Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2001, Az. 4 StR 453/00

4. Strafsenat | REWIS RS 2001, 3274

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] DES VOLKESUrteil4 StR 453/00vom8. März 2001in der Strafsachegegen1.2.wegen Verdachts der Beihilfe zum Totschlag und zur [X.] -Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 8. März 2001,an der teilgenommen haben:[X.] am [X.]. [X.],[X.] am [X.],[X.],[X.],Dr. Ernemann als [X.],Staatsanwalt als Vertreter der [X.],der Angeklagte in Person,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:1.- 3 -Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das [X.] [X.] vom 7. März 2000 wird [X.] Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagtenim Revisionsverfahren entstandenen notwendigen [X.] hat die Staatskasse zu tragen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat die Angeklagten vom Vorwurf des Totschlags, der(schweren) Körperverletzung sowie der hierzu in mehreren Fällen begangenenBeihilfe freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwalt-schaft mit ihrer Revision, die sie (rechtswirksam) auf die Freisprüche der Ange-klagten vom Vorwurf der Beihilfe zum Totschlag bzw. zur Körperverletzung inden Fällen 4 bis 7 der Urteilsgründe beschränkt hat. Sie rügt die [X.] und beanstandet, das [X.] sei von einem zu [X.] des [X.]s im Sinne von § 27 StGB ausgegangen. Das [X.] hat keinen Erfolg.- 4 -I.Das [X.] hat festgestellt:Der Angeklagte [X.]war im [X.]raum vom 24. Oktober 1979 [X.] September 1983 Stellvertreter des Kommandeurs für Ausbildung [X.] Nord der [X.]. Ihm oblag in dieser Eigen-schaft im wesentlichen die Planung, Organisation und Durchführung der Aus-und Weiterbildung der Grenzsoldaten; die Ausbildung der die Minen- [X.] an der [X.] verlegenden, wartenden und [X.] fiel jedoch nicht in seinen Verantwortungsbereich. Der [X.]. war in der [X.] vom 24. Oktober 1979 bis zum 26. Juni 1984 Stellver-treter des Kommandeurs für technische Ausrüstung des [X.]. In seinen Zuständigkeitsbereich fiel hauptsächlich die Planung, Organi-sation und Sicherstellung der Einsatz- und Gefechtsbereitschaft des [X.] und [X.] im [X.]. Mit Aufgaben im [X.] mit der Verlegung, Wartung oder Instandsetzung der Minen- und Selbst-schußanlagen war er ebenfalls nicht betraut.Die konkrete Durchführung der Grenzsicherung an der [X.] durch die [X.] (vgl. hierzu [X.]St 45, 270, 272 [X.]) erfolgte im Tatzeitraum auf den verschiedenen Kommandoebenen durchjährliche Grundsatzbefehle. Hierbei verlief der [X.] dergestalt, daß [X.] für Nationale Verteidigung in der Regel jährlich an den Chef der[X.] den [X.] gab; der Chef der [X.] setzte diesenBefehl um durch den Befehl mit der Nr. 80 an die Chefs der drei [X.]; diese erließen auf dessen Grundlage Befehle mit der Nr. 40 an die- 5 -Kommandeure der einzelnen Grenzregimenter, die diese ihrerseits durch Be-fehle mit der Nr. 20 umsetzten. Die Befehle waren auf den verschiedenen Ebe-nen so abgefaßt, daß von allgemeinen Regelungen in den Befehlen 101 bis zukonkreten Festlegungen einzelner Bereiche in den Befehlen 40 und 20 einezunehmende Konkretisierung erfolgte. Sämtliche Handlungen der Grenztrup-pen, insbesondere auch die [X.] des Grenzgebietes, beruhten auf die-ser Befehlskette.Der Erlaß des [X.] 40, der jeweils vom 1. Dezember des [X.] bis zum 30. November des Folgejahres Gültigkeit hatte, erfolgte indem hier maßgeblichen [X.]raum für das [X.] Nord wie folgt: [X.] der insgesamt fünf Stellvertreter des Kommandeurs, also auch die Ange-klagten, hatten zu ihrem jeweiligen Aufgabenbereich einen [X.] zu ei-nem Befehlsentwurf zu erarbeiten. Diesen [X.] mußten sie bis zu einembestimmten Termin dem Stellvertreter des Kommandeurs und Stabschef über-geben, der daraus unter Hinzufügung eines eigenen [X.]s für seinenAufgabenbereich den Entwurf des Befehls fertigte und diesen dem Komman-deur vorlegte, der ihn schließlich in seinen Befehl umsetzte.Beide Angeklagten wirkten in der beschriebenen Weise an der [X.] des [X.]s Nord der Jahre 1979, 1981 und1982 mit, der Angeklagte [X.]. darüber hinaus auch an der Erstellung des[X.] 1983. Eine weiter gehende Mitwirkung der Angeklagten bei [X.] der [X.], insbesondere im Hinblick auf die in diesen ent-haltenen Anordnungen über die Verlegung, Instandhaltung und Bedienung derentlang der [X.] verlegten [X.], konnte das [X.] nicht fest-- 6 -stellen; ebensowenig konnte der genaue Inhalt der Teilbeiträge der Angeklag-ten ermittelt werden.Im Geltungszeitraum der Befehle 40 der Jahre 1979, 1981, 1982 [X.] (letzterer betrifft ausschließlich den Angeklagten [X.]. ) wurden im Be-reich des [X.]s Nord bei der Flucht aus der [X.] in die [X.] durch detonierende Minen im April 1980 eine Person getö-tet sowie im Januar und Februar 1982 zwei Personen, im Oktober und [X.] 1983 je eine weitere Person und im Juni 1984 eine Person schwer verletzt.Diese Fälle sind Gegenstand des Revisionsverfahrens.II.Das [X.] hat die Angeklagten insoweit aus Rechtsgründen [X.] der Beihilfe zum Totschlag bzw. zur (schweren) Körperverletzung frei-gesprochen und zur Begründung ausgeführt:Beide Angeklagte hätten sowohl unter Zugrundelegung des Strafrechtsder [X.] als auch bei Anwendung des StGB keine die jeweilige Rechtsgutver-letzung in einem nicht nur unerheblichen Maße erleichternde oder förderndeHilfeleistung erbracht. Zwar hätten sie den Erlaß der hier relevanten Jahres-befehle 40 des Kommandeurs des [X.]s Nord durch ihre Zuarbeiterleichtert und dadurch auch im weitesten Sinne die in den [X.] der[X.] bestehende Organisationsstrukturen aufrecht erhalten. Ihre Mitwirkung anden [X.]n sei jedoch nicht von einer solchen Qualität gewesen, daßsie als eine hinlängliche Hilfeleistung qualifiziert werden könne, die die [X.] 7 -oder Verletzung der betroffenen Personen adäquat kausal erleichtert oder ge-fördert hätte.[X.] Ausführungen halten im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfungstand. Das [X.] hat in Bezug auf die den Verfahrensgegenstand [X.] Tötungs- und Verletzungshandlungen zu Recht ein [X.] durchdie Angeklagten im Sinne des § 27 StGB verneint, so daß bereits aus [X.] eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Beihilfe zum [X.] (schweren) Körperverletzung ausscheidet (§§ 315 Abs. 1 [X.], 2 Abs. 3StGB; vgl. [X.]St 40, 169, 174).1. Allerdings teilt der Senat nicht die Auffassung des [X.]s,durch die Mitwirkung der Angeklagten bei der Erstellung der [X.] 40sei die Tötung oder Verletzung der betroffenen Personen im Sinne des § 27StGB nicht fiadäquat kausal erleichtert oder gefördertfl worden.a) Gehilfe ist, wer vorsätzlich dem Täter zu dessen vorsätzlich begange-ner rechtswidriger Tat Hilfe leistet (§ 27 Abs. 1 StGB). Hierbei leistet auch der-jenige dem Täter Hilfe, der seinerseits die Tatförderung eines (weiteren) Ge-hilfen unterstützt (sog. [X.] zur Beihilfefl, vgl. [X.] in [X.] 27 Rdnr. 61 m.N.). Für die rechtliche Bewertung der Tatbeiträge der Ange-klagten bedarf es daher hier nicht der Entscheidung, ob die für den Erlaß der[X.] 40 verantwortlichen Kommandeure des [X.]s Nordin Bezug auf die Tötung oder Verletzung von Flüchtlingen durch [X.]- 8 -in ihrem Grenzbereich als (mittelbare) Täter (vgl. hierzu [X.]St 40, 218; 44,204; 45, 270) oder ihrerseits (nur) als Gehilfen anzusehen sind.b) Als Hilfeleistung im Sinne des § 27 StGB ist grundsätzlich jedeHandlung anzusehen, welche die Herbeiführung des [X.] durch [X.] in irgendeiner Weise objektiv gefördert hat (vgl. [X.]St 42, 135, 136;[X.] [X.] 1981, 72, 73; 2000, 492, 493), ohne daß sie für den Erfolg ursächlichgewesen sein muß (st. Rspr., vgl. nur [X.]R StGB § 27 Abs.1 Vorsatz 8; [X.][X.] 2000, 492, 493 jeweils m.w.N.). Die Hilfeleistung muß auch nicht zur Aus-führung der Tat selbst geleistet werden, es genügt schon die Unterstützung [X.] vorbereitenden Handlung ([X.]St 28, 346, 348; [X.] [X.] 2000, 492, 495m.w.[X.] den getroffenen Feststellungen hat zwar keiner der Angeklagteneinen Tatbeitrag geleistet, der unmittelbar auf den Eintritt des [X.], [X.] auf die Tötung oder Verletzung von Flüchtlingen durch Splitterminen, ge-richtet war: Die [X.] zu den [X.]n 40 bezo-gen sich ausschließlich auf ihre engeren Aufgabenbereiche, die weder mit [X.] noch der Wartung oder Bedienung der [X.] im [X.] standen.Die [X.] zu den Befehlen 40 haben sich [X.] insoweit auf den Eintritt des [X.] ausgewirkt, als sie demKommandeur des [X.]s Nord die Abfassung der [X.],die [X.] wie sie wußten - jeweils auch Anordnungen über die Verlegung und In-standhaltung von Minen im Grenzbereich enthielten, erleichterten. Dadurch istdie Tatbestandsverwirklichung [X.] hier: die Tötung oder Verletzung der [X.] -linge durch die im Grenzbereich verlegten Splitterminen [X.] gefördert worden.Entgegen der Auffassung des [X.]s kann der Tatbeitrag der Angeklag-ten, den sie in ihrer Eigenschaft als Stellvertreter des Kommandeurs [X.] geleistet haben, auch nicht als derart untergeordnet ange-sehen werden, daß ihm bereits aus diesem Grund die Qualität als Beihilfe-handlung abgesprochen werden könnte.2. Es ist jedoch anerkannt, daß nicht jede Handlung, die sich im [X.] objektiv [X.] auswirkt, als (strafbare) Beihilfe gewertet werden kann.Vielmehr bedarf es insbesondere in Fällen, die sog. fineutralefl Handlungen(vgl. hierzu [X.] aa0 § 27 Rdnr. 16 ff; [X.]/[X.] 50. Aufl. § 27Rdnr. 2 a; Wohlleben, Beilhilfe durch äußerlich neutrale Handlungen, 1996;Wohlers [X.], 169) betreffen, einer bewertenden Betrachtung im Ein-zelfall. So stellt beispielsweise nicht jede Mitwirkung eines Arbeitnehmers beimUmsatz in Kenntnis der diesem nachfolgenden Umsatzsteuerhinterziehungdurch den Steuerpflichtigen (vgl. [X.]R StGB § 27 Abs. 1 [X.] 3) oderjede Tätigkeit eines Bankangestellten im Zusammenhang mit einem Kapital-transfer ins Ausland zugunsten von Kunden, die ihre Kapitalerträge den [X.] gegenüber verheimlichen (vgl. [X.] [X.] 2000, 492), [X.] zu dem Steuervergehen dar (vgl. auch [X.]R StGB § 27 Abs. 1 Hilfe-leisten 20 zur Tätigkeit eines Rechtsanwaltes bei der Erstellung eines Anlage-prospektes, der zu betrügerischen Zwecken verwendet wird). Der [X.] hat daher in Fällen derartiger berufstypisch [X.] Grundsätze aufgestellt: Zielt das Handeln des [X.] aus-schließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen und weiß dies der[X.]de, so ist sein Tatbeitrag in jedem Fall als strafbare Beihilfehand-lung zu werten ([X.]R StGB § 27 Abs. 1 [X.] 3, 20; [X.] [X.] 2000,- 10 -493). Denn unter diesen Voraussetzungen verliert [X.] stets den [X.]; es ist als [X.] mit dem Täter zu deuten ([X.] aaO §27 Rdnr. 19). Anderenfalls kommt [X.] Mitwirkung in [X.] Diese Grundsätze lassen sich auch auf den hier zu entscheidendenFall übertragen (vgl. hierzu auch [X.], Bewältigung von Systemkriminalität,in: [X.], Festgabe aus der [X.], [X.]). Ihre Anwendung führt zur Verneinung einer Beihilfestrafbarkeit [X.]:Die [X.] 101 bis 20 betrafen nicht ausschließlich strafrechtlichrelevantes Verhalten gegenüber sog. [X.], sondern auch [X.] der Landesverteidigung der ehemaligen [X.] sowie deren Grenzsi-cherung nach [X.]. Die Mitwirkung der beiden Angeklagten bei der [X.] beschränkte sich zudem auf die ihnen zugewiesenen, inkeinem Zusammenhang mit der [X.] des Grenzgebietes stehenden mi-litärischen Aufgabenbereiche; sie war damit fiberufstypischfl und bezogen [X.] den Verfahrensgegenstand bildenden Rechtsgutsverletzungen [X.] wußten die Angeklagten, daß die [X.] auch Anordnungen überdie Verlegung, Instandhaltung und Bedienung von Minen enthalten würden.Ihre eigenen Beiträge hatten jedoch jeweils eine eigenständige Bedeutung; sieblieben auch ohne die strafbaren Handlungen der Haupttäter fisinnvollfl ( vgl.[X.] aaO § 27 Rdnr. 17) und können hiervon losgelöst rechtlich beurteilt wer-den (vgl. auch [X.]R StGB § 27 Abs. 1 [X.] 3; [X.] [X.] 2000, 492,494). Bei der gebotenen bewertenden Betrachtungsweise stellt sich daher [X.] dieser Angeklagten bei der Erstellung der [X.] nur als[X.] Mitwirkung [X.] -4. Da weitere [X.]e Handlungen der Angeklagten [X.] wie auch [X.] einräumt - nicht festgestellt werden konnten, erweist sich [X.] der Staatsanwaltschaft im Ergebnis als unbegründet.[X.]Maatz Kuckein [X.] [X.]: ja[X.]St: neinVeröffentlichung: ja___________________StGB §§ 27, 212, 224 (a.F.)Die Mitwirkung bei der Erstellung der Befehle zur Grenzsicherung der früheren[X.] ist für sich allein noch keine strafbare Beihilfe zu der an der [X.] er-folgten Tötung und Verletzung von Personen durch die dort verlegten Minen.[X.], Urteil vom 8. März 2001 - 4 StR 453/00 - [X.]

Meta

4 StR 453/00

08.03.2001

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2001, Az. 4 StR 453/00 (REWIS RS 2001, 3274)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3274

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 StR 30/01 (Bundesgerichtshof)


5 StR 14/04 (Bundesgerichtshof)


5 StR 281/01 (Bundesgerichtshof)


2 BvR 1851/94, 2 BvR 1853/94, 2 BvR 1875/94, 2 BvR 1852/94 (Bundesverfassungsgericht)

Strafbarkeit von Mitgliedern des nationalen Verteidigungsrates der Deutschen Demokratischen Republik und Angehörigen der DDR-Grenztruppen wegen …


5 StR 259/01 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

2 StR 419/15

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.