Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2014, Az. IV ZR 242/13

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1960

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 242/13

Verkündet am:

22. Oktober 2014

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

[X.] a.F. § 12 Abs. 2, § 34

1.
Im Rahmen der Aufklärungsobliegenheit entscheidet grundsätzlich der [X.], welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Der Versicherungsnehmer einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung kann [X.] auf Verlangen des Versicherers auch gehalten sein, eine eigene Stellungnah-me desjenigen Mitarbeiters vorzulegen, der durch fehlerhafte Bearbeitung den Versicherungsfall herbeigeführt haben soll.

2.
Die bloße Untätigkeit des Geschädigten über einen längeren Zeitraum (hier: [X.]) führt nicht zu einem vorzeitigen Ende der Verjährungshemmung nach §
12 Abs.
2 [X.] a.F.

[X.], Urteil vom 22. Oktober 2014 -
IV ZR 242/13 -
O[X.]

[X.]

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2
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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 22.
Oktober 2014

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivil-senats des [X.] vom 25. Juni 2013 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse, nimmt die Beklagte auf Leistung aus einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung in [X.], die auch Schäden umfasst, die der Versicherungsnehmer "in Folge eines bei Ausübung satzungsgemäßer Tätigkeit von seinen Orga-nen, Beamten und Angestellten fahrlässig begangenen Verstoßes [X.] erlitten hat (Eigenschaden)".

Diese Versicherung hatte die Klägerin im Jahre 1995 bei der

[X.] als führendem Versicherer mit einer [X.] von zunächst 250.000
DM je Schadensereignis abgeschlossen. Der Versicherung lagen "Allgemeine Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden ([X.])" und mehrere, zu-1
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nächst jeweils für ein Jahr mit [X.] abgeschlossene "Rahmenabkommen zur [X.]" zu-grunde. Nach Ziffer 11 der [X.] waren neben dem führenden Versicherer mit einem Anteil von 50% sowie einem weite-ren Versicherer mit 20% auch zwei [X.] der [X.] an dem Versicherungsvertrag beteiligt, und zwar mit Anteilen von 20% und 10%.

Nach Ziffer 5 dieser Rahmenabkommen umfasste der [X.] "die Folgen aller während der Versicherungsdauer began-genen Verstöße, die den [X.] nicht später als 3 Jahre nach Be-endigung des Versicherungsvertrages gemeldet werden." Ziffer 11 der Abkommen bestimmte, dass der führende Versicherer u.a.
"etwa anfal-lende Schäden, auch soweit der Anteil der beteiligten Gesellschaften in Frage kommt, bearbeitet, reguliert und alle auf den Vertrag bezüglichen Erklärungen im Namen der beteiligten Gesellschaften rechtsverbindlich abgibt."

Die Rahmenabkommen sind in der Folge verschiedentlich neu ver-einbart worden, wobei auch die Beteiligten, ihre [X.] und die Versicherungssumme geändert wurden. Nach dem Rahmenabkommen 1997 waren nur noch der führende Versicherer mit jetzt 70% sowie ein weiterer Versicherer und eine Rechtsvorgängerin der [X.] mit je 15% beteiligt und die Versicherungssumme je Versicherungsfall betrug nur noch 100.000
DM. Nach dem Rahmenabkommen 2002 waren die Rechtsvorgänger der [X.] nicht mehr beteiligt; die [X.] betrug jetzt 52.000

s-schutz bestand nunmehr für "die Folgen aller während der [X.] gemeldeten Schäden".
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Nach §
5 Nr. 3a) der vereinbarten [X.] ist der Versicherungsneh-mer u.a. verpflichtet, "unter Beachtung der Weisungen des Versicherers dabei nichts [X.] zugemutet wird" und hat "alle Tatumstände, wel-

Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um einen behaupteten Versi-cherungsfall, der sich daraus ergeben soll, dass eine Sachbearbeiterin der Klägerin im Jahre 1996 eine Mitteilung der [X.] für Angestellte über die Bewilligung einer Rente für einen Versicher-ten nicht ordnungsgemäß bearbeitete, wodurch die Klägerin trotz mitge-teilten [X.] zum 30.
November 1995 und dadurch bedingtem Ausscheiden aus der bei ihr bestehenden Versicherung nachfolgend in den Jahren 1996 bis 2001 noch Sachleistungen von insgesamt 1.547.356,56 DM zu dessen Gunsten erbrachte.

Den ihr dadurch entstandenen Schaden meldete die Klägerin über die von ihr beauftragte Maklerin beim führenden Versicherer an, wobei streitig ist, ob dies noch 2001 oder erst Ende 2002 geschah. Der Versi-cherer stellte mit Schreiben vom 6. Februar 2003 eine Reihe von Fragen zum Vorgang und bat ferner darum, dass sich die Klägerin um eine Stel-lungnahme der Sachbearbeiterin bemühe. Hierauf reagierte die Klägerin über sechs Jahre lang nicht. Erst mit Schreiben vom 12.
März 2009 kam sie auf den Vorgang zurück und beantwortete die gestellten Fragen, übersandte jedoch keine Stellungnahme der Sachbearbeiterin, die sie nicht anfordern könne, weil diese seit 1998 in Rente sei.
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Der führende Versicherer lehnte daraufhin mit Schreiben vom 23.
März 2009 die Regulierung ab, weil der Anspruch verjährt sei.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der [X.] einen Be-trag von 30% der ursprünglichen Versicherungssumme in Höhe von 250.000
DM (=
127.822,97

Die Beklagte hat ursprünglich geltend gemacht, dass die Klägerin sich nur auf das Rahmenabkommen für 2002 berufen und deshalb nur die danach noch beteiligten Versicherer in Anspruch nehmen könne; [X.] hat sie sich auf Verjährung und Verwirkung sowie auf Leistungsfrei-heit wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit berufen.

In einem nicht nachgelassenen Schriftsatz hat die Klägerin vorge-tragen, nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsge-richt habe der führende Versicherer in dem gegen ihn geführten [X.] in mündlicher Verhandlung vor dem [X.] unstreitig gestellt, dass im Jahre 2002 sämtliche Unterlagen, die zur Prüfung erforderlich waren, vorgelegen hätten.

In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet; sie führt zur Zurückverweisung der Sa-che an das Berufungsgericht.
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I. [X.] hat angenommen, dass die Beklagte [X.] wegen vorsätzlicher Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten gemäß § 6 Abs. 3 [X.] a.F. i.V.m. § 5 Nr. 3a), §
6 Nr. 1 [X.] leistungs-frei geworden sei, weil die Klägerin auf das gerechtfertigte Auskunftsver-langen des Versicherers nicht, jedenfalls nicht binnen angemessener Frist,
reagiert habe. Sie sei sowohl gehalten gewesen, die erbetene Stel-lungnahme ihrer Sachbearbeiterin vorzulegen als auch die weiter gestell-ten Fragen zu beantworten. Damit sei im [X.] 2003 der objektive Tatbestand einer Verletzung der vertraglichen Aufklärungsobliegenheit verwirklicht gewesen. Die Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 [X.] a.F. sei nicht widerlegt. Die Obliegenheitsverletzung sei auch nicht folgenlos ge-blieben, weil die Beklagte zumindest ganz erhebliche Nachteile bei der Feststellung eines Versicherungsfalls zu Grund und Höhe hinzunehmen habe, nachdem sie jahrelang an der Sachaufklärung gehindert gewesen sei.

Soweit die Klägerin nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragen habe, dass dem führenden Versicherer nach dessen eigener Erklärung schon 2002 sämtliche zur Prüfung erforderlichen Unterlagen vorgelegen hätten, sei schon wegen der Zeitumstände nicht ersichtlich, dass insoweit ein Zusammenhang zu den mit Schreiben vom 6.
Februar 2003 gestellten Fragen bestehe; außerdem stehe auch nach dem weite-ren Vorbringen der Klägerin fest, dass sie sich um die erbetene Stel-lungnahme ihrer früheren Sachbearbeiterin nicht bemüht habe.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem
entscheidenden Punkt nicht stand.
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1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings auf der Grundlage des bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgten [X.] eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach §
5 Nr. 3 a) [X.] durch die Klägerin angenommen. Diese ergibt sich jedenfalls daraus, dass die Klägerin dem Verlangen des führenden Versicherers, sich um eine Stellungnahme der tätig gewordenen Sachbearbeiterin zu bemühen, bewusst nicht nachgekommen ist. Sie hat sich vielmehr durchgehend auf den Standpunkt gestellt, zur Einholung einer solchen Stellungnahme nicht verpflichtet zu sein. Dies trifft indes nicht zu.

a) Durch §
5 Nr. 3a) [X.] wird die Auskunftspflicht des [X.] nach § 34 [X.] a.F., der auf den Schadenfall gemäß Art.
1 Abs.
2 EG[X.] Anwendung findet, lediglich weiter präzisiert. Zur Reichweite der Auskunftspflicht der Klägerin gilt deshalb, dass es grund-sätzlich Sache des Versicherers ist, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage treffen zu können. Dazu gehören auch Umstände, die lediglich Anhalts-punkte für oder gegen das Vorliegen eines Versicherungsfalles liefern können. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob sich die vom Versiche-rungsnehmer geforderten Angaben am Ende nach dem Ergebnis der [X.] als für die Frage der Leistungspflicht tatsächlich wesentlich erwei-sen (Senatsurteil vom 16. November 2005 -
IV ZR 307/04; VersR 2006,
258 unter II 1
b; vgl. zum inhaltlich unveränderten neuen Recht auch [X.]/[X.], [X.] 28. Aufl. § 31 Rn.
7). Die Frage der Erforderlichkeit der erbetenen Auskünfte ist ex ante zu beurteilen, wobei dem [X.] ein erheblicher Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist.

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Maßgeblich für die Zulässigkeit von Auskunftsersuchen des [X.] und die Reichweite der sich daraus ergebenden Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers ist der Zweck der Aufklärungsobliegenheit, die dem Versicherer die sachgerechte Prüfung seiner Leistungspflicht ermöglichen soll, was auch der durchschnittliche Versicherungsnehmer in Anbetracht der Regelung über die Weisungsbefugnis des Versicherers und die weite Fassung der Klausel mit Einbeziehung aller Tatumstände, die auch nur "Bezug" auf den Schadenfall haben, erkennen kann. [X.] erstreckt sich die Auskunftspflicht auf jeden Umstand, der zur Auf-klärung des Tatbestandes dienlich sein kann (vgl. auch Senatsurteil vom 1.
Dezember 1999
[X.], [X.], 222), soweit dem [X.] nichts "[X.] zugemutet" wird.

b) Hieraus folgt im Streitfall, dass die Klägerin gehalten war, zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts auch mitzuteilen, was ihre frühere Sachbearbeiterin noch selbst zu den Gründen ihrer fehlerhaften Bearbei-tung angeben kann und hierzu die erbetene Stellungnahme ihrer frühe-ren Sachbearbeiterin einzuholen oder sich wenigstens hierum zu [X.].

Dies war nicht deshalb entbehrlich, weil der äußere Ablauf der Vorgänge bereits von einem anderen Mitarbeiter der Klägerin ermittelt und mitgeteilt worden war. Für die Feststellung des Versicherungsfalles kam es nicht nur auf diesen äußeren Ablauf, sondern auch auf die Frage des Verschuldens der Sachbearbeiterin an, da nur fahrlässige Pflichtver-letzungen versichert sind, ein Versicherungsfall also sowohl bei vorsätz-lichem als auch bei schuldlosem Handeln ausschied. Deshalb war es in jedem Falle zweckdienlich, auch eine Äußerung der Handelnden selbst herbeizuführen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf einen etwaigen Vorsatz, 19
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für dessen Feststellung anderenfalls nur auf Indizien, Erfahrungssätze und Schlussfolgerungen zurückgegriffen werden könnte, als auch im Hinblick darauf, ob der Sachbearbeiterin die korrekte Arbeitsweise [X.] war und warum sie nicht angewandt wurde, was für einen Fahrläs-sigkeitsvorwurf von Bedeutung ist. Mag auch die Wahrscheinlichkeit groß sein, dass diese nach so vielen Jahren keine konkrete Erinnerung an den einzelnen Vorgang mehr hatte, so kann dies doch nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
Selbst wenn die Auffassung der Revision, dass schon nach der Lebenserfahrung bei der vorliegenden Konstellation in jedem Falle von einem fahrlässigen Pflichtverstoß auszugehen wäre, für den Regelfall zutreffen sollte, hätten durch eine
Befragung der Sachbe-arbeiterin möglicherweise eventuelle besondere Umstände zutage geför-dert werden können, die die nach der Lebenserfahrung naheliegende Fahrlässigkeit in die eine oder andere Richtung ausschließen konnten und deshalb gegebenenfalls eine vom Regelfall abweichende Beurteilung erforderten. Zur Prüfung der Frage, ob hier eventuell ein solcher [X.] vorliegt, war die erbetene Stellungnahme nicht von vornherein ungeeignet. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Revision zi-tierten
Urteil des [X.] ([X.], 711), weil sich in dem dort entschiedenen Sachverhalt die Person des tätig gewesenen Sachbearbeiters gerade nicht mehr feststellen ließ.

Der Annahme einer Obliegenheitsverletzung steht nicht entgegen, dass die Klägerin das, was sie an Tatsachen schon ermittelt hatte und deshalb bereits positiv wusste, dem führenden Versicherer mit der Scha-denanzeige und dem Bericht eines Mitarbeiters bereits mitgeteilt hatte. Der auskunftspflichtige Versicherungsnehmer muss sich über die Tatsa-chen, zu denen der Versicherer berechtigt Auskunft verlangt, gegebe-nenfalls erkundigen (Senatsurteil vom 21. April 1993 -
IV ZR 34/92, 22
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VersR 1993, 828 unter 2 c; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.], [X.] 28. Aufl. § 31 Rn. 3; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.] 27. Aufl. § 5 AHB Rn. 6). Deshalb war die Klägerin verpflichtet, sich auch weiteres Tatsachenwissen zu verschaffen, indem sie ihre frühere Mitarbeiterin be-fragte, ob diese eine konkrete Erinnerung an den Vorgang habe oder sonst Angaben zur Art ihrer damaligen Sachbearbeitung und deren Gründen machen könne.

Schließlich ist es für die Annahme einer Obliegenheitsverletzung unerheblich, dass die Sachbearbeiterin infolge zwischenzeitlicher [X.] nicht mehr bei der Klägerin tätig war. Dieser Umstand enthob die Klägerin nicht ihrer Obliegenheit, sich um eine Stellungnahme ihrer früheren Mitarbeiterin wenigstens zu bemühen, so wie es vom [X.] erbeten war. Dass dessen Aufforderung in die höfliche Form einer Bitte gekleidet war, ändert hieran gleichfalls nichts.

c) Die Obliegenheitsverletzung der Klägerin ist auch nicht folgen-los geblieben, so dass es auf die weiteren Voraussetzungen der so ge-nannten Relevanzrechtsprechung des Senats (vgl. dazu Senatsurteile vom 28.
Februar 2007
IV ZR 231/05, [X.], 785 unter [X.]; vom 26.
Januar 2005
IV ZR 239/03, [X.], 493 unter [X.]; vom 21.
Januar 1998
IV ZR 10/97, [X.], 447 unter 2 b) nicht an-kommt. Denn es steht nicht fest, ob und ggf. welche weiteren [X.] eine Befragung der Mitarbeiterin der Klägerin erbracht hätte, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die Unterlassung auf die Möglichkeiten zur Feststellung des Versicherungsfalls ausgewirkt hat.
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2. Der damit an sich eingreifenden Leistungsfreiheit der [X.] nach §
6 Abs.
3 [X.] a.F. i.V.m. §
5 Nr.
3a), §
6 Nr.
1 [X.] steht jedoch möglicherweise entgegen, dass der führende Versicherer nach dem Vor-trag der Klägerin in dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung ein-gereichten Schriftsatz in dem gegen ihn geführten Prozess unstreitig ge-stellt hat, ihm hätten alle zur Prüfung erforderlichen Unterlagen im Jahre 2002 vorgelegen. Die Revision rügt zu Recht, die Entscheidung des Be-rufungsgerichts, die mündliche Verhandlung nicht mit Rücksicht auf den Inhalt dieses Vorbringens wiederzueröffnen, sei verfahrensfehlerhaft.

a) Die Prüfung dieses Umstands durch das Berufungsgericht setz-te allerdings eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach §
156 Abs.
1 ZPO voraus, die mangels Vorliegens eines Wiedereröff-nungsgrundes gemäß § 156 Abs.
2 ZPO in seinem Ermessen stand.

b) Die Ausübung dieses Ermessens ist grundsätzlich [X.] nicht überprüfbar ([X.], Urteil vom 2.
März 1979
[X.], [X.], 706 unter II 1 m.w.[X.]). Zutreffend beanstandet die Revision aber, dass die Ablehnung der Wiedereröffnung durch die vom [X.] angeführten Gründe nicht getragen wird (vgl. [X.], Urteile vom 25.
Februar 1992
X ZR 88/90, NJW 1992, 1967 unter II 5 b; vom 18.
Juli 2014

V ZR 291/13, juris Rn.
21;
vom 15.
Mai 1996
[X.], [X.], 1067 unter 2 e cc; jeweils m.w.[X.]). Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, war das Vorbringen der [X.] unerheblich für den Ausgang des Rechtsstreits.

Eine Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung tritt nicht be-reits kraft Gesetzes ein, sondern setzt voraus, dass der Versicherer, der 25
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über die Rechte aus einer Obliegenheitsverletzung des Versicherungs-nehmers disponieren kann, sich hierauf beruft (Senatsurteil vom [X.] 2005 -
IV ZR 239/03, [X.], 493 unter II 1 a). Steht die [X.] in Rede, so umfasst diese Dispo-sitionsbefugnis deshalb auch die Entscheidung, eine weitere Aufklärung durch zusätzliche Unterlagen für nicht erforderlich zu halten. Deshalb kann der Versicherer, der im Prozess unstreitig stellt, alle für die Prüfung des Versicherungsfalles notwendigen Unterlagen erhalten zu haben, eine Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten nicht mehr darauf stützen, dass der Versicherungsnehmer weitere Auskünfte nicht erteilt oder wei-tere Unterlagen nicht vorgelegt habe. Eine dahingehende Erklärung des führenden Versicherers wirkte wegen der [X.] im [X.] auch zu Lasten der anderen Versicherer.

Dies hat das Berufungsgericht offensichtlich verkannt. Wenn im Jahre 2002 nach bindender Erklärung des führenden Versicherers alle prüfungsrelevanten Unterlagen vorgelegen haben, so bedeutet das, dass sich auch die anderen Versicherer zur Begründung einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit weder auf die Nichtbeantwortung erst mit Schreiben vom 6. Februar 2003 gestellter Fragen noch auf die Nichtvor-lage einer erst dort erbetenen Stellungnahme berufen können. Das [X.] hat daher rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob mit der Erklä-rung des führenden
Versicherers zugleich dem Einwand der Verletzung der Aufklärungsobliegenheit seine Grundlage entzogen worden ist. Dazu hätte diese Erklärung vom Berufungsgericht unter Berücksichtigung der Umstände ihrer Abgabe ausgelegt werden müssen. Die Sache ist [X.] zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen und zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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III. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Grün-den als richtig (§
561 ZPO).

1. [X.] hat das Vorliegen eines Versicherungsfal-les ausdrücklich offen gelassen. Insoweit kommt es darauf an, ob der geltend gemachte Vermögensschaden auf einem fahrlässigen Pflichten-verstoß der früheren Sachbearbeiterin der Klägerin beruht. Das ist [X.] entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts für das Revisionsverfahren zu unterstellen. [X.] wird hierzu gegebenenfalls noch weitere Feststellungen zu treffen haben.

Ein Anspruch gegen die Beklagte scheitert auch nicht an dem [X.] ihrer Rechtsvorgänger aus der Versicherung mit Abschluss des [X.] für 2002 oder an der zeitlichen Begrenzung nach Ziffer 5 des [X.] für 1996.

a) Für den etwaigen Versicherungsfall gilt
wie zwischen den [X.] inzwischen auch unstreitig ist

ausschließlich das [X.] für das Jahr 1996. Denn der
nach dem revisionsrechtlich maßgeb-lichen Sachverhalt zugunsten der Klägerin zu unterstellende

Versiche-rungsfall ist im Jahre 1996 eingetreten, als die fehlerhafte Sachbearbei-tung erfolgte.

Das Rahmenabkommen für 2002, durch das die Rechtsvorgänger der [X.] aus dem Versicherungsvertrag ausgeschieden sind, hat hieran nichts geändert; dies konnte nur für zukünftige, noch nicht einge-tretene Versicherungsfälle von Bedeutung sein.
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b) Nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalt steht weiter nicht fest, dass ein etwaiger Anspruch der Klägerin an der zeitli-chen Begrenzung in Ziffer 5 des [X.] 1996 scheitert.

Allerdings hat die Klägerin den behaupteten Versicherungsfall [X.] im Jahre 2001 gemeldet und damit mehr als drei Jahre, nach-dem ein neues Rahmenabkommen für 1997 geschlossen worden war. Es fehlt jedoch an Feststellungen, ob hierdurch der vorher bestehende [X.] endete und durch einen neuen Vertrag ersetzt wurde oder ob im Abschluss des neuen [X.] eine bloße [X.]sänderung zu sehen ist.

Maßgeblich hierfür ist der aus den gesamten [X.] zu ermittelnde Wille der Vertragsparteien, der seinen Niederschlag in den Vertragsverhandlungen und Vertragserklärungen gefunden haben muss. Dabei kann die Veränderung wesentlicher Vertragsinhalte, etwa des ver-sicherten Risikos, des versicherten
Objekts, der Vertragsdauer, der [X.] und der Gesamtversicherungssumme für einen neuen [X.] sprechen (Senatsbeschlüsse vom 21. März 2012 -
IV ZR 204/10, [X.], juris Rn. 10; vom 21. September 2011 -
IV ZR 38/09 "[X.]", VersR 2011,
1563 Rn. 21; jeweils m.w.[X.]). Im Streitfall könnten ande-rerseits die Umstände, dass die geänderten Rahmenabkommen nur über die Ausstellung von Nachträgen zum Versicherungsschein (in denen noch im Nachtrag Nr.
21 vom 8.
März 2004 als Vertragsbeginn weiter der 1.
Januar 1995 genannt ist) einbezogen wurden und dass das [X.] Risiko gleich geblieben ist, mögliche Indizien für einen auf Fortführung des bestehenden Vertrages gerichteten Parteiwillen sein (vgl. dazu im Einzelnen [X.], Urteil vom 22.
Juli 2013
7 U 276/12, nicht 35
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veröffentlicht; s.
Senatsurteil [X.] vom heutigen Tage). [X.] dazu hat das Berufungsgericht
von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent

bislang nicht getroffen.

2. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist auch eine Verjährung des etwaigen Anspruchs der Klägerin aus der Versicherung nicht feststellbar.

a) Die Verjährung richtet sich im Streitfall noch nach § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.] a.F.; sie begann daher mit dem Schluss des Jahres, in [X.] die Leistung verlangt werden konnte, so dass die Fälligkeit des Anspruchs gemäß §
11 [X.] a.F. den Zeitpunkt des Verjährungsbeginns bestimmt. Selbst wenn man zugunsten der [X.] davon ausgeht, dass dies schon Ende 2002 der Fall war, weil alle zur Prüfung notwendi-gen Unterlagen im Jahre 2002 vorlagen, lässt sich ein Ablauf der [X.] vor Beantragung des Mahnbescheids im Dezember 2011, die zu einer Hemmung nach §
204 Abs.
1 Nr. 3 BGB führte, nicht feststellen. Der Lauf der Verjährung war bereits zuvor für längere Zeiträume ge-hemmt.

b) Gleichzeitig mit dem Beginn der Verjährung trat hier zunächst eine Hemmung gemäß § 12 Abs.
2 [X.] a.F. ein, die bis zur Leistungs-ablehnung des führenden Versicherers am 23.
März 2009 andauerte. Entgegen der von der [X.] in den Vorinstanzen vertretenen [X.] kommt eine vorzeitige Beendigung dieser Hemmung im Hinblick auf die jahrelange Untätigkeit der Klägerin nicht in Betracht.

Zwar hat der [X.] zu der §
12 Abs.
2 [X.] a.F. ent-sprechenden Regelung des § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG a.F. entschieden, 38
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dass die Bestimmung, nach der die Verjährungshemmung nur durch schriftlichen Bescheid des Versicherers enden solle, dann keine Berech-tigung mehr habe, wenn die Erteilung eines schriftlichen Bescheids kei-nen Sinn mehr hätte und nur reine [X.] wäre, weil der Geschädigte die angemeldeten Ansprüche offensichtlich nicht weiterverfolge und auf einen endgültigen Bescheid des Versicherers gar nicht mehr warte ([X.], Urteil vom 14. Dezember 1976 -
VI ZR
1/76, [X.], 335 unter II 3 a); er hat aber auch klargestellt, dass allein die bloße Untätigkeit des Geschädigten über einen längeren Zeitraum nicht genüge, um diese Vo-raussetzung zu bejahen ([X.] aaO). In ähnlicher Weise hat der Senat zu den Auswirkungen einer bloßen Untätigkeit des Gläubigers für die Frage des Verjährungsbeginns ausgeführt, dass es für einen vorzeitigen [X.] aufgrund treuwidrigen Verhaltens des Versicherungs-nehmers nicht ausreiche, wenn dieser einen Anspruch nur verspätet gel-tend mache (Senatsurteil vom 13. März 2002 -
IV ZR 40/01, [X.], 698 unter 2 b); auch danach müssten also weitere Umstände zu einer bloßen Untätigkeit hinzukommen.

Andere Umstände als die Untätigkeit der Klägerin sind aber auch im Streitfall
nicht ersichtlich.

c) Allerdings wäre bei einem Verjährungsbeginn im Jahre 2002 ei-ne Hemmung nur bis Ende März 2009 unzureichend, weil bis zum [X.] im Dezember 2011 nochmals mehr als zwei Jahre vergingen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Klägerin bei einem Hinweis des Gerichts auf diesen Umstand, der jedenfalls vor einer auf Verjährung gestützten Klageabweisung nach § 139 ZPO erforderlich ge-wesen wäre, auch in diesem Verfahren schon früher dazu vorgetragen hätte, dass nach der Leistungsablehnung durch den führenden Versiche-42
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rer noch Verhandlungen geführt worden sind, so wie dies die Klägerin in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 20.
Juni 2013 geltend [X.] hat und wie es auch in den dem Senat vorliegenden Parallelver-fahren gegen die anderen beteiligten Versicherer vor dem [X.] und dem [X.] geschehen ist.

Insoweit kommt eine weitere Hemmung gemäß §
203 BGB in [X.], zu der allerdings noch keine Feststellungen getroffen sind.

3. Für eine Verwirkung des Anspruchs ist die bloße Untätigkeit der Klägerin aus den vorgenannten Gründen ebenfalls unzureichend.

[X.]

[X.] [X.]

[X.] [X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.07.2012 -
24 O 43/12 -

O[X.], Entscheidung vom 25.06.2013 -
9 U 187/12 -

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Meta

IV ZR 242/13

22.10.2014

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2014, Az. IV ZR 242/13 (REWIS RS 2014, 1960)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1960

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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