146.841,18 € stelle den Mindestsatz nach §§ 62 ff. [X.] dar.

Anhaltspunkte für einen zur Unterschreitung der [X.] berechtigenden Ausnahmefall im Sinne von § 4 Abs. 2 [X.] habe die Beklagte nicht dargelegt. Solche Anhaltspunkte lägen nicht darin, dass die Klägerin zu einem gewissen Umfang Leistungen eines [X.]s in Anspruch genommen und mit diesem nach der Behauptung der Beklagten ein Pauschalhonorar vereinbart habe. Schon aus Ziffer 4.4.5 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags folge, dass das an den [X.] gezahlte Honorar für die Vergütung der Klägerin unbedeutend sei, da der Beklagten danach kein Anspruch auf Auskunft des an den [X.] zu zahlenden Honorars zustehen sollte.

Ein konkludenter Verzicht der Klägerin auf eine Abrechnung nach [X.] sei nicht festzustellen. Selbst in einer Schlussrechnung, in der die Honorarforderung nicht vollständig ausgewiesen sei, liege regelmäßig kein Verzicht auf die weitergehende Forderung.

Die Klägerin sei nicht unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens an einer Abrechnung nach [X.] gehindert. Die Beklagte habe nicht auf die Wirksamkeit der [X.] vertrauen dürfen, da ihr das zwingende Preisrecht der [X.] bekannt gewesen sei, was bereits aus ihrem Geschäftszweck folge. Zudem sei nicht ersichtlich, dass sich die Beklagte auf die unwirksame Honorarvereinbarung eingerichtet hätte und ihr die Zahlung des Differenzbetrages unzumutbar sei.

Entgegen der Ansicht des Landgerichtes sei nicht von einer Verwirkung der Honorarforderung auszugehen. Es fehle jedenfalls an einem Umstandsmoment. Ab dem Zeitpunkt der Schlussrechnungsreife sei kein Verhalten der Klägerin ersichtlich, welches ein Vertrauen der Beklagten dahingehend habe begründen können, dass es nicht mehr zu einer Schlussrechnung kommen werde.

Der Anwendbarkeit von § 4 Abs. 1 [X.] stehe nicht Europarecht entgegen. Das gelte für Art. 15 der Richtlinie 2006/123/[X.] über Dienstleistungen im Binnenmarkt schon deshalb, da die [X.] bis zum 28. Dezember 2009 Zeit gehabt habe, die Richtlinie umzusetzen. Der zwischen den Parteien im Dezember 2008 geschlossene Vertrag falle damit nicht in den zeitlichen Geltungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie. Ein Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie könne deshalb nur angenommen werden, wenn diese nach Ablauf der Umsetzungsfrist rückwirkend für alle Verträge seit ihrem Inkrafttreten gelten würde, was nicht der Fall sei.

Des Weiteren stehe das [X.] Primärrecht in Form der Dienstleistungsfreiheit oder der Niederlassungsfreiheit der Anwendung von § 4 Abs. 1 [X.] nicht entgegen. Dies sei deshalb ausgeschlossen, weil der vorliegende Fall keinen grenzüberschreitenden Bezug aufweise. Beide Parteien seien Inländer. Das Bauprojekt sei nicht öffentlich ausgeschrieben. Auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht sei die Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Sachverhalts ausgeschlossen. Stelle ein ausländischer Architekt fest, dass er sich einerseits mit günstigen Angeboten den Zugang zu dem [X.] Markt erschließen und andererseits doch auf ein Mindesthonorar zurückgreifen könne, habe dies keine Wirkung, die den Markteintritt behindere.

II.

Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.

Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Pauschalhonorarvereinbarung der Parteien unwirksam ist, dem Kläger deshalb auf Grundlage der [X.] der [X.] ein Anspruch auf Zahlung von weiteren 67.420,58 € aus § 631 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit §§ 1, 4 und §§ 62 ff. [X.] zusteht (1.) und der Anwendung der [X.] das Recht der Europäischen Gemeinschaften/[X.] nicht entgegensteht (2.).

1. Nach §§ 1, 4 Abs. 1 [X.] richtet sich das Honorar für die Leistungen der Ingenieure, soweit sie von den Leistungsbildern oder anderen Bestimmungen der [X.] erfasst sind, nach der schriftlichen Vereinbarung, die die Vertragsparteien bei Auftragserteilung im Rahmen der durch die [X.] festgesetzten Mindest- und Höchstsätze treffen. Unterschreitet die vereinbarte Vergütung das sich aus den [X.] ergebende Honorar, hat der Ingenieur einen Vergütungsanspruch in Höhe der [X.]. Dieser Anspruch ist nach § 8 Abs. 1 [X.] fällig, wenn die Leistung vertragsgemäß erbracht und eine prüffähige Honorarschlussrechnung überreicht worden ist.

a) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin die unter Bezugnahme auf § 64 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, Abs. 3 [X.] vereinbarten und deshalb geschuldeten Grundleistungen vertragsgemäß erbracht und der Beklagten eine prüffähige Honorarschlussrechnung überreicht. Zudem unterschreitet das zwischen den Parteien vereinbarte Pauschalhonorar für die Leistungsphase 5 - um die es im Rechtsstreit allein geht - das sich bei Anwendung der [X.] gemäß §§ 62 ff. [X.] ergebende Honorar deutlich im Umfang der Klageforderung. Das lässt insgesamt Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision hingenommen.

b) Ein Ausnahmefall gemäß § 4 Abs. 2 [X.], wonach die in der [X.] festgesetzten [X.] durch schriftliche Vereinbarung unterschritten werden können, liegt nicht vor. Der Vortrag der Beklagten zur Vereinbarung eines Pauschalhonorars der Klägerin mit deren [X.] rechtfertigt die Anwendung von § 4 Abs. 2 [X.] nicht.

Nach der Rechtsprechung des [X.] sind bei der Bestimmung eines Ausnahmefalls der Zweck von § 4 Abs. 2 [X.] und die berechtigten Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen. Die zulässigen Ausnahmefälle dürfen einerseits nicht dazu führen, dass der Zweck der Mindestsatzregelung gefährdet wird, einen ruinösen Preiswettbewerb unter Architekten und Ingenieuren zu verhindern. Andererseits können alle die Umstände eine Unterschreitung der [X.] rechtfertigen, die das Vertragsverhältnis in dem Sinne deutlich von den üblichen Vertragsverhältnissen unterscheiden, dass ein unter den [X.] liegendes Honorar angemessen ist ([X.], Urteil vom 22. Mai 1997 - [X.], [X.]Z 136, 1, juris Rn. 21; Urteil vom 27. Oktober 2011 - [X.] Rn. 15, [X.], 271 = NZBau 2012, 174; vgl. zudem [X.], Beschluss vom 14. Mai 2020 - [X.] Rn. 14, [X.]Z 225, 297).

Auf dieser Grundlage kann eine möglicherweise getroffene Vereinbarung über ein Pauschalhonorar zwischen der Klägerin und ihrem [X.] bereits deshalb einen Ausnahmefall nicht begründen, weil diese Vereinbarung nicht das Vertragsverhältnis der Parteien betrifft. Die Parteien haben vielmehr, worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, durch Ziffer 4.4.5 ihres Vertrags mittelbar geregelt, dass die Honorierung des [X.]s ohne Auswirkung auf den Vergütungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist.

c) Der Vortrag der Beklagten zur Vereinbarung eines die [X.] unterschreitenden Pauschalhonorars der Klägerin mit deren [X.] führt zudem - entgegen der Ansicht der Revision unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats zur werkvertraglichen Leistungskette - nicht dazu, die Honorarforderung der Klägerin als rechtsmissbräuchlich und treuwidrig anzusehen mit der Folge, dass der Klageforderung § 242 [X.] entgegensteht.

aa) Die Rechtsprechung des Senats zur werkvertraglichen Leistungskette befasst sich mit der Frage, welche Bedeutung bei mangelhaften Bauleistungen des [X.] dem Umstand zukommt, dass der [X.] von seinem Auftraggeber nicht oder nur in beschränktem Umfang in Anspruch genommen wird ([X.], Urteil vom 10. Juli 2008 - [X.] Rn. 17, [X.], 1877 = NZBau 2009, 34). Vor diesem Hintergrund hat der Senat nach dem Rechtsgedanken der Vorteilsausgleichung dem [X.] nach [X.] und Glauben verwehrt, Schadensersatzansprüche auf der Basis fiktiver Mängelbeseitigungskosten gegen den Nachunternehmer geltend zu machen, obwohl feststeht, dass er selbst nicht mehr in Anspruch genommen wird (vgl. [X.], Urteil vom 28. Juni 2007 - [X.] Rn. 17 ff., [X.]Z 173, 83), oder im Umfang fiktiver Mängelbeseitigungskosten die Vergütung des [X.] zu mindern (vgl. [X.], Versäumnisurteil vom 1. August 2013 - [X.]/11 Rn. 17 ff., 24, [X.]Z 198, 150). Diese - vor Aufgabe der Rechtsprechung des Senats zur Bemessung von kleinem Schadensersatz und Minderung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten ([X.], Urteil vom 22. Februar 2018 - [X.], [X.]Z 218, 1; vgl. auch [X.], Beschluss vom 8. Oktober 2020 - [X.] 1/20 Rn. 48 ff., [X.], 225 = NZBau 2021, 29) ergangenen - Entscheidungen beruhen auf der normativen, von [X.] und Glauben geprägten schadensrechtlichen Wertung, dass dem [X.], jedenfalls dann, wenn er wegen des Mangels nicht mehr in Anspruch genommen werden kann, ungerechtfertigte, ihn bereichernde Vorteile zufließen, wenn er gleichwohl als Schadensersatz die fiktiven Mängelbeseitigungskosten vom Nachunternehmer fordern oder dessen Vergütung in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten mindern kann (vgl. [X.], Urteil vom 28. Januar 2016 - [X.] Rn. 35, [X.]Z 208, 372).

bb) Über diese Fälle hinaus hat es der Senat abgelehnt, dem [X.] Einwendungen gegen den Vergütungsanspruch des [X.] zu verwehren, weil der [X.] selbst nicht mehr vom Auftraggeber in Anspruch genommen werden kann (zum Leistungsverweigerungsrecht wegen Mängeln der Werkleistung des [X.] [X.], Versäumnisurteil vom 1. August 2013 - [X.]/11, [X.]Z 198, 150; zum Minderungsrecht des Architekten gegenüber dem Honoraranspruch des von ihm beauftragten [X.] wegen Mängeln der von diesem erbrachten Planungsleistungen [X.], Urteil vom 28. Januar 2016 - [X.], [X.]Z 208, 372). Diese Rechtsprechung des Senats beruht auf dem Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse. Liegen mehrere Schuldverhältnisse vor, sind diese grundsätzlich selbständig zu beurteilen und scheiden Einwendungen aus fremden Schuldverhältnissen grundsätzlich aus (vgl. [X.], Urteil vom 28. Januar 2016 - [X.] Rn. 36, [X.]Z 208, 372; [X.]/Olzen, [X.], 2019, § 241 Rn. 312; [X.]/[X.], 9. Aufl., [X.], § 241 Rn. 14; [X.]/[X.], [X.], 81. Aufl., v. § 241 Rn. 5; [X.], Einwendungen aus fremdem Schuldverhältnis, 2019, S. 30 ff.).

cc) Auf dieser Grundlage ist der Vergütungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte unabhängig davon zu beurteilen, in welchem Umfang die Klägerin ihrem [X.] ein Honorar schuldet. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob der [X.] der Klägerin dieser gegenüber berechtigt ist, nach den [X.] der [X.] abzurechnen. Anders als die Revision meint, liegt in dem von ihr vorgetragenen Verhalten der Klägerin kein Rechtsmissbrauch, der zu einer von der Rechtsordnung nicht tolerierten Bereicherung der Klägerin führt und deshalb die Anwendung von § 242 [X.] rechtfertigt. Vielmehr obliegt es nach den Regelungen des Schuldrechts zur Vertragsfreiheit und zur Relativität der Schuldverhältnisse den Parteien der jeweiligen Verträge im Rahmen einer Leistungskette, unabhängig voneinander Regelungen zur Vergütung zu treffen.

d) Die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Einwand widersprüchlichen Verhaltens der Klägerin, zum Nichtzustandekommen eines [X.] und zum Einwand der Verwirkung lassen Rechtsfehler nicht erkennen und werden von der Revision hingenommen.

2. Dem so gegebenen Vergütungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf der Grundlage der [X.] der [X.] steht das Recht der Europäischen Gemeinschaften/[X.] nicht entgegen. Weder aus der Richtlinie 2006/123/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (im Folgenden: Dienstleistungsrichtlinie) noch aus dem [X.]n Primärrecht ergibt sich im Streitfall eine Verpflichtung, das verbindliche Mindestsatzrecht der [X.] unangewendet zu lassen.

a) Die Dienstleistungsrichtlinie steht dem Anspruch der Klägerin nicht als unmittelbar für das Vertragsverhältnis der Parteien geltendes Recht entgegen, und zwar unabhängig davon, ob auf den zwischen den Parteien am 17. Dezember 2008 geschlossenen Vertrag die Dienstleistungsrichtlinie Anwendung findet.

aa) Der Gerichtshof der [X.] hat mit Urteil vom 4. Juli 2019 festgestellt, dass die [X.] dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g) und Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie verstoßen hat, dass sie verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren beibehalten hat ([X.], Urteil vom 4. Juli 2019 - [X.]/17, [X.], 1624= NZBau 2019, 511 - [X.]/Deutschland).

bb) Die [X.] war verpflichtet, die Dienstleistungsrichtlinie vom 12. Dezember 2006 bis zum 28. Dezember 2009 umzusetzen. Vor diesem Hintergrund streiten die Parteien darüber, ob auf den zwischen ihnen zwar nach Erlass, aber vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Dienstleistungsrichtlinie geschlossene Vertrag diese Anwendung findet. Darauf kommt es indes nicht an, da der Gerichtshof der [X.] nach Verkündung des Berufungsurteils eine unmittelbare Wirkung der Dienstleistungsrichtlinie zwischen Privaten verneint hat.

cc) Der Gerichtshof der [X.] (Urteil vom 18. Januar 2022 - [X.]/20, [X.], 527 = NZBau 2022, 103 - [X.] Technopark Berlin) hat auf Vorlage des Senats in einem Rechtsstreit, in dem die [X.] 2013 Anwendung fand ([X.], Beschluss vom 14. Mai 2020 - [X.], [X.]Z 225, 297), entschieden, dass ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit anhängig ist, in dem sich ausschließlich Privatpersonen gegenüberstehen, nicht allein aufgrund dieses Rechts verpflichtet ist, eine nationale Regelung unangewendet zu lassen, die unter Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Dienstleistungsrichtlinie [X.] für die Leistungen von Architekten und Ingenieuren festsetzt und die Unwirksamkeit von Vereinbarungen vorsieht, die von dieser Regelung abweichen.

Der Gerichtshof der [X.] hat insoweit festgestellt, dass der Dienstleistungsrichtlinie eine unmittelbare Wirkung in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen nicht zukommt ([X.], Urteil vom 18. Januar 2022 - [X.]/20 [X.]. 31-37, [X.], 527 = NZBau 2022, 103 - [X.] Technopark Berlin). Er hat ferner ausgeführt, dass die zuständigen nationalen Gerichte nicht allein aufgrund eines gemäß den Art. 258 bis 260 [X.] erlassenen Urteils verpflichtet sind, im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Privatpersonen eine nationale Regelung, die gegen die Bestimmung einer Richtlinie verstößt, unangewendet zu lassen ([X.], Urteil vom 18. Januar 2022 - [X.]/20 [X.]. 38-40, [X.], 527 = NZBau 2022, 103 - [X.] Technopark Berlin).

b) Die Dienstleistungsrichtlinie steht dem Anspruch der Klägerin des Weiteren nicht als im Wege der richtlinienkonformen Auslegung der [X.] mittelbar für das Vertragsverhältnis der Parteien geltendes Recht entgegen, und zwar ebenfalls unabhängig davon, ob auf den zwischen den Parteien am 17. Dezember 2008 geschlossenen Vertrag die Dienstleistungsrichtlinie Anwendung findet.

aa) Nach dem Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung müssen die mit der Auslegung des nationalen Rechts betrauten nationalen Gerichte bei dessen Anwendung sämtliche nationalen Rechtsnormen berücksichtigen und die im nationalen Recht anerkannten Auslegungsmethoden anwenden, um die Auslegung eines Gesetzes so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der fraglichen Richtlinie auszurichten, damit das von dieser festgelegte Ergebnis erreicht und so Art. 288 Abs. 3 [X.] nachgekommen wird ([X.], Beschluss vom 14. Mai 2020 - [X.] Rn. 22 m.w.N., [X.]Z 225, 297).

Allerdings findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt des Unionsrechts heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen. Die Auslegung des nationalen Rechts darf nicht dazu führen, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben oder der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt wird. Demgemäß kommt eine richtlinienkonforme Auslegung nur in Frage, wenn eine Norm tatsächlich unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten im Rahmen dessen zulässt, was der gesetzgeberischen [X.] und Zielsetzung entspricht. Die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege findet ihre Grenzen an dem nach der innerstaatlichen Rechtstradition methodisch Erlaubten ([X.], Beschluss vom 14. Mai 2020 - [X.] Rn. 23 m.w.N., [X.]Z 225, 297).

bb) Nach diesen Grundsätzen hat der Senat zur [X.] 2013 entschieden, dass eine Unverbindlichkeit der [X.] und die Wirksamkeit einer die [X.] unterschreitenden Honorarvereinbarung im Verhältnis zwischen Privatpersonen nicht mit einer richtlinienkonformen Auslegung begründet werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Mai 2020 - [X.] Rn. 24, [X.]Z 225, 297).

Für die im Streitfall anzuwendende [X.] 1996/2002 gilt im Ergebnis nicht anderes. Der Gesetz- und Verordnungsgeber hat auch mit den dort getroffenen Regelungen zur Geltung der [X.] eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass eine unterhalb der verbindlichen [X.] liegende Honorarvereinbarung für Architekten- und Ingenieurleistungen - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - unwirksam ist und sich die Höhe des Honorars in diesem Fall nach den [X.] bestimmt. Dies ergibt sich nicht nur aus dem klaren Wortlaut der betreffenden Regelungen, sondern auch aus dem mit ihnen seitens des Gesetz- und Verordnungsgebers verfolgten Sinn und Zweck, durch Mindestpreise Umfang und Qualität von Architekten- und Ingenieurleistungen zu gewährleisten und einen ungezügelten Preiswettbewerb zu vermeiden.

c) Europäisches Primärrecht in Form der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 [X.] (= Art. 43 [X.]V), der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 [X.] (= Art. 49 [X.]V) oder sonstiger allgemeiner Grundsätze des Gemeinschaftsrechts/Unionsrechts steht der Anwendung der in der [X.] verbindlich geregelten [X.] im Streitfall ebenfalls nicht entgegen.

aa) Der Gerichtshof der [X.] hat klargestellt, dass die Bestimmungen des [X.] über die Niederlassungsfreiheit, den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Kapitalverkehr auf einen Sachverhalt, dessen Merkmale nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen, grundsätzlich keine Anwendung finden ([X.], Urteil vom 18. Januar 2022 - [X.]/20 [X.]. 50, [X.], 527 = NZBau 2022, 103 - [X.] Technopark Berlin; Urteil vom 27. Oktober 2022 - [X.]/21 [X.]. 26). Ist keine Partei außerhalb der [X.] ansässig und wird die versprochene Leistung nicht außerhalb dieses Gebiets erbracht, ist der Sachverhalt nicht durch Merkmale charakterisiert, die einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen (vgl. [X.], Urteil vom 18. Januar 2022 - [X.]/20 [X.]. 51, [X.], 527 = NZBau 2022, 103 - [X.] Technopark Berlin; Urteil vom 27. Oktober 2022 - [X.]/21 [X.]. 27 f.).

Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts weist der Streitfall sowohl im Zeitpunkt des Vertragsschlusses als auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht keinen grenzüberschreitenden Bezug im oben genannten Sinn auf. Auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist, kann deshalb dahingestellt bleiben.

bb) Soweit die Revision die Auffassung vertritt, eine grenzüberschreitende Wirkung der Mindestsatzregelungen der [X.] folge bereits daraus, dass diese Regelungen eine abschreckende Wirkung auf außerhalb des Gebiets der [X.] tätige Architekten und Ingenieure haben könnten, sich auf dem Gebiet der [X.] niederzulassen, ergibt sich aus diesem Umstand kein grenzüberschreitender Bezug. Die von der Revision aufgeworfene Rechtsfrage ist durch die nach Ablauf der [X.] ergangenen Entscheidungen des Gerichtshofs der [X.] geklärt (zur [X.] 1996/2002 [X.], Urteil vom 27. Oktober 2022 - [X.]/21 [X.]. 31 f.; zur [X.] 2013 [X.], Urteil vom 18. Januar 2022 - [X.]/20 [X.]. 51 ff., [X.], 527 = NZBau 2022, 103 - [X.] Technopark Berlin vgl. zudem [X.], Urteil vom 2. Juni 2022 - [X.] Rn. 29, [X.], 1515 = NZBau 2022, 530).

3. Soweit die Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Verfassungsgemäßheit von § 4 [X.] im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG in Zweifel gezogen hat, dringt sie damit nicht durch. Die entsprechende Frage ist vom [X.] hinreichend geklärt (zur [X.] 1996/2002 [X.], Beschluss vom 26. September 2005 - 1 BvR 82/03, [X.], 1946 = NZBau 2006, 121; zur [X.] 2009 [X.], Urteil vom 24. April 2014 - [X.] Rn. 16, [X.]Z 201, 32).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Halfmeier     

      

Kartzke

      

Jurgeleit     

      

Sacher     

      

Meta

VII ZR 724/21

03.11.2022

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 24. Juni 2021, Az: I-5 U 222/19, Urteil

Art 49 AEUV, Art 56 AEUV, Art 288 Abs 3 AEUV, § 242 BGB, § 631 Abs 1 BGB, Art 229 § 5 S 1 BGBEG, Art 229 § 39 BGBEG, Art 15 Abs 1 EGRL 123/2006, Art 15 Abs 2 Buchst g EGRL 123/2006, Art 15 Abs 3 EGRL 123/2006, Art 43 EGVtr, Art 49 EGVtr, § 1 HOAI 2002, § 4 Abs 1 HOAI 2002, § 4 Abs 2 HOAI 2002, § 8 Abs 1 HOAI 2002, § 62 HOAI 2002, § 64 Abs 1 S 2 Nr 5 HOAI 2002, § 64 Abs 3 HOAI 2002

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.11.2022, Az. VII ZR 724/21 (REWIS RS 2022, 6972)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6972 MDR 2023, 98-99 REWIS RS 2022, 6972


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VII ZR 724/21

Bundesgerichtshof, VII ZR 724/21, 03.11.2022.


Az. 5 U 222/19

Oberlandesgericht Düsseldorf, 5 U 222/19, 24.06.2021.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Architektenvertrag: Darlegungslast für Beauftragung der nach den Mindestsätzen abgerechneten Leistungen


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