Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.08.2023, Az. 5 StR 434/22

5. Strafsenat | REWIS RS 2023, 6919

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Gegenstand

Strafprozessrecht: Bewertung der Einlassung eines Angeklagten; Wahrscheinlichkeit einer Sekundärübertragung bei DNA-Spuren


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 19. Mai 2022, soweit es die Angeklagte [X.]betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer zurückverwiesen.

- Von Rechts wegen -

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen der Verletzung des [X.] in drei Fällen schuldig gesprochen und sie zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen zu 50 Euro unter Bewilligung einer Zahlungserleichterung verurteilt. Im Übrigen hat es sie freigesprochen. Hiergegen richtet sich die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte und mit der Sachrüge geführte Revision der Generalstaatsanwaltschaft, mit der sie angreift, dass die Angeklagte im Fall 1 der Anklage nicht auch wegen tateinheitlicher Beihilfe zum (bandenmäßigen) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt und im Fall 2 der Anklage freigesprochen wurde. Außerdem beanstandet sie die [X.] in den Fällen 4 und 5 der Anklage. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2

Mit Anklage vom 19. April 2022 hat die Staatsanwaltschaft der Angeklagten zur Last gelegt, in zwei Fällen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geleistet zu haben (Fälle 1a und 2b der Anklage), und hierbei in einem Fall tateinheitlich (Fall 1b der Anklage) sowie darüber hinaus in zwei weiteren tatmehrheitlichen Fällen (Fälle 4 und 5 der Anklage) ein Geheimnis, das ihr als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart und dadurch wichtige öffentliche Interessen gefährdet zu haben.

3

1. Das [X.] hat die nichtrevidierenden Mitangeklagten [X.], [X.]und [X.]        unter anderem wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die der Angeklagten zur Last liegenden Taten weisen einen Bezug zu den Beteiligten der Betäubungsmitteldelikte auf. Hinsichtlich dieser hat das [X.] das Folgende festgestellt:

4

In der [X.] vom 9. April bis zum 3. Juni 2020 verkauften [X.]           und [X.] gewinnbringend annähernd ein halbes Kilogramm Kokain im Stadtgebiet von [X.]      . Die Betäubungsmittel waren in sogenannten [X.]n verpackt. Am 18. April 2020 nahm die Polizei den     [X.]    fest, der 13 dieser [X.] im Auftrag des [X.]zum gewinnbringenden Weiterverkauf mit sich führte (Fall 1a der Anklage). Am 27. April 2020 verkaufte [X.] mindestens ein Kilogramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 9 % THC an              S.     (Fall 3 der Anklage). Seit dem 19. November 2020 betrieben [X.], [X.]und [X.]            gemeinsam ein „Kokain-Taxi“ für Marihuana und Kokain. Dabei veräußerten [X.]und [X.]bis zum 6. Januar 2021 etwa 300 Gramm Marihuana und mehr als ein halbes Kilogramm Kokain aus einem einheitlichen Vorrat. Zwischen dem 7. und dem 26. Januar 2021 verkauften sie aus einer Neulieferung im Januar 2021 und Restbeständen der vorherigen Lieferung mindestens 231 Gramm Kokain und 180 Gramm Marihuana. Nachdem [X.]durch die Angeklagte von einem gegen eine Person namens [X.].    geführten Ermittlungsverfahren Kenntnis erlangt hatte, beschlossen er und die Mittäter, die restlichen Betäubungsmittel an einem neuen Ort zu lagern. Deshalb verbrachte [X.]am 26. Januar 2021 insgesamt 28,65 kg Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von über 70 % [X.] und 311 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 10 % THC in die Wohnung der Angeklagten, die hiervon nichts wusste. Die Drogen befanden sich zusammen mit Verpackungsmaterial in einer [X.] auf dem Kleiderschrank in ihrem Ankleidezimmer, wo sie bei einer polizeilichen Durchsuchung am 27. Januar 2021 sichergestellt wurden. Auch im Auto des [X.]wurden Kokain und Marihuana, die zum gewinnbringenden Verkauf bestimmt waren, gefunden (Fälle 2a und 2b der Anklage).

5

2. a) Die Angeklagte betreffend hat das [X.] folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

6

Sie war im Tatzeitraum die Lebensgefährtin des [X.], über welchen sie den [X.] kennengelernt hatte. Zu [X.]           hatte sie über ihren Freundeskreis schon seit 2013 Kontakt. Zum Umfeld der drei Genannten gehörten die der Angeklagten ebenfalls bekannten [X.].     , [X.].       und die [X.].    .

Vom [X.] dieser Personen ihres Freundes- und Bekanntenkreises hatte sie keine Kenntnis und solche Straftaten auch nicht für möglich gehalten.

7

Seit dem 1. Januar 2020 war die Angeklagte, eine ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte, als Servicemitarbeiterin bei der Staatsanwaltschaft [X.]      in der Abteilung für [X.]en beschäftigt und auf die gewissenhafte Erfüllung der sich hieraus ergebenden Obliegenheiten – unter Hinweis insbesondere auf die strafrechtlichen Folgen bei Verletzung von [X.] – förmlich verpflichtet worden (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB, § 1 Verpflichtungsgesetz). Kurz nach der Festnahme des [X.]    (siehe oben Ziffer I.1.), über die ihr Lebensgefährte [X.]noch am gleichen Tag von [X.]informiert worden war, recherchierte sie am 20. April sowie am 4., 6. und 18. Mai 2020 im Vorgangsverwaltungssystem [X.] ihrer Dienststelle. Sie bestätigte [X.]die Festnahme des [X.]    wegen einer [X.] und informierte ihn darüber, dass das Verfahren in ihrer Abteilung der Staatsanwaltschaft geführt werde (Fall 1b der Anklage). Am 8. Juli 2020 suchte sie im Vorgangsverwaltungssystem [X.] nach den Verfahrensdaten des [X.]           , da sich eine Freundin für diesen interessierte und die Angeklagte ihn deshalb überprüfen wollte. Sie fand keine Eintragungen. Ihre Erkenntnisse gab sie nicht weiter (Fall 1b der Anklage).

8

Am 5. Mai 2020 fragte sie auf Bitten des [X.].       Verfahrensdaten bezüglich des              S.     ab. Aus den Daten der [X.] ergab sich, dass bereits abgeschlossene, jedoch keine neuen Ermittlungsverfahren gegen diesen erfasst waren. Sie versandte ein Lichtbild der [X.] an [X.].      , der es an S.     weiterleitete (Fall 4 der Anklage).

9

Am 25. Januar 2021 erfasste die Angeklagte im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit ein Ermittlungsverfahren, das unter sogenanntem Vollschutz gegen      [X.].    wegen Verstoßes gegen das [X.] geführt wurde. Die Bearbeitung des Vorgangs war ihr gezielt zur Prüfung des Verdachts der Verletzung des [X.] und der Beteiligung an [X.]en übertragen worden. Aufgrund der zu verarbeitenden persönlichen Daten erkannte sie, dass es sich bei dem Verdächtigen um den ihr nur mit Vornamen bekannten      [X.].    handelte. Um zu erfahren, ob ihr Lebensgefährte [X.]in dessen [X.] verstrickt war, wandte sie sich in – zunächst unbeantwortet gebliebenen – Nachrichten über [X.] und einen Messengerdienst sowie schließlich auch telefonisch an diesen. Ihre Frage, ob ihm der – dem [X.].     zugeordnete – Encrochat-Nutzername „n.       “ etwas sage, verneinte [X.]. Bei einem späteren Zusammentreffen mit ihm berichtete sie vom Ermittlungsverfahren gegen [X.].    (Fall 5 der Anklage).

Die Angeklagte nahm jeweils billigend in [X.]uf, dass durch ihr Handeln das Vertrauen der Allgemeinheit in die Unparteilichkeit, Unbestechlichkeit und Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung gefährdet wird.

b) Das [X.] hat die Taten der im Verurteilungsumfang geständigen Angeklagten als Verletzung des [X.] in drei Fällen gemäß § 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB (in der jeweils zur Tatzeit geltenden Fassung des Gesetzes) gewertet.

c) An ihrer Verurteilung wegen Beihilfe zum (bandenmäßigen) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fälle 1a und 2b der Anklage) hat es sich gehindert gesehen.

aa) Es hat sich keine Überzeugung davon bilden können, dass die Angeklagte durch Weitergabe der Verfahrensdaten hinsichtlich des [X.]    die Förderung des Kokainhandels von [X.] und [X.]           für möglich gehalten und zumindest billigend in [X.]uf genommen habe. Im Übrigen sei ein objektiv die Haupttat fördernder Tatbeitrag nach Festnahme des [X.]    nicht erkennbar.

Die Abfrage der Verfahrensdaten betreffend [X.]           erfülle mangels Weitergabe der gewonnenen Erkenntnisse keinen Straftatbestand. Insoweit hat das [X.] die Angeklagte vom tateinheitlich angeklagten Vorwurf der Verletzung des [X.] (Fall 1b der Anklage) teilweise freigesprochen. Eine Beihilfe zum (bandenmäßigen) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch diese Handlung komme nicht in Betracht, da es am Vorsatz zur Förderung einer Haupttat, zu der die Angeklagte am 8. Juli 2020 noch hätte Beihilfe leisten können, fehle.

bb) Auch von einer willentlichen und wissentlichen Verwahrung der Betäubungsmittel durch die Angeklagte oder von ihrer sonstigen Teilnahme am [X.] im Fall 2 der Anklage hat sich die [X.] nicht zu überzeugen vermocht und die Angeklagte insoweit freigesprochen.

II.

Die Revision der Generalstaatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des Urteils.

1. Die Beschränkung des Rechtsmittels ist unwirksam. Die Revision konnte nicht wirksam auf die angeklagten [X.] beschränkt werden. Denn die Taten des [X.] der Anklage würden mit einer zugleich hierdurch verwirklichten Beihilfe zum [X.] in Tateinheit stehen. Gleiches gilt für den Geheimnisverrat im Fall 5 der Anklage im Verhältnis zu der angeklagten Beihilfehandlung im Fall 2 der Anklage. Aufgrund der zeitlichen und sachlichen Verknüpfung des [X.] der Anklage mit einer etwaigen Beihilfehandlung im Fall 1a der Anklage ist Tateinheit jedenfalls nicht auszuschließen.

Eine Teilaufhebung ist entsprechend den für die [X.] geltenden Grundsätzen aber nur möglich, wenn der für die Aufhebung vorgesehene Urteilsteil selbständig geprüft und beurteilt werden kann, ohne dass auf die übrigen Teile der Entscheidung eingegangen zu werden braucht. Treffen mehrere Strafgesetze rechtlich zusammen, so erfasst deshalb die Aufhebung – auch wenn nur die Anwendung eines (Teils) der Strafgesetze rechtsfehlerhaft ist – die Verurteilung wegen der Tat immer im Ganzen; denn nur auf diese Weise kann verhindert werden, dass der nicht vom Rechtsfehler betroffene Teil in Rechtskraft erwächst, was einer weiteren Verfolgung der materiell-rechtlich selben Tat unter dem rechtlichen Gesichtspunkt, der Anlass zur Aufhebung gegeben hat, wegen des Verbots aus Art. 103 Abs. 3 GG entgegenstünde. Bei Rechtskraft der Schuldsprüche könnte anderenfalls Strafklageverbrauch eintreten (vgl. [X.], Urteil vom 20. Februar 1997 – 4 [X.], [X.]R StPO § 353 Aufhebung 1). Eine [X.] des Schuldspruchs kommt nur bei mehreren – jedenfalls materiell-rechtlich selbständigen – Straftaten in Betracht (vgl. [X.] aaO und Urteil vom 22. Juni 2023 – 4 StR 481/22).

2. Soweit das [X.] die Angeklagte vom Vorwurf der Beihilfe zum (bandenmäßigen) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall 2 der Anklage freigesprochen hat, hält das Urteil revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Die Beweiswürdigung erweist sich, auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten [X.] des [X.] (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2022 – 3 [X.]; NStZ-RR 2022, 372 f.), als rechtsfehlerhaft.

aa) Das [X.] hat insoweit ausgeführt, dass die Angeklagte bestritten habe, in irgendeiner Form von dem [X.] der Nichtrevidenten gewusst zu haben. Sie habe zu keinem [X.]punkt Betäubungsmittel gelagert oder transportiert. Ihre Einlassung sei „nicht mit der für eine Verurteilung nötigen Sicherheit zu widerlegen“. Für den Umstand, dass am 27. Januar 2021 die Betäubungsmittel in ihrer Wohnung gelagert wurden, gebe es eine Erklärung, die die [X.] „nicht mit der nötigen Sicherheit“ habe ausschließen können. Denn der Lebensgefährte der Angeklagten, [X.], dessen [X.] an einer Rewe-[X.]te festgestellt wurde, die sich zusammen mit den Betäubungsmitteln in einer Media-Markt-[X.]te befand, habe glaubhaft angegeben, dass die Angeklagte vom Rauschgift nichts gewusst habe. Dem stehe nicht entgegen, dass an der Außenseite einer der Vakuumverpackungen (des Marihuanas) innerhalb der Media-Markt-[X.]te die DNA der Angeklagten als abgrenzbare Hauptkomponente in einer Mischspur gesichert werden konnte. Insoweit hat es die [X.] für „ohne weiteres vorstellbar“ gehalten, dass die DNA durch [X.]übertragen worden sei.

bb) Die Ausführungen werden den Maßstäben, die der [X.] an die Beweiswürdigung stellt, nicht gerecht.

Denn sie geht von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes aus und erweist sich als lückenhaft.

(1) Das [X.] hat sich mit dem Beweiswert der festgestellten DNA der Angeklagten in einer Mischspur am Verpackungsmaterial der Betäubungsmittel nicht ausreichend auseinandergesetzt, obwohl es sich hierbei um ein gewichtiges, auf die Angeklagte als Teilnehmerin der [X.] hindeutendes Indiz gehandelt haben könnte. Dessen Bedeutung hat das [X.] sogleich – der Sache nach unter fehlerhafter Anwendung des Zweifelssatzes – mit Verweis auf eine „vorstellbare“ Sekundärübertragung relativiert. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Sekundärübertragung tatsächlich stattgefunden haben kann, lassen sich den Urteilsgründen indes nicht entnehmen. Das [X.] hat vielmehr Zweifeln Raum gegeben, die lediglich auf einer abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen. Ein auf Tatsachen beruhendes Geschehen, das Rückschlüsse auf einen möglichen Übertragungsweg zuließe, wird nicht mitgeteilt. Insbesondere ergeben sich dafür keine weiterführenden Erkenntnisse aus der nur rudimentär wiedergegebenen Einlassung des [X.], wonach er „die [X.]te dort deponiert“ habe. Weil das [X.] auch nicht erörtert hat, wie sich der Fundort dieser DNA-Spur zu der ebenfalls festgestellten [X.]spur des [X.]verhält, fehlen dem Revisionsgericht wichtige Gesichtspunkte für die Überprüfung der Annahme einer Sekundärübertragung. Dies gilt auch, soweit im Urteil nicht angegeben wird, ob und gegebenenfalls welche weiteren Spuren an den Betäubungsmitteln und dem Verpackungsmaterial festgestellt wurden, und welche Erkenntnisse zu Anzahl und gegebenenfalls Identität der Mitverursacher der [X.] vorgelegen haben. Solche Umstände sind aber von entscheidender Bedeutung. Denn eine Sekundärübertragung ist unwahrscheinlich, wenn Spuren des vorgeblichen [X.] völlig fehlen (vgl. dazu [X.], Urteil vom 3. Mai 2022 – 6 [X.] Rn. 14). Nichts Anderes kann gelten, wenn zwar eine Spur eines möglichen [X.] vorhanden ist ([X.] des [X.]), zwischen dieser und einer festgestellten DNA-Spur (der Angeklagten) aber kein Zusammenhang erkennbar ist, so wie möglicherweise hier. Demgegenüber schließt die vom [X.] in diesem Kontext angeführte Überlegung, dass die Angeklagte selbst im Ermittlungsverfahren die Überprüfung möglicher DNA-Spuren angeregt habe, und es deshalb „fernliegend“ sei, dass sie mit dem Auffinden solcher Spuren gerechnet habe, sie als direkte Verursacherin der Spur nicht aus; eine Sekundärübertragung wird allein hierdurch nicht „plausibel“.

(2) Zudem leidet die Beweiswürdigung unter einem durchgreifenden Darlegungsmangel, da die Ergebnisse des molekulargenetischen Gutachtens zu der festgestellten [X.] nur unzureichend mitgeteilt werden.

Wenn sich das Tatgericht bei seiner Überzeugungsbildung auf das Gutachten eines Sachverständigen stützt, hat es im Urteil dessen wesentliche Anknüpfungstatsachen und Ausführungen so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den [X.] des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind. Die Ergebnisse einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung sind dabei so darzustellen, dass sie nachvollziehbar sind. Dies gilt auch für die hier bedeutsame Frage eines indirekten Transfers von [X.], weil insoweit der DNA-Gehalt einer Spur und die Anzahl der Übereinstimmung untersuchter DNA-Profile, neben anderen Faktoren, von wesentlicher Bedeutung sein kann (vgl. zum Forschungsstand: [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 72, 78).

Bei [X.]en muss danach grundsätzlich mitgeteilt werden, wie viele [X.] untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen mit den DNA-Merkmalen des Angeklagten ergaben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist ([X.], Urteil vom 29. April 2021 – 4 StR 46/21 Rn. 8; Beschlüsse vom 12. August 2021 – 2 [X.]/20; vom 29. Juli 2020 – 6 [X.]; jeweils auch zu den [X.] bei Mischspuren).

Diese Anforderungen erfüllen die Ausführungen des [X.]s nicht im Ansatz. Sie erschöpfen sich in der Mitteilung, dass eine [X.] festgestellt worden sei, deren abgrenzbare Hauptkomponente von der Angeklagten stamme.

b) Das Urteil beruht auf den aufgezeigten [X.]. Eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung hätte zu einer anderen Bewertung einer etwaigen Teilnahme am [X.] führen können.

c) Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung darauf hin, dass sich der Umgang des [X.]s mit der bestreitenden Einlassung der Angeklagten, der es gefolgt ist, weil diese „nicht mit der für eine Verurteilung nötigen Sicherheit zu widerlegen“ gewesen sei, als rechtlich bedenklich erweist.

An die Bewertung der Einlassung eines Angeklagten sind die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Beurteilung sonstiger Beweismittel (vgl. [X.], Urteil vom 1. März 2023 – 2 StR 434/22, NStZ-RR 2023, 219 f.; Beschluss vom 19. September 2017 – 1 [X.], NStZ-RR 2018, 20 f. mwN). Dabei sind entlastende Angaben des Angeklagten nicht schon deshalb als unwiderlegbar hinzunehmen, weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt. Wie auch im Übrigen hat sich das Tatgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme eine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Beweisergebnisses zu bilden (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 19. September 2017 – 1 [X.], NStZ-RR 2018, 20 f. mwN).

3. Der Senat hebt das Urteil insgesamt mit den Feststellungen auf, soweit es die Angeklagte betrifft.

Der Schuldspruch im Fall 1 der Anklage (Ziffer [X.]) kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil nicht auszuschließen ist, dass die erforderliche Neubewertung der Frage ihrer Teilnahme an der [X.] im Fall 2 der Anklage durch das neue Tatgericht auch zu einer anderen Wertung einer möglichen Hilfeleistung zu früheren [X.]en führt. Dies betrifft insbesondere die Beurteilung der Recherchen der Angeklagten im Verwaltungssystem [X.] nach Personen, die am festgestellten [X.] beteiligt waren. Dies führt auch zur Aufhebung des Freispruchs im Fall 6 der Urteilsgründe (ebenfalls Fall 1 der Anklage).

Die beiden der Angeklagten angelasteten [X.] stehen jeweils in Tateinheit mit einzelnen Taten, die den Fällen des Geheimnisverrats zugrunde liegen; hinsichtlich des unter Ziffer [X.] der Urteilsgründe festgestellten Tatgeschehens (Fall 4 der Anklage) ist dies jedenfalls nicht auszuschließen. Deshalb unterliegen auch die Fälle 5 und 8 der Urteilsgründe der Aufhebung, obwohl das [X.] die Angeklagte – an sich rechtsfehlerfrei – wegen Verletzung des [X.] und einer besonderen Geheimhaltungspflicht (§ 353b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) verurteilt hat.

Die zugehörigen Feststellungen sind aufzuheben. Soweit die Angeklagte freigesprochen worden ist, folgt dies bereits daraus, dass sie sich bisher nicht wirksam gegen den Tatvorwurf verteidigen konnte. Im Übrigen ist es angezeigt, dem neuen Tatgericht insgesamt in sich widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.

4. Rechtsfehler zu Lasten der Angeklagten hat die Überprüfung des Urteils nicht ergeben (§ 301 StPO).

5. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung gibt das Urteil zu folgenden weiteren Hinweisen des Senats Anlass:

Die Beweiswürdigung des [X.]s lässt bislang die notwendige umfassende Gesamtwürdigung aller Beweisanzeichen vermissen (vgl. [X.], Urteile vom 26. April 2023 – 5 [X.]; vom 1. Juli 2020 – 2 [X.]; vom 7. November 2012 – 5 [X.]). Insbesondere wird das neue Tatgericht die enge persönliche, situative und zeitliche Verknüpfung aller festgestellten Straftaten in den Blick zu nehmen haben.

Cirener     

        

Gericke     

        

Ri[X.] Prof. Dr. Mosbacher
ist im Urlaub und kann nicht
unterschreiben.
Cirener

        

Resch     

        

Ri[X.] Prof. Dr. [X.] ist     
im Urlaub und kann nicht
unterschreiben.
Cirener

        

Meta

5 StR 434/22

16.08.2023

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hamburg, 19. Mai 2022, Az: 632 KLs 12/21

§ 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.08.2023, Az. 5 StR 434/22 (REWIS RS 2023, 6919)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6919

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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