Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.07.2011, Az. I ZB 93/10

1. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4482

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Gegenstand

Zwangsvollstreckung: Verweigerung der Vollstreckung bei Zweifeln an der Parteiidentität wegen nicht in der Vollstreckungsklausel vermerkter Namensänderung oder Umfirmierung


Leitsatz

1. Die bloße Änderung des Namens oder der Firma einer Partei steht der Vollstreckung eines Titels dann nicht entgegen, wenn der Gläubiger die Personenidentität dem zuständigen Vollstreckungsorgan durch entsprechende Urkunden zweifelsfrei nachweist .

2. Dass die Namensänderung bzw. Umfirmierung einer Partei in der Vollstreckungsklausel nicht vermerkt ("beigeschrieben") wird, führt lediglich dazu, dass das zuständige Vollstreckungsorgan, das zu eigenen Ermittlungen hinsichtlich der Parteiidentität zwar berechtigt, nicht aber verpflichtet ist, die Durchführung der Vollstreckung mit der Begründung verweigern kann, diese Identität lasse sich nicht zweifelsfrei feststellen .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer - Beschwerdekammer - des [X.] vom 24. November 2010 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.

[X.]: 1.500 €.

Gründe

1

I. Die Gläubigerin, die früher als "[X.] Hypo- und [X.]" firmiert hat und seit 15. Dezember 2009 mit ihrer gemäß Beschluss der Hauptversammlung vom 30. September 2009 geänderten Firma [X.] ins Handelsregister eingetragen ist, betreibt gegen die Schuldnerin aus einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde vom 8. Oktober 1993 die Zwangsvollstreckung. Nachdem ein Vollstreckungsversuch erfolglos geblieben und die Schuldnerin dem daraufhin anberaumten Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung unentschuldigt ferngeblieben war, ist auf Antrag der Gläubigerin gegen die Schuldnerin am 18. August 2010 Haftbefehl ergangen. Die von der Schuldnerin dagegen eingelegte sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben.

2

Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Gläubigerin beantragt, verfolgt die Schuldnerin ihren Antrag auf Aufhebung des gegen sie am 18. August 2010 ergangenen Haftbefehls weiter.

3

II. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

4

Ein Gläubiger, der nach einer zwischenzeitlich erfolgten Namensänderung die Zwangsvollstreckung [X.], bedürfe nur dann einer neuen vollstreckbaren Ausfertigung, wenn seine Identität nicht eindeutig festgestellt werden könne. Danach sei im Streitfall keine neue oder geänderte Vollstreckungsklausel erforderlich. Die Gläubigerin sei nicht Rechtsnachfolgerin der [X.]n Hypo- und [X.], sondern dieselbe (juristische) Person, die lediglich ihre Firma geändert habe. Ob die Identität zwischen der vollstreckenden und der im Titel bezeichneten Gläubigerin bereits offenkundig sei, könne dahinstehen; denn dies ergebe sich zumindest aus dem vorgelegten Handelsregisterauszug. Für eine seitens der Schuldnerin völlig unsubstantiiert behauptete Verschmelzung der [X.]n Hypo- und [X.] auf eine schon vorher existierende [X.] bestünden keinerlei Anhaltspunkte.

5

III. [X.] ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.

6

1. Das Beschwerdegericht ist mit Recht und insoweit von der Rechtsbeschwerde auch unbeanstandet davon ausgegangen, dass die bloße Änderung des Namens oder der Firma einer Partei der Vollstreckung eines Titels dann nicht entgegensteht, wenn der Gläubiger die Personenidentität dem zuständigen Vollstreckungsorgan durch entsprechende Urkunden zweifelsfrei nachweist (vgl. BayObLG, NJW 1956, 1800 f.; [X.], [X.] 2005, 275; [X.], Beschluss vom 19. Februar 2010 - 4 T 4358/08, juris Rn. 54; Walker in [X.]/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 750 Rn. 13 und 20, jeweils mwN).

7

2. [X.] wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des [X.], die Gläubigerin habe diesen Nachweis mit der von ihr vorgelegten notariell beglaubigten Abschrift der "Bescheinigung aus dem Handelsregister" des Notars [X.]  vom 8. März 2010 geführt.

8

a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde unterliegt der Beweiswert einer von einem Notar aufgrund Einsicht in das elektronische Handelsregister des zuständigen Amtsgerichts erstellten Bescheinigung über die dortigen Akteneintragungen keinen grundsätzlichen Bedenken.

9

b) Aus der Bescheinigung des Notars [X.]  vom 8. März 2010 ergibt sich, dass die Gläubigerin früher als [X.] Hypo- und [X.] firmiert hat. Damit ist insoweit keine Rechtsnachfolge eingetreten. Dass der Grund für die Umfirmierung darin lag, dass die [X.] Hypo- und [X.] zur selben Zeit von der [X.] übernommen wurde, ist unerheblich.

c) Aus der Bescheinigung vom 8. März 2010 ergibt sich zwar des Weiteren, dass die [X.] Hypotheken- und Wechsel-Bank Aktiengesellschaft, auf die der hier zu vollstreckende Titel lautete, gemäß Eintragung vom 31. August 1998 auf die gemäß Eintragung vom selben Tag in "[X.] Hypo- und [X.]" umfirmierte [X.] [X.] verschmolzen worden ist. Dem Erfordernis der Klauselumschreibung, das damit entstanden war (vgl. [X.], Beschluss vom 24. August 2009 - 5 W 183/08, juris Rn. 7; [X.] in Prütting/[X.], ZPO, 3. Aufl., § 727 Rn. 4), ist jedoch ausweislich der vollstreckbaren Ausfertigung der notariellen Urkunde mit der am 29. August 2003 erfolgten Erteilung einer entsprechend geänderten vollstreckbaren Ausfertigung entsprochen worden.

d) Es liegt fern, dass die [X.] Hypo- und [X.], der diese geänderte Vollstreckungsklausel erteilt worden ist, nicht personenidentisch mit der namensgleichen Aktiengesellschaft war, die nach der am 15. Dezember 2009 erfolgten Eintragung ins Handelsregister in die Gläubigerin des vorliegenden Verfahrens umfirmiert wurde. Diese Möglichkeit brauchte daher auch von den Vorinstanzen ohne entsprechenden Vortrag der Schuldnerin nicht in Betracht gezogen zu werden.

e) Die von der Schuldnerin vorgelegten gerichtlichen Entscheidungen rechtfertigen keine abweichende Beurteilung, weil sie - jedenfalls soweit ersichtlich - die am 15. Dezember 2009 in das Handelsregister eingetragene Umfirmierung der Gläubigerin fälschlich als Rechtsnachfolge bewerten. Die von der Schuldnerin des Weiteren vorgelegte Vollstreckungsklausel vom 15. Februar 2010 ist der Gläubigerin aufgrund (vermeintlicher) Offenkundigkeit erteilt worden. Damit stellte der Umstand, dass die Gläubigerin dort als Rechtsnachfolgerin der [X.]n Hypo- und [X.] bezeichnet worden ist, ebenfalls kein aussagekräftiges Indiz für eine Rechtsnachfolge dar.

3. Das Beschwerdegericht hat es mit Recht auch als verzichtbar angesehen, dass die Umfirmierung in der Vollstreckungsklausel vermerkt ("beigeschrieben") wurde (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Februar 2004 - [X.], [X.] 2004, 73, 74; MünchKomm.ZPO/[X.], 3. Aufl., § 726 Rn. 69; Walker in [X.]/Walker aaO § 750 Rn. 13 und 20; [X.], ZPO, 8. Aufl., § 727 Rn. 1; [X.] in Prütting/[X.] aaO § 727 Rn. 4; [X.]/[X.], ZPO, 69. Aufl., Einf §§ 727-729 Rn. 5 "Neuer Name"). [X.] weist in diesem Zusammenhang ohne Erfolg darauf hin, dass im Zwangsvollstreckungsrecht der Grundsatz der Formstrenge gilt und dass die [X.] in Fällen, in denen die Bezeichnung des Titelgläubigers von der Bezeichnung desjenigen abweicht, der die Vollstreckung betreibt, keine Verpflichtung zu eigenen Ermittlungen trifft. Entscheidend ist hier vielmehr, dass die [X.] berechtigt sind, die Frage der Identität der Parteien zu prüfen. Ein Vollstreckungsgläubiger, der es unterlässt, einen die Identität klarstellenden Vermerk bei der Stelle zu erwirken, die die vollstreckbare Ausfertigung des Titels erstellt (hat), läuft daher zwar Gefahr, dass das Vollstreckungsorgan die Durchführung der Vollstreckung mit der Begründung verweigert, die [X.] lasse sich nicht zweifelsfrei feststellen. Das Vollstreckungsorgan ist aber nicht gehindert, die Identität der Parteien mit den in der Vollstreckungsklausel genannten Personen im Wege eigener Ermittlungen festzustellen. Wer als Vollstreckungsschuldner in Anspruch genommen wird, wird hierdurch nicht unbillig belastet; denn ihm steht die Möglichkeit offen, die Bejahung der Identität durch das Vollstreckungsorgan mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen anzugreifen.

IV. Nach allem ist die Rechtsbeschwerde unbegründet und deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

                 

Ri[X.] Pokrant ist in Urlaub und
kann daher nicht unterschreiben.

                 

Bornkamm     

        

Bornkamm

        

     Schaffert

                          

     Ri[X.] Dr. Löffler ist in Urlaub und
     kann daher nicht unterschreiben.

        
        

Kirchhoff     

        

Bornkamm

        

Meta

I ZB 93/10

21.07.2011

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Darmstadt, 24. November 2010, Az: 5 T 511/10, Beschluss

§ 727 ZPO, § 750 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.07.2011, Az. I ZB 93/10 (REWIS RS 2011, 4482)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4482

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