Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.05.2011, Az. V ZB 189/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6707

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

V
[X.]

vom

12. Mai
2011

in der Freiheitsentziehungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 72 Abs.
4 Satz
1
Für die Verletzung der Regelung des §
72 Abs. 4 Satz 1 [X.] ist es unerheblich, ob der Haftrichter Anhaltspunkte für die Prüfung der Normvoraussetzungen hatte und ob es die den Antrag stellende Behörde pflichtwidrig unterlassen hat, in dem [X.] auf ein schwebendes Ermittlungsverfahren hinzuweisen.

[X.], Beschluss vom 12. Mai 2011 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am
12. Mai 2011 durch den [X.] [X.]
Dr.
Krüger, die [X.]
Dr.
Schmidt-Räntsch und
Dr.
[X.] und die
Richterinnen
Dr.
Brückner
und Weinland
beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin [X.]bewilligt.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass die Beschlüsse des [X.] vom 19.
März 2010 und des [X.] vom 15.
Juni 2010 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zweckentsprechen-den notwendigen Auslagen des Betroffenen werden dem [X.] zu 2 auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] be-trägt 3.000

-
3
-

Gründe:
I.
Der Betroffene, ein [X.] Staatsbürger, reiste erstmals im Jahre 2006 in die [X.] ein, verließ
das Land jedoch nach [X.] Stellung eines Asylantrags
freiwillig. [X.] reiste er erneut [X.] Aufenthaltstitel in die [X.] ein und stellte zwei Tage später einen [X.]. Die Durchführung
eines erneuten Asylverfahrens wurde durch Bescheid des [X.] abgelehnt. [X.] Rechtsschutz gegen die Abschiebung blieb erfolglos. [X.] betreibt der Beteiligte zu 2 die Abschiebung des Betroffenen.
Nachdem eine freiwillige Ausreise gescheitert und der Betroffene zunächst nicht mehr auffindbar war, meldete er sich am 19.
März 2010 bei einer Polizeiinspektion. Dort wurde ihm eine Straftat nach §
95 Abs. 1 Nr.
2 [X.] zur Last gelegt, worauf er die Aussage verweigerte.

Auf Antrag des Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 19.
März 2010 Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens 18.
Juni 2010 angeordnet. Die gegen die Haftanordnung gerichtete Beschwerde hat das Landgericht nach Beiziehung der Ausländerakte, aus der die Vernehmung des Betroffenen als Beschuldigtem
ersichtlich ist, zurückgewiesen. Aus einem Ak-tenvermerk des [X.] vom 14.
Mai 2010 ergibt sich, dass das Einver-nehmen der Staatsanwaltschaft (§
72 Abs. 4 Satz 1 [X.])
nicht vorlag und noch die Klärung im Raum stand, welche Staatsanwaltschaft zuständig war.
Mit der Rechtsbeschwerde beantragt der Betroffene die Feststellung, dass er durch die Entscheidungen des [X.] und des Amtsgerichts in seinen Rechten verletzt worden ist.

1
2
-
4
-

II.
Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Anordnung der [X.] hätten vorgelegen. Etwaige Verfahrensmängel seien [X.] im Beschwerdeverfahren geheilt worden. Zu der Frage des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft verhält sich die Entscheidung nicht.

III.
Die auch nach Erledigung der Hauptsache mit dem Feststellungsantrag analog §
62 FamFG ohne Zulassung nach §
70 Abs. 3 Nr. 3 FamFG statthafte (vgl. nur Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 -
V [X.], [X.] 2010, 150, 151; Beschluss vom 29.
April 2010 -
V
ZB 218/09, InfAuslR
2010, 359, 360) und auch im übrigen nach §
71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Der Betroffene ist durch die Entscheidungen der Vorinstanzen schon deshalb in seinen Rechten verletzt, weil ein Ausländer, gegen den öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist, nach §
72 Abs. 4 Satz 1 [X.] nur im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsanwaltschaft abgeschoben werden
darf. Fehlt dieses Einvernehmen, scheidet die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung eines Auslän-ders aus; der Verfahrensmangel kann selbst durch eine spätere Beibringung des Einvernehmens nicht rückwirkend geheilt werden (vgl. Senat, Beschluss vom 3.
Mai 2011 -
V [X.] 10/11, zur [X.] vorgesehen). Fehlen in dem Haftantrag

was von Amts wegen zu prüfen ist

Ausführungen
zu dem Einvernehmen, obwohl sich aus ihm selbst oder aus den ihm beigefügten [X.] ohne weiteres ergibt, dass die öffentliche Klage oder ein strafrechtli-ches Ermittlungsverfahren anhängig ist, ist der Antrag unzulässig (siehe nur Senat, Beschlüsse vom 10.
Februar 2011

V
ZB
49/10, Rn. 6, juris; vom 3
4
5
-
5
-

20.
Januar 2011

V
ZB
226/10, Rn. 9, juris). Im Übrigen ist die Verletzung von §
72 Abs.
4 Satz 1 [X.] im Rechtsbeschwerdeverfahren nur auf entspre-chende Rüge zu berücksichtigen.
Dabei ist es für die Verletzung der genannten Rechtsnorm unerheblich, ob schon der Haftrichter Anhaltspunkte für eine dies-bezügliche Prüfung hatte und ob es die den Antrag stellende Behörde [X.] unterlassen hat, in dem Haftantrag auf das schwebende Ermittlungsver-fahren hinzuweisen und

was in einem solchen Fall ebenfalls erforderlich ge-wesen wäre

die Erteilung des Einvernehmens in dem Antrag darzulegen (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 -
V [X.], Rn.
8
f., zur Veröffentli-chung bestimmt). Da das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft eine essentielle Haftvoraussetzung darstellt, kommt es insoweit allein auf die objektive Rechts-lage an.
2. Gemessen daran, war zwar der Haftantrag
zulässig, weil sich weder aus ihm noch aus den beigefügten Unterlagen ergab, dass gegen den [X.] ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig war.
Jedoch rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, dass das nach §
72 Abs. 4 Satz 1 [X.] er-forderliche Einvernehmen nicht vorlag. Das Beschwerdegericht hat dies zwar, wie aus dem Vermerk vom 14. Mai 2010 ersichtlich ist, erkannt, hat diesen As-pekt aber bei der Entscheidung über die Beschwerde offenbar wieder aus den Augen verloren.
6
-
6
-

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
81 Abs. 1 Satz 1 und 2, §
83 Abs. 2 FamFG, §
128c Abs. 3 Satz 2 [X.]; die Festsetzung des [X.] folgt aus §
128c Abs. 2 [X.]
i.[X.]. §
30 [X.]
(Senat, Beschluss vom 29.
April 2010 -
V
ZB
218/09, juris Rn. 27
f.).

Krüger

Schmidt-Räntsch

[X.]

Brückner

Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.03.2010 -
XIV 12/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 15.06.2010 -
18 T 3105/10 -

7

Meta

V ZB 189/10

12.05.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.05.2011, Az. V ZB 189/10 (REWIS RS 2011, 6707)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6707

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