Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.07.2016, Az. IV ZR 245/15

4. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 7888

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Gegenstand

Rechtsschutzversicherung: Deckungsschutz für Klage wegen Zwangsumtauschs von griechischen Staatsanleihen


Leitsatz

Eine Klage auf Rückzahlung griechischer Staatsanleihen, die von der Hellenischen Republik wegen des Zwangsumtausches der Anleihen durch den Greek Bondholder Act verweigert wird, ist vom Deckungsschutz in der Rechtschutzversicherung nicht durch eine Klausel ausgeschlossen, nach der Rechtsschutz nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Enteignungs-, Planfeststellungs-, Flurbereinigungs- sowie im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten besteht.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] - 25. Zivilsenat - vom 17. April 2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger Rechtsschutz für eine Klage mit dem im vorbezeichneten Urteil genannten Antrag zu bewilligen, festgestellt wird.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger unterhält eine Rechtsschutzversicherung. Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung ([X.] 2004) des Versicherers (im Folgenden nur: [X.]) zugrunde, deren §§ 2 und 3 auszugsweise wie folgt lauten:

"§ 2 Leistungsarten

Der Umfang des Versicherungsschutzes kann in den Formen des § 21 bis § 29 vereinbart werden. Je nach Vereinbarung umfaßt der Versicherungsschutz

...

d) Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht (auch über [X.] geschlossene Verträge) für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus privatrechtlichen Schuldverhältnissen und dinglichen Rechten, ...

...

§ 3 Ausgeschlossene Rechtsangelegenheiten

Rechtsschutz besteht, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen

...

(3) a) in Verfahren vor Verfassungsgerichten;

b) in Verfahren vor internationalen oder supranationalen Gerichtshöfen, soweit es sich nicht um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen von Bediensteten internationaler oder supranationaler Organisationen aus Arbeitsverhältnissen oder öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen handelt;

c) in ursächlichem Zusammenhang mit einem über das Vermögen des Versicherungsnehmers beantragten oder eröffneten Konkurs- oder Vergleichsverfahren;

d) in [X.], Planfeststellungs-, Flurbereinigungs- sowie im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten;

e) in [X.] und Verwaltungsverfahren wegen des Vorwurfes eines Halt- oder Parkverstoßes;

..."

2

Die Beklagte ist das vom Versicherer beauftragte Schadenabwicklungsunternehmen.

3

Der Kläger begehrt Rechtsschutz für eine Klage gegen die [X.]. Er hatte im Jahre 2010 Staatsanleihen des [X.] Staates erworben, deren Nominalwert 10.000 € betrug, bevor sie auf Grundlage des [X.] Gesetzes Nr. 4050/2012 vom 23. Februar 2012, dem sogenannten [X.], konvertiert und gegen neue Staatsanleihen mit einem niedrigeren Nominalwert ausgetauscht wurden.

4

Der Kläger akzeptiert den Zwangsumtausch nicht und will mit der beabsichtigten Klage gegen die [X.], die die Rückzahlung der ursprünglich am 20. August 2012 fälligen Anleihen verweigert, einen Zahlungsanspruch Zug um Zug gegen Gestattung der Rückbuchung der zugunsten des [X.] im Zuge des [X.] eingebuchten Wertpapiere geltend machen.

5

Dazu führen der [X.] und das Begleitschreiben seiner Bevollmächtigten an den Versicherer aus, es würden Zahlungsansprüche aus den 2010 erworbenen, zur Rückzahlung fälligen Anleihen verfolgt. Hilfsweise sollen Ansprüche aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung geltend gemacht werden. Im [X.] wird die Umschuldung als rechtswidriger enteignungsgleicher Eingriff gewürdigt. Die angenommenen Verstöße gegen die [X.], die Grundrechtecharta der [X.] und das Völkergewohnheitsrecht bewirkten einen Verstoß gegen den ordre public, der dazu führe, dass der [X.] nicht angewendet werden dürfe.

6

Die Beklagte hat die erbetene Kostenzusage unter Berufung auf § 3 (3) d) der [X.] abgelehnt. In [X.] genieße der Kläger keinen Rechtsschutz.

7

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

8

In der [X.] hat sich die Beklagte ergänzend darauf berufen, dass es im Hinblick auf die Entscheidung des [X.] vom 8. März 2016 ([X.]) nunmehr auch an der hinreichenden Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Klage fehle.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in [X.], 1159 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, die beabsichtigte Klage falle unter das versicherte Risiko. Der Versicherungsschutz umfasse nach § 26 (3) der [X.] auch Vertragsrecht im Sinne des § 2 d) der [X.]. Der Anspruch, den der Kläger geltend zu machen beabsichtige, habe seine Grundlage in einem schuldrechtlichen Vertragsverhältnis.

Die Klausel des § 3 (3) d) der [X.] schließe die Rechtsangelegenheit nicht vom Versicherungsschutz aus. Dabei könne offen bleiben, ob es sich bei der beabsichtigten Klage allein um die Geltendmachung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs handele oder um eine einen schuldrechtlichen Anspruch betreffende Enteignungsangelegenheit. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer, dessen Sicht maßgeblich sei, werde unter Berücksichtigung der Verklammerung der in § 3 (3) d) der [X.] aufgeführten Begriffe den Schluss ziehen, dass hier ein Leistungsausschluss nur für Enteignungen im Zusammenhang mit Grundeigentum vorgenommen werde. Im allgemeinen Sprachgebrauch werde der Begriff Enteignung typischerweise bezogen auf körperliche Gegenstände verwendet. Dass sich nach juristischen Kriterien Enteignungen auch auf schuldrechtliche Ansprüche beziehen könnten, sei dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht geläufig.

Der Bezug zu Grundstücksangelegenheiten ergebe sich aus der Verwendung des Enteignungsbegriffs gemeinsam mit den Begriffen Planfeststellungs-, Flurbereinigungs- und im Baugesetzbuch geregelte Angelegenheiten. Letztere drei beträfen eindeutig Grundstücksangelegenheiten. Die sprachliche Verknüpfung durch den gemeinsamen Begriff "Angelegenheiten" begründe dabei einen besonders engen Zusammenhang.

Ein solches Verständnis lege auch der systematische Aufbau von § 3 (3) der [X.] nahe. Die dort unter den jeweiligen Alternativen a) bis e) geregelten Ausschlüsse bezögen sich jeweils auf einen einheitlichen Regelungsgegenstand, der bei Buchstabe d) in "Grundstücksangelegenheiten" bestehe.

Im Übrigen ergebe sich aus der gebotenen engen Auslegung von Ausschlussklauseln, dass Enteignungen oder enteignungsgleiche Eingriffe bezogen auf schuldrechtliche Ansprüche nicht erfasst würden. Selbst wenn man eine gegenteilige Auslegung für möglich erachtete, verbliebe es als Folge des Günstigkeitsprinzips dabei, dass § 3 (3) d) der [X.] nicht zum Ausschluss des Versicherungsschutzes führt.

II. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

1. Der Antrag des [X.], die Beklagte zu verurteilen, ihm "Rechtsschutz zu bewilligen", ist so auszulegen, dass die Feststellung begehrt wird, die Beklagte sei zur Gewährung von Versicherungsschutz verpflichtet (vgl. Senatsurteil vom 20. Oktober 1982 - [X.], [X.], 125 unter I).

2. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, die beabsichtigte Rechtsverfolgung falle unter die Leistungsart "Vertragsrecht" im Sinne des § 2 d) der [X.].

a) Als Voraussetzung für das Bestehen von Versicherungsschutz muss der Versicherungsnehmer schlüssig darlegen, dass der von ihm verfolgte Anspruch aus einem Rechtsverhältnis herrührt, das in den Schutzbereich seines Versicherungsvertrages fällt ([X.]/Stahl, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 2 [X.] 2000 Rn. 4; vgl. auch [X.], Urteil vom 12. Januar 1961 - [X.], [X.], 121 m.w.N. zur Haftpflichtversicherung). Der Rechtsschutz nach § 2 d) der [X.] umfasst privatrechtliche Schuldverhältnisse aller Art ([X.]/Stahl, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 2 [X.] 2000 Rn. 160).

b) Diese Anforderungen hat der Kläger erfüllt. Er hat vorgetragen, fällige privatrechtliche Zahlungsansprüche gegen die [X.] aus von ihr begebenen Inhaberschuldverschreibungen zu verfolgen (zur Leistungsart Vertrags-Rechtsschutz in § 2 d) [X.] 2000 bei [X.] vgl. [X.]/Stahl, Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 2 [X.] 2000 Rn. 165). Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus dem Klägervortrag nicht, dass er seinen schuldrechtlichen Anspruch aus den erworbenen Anleihen als erloschen betrachtet und Entschädigungsansprüche aus einem enteignungsgleichen Eingriff geltend macht. Nach der im [X.] und im Begleitschreiben an den Versicherer geäußerten Auffassung besteht der schuldrechtliche Anspruch fort, weil der [X.] wegen Verstoßes gegen den ordre public nicht angewendet werden dürfe und überdies die für die Durchführung des Umtauschs erforderliche Quote nicht erreicht worden sei. Die beabsichtigte Verfolgung vertragsrechtlicher Ansprüche ist nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger in seinem Entwurf der Klageschrift bereits in großem Umfang zu auf den [X.] gestützten Einwendungen der [X.] Stellung nimmt und im Hinblick hierauf sowohl dieses Gesetz als auch den Umtausch der Anleihen einer rechtlichen Bewertung unterzieht.

3. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Anspruch nicht durch § 3 (3) d) der [X.] des Versicherers ausgeschlossen ist.

a) Wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, ist der Begriff "Enteignungsangelegenheiten" aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers so zu verstehen, dass er nur Enteignungen erfasst, die - anders als im Streitfall - einen [X.] aufweisen (a.[X.] Düsseldorf [X.], 550, 551 f. und [X.], 135).

aa) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (Senatsurteil vom 23. Juni 1993 - [X.], [X.]Z 123, 83, 85; st. Rspr.). Dabei kommt es auf die [X.] eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Ausnahme, wenn die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet. In diesen Fällen ist anzunehmen, dass auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen. Ein von der Rechtssprache abweichendes Verständnis kann allerdings dann in Betracht kommen, wenn das allgemeine Sprachverständnis von der Rechtssprache in einem Randbereich deutlich abweicht oder wenn der Sinnzusammenhang der Versicherungsbedingungen etwas anderes ergibt (Senatsurteile vom 21. Mai 2003 - [X.], [X.], 362 unter 2 a; vom 8. Dezember 1999 - [X.], [X.], 311 unter [X.] [X.]).

bb) (1) Ausgangspunkt der Auslegung ist der Klauselwortlaut (Senatsurteil vom 11. Dezember 2002 - [X.], [X.]Z 153, 182, 186). Der verwendete Begriff "Enteignung" verweist zwar auf rechtliche Kategorien. Der zusätzliche, in hohem Maße interpretationsbedürftige und interpretationsfähige Ausdruck "Angelegenheiten" führt aber dazu, dass ein fest umrissener Begriff der Rechtssprache nicht anzunehmen ist (vgl. Senatsurteil vom 21. Mai 2003 - [X.], [X.], 362 unter 2 [X.] zum Ausdruck "Bereich").

(2) Demgemäß kommt es für die Auslegung auf die [X.] und auch auf die Interessen des durchschnittlichen Versicherungsnehmers an. Bei [X.] geht das Interesse des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck der Klausel dies gebietet. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen, ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (Senatsurteile vom 28. Oktober 2015 - [X.], [X.], 41 Rn. 38 und vom 8. Mai 2013 - [X.], [X.], 853 Rn. 41; Senatsbeschluss vom 11. September 2013 - [X.]/12, [X.], 1395 Rn. 12; jeweils m.w.N.).

(3) [X.] verfolgt den - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbaren - Zweck, die erfahrungsgemäß besonders kostenträchtigen und im Kostenrisiko schwer überschaubaren Streitigkeiten von der Versicherung auszunehmen, von denen nur ein regional begrenzter Kreis von Rechtsinhabern betroffen ist (vgl. [X.]/[X.], Rechtsschutzversicherung 8. Aufl. § 3 [X.] 2000 Rn. 161; OLG Karlsruhe r+s 1999, 70, 72 zu § 4 (1) r) [X.] 1984), weil sich die aufgezählten hoheitlichen Maßnahmen oder Planungen nachteilig auf Grundstücke oder Rechte an Grundstücken auswirken (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.] § 3 [X.] 2010 Rn. 156; [X.] in [X.]/Matusche-[X.], [X.] 3. Aufl. § 37 Rn. 338). Das nur dieser Minderheit drohende hohe Kostenrisiko soll nicht der [X.] aller Versicherten aufgebürdet werden (vgl. [X.]/[X.] aaO Rn. 147).

(4) Die gewählte Ausdrucksweise und Systematik sprechen ebenfalls für diese Begrenzung des Anwendungsbereiches der Ausschlussklausel. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkennt, dass die in § 3 der [X.] vom Versicherungsschutz ausgenommenen Risiken zu Gruppen zusammengefasst sind. Die Zusammenfassung wird bei § 3 (3) d) der [X.] neben der Aufzählung unter einem gemeinsamen Buchstaben durch die sprachliche Verknüpfung mit dem Begriff "Angelegenheiten" vorgenommen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird davon ausgehen, dass die Angelegenheiten wegen einer allen Elementen der jeweiligen Aufzählung innewohnenden Gemeinsamkeit zusammengefasst wurden. Als die Aufzählung in § 3 (3) d) der [X.] verbindende Gemeinsamkeit wird er den [X.] ausmachen, der bei Planfeststellungs-, Flurbereinigungs- und im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten gegeben ist. Anders als die Revision meint, wird er nicht annehmen, dass die Zusammenfassung auf dem [X.] beruht, weil Enteignungen mit im Baugesetzbuch geregelten Angelegenheiten nicht typischerweise verbunden sind.

(5) Das [X.] von Zahlungsansprüchen im Zusammenhang mit einem gesetzlich angeordneten Umtausch von Inhaberschuldverschreibungen eines Staates ist deshalb bei der gebotenen engen Auslegung von [X.] nicht als Wahrnehmung rechtlicher Interessen in Enteignungsangelegenheiten im Sinne des § 3 (3) d) der [X.] des Versicherers anzusehen (so zu wortgleichen Bedingungen [X.], 232; Cornelius-Winkler, [X.] 2/2014 [X.]. 6; [X.], [X.], 552; a.A. [X.], 135 zu § 4 (1) r) [X.] 1975/2002; [X.] [X.], 550, 551; Armbrüster in [X.]/[X.], [X.]. § 3 [X.] 2010 Rn. 72; [X.] in [X.]/Matusche-[X.], [X.] 3. Aufl. § 37 Rn. 344a).

b) Unabhängig hiervon könnte die in Rede stehende Ausschlussklausel im Streitfall selbst dann nicht zum Zuge kommen, wenn man ihr Eingreifen grundsätzlich auch außerhalb der Enteignung von Grundstücken für möglich hielte.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird die Regelung bei der gebotenen engen Auslegung nämlich jedenfalls so verstehen, dass eine Enteignungsangelegenheit nur dann vorliegt, wenn er sich unmittelbar gegen eine enteignende oder enteignungsgleiche Maßnahme zur Wehr setzen will, wie z.B. durch [X.] oder Anfechtungsklagen vor den Verwaltungsgerichten, oder wenn er Ansprüche (etwa auf Entschädigung) geltend machen will, die erst auf dieser hoheitlichen Maßnahme beruhen, nicht aber, wenn er einen Anspruch verfolgen und durchsetzen will, der bereits unabhängig von der enteignenden Maßnahme entstanden ist und durchgesetzt werden soll und dem eine hoheitliche Maßnahme lediglich im Wege einer Einwendung entgegengehalten wird. Er wird nicht annehmen, dass sich das Vorliegen einer Enteignungsangelegenheit nach den Einwendungen bestimmt, mit denen der Gegner sich gegenüber dem Anspruch, den der Versicherungsnehmer im Aktivprozess zu verfolgen beabsichtigt, verteidigt.

Dementsprechend ist auch nach der neueren Senatsrechtsprechung für die Bestimmung der Angelegenheit, in der der Versicherungsnehmer seine rechtlichen Interessen verfolgen will, nur der Tatsachenvortrag entscheidend, mit dem er seinen Anspruch begründet. Darauf, welche Einwendungen der Gegner dem entgegenhält, kommt es für die Bestimmung des Versicherungsfalles nicht an (Senatsurteil vom 25. Februar 2015 - [X.], [X.], 485 Rn. 14 ff.). Anderenfalls hätte es der am Rechtsschutzversicherungsvertrag nicht beteiligte Dritte als Außenstehender in der Hand, durch die Wahl seiner Verteidigung dem Versicherungsnehmer den Rechtsschutz zu entziehen (Senat aaO Rn. 16).

Im Streitfall verlangt der Kläger, wie ausgeführt, eine Zahlung aus den 2010 erworbenen Anleihen und begründet diesen Zahlungsanspruch nicht damit, eine Entschädigung wegen der Enteignung im Hinblick auf diese Wertpapiere zu verfolgen. Gegenstand seines Begehrens, für das er Deckung begehrt, ist danach gerade nicht die hoheitliche Maßnahme, die dem Anspruch als Einwendung entgegengehalten wird, hier der [X.], auf den sich die [X.] beruft, um den Erfüllungsanspruch aus der ursprünglich begebenen Anleihe nicht erfüllen zu müssen.

III. Schließlich scheitert der [X.] nicht an einer fehlenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage.

1. Nach § 18 (1) b) der [X.] ist ein derartiger Einwand dem Versicherungsnehmer unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Das ist hier nicht geschehen; die Beklagte hat ihre Leistungsablehnung in ihren Schreiben vom 13. Januar 2014 und vom 28. Januar 2014 ausschließlich darauf gestützt, dass es sich um eine Enteignungsangelegenheit im Sinne der Ausschlussklausel handele. Wird der Einwand fehlender Erfolgsaussicht nicht in der gebotenen Form und Frist erhoben, so hat dies den Verlust dieses Ablehnungsrechts zur Folge (Senatsurteil vom 19. März 2003 - [X.], [X.], 638 unter 2 a aa, juris Rn. 13).

2. Das Urteil des [X.] vom 8. März 2016 ([X.]), mit dem eine Schadensersatzklage gegen die [X.] für unzulässig erachtet wurde, ändert daran für den Streitfall nichts.

a) Insoweit kann es dahinstehen, ob hierin eine auch den Streitfall erfassende Umgestaltung der Rechtslage erblickt werden kann - was zweifelhaft sein könnte, weil dort nicht über vertragliche Ansprüche entschieden wurde - und ob eine eventuelle Umgestaltung durch eine höchstrichterliche Entscheidung auch die nachträgliche Erhebung des Einwands rechtfertigen kann (vgl. dazu [X.], 232, 233 juris Rn. 46). Ebenso kann offen bleiben, ob ein hierauf gestützter Einwand gegebenenfalls auch noch im Revisionsverfahren vorgebracht werden kann (vgl. zu einer ähnlichen Problematik Senatsurteil vom 20. Februar 2013 - [X.], juris Rn. 26).

b) Denn selbst wenn man beides zugunsten der Beklagten unterstellt, so hätte sie jedenfalls nach Bekanntwerden des Urteils des [X.] vom 8. März 2016 den Einwand nunmehr unverzüglich in der gebotenen Form erheben müssen.

Insoweit fehlt es zum einen an der erforderlichen Form, weil der Einwand dem Kläger entgegen § 18 (1) b) der [X.] nicht schriftlich und mit dem nach § 128 Satz 2 [X.] sowie auch § 18 (2) der [X.] zwingend vorgeschriebenen Hinweis auf ein Gutachterverfahren mitgeteilt wurde, weshalb das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers nach § 128 Satz 3 [X.] weiterhin als anerkannt gilt.

Letztlich kommt es aber auch hierauf nicht an, weshalb sich ein Hinweis des Senats nach § 139 ZPO auf die fehlende Form erübrigte, weil der Einwand - worauf der Senat in der Revisionsverhandlung hingewiesen hat - zum anderen nicht mehr unverzüglich erfolgte. Unverzüglich bedeutet, dass die Ablehnung innerhalb des Zeitraums erfolgen muss und auch nur erfolgen kann, den der Versicherer bei sachgerechter, nicht schuldhaft verzögerter Prüfung für seine Entschließung benötigt (Senatsurteil vom 19. März 2003 - [X.], [X.], 638 unter 2 a aa, juris Rn. 13). Insoweit wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum regelmäßig eine Frist von zwei bis drei Wochen angenommen ([X.], 1386, 1387; [X.] r+s 1991, 419, 420; 1988, 334, 335; [X.]/[X.], [X.] 8. Aufl. Vor § 18 [X.] 2000 Rn. 8). Diese Frist ist auch im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls nicht länger zu bemessen, da es nicht um die vollständige erstmalige Prüfung der Erfolgsaussichten nach Geltendmachung des Versicherungsfalles ging, sondern allenfalls um die isolierte Prüfung der einzelnen Frage, ob durch ein [X.] Urteil eine maßgebliche Umgestaltung der Rechtslage herbeigeführt wurde.

Zu dem in Rede stehenden Urteil des [X.] vom 8. März 2016 ist noch am selben Tage eine Pressemitteilung veröffentlicht worden. Seit dem 13. April 2016 war es in vollem Wortlaut bei juris abrufbar. Am 22. bzw. 23. April 2016 ist es in einschlägigen juristischen Fachzeitschriften veröffentlicht worden ([X.], 789; [X.], 734). Spätestens zu diesem Zeitpunkt wäre eine Prüfung durch die Beklagte veranlasst gewesen. Danach war der Einwand fehlender Erfolgsaussicht unter Berufung auf dieses Urteil in der Revisionsverhandlung vom 22. Juni 2016 verspätet.

[X.]                             [X.]

             Dr. Brockmöller                 Dr. Bußmann

Meta

IV ZR 245/15

20.07.2016

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 17. April 2015, Az: 25 U 2925/14, Urteil

§ 3 Abs 3 Buchst d ARB 2004, § 305c Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.07.2016, Az. IV ZR 245/15 (REWIS RS 2016, 7888)

Papier­fundstellen: WM 2016, 1586 REWIS RS 2016, 7888


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IV ZR 245/15

Bundesgerichtshof, IV ZR 245/15, 20.07.2016.


Az. 25 U 2925/14

OLG München, 25 U 2925/14, 17.04.2015.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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