Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2014, Az. IV ZR 243/13

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1930

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 243/13

Verkündet am:

22. Oktober 2014

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], die Richter
Wendt, [X.], [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 22.
Oktober 2014

für Recht erkannt:

Die
Revision gegen
das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 25. Juni 2013 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse, nimmt die Beklagte auf Leistung aus einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung in [X.], die auch Schäden umfasst, die der Versicherungsnehmer "in Folge eines bei Ausübung satzungsgemäßer Tätigkeit von seinen Orga-nen, Beamten und Angestellten fahrlässig begangenen Verstoßes [X.] erlitten hat (Eigenschaden)".

Diese Versicherung hatte die Klägerin im Jahre 1995 bei der

[X.] als führendem Versicherer mit einer [X.] von zunächst 250.000
DM je Schadensereignis abgeschlossen.
Der Versicherung lagen "Allgemeine Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden ([X.])" und mehrere, [X.] jeweils für ein Jahr mit [X.] abgeschlossene "Rahmenabkommen zur [X.]" zu-1
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grunde. Nach Ziffer 11 der [X.] waren neben dem
führenden
Versicherer mit einem Anteil von 50% sowie einem weite-ren Versicherer mit 20% auch zwei [X.] der Beklagten an dem Versicherungsvertrag beteiligt, und zwar mit Anteilen von 20% und 10%.

Nach Ziffer 5 dieser Rahmenabkommen
umfasste der [X.] "die Folgen aller während der Versicherungsdauer began-genen Verstöße, die den [X.] nicht später als 3 Jahre nach Be-endigung des Versicherungsvertrages gemeldet werden." Ziffer 11 der Abkommen bestimmte, dass der führende Versicherer u.a. "etwa anfal-lende Schäden, auch soweit der Anteil der beteiligten Gesellschaften in Frage kommt, bearbeitet, reguliert und alle auf den Vertrag bezüglichen Erklärungen im Namen der beteiligten Gesellschaften rechtsverbindlich abgibt."

Die Rahmenabkommen sind in der Folge verschiedentlich neu ver-einbart worden, wobei auch die Beteiligten, ihre [X.] und die Versicherungssumme geändert wurden.

Nach §
5 Nr. 3a) der vereinbarten [X.] ist der Versicherungsneh-mer
u.a. verpflichtet, "unter Beachtung der Weisungen des Versicherers dabei nichts [X.] zugemutet wird" und hat "alle Tatumstände, [X.] auf den Schadenfall Be".

In
diesem Rechtsstreit
geht es um einen
behaupteten
Versiche-rungsfall, der
sich daraus ergeben soll, dass eine Sachbearbeiterin der Klägerin im Jahre 1996 die Abmeldung des Arbeitgebers für eine Versi-3
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cherte nicht ordnungsgemäß bearbeitete, weshalb die Klägerin
im Jahre 1997 noch Sachleistungen von insgesamt 60.903 DM zu deren
Gunsten erbrachte.

Den ihr dadurch entstandenen Schaden meldete die Klägerin über die von ihr beauftragte Maklerin im Jahre 2001 beim führenden Versiche-rer
an. Dieser erbat
mit Schreiben vom 13.
August 2001
von der Klägerin weitere Angaben sowie eine Stellungnahme der 1996 tätig gewordenen Sachbearbeiterin. Die Klägerin antwortete unter dem 11. Februar 2002, fügte jedoch die erbetene Stellungnahme der Sachbearbeiterin nicht bei und
erklärte dazu, sie "wird nach mehr als 5 Jahren zu einer einzelnen Meldung keine Angaben machen können." Der führende Versicherer [X.] daraufhin mit Schreiben vom 15.
März 2002 mit, auf dieser Stellung-nahme zu bestehen, und erbat ferner weitere näher bezeichnete [X.] zu Eingang und Inhalt der Abmeldung des Arbeitgebers, zur Kennt-nis vom Schaden
und dem Unterlassen früherer Prüfung, ob zu Unrecht übernommene Kosten vorliegen. Hierauf reagierte die Klägerin bis 2010 nicht.

Mit ihrer Klage macht sie einen Betrag von 30% der um den Selbstbehalt von 5.000 DM (=

[X.] von 60.903 DM (=

,
mithin 8.574,83

g-te geltend.

Die Beklagte hat sich auf Verjährung und Verwirkung, auf [X.] wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit sowie darauf berufen, dass die Klägerin die vertragliche Nachhaftungsregelung nicht eingehalten habe, da mit Inkrafttreten eines neuen [X.] 7
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jeweils von einem Ende des vorhergehenden Versicherungsvertrages auszugehen sei.

In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet.

[X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagte [X.] wegen vorsätzlicher Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten gemäß § 6 Abs. 3 [X.] a.F. i.V.m. § 5 Nr. 3a), §
6 Nr. 1 [X.] leistungs-frei geworden sei, weil die Klägerin dem wiederholten Verlangen
des füh-renden Versicherers
in dessen Schreiben vom 13.
August 2001 und 15.
März 2002, ihm eine Stellungnahme der damals tätig gewordenen Mitarbeiterin zu verschaffen,
nicht nachgekommen ist. Die Vorsatzvermu-tung des § 6 Abs. 3 [X.] a.F. sei nicht widerlegt. Die Obliegenheitsver-letzung sei auch nicht folgenlos geblieben, weil die Beklagte zumindest ganz erhebliche Nachteile bei der Feststellung eines Versicherungsfalls zu Grund und Höhe hinzunehmen habe, nachdem sie jahrelang an der Sachaufklärung gehindert gewesen sei.

I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Zu Recht hat das Berufungsgericht eine Verletzung der [X.] nach §
5 Nr. 3a) [X.] durch die Klägerin angenom-10
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men, weil diese dem Verlangen des führenden Versicherers, eine Stel-lungnahme der tätig gewordenen Sachbearbeiterin vorzulegen, selbst nach dessen wiederholter Aufforderung im Schreiben vom 15.
März 2002 nicht nachgekommen ist, sondern sich geweigert hat, eine solche Erklä-rung einzuholen.

1.
Durch §
5 Nr. 3a) [X.] wird die Auskunftspflicht des [X.] nach § 34 [X.] a.F., der auf den Schadenfall gemäß Art.
1 Abs.
2 EG[X.] Anwendung findet, lediglich weiter präzisiert. Zur Reichweite der Auskunftspflicht der Klägerin gilt deshalb, dass es grund-sätzlich Sache des Versicherers ist, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage treffen zu können. Dazu gehören auch Umstände, die lediglich Anhalts-punkte für oder gegen das Vorliegen eines Versicherungsfalles liefern können. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob sich die vom Versiche-rungsnehmer
geforderten Angaben am Ende nach dem Ergebnis der [X.] als für die Frage der Leistungspflicht tatsächlich wesentlich erwei-sen (Senatsurteil vom 16.
November 2005 -
IV ZR 307/04, [X.], 258
unter II 1
b; vgl. zum inhaltlich unveränderten neuen Recht auch [X.]/[X.], [X.] 28. Aufl. § 31 Rn.
7). Somit ist die Frage der Erfor-derlichkeit der erbetenen Auskünfte ex [X.] zu beurteilen, wobei dem Versicherer ein erheblicher Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist.

Maßgeblich für die Zulässigkeit von Auskunftsersuchen des [X.] und die Reichweite der sich daraus ergebenden Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers ist der Zweck der Aufklärungsobliegenheit, die dem Versicherer die sachgerechte Prüfung seiner Leistungspflicht ermöglichen soll, was auch der durchschnittliche Versicherungsnehmer 15
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in Anbetracht der Regelung über die Weisungsbefugnis des Versicherers und die weite
Fassung der
Klausel
mit Einbeziehung aller
Tatumstände, die auch nur "Bezug" auf den Schadenfall haben, erkennen kann. [X.] erstreckt sich die Auskunftspflicht auf jeden Umstand, der zur Auf-klärung des Tatbestandes dienlich sein kann (vgl. auch Senatsurteil vom 1.
Dezember
1999

[X.], [X.], 222), soweit dem Versi-cherungsnehmer
nichts "[X.] zugemutet" wird.

2.
Hieraus
folgt
im Streitfall, dass die Klägerin gehalten war, zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts auch mitzuteilen, was ihre frühere Sachbearbeiterin noch selbst zu den Gründen ihrer fehlerhaften Bearbei-tung angeben kann,
und hierzu die erbetene Stellungnahme ihrer frühe-ren Sachbearbeiterin einzuholen oder sich wenigstens hierum zu [X.].

Dies war nicht deshalb entbehrlich, weil
der äußere Ablauf der Vorgänge
bereits von einem anderen Mitarbeiter der Klägerin ermittelt und mitgeteilt worden war. Für die Feststellung des Versicherungsfalles kam es nicht nur auf diesen äußeren Ablauf, sondern auch auf die Frage des Verschuldens der Sachbearbeiterin an, da
nur fahrlässige Pflichtver-letzungen versichert sind, ein Versicherungsfall also sowohl bei vorsätz-lichem als auch bei schuldlosem Handeln ausschied. Deshalb war es in jedem Falle zweckdienlich, auch eine Äußerung der
Handelnden selbst herbeizuführen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf einen etwaigen Vorsatz, für dessen Feststellung anderenfalls nur auf Indizien, Erfahrungssätze und Schlussfolgerungen zurückgegriffen werden könnte, als auch im Hinblick darauf, ob der Sachbearbeiterin die korrekte Arbeitsweise [X.] war und warum sie nicht angewandt wurde, was für einen Fahrläs-sigkeitsvorwurf von Bedeutung ist.
Mag auch die Wahrscheinlichkeit groß 17
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sein, dass diese nach so vielen Jahren keine konkrete Erinnerung an den einzelnen Vorgang mehr hatte, so kann dies doch nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Selbst wenn die Auffassung der Revision, dass schon nach der Lebenserfahrung bei der vorliegenden Konstellation in jedem Falle von einem fahrlässigen Pflichtverstoß auszugehen wäre, für den Regelfall zutreffen sollte, so hätten durch eine Befragung der Sach-bearbeiterin möglicherweise
eventuelle besondere Umstände zutage [X.] werden können, die die nach der Lebenserfahrung naheliegende Fahrlässigkeit in die eine oder andere Richtung ausschließen konnten und deshalb gegebenenfalls eine vom Regelfall abweichende Beurteilung erforderten. Zur Prüfung der Frage, ob hier eventuell ein solcher [X.] vorliegt, war die erbetene Stellungnahme nicht von vornherein ungeeignet. Anderes ergibt
sich auch nicht aus dem von der Revision zi-tierten Urteil des [X.] ([X.], 711), weil sich in dem dort entschiedenen Sachverhalt die Person des tätig gewesenen Sachbearbeiters gerade nicht mehr feststellen ließ.

Der Annahme einer Obliegenheitsverletzung steht nicht entgegen, dass die Klägerin das, was sie an Tatsachen schon ermittelt hatte und deshalb positiv wusste, dem führenden Versicherer
mit der Schadenan-zeige und dem Bericht ihres Mitarbeiters H.

bereits mitgeteilt
hat-te. Der
auskunftspflichtige Versicherungsnehmer muss sich über die [X.], zu denen der Versicherer berechtigt Auskunft verlangt, gegebe-nenfalls erkundigen (Senatsurteil vom 21. April 1993

[X.], [X.], 828 unter 2 c; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.], [X.] 28. Aufl. § 31 Rn. 3; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.] 27. Aufl. § 5 AHB Rn. 6). Deshalb war die Klägerin
verpflichtet, sich auch weiteres Tatsachenwissen zu verschaffen, indem sie ihre frühere Mitarbeiterin be-fragte, ob diese eine konkrete Erinnerung an den Vorgang habe
oder 19
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sonst Angaben zur Art ihrer damaligen Sachbearbeitung und deren Gründen machen könne.

Schließlich ist es für die Annahme einer Obliegenheitsverletzung unerheblich, dass sich die Sachbearbeiterin im Zeitpunkt der Aufforde-rung des Versicherers im Erziehungsurlaub befand. Dieser Umstand ent-hob die Klägerin nicht ihrer Obliegenheit, sich um eine Stellungnahme ih-rer Mitarbeiterin wenigstens zu bemühen.

3.
Die Obliegenheitsverletzung der Klägerin ist auch nicht folgen-los geblieben, so dass es auf die weiteren Voraussetzungen der so ge-nannten Relevanzrechtsprechung des Senats (vgl. dazu Senatsurteile vom 28.
Februar 2007

IV ZR 231/05,
VersR 2007, 785 unter [X.]; vom 26.
Januar 2005

IV ZR 239/03,
VersR 2005, 493 unter [X.]; vom 21.
Januar 1998

IV ZR 10/97,
VersR 1998, 447 unter 2 b) nicht an-kommt. Denn es steht nicht fest, ob und gegebenenfalls
welche weiteren Erkenntnisse eine Befragung der Mitarbeiterin der Klägerin erbracht hät-

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te, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die [X.] zur Feststellung des Versicherungsfalls [X.] hat.

[X.] Wendt [X.]

[X.] Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.07.2012 -
24 O 44/12 -

O[X.], Entscheidung vom 25.06.2013 -
9 [X.] -

Meta

IV ZR 243/13

22.10.2014

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.10.2014, Az. IV ZR 243/13 (REWIS RS 2014, 1930)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1930

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 243/13

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