Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.04.2012, Az. AnwZ (Brfg) 62/11

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2012, 7471

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[X.]UNDESGERICHTSHOF

[X.]ESCHLUSS
AnwZ ([X.]) 62/11

vom

4. April 2012

in der
verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
-

2

-

Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat
durch den Präsidenten des [X.] Prof. Dr. Tolksdorf, die Richterin [X.], den Richter [X.] sowie die Rechtsanwälte [X.] und Prof. Dr. Stüer
am
4. April 2012

beschlossen:

Die Anträge des [X.] auf [X.]ewilligung von Prozesskostenhilfe und auf Zulassung der [X.]erufung gegen das Urteil des 1.
Senats des [X.]ayerischen [X.]
vom 7.
November 2011 werden
abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000

Gründe:

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Rechtsanwaltszulas-sung wegen [X.] (§
14 Abs.
2 Nr.
7 [X.]). Der [X.] hat die Klage abgewiesen. Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulas-sung der [X.]erufung hat keinen Erfolg; Prozesskostenhilfe konnte deshalb nicht bewilligt werden (§ 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 166 VwGO, § 114 Satz 1 ZPO).

1
-

3

-

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund entscheidungserheblicher Verfahrensfehler (§
112e Satz
2 [X.], §
124 Abs.
2 Nr.
5 VwGO) liegt nicht vor.
Soweit mit der Antragsbegründung in der Sache gerügt wird, das Urteil des [X.] sei falsch, bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rich-tigkeit der Klagabweisung (§
112e Satz
2 [X.], §
124 Abs.
2 Nr.
1 VwGO); der Widerruf der Zulassung des [X.] zur Rechtsanwaltschaft ist zu Recht erfolgt.

a) Nach §
14 Abs.
2 Nr.
7 [X.] ist die Zulassung zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind; ein Vermögensverfall wird dabei vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren -
wie hier durch [X.]eschluss des Amtsgerichts (Insolvenzgerichts)
A.

vom 4.
November 2010

(1 IN

) -
über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet ist.

[X.]) Im Falle eines Insolvenzverfahrens ist die gesetzliche Vermutung des [X.] erst dann widerlegt und können
die Vermögensverhältnisse wieder als geordnet angesehen werden, wenn dem Schuldner entweder durch [X.]eschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt wurde (§
291 [X.]) oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§
248 [X.]) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§
308 [X.]) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (vgl. nur Senatsbeschluss vom 28.
Oktober 2011
-
AnwZ
([X.]) 20/11, juris Rn.
8; siehe auch [X.]eschlüsse vom 31.
Mai 2010
-
AnwZ
([X.]) 27/09, Z[X.] 2010, 1380 Rn.
15 und 16.
September 2011
-
AnwZ
([X.]) 26/11, juris Rn.
7). Diese Voraussetzungen lagen zum maßgebli-chen Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens (vgl. 2
3
4
-

4

-

hierzu Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 -
AnwZ ([X.]) 11/10, NJW
2011, 3234) nicht vor; sie sind im Übrigen bis heute nicht gegeben.

Soweit der Kläger in seiner Antragsbegründung darauf [X.]ezug nimmt, dass der Vermögensverfall auch durch eine substantiierte Vermögensaufstel-lung unter Angabe aller Verbindlichkeiten und Vorlage eines entsprechenden Tilgungsplans widerlegt werden könne, beziehen sich diese in der Rechtspre-chung des Senats entwickelten Anforderungen auf die Vermutung des Vermö-gensverfalls
bei Eintragung in
das
Schuldnerverzeichnis (vgl. etwa Senatsbe-schluss vom 31.
März 2008 -
AnwZ
([X.]) 8/07, juris Rn.
9). Im Übrigen hat der Kläger entsprechende Unterlagen nie
vorgelegt; ihm obliegt es jedoch, die [X.] Vermutung des [X.]
zu widerlegen. Seine Auffassung, solche Unterlagen hätten von Amts wegen vom Insolvenzverwalter angefordert werden müssen und dessen etwaige Versäumnisse gingen nicht zu seinen Las-ten, ist unzutreffend.

bb)
Nach der gesetzlichen Wertung des §
14 Abs.
2 Nr.
7 [X.] indiziert der Vermögensverfall die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden. [X.] kann in seltenen Ausnahmefällen eine Gesamtwürdigung der Person des Rechtsanwalts, der Umstände des Insolvenzverfahrens und der [X.]eschrän-kungen, denen er sich arbeitsvertraglich unterworfen hat, die Annahme des Ausschlusses
einer solchen Gefährdung rechtfertigen, wobei hierfür die Fest-stellungslast den Rechtsanwalt trifft. Dieser muss die zum Schutz der Interes-sen der Rechtsuchenden in seiner Lage erforderlichen Vorkehrungen treffen; auch muss
vertragsrechtlich und tatsächlich sichergestellt sein, dass diese [X.] werden. Dies setzt regelmäßig die Aufgabe einer Tätigkeit als Einzel-anwalt und den Abschluss eines Anstellungsvertrags mit einer Anwaltssozietät voraus, der nach der [X.], dem Umfang der Tätigkeitsver-5
6
-

5

-

pflichtung des Rechtsanwalts gegenüber der Sozietät und den getroffenen Maßnahmen
einen effektiven Schutz der Interessen der Rechtsuchenden er-warten lässt. Im Übrigen gehört zu solchen besonderen Umständen, die im Rahmen der Gesamtwürdigung zu
beachten sind, ob
der Rechtsanwalt seinen [X.]eruf bisher ohne jede [X.]eanstandung ("tadellos") geführt und gegebenenfalls den Insolvenzantrag selbst gestellt hat
(vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 18. Ok-tober 2004 -
AnwZ ([X.]) 43/03, [X.], 511
f.,
vom 25. Juni 2007 -
AnwZ ([X.]) 101/05, NJW 2007, 2924 Rn. 8 ff.,
vom 31. Mai 2010, [X.]O Rn. 16 f.
und vom 18. Oktober 2010 -
AnwZ ([X.]) 21/10, juris Rn. 8 ff.).

Ob der vom Kläger mit Schriftsatz vom 2.
November 2011 vorgelegte Arbeitsvertrag vom 1.
August 2011 den Anforderungen der Senatsrechtspre-chung genügt, kann dahinstehen. In
den
Arbeitsvertrag ist zwar -
ersichtlich im Hinblick auf die Rechtsprechung
des Senats
zum maßgeblichen Zeitpunkt für die [X.]eurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs ([X.]eschluss vom 29. Juni 2011, [X.]O) und die Notwendigkeit, dass der Arbeitsvertrag bereits über einen längeren Zeitraum beanstandungsfrei durchgeführt ("gelebt")
worden sein muss (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2010 -
AnwZ ([X.]) 67/08, Anw[X.]l. 2010, 442 Rn. 12, vom 31. Mai 2010, [X.]O Rn. 17
und vom 6. September 2011
-
AnwZ ([X.]) 5/11, juris Rn. 5) -
ausdrücklich
die
[X.]estätigung
aufgenommen worden,
dass die im
Vertrag enthaltenen [X.]eschränkungen und Schutzvorkeh-rungen bereits zuvor im
Rahmen des
freien Mitarbeiterverhältnisses
des Klä-gers ab Juni 2000 gegolten
hätten. Ob dies den Tatsachen entspricht,
kann ebenfalls offen bleiben,
wogegen allerdings das Vorbringen des [X.] in der [X.] sprechen könnte. Schließlich kommt es auch nicht auf die in diesem Zusammenhang gegen die [X.]ewertung des Arbeitsvertrags durch den [X.] erhobenen [X.] des [X.] an.

7
-

6

-

Denn das Vertragsverhältnis stellt im Rahmen der notwendigen Ge-samtwürdigung (s.o.) nur eines von mehreren Elementen dar. Zusätzlich muss der betroffene Rechtsanwalt unter anderem sein bisheriges
[X.]erufsleben [X.] ausgeübt haben; anderenfalls verbietet sich die Annahme eines Ausnahmefalls (vgl. nur Senatsbeschlüsse
vom 5. Dezember 2005 -
AnwZ ([X.]) 96/04, juris Rn. 7,
vom 26. März 2007 -
AnwZ ([X.]) 104/05, juris Rn. 8,
vom 31.
März 2008, [X.]O Rn. 11, vom 15. September 2008
-
AnwZ ([X.]) 109/06, juris Rn. 11, 14 und vom 8. Februar 2010 -
AnwZ ([X.]) 67/08, Anw[X.]l. 2010, 442 Rn.
16). Hierzu hat der Kläger jedoch weder im Verfahren vor dem [X.] noch in der [X.]egründung seines Zulassungsantrags näher vorgetragen, obwohl ihn die Darlegungslast für das Vorliegen eines Ausnahmefalls trifft und die [X.]eklagte sowohl in ihrem Widerrufsbescheid vom 20. April 2011
als auch in ihrer [X.] vom 9. Juni 2011 darauf hingewiesen hat, dass diese Vor-aussetzung nicht vorliegt. Denn gegen den
Kläger ist durch rechtskräftiges Ur-teil des Anwaltsgerichts für den [X.]ezirk der
Rechtsanwaltskammer
[X.].

vom 17.
Juli 2003 ([X.]

) ein beschränktes [X.]erufsverbot ausgesprochen worden, mit dem ihm untersagt wurde, auf die Dauer von zwei Jahren
als [X.] und [X.]eistand in allen Rechtsgebieten mit Ausnahme von Familien-
und Strafsachen tätig zu sein. Grundlage dieser berufsrechtlichen
Sanktion war
eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Untreue in 4 Fällen im Rahmen der anwalt-lichen Tätigkeit
des [X.]. Das Amtsgericht A.

(2 Ds

) hat den Kläger am 19. September 2001 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten auf [X.]ewährung verurteilt; auf die [X.]erufung des [X.] -
beschränkt auf das Strafmaß
-
hat das Landgericht A.

(3 Ns 2 Ds

) am 20. Juni 2002 die Strafe auf sechs
Monate reduziert.
Von einem tadellosen beruflichen Leben des [X.] kann deshalb keine Rede sein, ohne dass es noch auf die von der Generalst[X.]tsanwaltschaft [X.].

unter dem 7.
Juni 2010 (1 EV

) und 7. November 2011 (1 EV

) gegen den
8
-

7

-

Kläger erhobenen Anschuldigungen wegen dreier Verstöße gegen die Pflicht zur dauernden Unterhaltung einer [X.]erufshaftpflichtversicherung ankommt.

cc) Soweit der Kläger abschließend auf die Interessen seines [X.] am Erhalt der Anwaltszulassung verweist, sind diese von vorneherein un-geeignet, den Widerruf in Frage zu stellen.

2. [X.] beruht auf §
112c Abs.
1 Satz
1 [X.] i.V.m. §
154 Abs.
2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §
194 Abs.
2 Satz
1 [X.].

Tolksdorf
[X.]

[X.]

Wüllrich
Stüer
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 07.11.2011 -
[X.]ayAGH I -
6/11 -

9
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Meta

AnwZ (Brfg) 62/11

04.04.2012

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.04.2012, Az. AnwZ (Brfg) 62/11 (REWIS RS 2012, 7471)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7471

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