Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2011, Az. AnwZ (Brfg) 12/11

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2011, 5579

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[X.]UNDESGERICHTSHOF

[X.]ESCHLUSS
AnwZ
([X.]) 12/11
vom

22. Juni
2011

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
-

2

-

Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Kessal-Wulf, die Richterin
Lohmann, [X.] sowie
die Rechtsanwälte Prof. Dr. Stüer und Dr. Martini am
22. Juni
2011

beschlossen:

Der Antrag des [X.]
auf Zulassung der [X.]erufung gegen das Urteil des 1.
[X.]s des [X.]s
des Landes Nord-rhein-Westfalen
vom 19.
November
2010 wird
abgelehnt.

Der
Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000

festgesetzt.

Gründe:

1. Der
Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Rechtsanwaltszu-lassung wegen Vermögensverfalls (§
14 Abs.
2 Nr.
7 [X.]). Der [X.] hat die Klage abgewiesen.
Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulas-sung der [X.]erufung hat keinen Erfolg.

1
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2.
Nach §
14 Abs.
2 Nr.
7 [X.] ist die Zulassung zur Rechtsanwalt-schaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Dass sich der Kläger in Vermögensverfall befindet, hat der [X.] zutreffend festgestellt und wird mit dem Antrag auf Zulassung
der [X.]e-rufung zu Recht
nicht in Frage gestellt.
Entgegen der Auffassung des [X.] bestehen bezüglich der weiteren Widerrufsvoraussetzung (Gefährdung der In-teressen der Rechtsuchenden)
weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§
112c Abs.
1 Satz
1 [X.], §
124 Abs.
2 Nr.
1 VwGO) noch stellen sich insoweit rechtsgrundsätzliche Fragen

112c Abs.
1 Satz
1 [X.], §
124 Abs.
2 Nr.
3 VwGO).

a) Der Gesetzgeber geht, wie dem Wortlaut
des §
14 Abs.
2 Nr.
7 [X.] zu entnehmen ist, grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aus, wenn sich ein
Rechtsanwalt in Vermögensverfall [X.]. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verste-hen
ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen des Vermögensverfalls folgt, wird diese
im nach der gesetzli-chen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Aus-nahmefällen verneint werden können ([X.] [X.]srechtsprechung;
vgl. nur [X.] vom 18.
Oktober 2004 -
AnwZ
([X.]) 43/03, [X.], 511
und vom 8.
Februar 2010 -
AnwZ
([X.]) 67/08, [X.]RAK-Mitt. 2010, 129 Rn.
11, jeweils m.w.N.).
Eine solche Sondersituation hat der [X.] bejaht in einem Fall, in dem
ein Rechtsanwalt seinen [X.]eruf bisher ohne jede [X.]eanstandung ausgeübt und den Insolvenzantrag selbst gestellt hatte, nach Auskunft des Insolvenzverwal-ters keine Anmeldungen von Gläubigern vorlagen, die aus Mandaten des Rechtsanwalts stammten,
und vor allem
dieser nicht mehr als selbständiger Einzelanwalt, sondern als angestellter Anwalt in einer größeren Sozietät tätig 2
3
-

4

-

war und sich in seinem Arbeitsvertrag im Hinblick auf die durch §
14 Abs.
2 Nr.
7 [X.] geschützten [X.]elange der Rechtsuchenden erheblichen [X.]eschrän-kungen unterworfen hatte ([X.]eschluss vom 18.
Oktober 2004, aaO
S.
511
f.; siehe auch [X.]eschluss vom 8.
Februar 2010, aaO Rn.
9). Hierbei hat der [X.] allerdings besonderen Wert auf die Überprüfung
der Einhaltung der [X.]eschrän-kungen durch die Sozietätsmitglieder
gelegt. Wesentlich war, dass -
auch in [X.] (Urlaub, Krankheit oder sonstige Abwesenheit)
-
effektive Kontrollmöglichkeiten bestanden. Letztlich bedarf es insoweit immer einer aus-reichend engen tatsächlichen
Überwachung, die gewährleistet, dass der Rechtsanwalt nicht bzw. nicht unkontrolliert mit Mandantengeldern in [X.]erührung
kommt ([X.]eschluss vom 8.
Februar 2010, aaO Rn.
12; siehe auch [X.]eschlüsse
vom 18.
Oktober 2004, aaO, vom 5.
Dezember 2005 -
AnwZ
([X.]) 13/05, NJW-RR 2006, 559
f.
und
vom 15.
September 2008 -
AnwZ
([X.]) 109/06, juris Rn.
10).

b) Das Vorliegen
einer
solchen
Ausnahme hat der [X.] im Ergebnis zutreffend verneint. Denn jedenfalls
ist eine effektive
Kontrolle der klägerischen Tätigkeit nicht hinreichend gesichert. Zwar ist der Kläger
zwi-schenzeitlich in einer Partnerschaftsgesellschaft
zweier
miteinander verheirate-ter
Sozien
in M.

als angestellter Anwalt tätig. Auch hat er sich arbeitsvertraglich
weit reichenden [X.]eschränkungen unterworfen. Ob insoweit die Situation in der Praxis der Sozietät in M.

den Anforderungen der [X.]srechtsprechung entspricht, kann dahinstehen. Denn die notwendige Überwachung ist deshalb nicht gewährleistet, weil der Kläger -
insoweit nimmt der [X.] [X.]ezug auf die eigenen Angaben des [X.] im Termin vor dem [X.] am 19.
November 2010 und die diesbezüglichen Feststellun-gen
im angefochtenen Urteil
-
seinen [X.]eruf nicht nur in M.

, sondern zu einem wesentlichen Teil in D.

in den Räumen seiner [X.]
-

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-

maligen Kanzlei ausübt. Diese wird
jetzt von seiner Tochter und Verfahrensbe-vollmächtigten betrieben, die etwa 30
% des früheren [X.] des [X.] übernommen hat. Neben dem
Praxisschild
der Tochter befindet sich außen am Gebäude in D.

auch ein Schild der "Partnerschaftsgesell-schaft Dr.
P.

& Partner". Insoweit wickelt der Kläger in D.

Verkehr mit Mandanten der Partnerschaftsgesellschaft ab, ohne dass einer der Sozien örtlich zugegen wäre. Er akquiriert dort auch Mandate für seinen Arbeitgeber und
seine Tochter. Wegen der [X.]esonderheit, dass der Kläger in D.

in den Räumen seiner früheren Kanzlei arbeitet, geschieht es ferner, dass "alte" Mandanten zu ihm kommen, mag er sie bisher auch -
je nach Lage des Einzel-falls
-
dann an seinen Arbeitgeber oder seine Tochter verweisen. Der Umstand, dass sich der Kläger als Rechtsanwalt in einem wesentlichen Umfang außer-halb der Räume der Sozietät in M.

und damit ohne eine [X.] Kontrolle durch die Sozietät
betätigt, hindert die Annahme, dass eine Ge-fährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausgeschlossen i[X.]
Insoweit ge-nügen die in der [X.]egründung des Zulassungsantrags angesprochenen Siche-rungsmaßnahmen nicht.

Dass allein die zwischenzeitliche Eröffnung des Insolvenzverfahrens
und die damit verbundene Verfügungsbeschränkung des [X.] zugunsten des Insolvenzverwalters die Gefährdung nicht entfallen lassen, entspricht der ständigen [X.]srechtsprechung (vgl. nur [X.]eschlüsse vom 13.
März 2000 -
AnwZ
([X.])
28/99, [X.], 1228, 1229,
vom 18.
Oktober 2004, aaO,
vom 25.
Juni 2007 -
AnwZ
([X.]) 101/05, NJW 2007, 2924 Rn.
12, vom 31.
Mai 2010 -
AnwZ
([X.]) 36/09, juris Rn.
6, 10) und wird mit dem Zulassungsantrag auch nicht in Frage gestellt, so
dass dahinstehen kann, inwieweit nachträgliche Umstände
im [X.]erufungszulassungsverfahren [X.]erücksichtigung finden können.

5
-

6

-

c) Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche [X.]edeutung. Eine sol-che
kommt einem Rechtsstreit nur dann zu, wenn dieser eine entscheidungser-hebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das
abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur [X.]GH, [X.]eschluss vom 27.
März 2003 -
V
ZR 261/02, [X.]GHZ 154, 288, 291 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die vom Kläger in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung, bei verfassungskonformer Auslegung (Art.
12 Abs.
1 [X.]; Verhältnismäßigkeits-grundsatz) sei die allein aus dem Gesetzeswortlaut entnommene These der Gemeinwohlgefährlichkeit des Vermögensverfalls fraglich, teilt der [X.] nicht.
Insoweit besteht kein Klärungsbedarf; die Frage ist längst geklärt. Die Regelung in §
14 Abs.
2 Nr.
7 [X.] ist verfassungsgemäß; soweit danach eine Fortfüh-rung anwaltlicher Tätigkeit bei Vermögensverfall nur in Ausnahmefällen einer besonderen Absicherung vor den in solchen Fällen generell gegebenen Ge-fährdungen zu gestatten ist, verstößt dies weder gegen Art.
12 [X.] noch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ([X.]
[X.]srechtsprechung, vgl. nur [X.] vom 12.
Februar 2001
-
AnwZ
([X.]) 7/00, juris Rn.
13, vom 17.
Oktober 2005
-
AnwZ ([X.]) 73/04, NJW-RR 2006, 859
und vom 31.
Mai 2010, aaO Rn.
3; siehe auch [X.]VerfG,
[X.], 3057 zur [X.] des §
50 Abs.
1 Nr.
6 [X.]NotO).

6
-

7

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
112c Abs.
1 Satz
1 [X.] i.V.m. §
154 Abs.
2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §
194 Abs.
2 Satz
1 [X.].

Kessal-Wulf
Lohmann

[X.]

Stüer
Martini
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 19.11.2010 -
1 [X.] 70/10 -

7

Meta

AnwZ (Brfg) 12/11

22.06.2011

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2011, Az. AnwZ (Brfg) 12/11 (REWIS RS 2011, 5579)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5579

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