Bundessozialgericht, Urteil vom 26.05.2020, Az. B 1 KR 9/18 R

1. Senat | REWIS RS 2020, 2474

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - fingierte Leistungsgenehmigung begründet keinen eigenständigen Naturalleistungsanspruch - Recht auf Selbstbeschaffung der Leistung auch bei materieller Rechtswidrigkeit - Vorliegen von grob fahrlässiger Handlung durch den Versicherten - fingierte Leistungsgenehmigung hat nicht die Qualität eines Verwaltungsaktes - keine Beendigung des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens - Berechtigung und Verpflichtung der Krankenkasse auf Entscheidung über den gestellten Antrag und Abschluss des laufenden sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens - Verwaltungsakt


Leitsatz

1. Eine fingierte Leistungsgenehmigung im Sinne des SGB V begründet keinen eigenständigen Naturalleistungsanspruch, sondern vermittelt den Versicherten nur eine Rechtsposition, die es ihnen erlaubt, sich die Leistung selbst zu beschaffen, und es der Krankenkasse nach erfolgter Selbstbeschaffung verbietet, eine beantragte Kostenerstattung mit der Begründung abzulehnen, nach dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe kein Anspruch auf die Leistung (Aufgabe der stRspr seit BSG vom 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R = BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33).

2. Das durch die Genehmigungsfiktion begründete Recht des Versicherten zur Selbstbeschaffung auf Kosten der Krankenkasse besteht auch bei materieller Rechtswidrigkeit der selbstbeschafften Leistung, sofern der Versicherte im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung weder Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis vom Nichtbestehen des materiellen Leistungsanspruchs hat ("Gutgläubigkeit"; Fortentwicklung der stRspr seit BSG vom 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R = BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33).

3. Grob fahrlässig handeln Versicherte, die sich trotz der ihnen vermittelten erdrückenden Sach- und Rechtslage der Erkenntnis verschließen, dass sie auf die selbstbeschaffte Leistung offensichtlich keinen Anspruch haben, obwohl sie nach ihren persönlichen Fähigkeiten zu dieser Erkenntnis in der Lage wären.

4. Die nach Fristablauf fingierte Genehmigung eines Antrags auf Leistungen hat nicht die Qualität eines Verwaltungsaktes und beendet nicht das durch den Antrag in Gang gesetzte Verwaltungsverfahren, sodass die Krankenkasse weiterhin berechtigt und verpflichtet ist, über den gestellten Antrag zu entscheiden und damit das laufende Verwaltungsverfahren abzuschließen (Aufgabe der stRspr seit BSG vom 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R = BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr 33).

5. Ist über den materiell-rechtlichen Leistungsanspruch bindend entschieden oder hat sich der Antrag anderweitig erledigt, endet das durch die Genehmigungsfiktion begründete Recht der Versicherten auf Selbstbeschaffung der beantragten Leistung auf Kosten der Krankenkasse.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Februar 2018 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Versorgung des [X.] mit dem Arzneimittel [X.].

2

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. beantragte für den bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versicherten Kläger am 24.2.2016 die Versorgung mit dem Arzneimittel [X.] im Off-Label-Use zur Behandlung seiner zerebellaren Ataxie bei [X.] nachgewiesener Kleinhirnatrophie. Ein vorausgegangener Therapieversuch aufgrund privatärztlicher Verordnung habe die [X.] deutlich verbessert. [X.] ist nur zur Behandlung der [X.] bei Multipler Sklerose zugelassen. Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ([X.]) und teilte dies dem Kläger unter dem 26.2.2016 mit. Die Beklagte lehnte aufgrund des [X.]-Gutachtens vom 26.4.2016 die beantragte Versorgung des [X.] mit Bescheid vom 17.5.2016 und Widerspruchsbescheid vom 12.1.2017 ab. Die Voraussetzungen eines Off-Label-Use seien nicht gegeben. Das [X.] hat unter Aufhebung dieser Bescheide die Beklagte verurteilt, den Kläger entsprechend ärztlicher Verordnung mit [X.] zu versorgen (Gerichtsbescheid vom 5.9.2017). Das L[X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Der Kläger habe aus der fingierten Genehmigung seines hinreichend bestimmten, zulässigen Antrags einen Anspruch auf Versorgung mit [X.]. Diese sei weder durch die rechtswidrige nachträgliche Ablehnung des Antrags entfallen noch habe sie sich auf andere Weise erledigt. Die Beklagte habe den Antrag des [X.] nicht innerhalb der hier maßgeblichen gesetzlichen Frist von fünf Wochen beschieden. Der Kläger habe die Versorgung mit [X.] aufgrund der Stellungnahme seines Arztes auch subjektiv für erforderlich halten dürfen (Urteil vom 15.2.2018).

3

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 13 Abs 3a [X.]B V. Die Regelung begründe keinen Naturalleistungsanspruch des Versicherten auf Versorgung mit einem Arzneimittel im Rahmen des Off-Label-Use. Sie sei zudem auf Ansprüche, die - wie hier - eine Dauermedikation zum Gegenstand hätten, nicht anwendbar. Auch fehle es an einem fiktionsfähigen Antrag.

4

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des [X.] vom 15. Februar 2018 sowie den Gerichtsbescheid des [X.] vom 5. September 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

        

das Urteil des [X.] vom 15. Februar 2018 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

5

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der beklagten [X.] ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

8

Der Kläger begehrt die Versorgung mit dem Arzneimittel [X.] als Dauermedikation. Er stützt sich dabei in erster Linie auf eine eingetretene Genehmigungsfiktion (§ 13 Abs 3a Satz 6 [X.]). Er verfolgt dieses Ziel in zulässiger Weise mit einer allgemeinen Leistungsklage und einer gegen die Ablehnungsentscheidung der Beklagten gerichteten isolierten Anfechtungsklage, denn für die Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage kann sich der Kläger weiterhin auf die bisherige ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats berufen (vgl nur [X.] vom 11.7.2017 - [X.] KR 26/16 R - [X.], 293 = [X.]-2500 § 13 [X.], RdNr 8 ff). Die verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes lässt es nicht zu, eine im Zeitpunkt ihrer Erhebung zulässige Leistungsklage im Revisionsurteil als unzulässig anzusehen, wenn das Revisionsgericht im Revisionsurteil - wie im vorliegenden Fall - seine im Zeitpunkt der [X.] noch maßgebliche Rechtsprechung insoweit aufgibt.

9

Der Kläger hat keinen Leistungsanspruch auf die Versorgung mit dem Arzneimittel [X.] allein aufgrund eingetretener Genehmigungsfiktion. Seine hierauf gestützte allgemeine Leistungsklage ist unbegründet. Die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a Satz 6 [X.] vermittelt keinen eigenständigen Anspruch auf Versorgung mit einer Naturalleistung, sondern nur ein Recht auf Selbstbeschaffung bei Ablauf der in § 13 Abs 3a [X.] genannten Fristen mit Anspruch auf Erstattung der Beschaffungskosten. Insoweit gibt der Senat seine bisherige Rechtsprechung auf (dazu 1.). Kosten der Selbstbeschaffung sind nach Eintritt der Genehmigungsfiktion auch dann erstattungsfähig, wenn das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) einen entsprechenden Anspruch nicht vorsieht, es sei denn, dass der Versicherte dies im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung der Leistung wusste oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht wusste (dazu 2.). Der Kläger kann dagegen im Wege der Anfechtungsklage die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Beklagten über den ursprünglichen Antrag nicht bereits wegen der Genehmigungsfiktion verlangen. Die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a Satz 6 [X.] ist kein fingierter Verwaltungsakt. Auch insoweit gibt der erkennende Senat seine bisherige Rechtsprechung auf (dazu 3.). Soweit der Kläger sein Begehren hilfsweise auf § 27 Abs 1 Satz 2 [X.] iVm § 31 [X.] und die Grundsätze über den Off-Label-Use stützt, verfolgt er dieses Begehren zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage. Ob die danach als zulässig anzusehende Klage begründet ist, kann der Senat wegen fehlender Feststellungen des [X.] nicht abschließend entscheiden (dazu 4.).

1. Eine fingierte Genehmigung nach dem Leistungsrecht der [X.] (§ 13 Abs 3a Satz 6 [X.]) begründet keinen eigenständigen [X.] (Aufgabe von [X.] KR 25/15 R - [X.], 40 = [X.]-2500 § 13 [X.]3 Rd[X.]5; zuletzt [X.] vom [X.] KR 36/18 R - [X.]-2500 § 13 [X.] RdNr 16; gegen einen [X.] auch Hessisches [X.] vom 10.12.2015 - L 1 KR 413/14 - juris Rd[X.]1 ff; Bayerisches [X.] vom 7.9.2016 - L 20 KR 597/15 - juris Rd[X.]8 ff; [X.] Nordrhein-Westfalen vom 6.4.2017 - L 16 KR 202/16 - juris RdNr 42 ff; [X.] in jurisPK-[X.], 4. Aufl 2020, § 13 RdNr 141 ff; [X.], [X.] 2014, 374 ff; [X.], [X.] 2017, 749, 753; von [X.], NZS 2016, 601, 603 f; [X.], NZS 2015, 294, 297; [X.] in [X.], 2. Aufl 2018, § 13 [X.] Rd[X.]4; [X.], [X.], 6, 9; für einen [X.] [X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand Juli 2019, § 13 RdNr 58r; [X.] in [X.] Komm, [X.], Stand August 2019, § 13 RdNr 134 und 145; [X.] in [X.]/von [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl 2018, § 13 RdNr 81; [X.], [X.] 2017, 567, 568 f). Sie vermittelt dem Versicherten eine Rechtsposition sui generis. Diese erlaubt es ihm, sich die Leistung (bei Gutgläubigkeit, dazu siehe 2.) selbst zu beschaffen und verbietet es der [X.] nach erfolgter Selbstbeschaffung, eine beantragte Kostenerstattung mit der Begründung abzulehnen, nach dem Recht der [X.] bestehe kein Rechtsanspruch auf die Leistung. Dies folgt aus Entstehungsgeschichte (dazu b), Binnensystematik der Vorschrift (dazu c) und der Fortentwicklung des [X.] in der parallelen Vorschrift des § 18 Abs 1 bis 6 [X.] (dazu d). Der Wortlaut der Vorschrift (dazu a) erlaubt diese Auslegung. Sie steht auch im Einklang mit dem Regelungszweck (dazu e). § 13 Abs 3a Satz 6 und 7 [X.] stehen nach dieser Auslegung auch in Einklang mit höherrangigem Recht. Art 3 Abs 1 GG wird nicht verletzt (dazu f).

a) § 13 Abs 3a [X.] regelt die Fiktion der Genehmigung eines nicht fristgerecht beschiedenen Antrags und deren Rechtsfolgen. Die Vorschrift ist durch Art 2 [X.] zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (PatRVerbG) vom [X.] ([X.]) mit Wirkung vom [X.] ins [X.] eingefügt und zuletzt durch Art 1 [X.] für bessere und unabhängigere Prüfungen ([X.]) vom [X.] ([X.] 2789) mit Wirkung vom [X.] geändert worden. Sie hat - soweit hier relevant - folgenden Wortlaut:

        

"<Satz 1> Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. <Satz 2> Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. (…) <Satz 5> Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. <Satz 6> Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. <Satz 7> Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. (…)."

Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich nur, dass mit Eintritt der Genehmigungsfiktion nach Ablauf der Frist Versicherte die Möglichkeit der Selbstbeschaffung mit Anspruch auf Kostenerstattung haben. Sie regelt aber weder die Rechtsnatur der Genehmigungsfiktion iS eines Verwaltungsakts noch ordnet sie einen [X.] sui generis als ihre Rechtsfolge ausdrücklich an.

b) Die Gesetzesmaterialien bestätigen diesen Wortlautbefund. Danach wollte der Gesetzgeber mit § 13 Abs 3a Satz 6 und 7 [X.] nur einen eigenständigen Kostenerstattungsanspruch schaffen. Der Entwurf der Bundesregierung eines PatRVerbG (BT-Drucks 17/10488) sah ein Verfahren zur Beschleunigung der Bewilligungsverfahren bei den [X.]n vor. Es sollte zur schnellen Klärung von Leistungsansprüchen führen und bewirken, dass "die Versicherten bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen in kurzer Zeit ihre Leistungen" erhalten (BT-Drucks 17/10488 [X.]). Bei nicht rechtzeitiger Leistungserbringung sollten Versicherte sich erforderliche Leistungen selbst beschaffen können. Hierfür sollten die Versicherten nach Ablauf gesetzlich geregelter Fristen und fruchtlos von ihnen gesetzter angemessener Fristen ein Recht zur Selbstbeschaffung mit nachfolgender Kostenerstattung erhalten. Trotz der vom [X.] beschlossenen und Gesetz gewordenen Änderungsempfehlungen änderte sich an dieser Grundausrichtung auf einen bloßen Kostenerstattungsanspruch nichts; auch nicht durch die Einfügung des § 13 Abs 3a Satz 6 [X.]. Beschlussempfehlung und Bericht des [X.] lassen hieran keinen Zweifel aufkommen. Dort heißt es: "Die Neuregelung ist im Wesentlichen schon im Gesetzentwurf enthalten (….)" (BT-Drucks 17/11710 [X.]). "Die im [X.] geregelten Rechte der Versicherten gegenüber den Krankenkassen sollen gestärkt werden, indem Versicherte sich eine Leistung selbst beschaffen können, wenn die Krankenkasse nicht innerhalb einer bestimmten Frist über den Antrag entscheidet und diese Verzögerung nicht hinreichend begründet" (BT-Drucks 17/11710 S 18; inhaltlich gleich auch [X.] f). Zur Genehmigungsfiktion heißt es weiter: Satz 6 "(…) sieht nun vor, dass die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt gilt, wenn die Krankenkasse dem Versicherten keinen hinreichenden Grund für die Nichteinhaltung der genannten Fristen nennt. Eine zusätzliche eigene Fristsetzung durch den Versicherten wird nicht mehr als Voraussetzung für eine Selbstbeschaffung der Leistung mit der Folge einer Kostenerstattungspflicht der Krankenkasse vorgesehen. Dies erleichtert es dem Versicherten, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen" (BT-Drucks 17/11710 [X.]).

c) Die systematische Verortung des Abs 3a in § 13 [X.], der die Überschrift "Kostenerstattung" trägt, spricht ebenfalls für die Auslegung, dass § 13 Abs 3a [X.] keinen [X.] sui generis eröffnet (vgl [X.] in jurisPK-[X.], 4. Aufl 2020, § 13 RdNr 144). § 13 Abs 1 [X.] regelt den Grundsatz, dass die [X.] anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten darf, soweit es das [X.] oder das [X.] vorsieht. Vor Einfügung des Absatzes 3a in § 13 [X.] hatten die übrigen Absätze der Vorschrift nur [X.] zum Gegenstand und auch Absatz 3a regelt in seinem Satz 7 als Rechtsfolge ausdrücklich nur eine Kostenerstattung. Zu einem [X.] schweigt Absatz 3a dagegen. Auch die amtliche Überschrift zu § 13 [X.] "Kostenerstattung" wurde mit Einfügung des § 13 Abs 3a [X.] nicht geändert.

d) Ein systematischer Vergleich des § 13 Abs 3a [X.] mit § 18 Abs 3 und 4 [X.] bestätigt dies. Mit der Vorschrift des § 18 Abs 3 und 4 [X.] in der Fassung des [X.] und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen ([X.] - [X.]) vom 23.12.2016 ([X.] 3234) formte der Gesetzgeber das schon in § 13 Abs 3a [X.] angelegte Regelungskonzept noch konkreter aus. Schon die amtliche Überschrift zu § 18 [X.] besagt, dass es um die "Erstattung selbstbeschaffter Leistungen" geht. Die Gesetzesmaterialien belegen hier noch deutlicher, dass die Regelung nur einen Kostenerstattungsanspruch zum Inhalt hat. Aus der Begründung zu § 18 [X.] im [X.]-Entwurf der Bundesregierung ergibt sich, dass damit nur der "Anspruch auf Kostenerstattung bei der Selbstbeschaffung von Leistungen (…) gesetzlich weiterentwickelt" wurde (vgl BT-Drucks 18/9522 [X.]). § 13 Abs 3a Satz 6 und 7 [X.] und § 18 Abs 3 Satz 1, Abs 4 Satz 1 [X.] sehen mit fast gleichem Wortlaut identische Rechtsfolgen vor. Angesichts dessen ist es fernliegend, dass der Gesetzgeber bei parallel geregelten Tatbestandsvoraussetzungen und im Wortlaut parallel geregelten Rechtsfolgen für auch im [X.] eng beieinander liegende Leistungsbereiche (zB Hilfsmittel einerseits zur Sicherung des Erfolgs der Krankenbehandlung, andererseits zum [X.]; vgl dazu [X.] vom [X.] KR 18/17 R - [X.], 189 = [X.]-2500 § 13 [X.], Rd[X.]4 ff; [X.] vom [X.] - B 3 KR 21/18 R - juris RdNr 17 ff) gleichwohl mit § 13 Abs 3a Satz 6 [X.] eine andere Rechtsfolge herbeiführen wollte als mit § 18 Abs 3 Satz 1 [X.] (vgl auch [X.], [X.] 2017, 749, 756 f).

Die Genehmigungsfiktion des Satzes 6 ist danach eine komplementäre Regelung zum Kostenerstattungsanspruch des Satzes 7 des § 13 Abs 3a [X.], den sie spezifisch zugunsten der Versicherten ausformt. An[X.] als bei § 13 Abs 3 Satz 1 [X.] können sich [X.]n nach Eintritt der Genehmigungsfiktion nicht mehr auf die materielle Rechtswidrigkeit der beantragten und selbstbeschafften Leistung berufen, wenn sich Versicherte die Leistung nach Eintritt der Genehmigungsfiktion beschafft haben. Denn die Leistung gilt als genehmigt. Dies stellt die Begründung zu § 18 [X.] im [X.]-Entwurf der Bundesregierung mit folgenden Worten klar: "Durch die Genehmigungsfiktion wird keine behördliche Entscheidung ersetzt, sondern eine Rechtsposition sui generis geschaffen, die die Leistungsberechtigten in die Lage versetzt, (…) einen Kostenerstattungsanspruch (…) geltend zu machen" (BT-Drucks 18/9522 [X.]). Diese Vorstellung ist angesichts der aufgezeigten Parallelität der Regelungen auch auf § 13 Abs 3a Satz 6 [X.] übertragbar. Die [X.]n können [X.]n nur noch dann erfolgreich entgegentreten, wenn die Selbstbeschaffung in zumindest grob fahrlässiger Unkenntnis der Versicherten über den fehlenden [X.] erfolgte (näher dazu unten 2.).

e) Die Auslegung des § 13 Abs 3a [X.] als Kostenerstattungsregelung steht auch mit dem Beschleunigungszweck und dem Sanktionscharakter des § 13 Abs 3a [X.] (vgl [X.] KR 25/15 R - [X.], 40 = [X.]-2500 § 13 [X.]3, Rd[X.], 25; [X.] vom [X.] KR 1/19 R - [X.]-2500 § 13 [X.] RdNr 13; zum Beschleunigungszweck siehe auch oben b) in Einklang.

Die Gesamtregelung will erreichen, dass der Versicherte [X.] schnell erhält. Zweck der Vorschrift ist es dagegen nicht, einem Versicherten Leistungen zu verschaffen, auf die er nach dem Recht der [X.] keinen Anspruch hat. Ist die [X.] nicht in der Lage oder nicht willens, schnell zu entscheiden, soll der Versicherte selbst die Beschleunigung bewirken können. Das Selbstbeschaffungsrecht macht ihn unabhängig vom weiteren Vorgehen der [X.]. Schon der ursprüngliche Entwurf der Bundesregierung sah in der Möglichkeit der Selbstbeschaffung als Ausnahme vom [X.] auch "eine Sanktionsmöglichkeit gegen die Krankenkasse", die nicht in einem angemessenen Zeitraum entscheidet (BT-Drucks 17/10488 [X.]). Die in der Ursprungsfassung mitgedachte Sanktionswirkung konnte nur darin bestehen, dass für eine im Übrigen rechtmäßige Leistungsbeschaffung die (unvermeidbaren) Beschaffungskosten höher sein können als die einer Naturalleistungsgewährung, dass der [X.] zudem ein zusätzlicher Aufwand durch das aufwändigere Kostenerstattungsverfahren entsteht und dass Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren gegen Leistungserbringer nicht greifen. Der Kostenerstattungsanspruch hing nach der ursprünglichen Entwurfsfassung aber weiterhin davon ab, dass der Versicherte auf diese Leistung dem Grunde und dem Umfang nach Anspruch nach materiellem [X.]-Recht hatte. Der Kostenerstattungsanspruch reichte nicht weiter als der [X.]. Er setzte daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die [X.]n allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl dazu bereits BT-Drucks 17/10488 [X.] unter Hinweis auf § 13 Abs 3 [X.]; vgl dazu die stRspr des erkennenden Senats, zuletzt vom [X.] KR 14/19 R - juris RdNr 16 mwN). Das Erfordernis der im [X.] enthaltenen Fristsetzung durch den Versicherten ist schon durch dessen Streichung entfallen. Einer zusätzlichen Genehmigungsfiktion bedurfte es für diesen Teil der "Erleichterung" nicht. Die mit § 13 Abs 3a Satz 6 [X.] zusätzlich angestrebte "Erleichterung" zeitnaher Beschaffung (BT-Drucks 17/11710 [X.]) kann daher nur bezwecken, dass beim Kostenerstattungsanspruch des Versicherten nicht geprüft wird, ob der Versicherte auch ohne die Genehmigungsfiktion Anspruch auf die Leistung als Naturalleistung gehabt hätte. Käme es dagegen für Existenz und Reichweite des [X.] weiterhin auf das sonstige [X.]-Recht an, wäre die Regelung ohne eigenen Regelungsgehalt.

Von dem allgemeinen Beschleunigungszweck der Gesamtvorschrift ist der spezifische Zweck der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a Satz 6 [X.] zu unterscheiden, der nicht in der Beschleunigung des einzelnen Antragsverfahrens liegt. Der Beschleunigungseffekt wird bereits durch die Eröffnung der Selbstbeschaffung mit Kostenerstattung erzielt. Der spezifische Zweck der Genehmigungsfiktion liegt in dem Druck, den diese auf die [X.]n dadurch ausübt, sich nach Ablauf der Frist nicht mehr auf "materielle Rechtswidrigkeit" der beantragten Leistung berufen zu können, wenn sich die Versicherten die Leistung beschafft haben. Sie entfaltet ihre Wirkung insbesondere in Fällen, in denen nach materiellem Leistungsrecht der [X.] kein [X.] besteht. Dies kann der Fall sein, wenn der Leistung an sich das [X.] (§ 2 Abs 1 Satz 3 [X.]) oder das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 [X.]) entgegenstünde. Die Genehmigungsfiktion ist der Rechtsgrund dafür, nach erfolgter Selbstbeschaffung einer Leistung diese auch dann behalten zu dürfen, wenn hierauf nach allgemeinen Grundsätzen der [X.] kein Rechtsanspruch bestünde. Dies stellt die Begründung zu § 18 [X.] im [X.]-Entwurf der Bundesregierung mit folgenden Worten klar: "Durch die Genehmigungsfiktion wird keine behördliche Entscheidung ersetzt, sondern eine Rechtsposition sui generis geschaffen, die die Leistungsberechtigten in die Lage versetzt, (…) einen Kostenerstattungsanspruch (…) geltend zu machen" (BT-Drucks 18/9522 [X.]).

f) § 13 Abs 3a Satz 6 und 7 [X.] verletzt den allgemeinen Gleichheitssatz nicht dadurch, dass er einen [X.] ausschließt.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG verlangt nicht, dass eine fingierte Genehmigung nach nicht fristgemäßer Entscheidung über einen Leistungsantrag einen Anspruch auf die beantragte Sachleistung zur Rechtsfolge haben muss, damit (auch) mittellose Versicherte sich Leistungen zulasten der [X.] verschaffen können, auf die materiell-rechtlich nach dem Leistungsrecht des [X.] kein Anspruch besteht. Entscheidend ist, dass alle Versicherten nach den gleichen rechtlichen Grundsätzen Zugang zu den Sachleistungsansprüchen der [X.] haben. Dass finanziell besser gestellte Versicherte sich eine (umstrittene) Leistung grundsätzlich einfacher auf ihre Kosten beschaffen können, war schon bisher auch bei der Anwendung des § 13 Abs 3 [X.] (Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen in einem Notfall bzw bei nach vorherigem Antrag zu Unrecht erfolgter Ablehnung) möglich, ohne dass die Rechtsprechung des [X.] dies als verfassungswidrig eingestuft hat (vgl [X.] vom 8.11.2011 - [X.] KR 20/10 R - [X.]E 109, 218 = [X.]-2500 § 31 [X.], Rd[X.]8). Beide Gruppen von Versicherten haben von Rechts wegen die Möglichkeit zur Selbstbeschaffung. Soweit bei der Gruppe der mittellosen Versicherten eine Selbstbeschaffung faktisch nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, ist dies eine vom Gesetzgeber in Kauf genommene Folge bei seinem Bemühen, die [X.]n im Wege effektiver Sanktionen zu veranlassen, schnell rechtmäßige Entscheidungen über [X.] der Versicherten zu treffen. § 13 Abs 3a [X.] zielt jedoch nicht darauf ab, Ansprüche zu begründen, die nach sonstigem [X.]-Recht nicht bestehen. Im Übrigen ist die Vorleistungsobliegenheit und die dafür erforderliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unabhängig vom jeweiligen Rechtsgebiet sämtlichen Kostenerstattungsregelungen immanent (vgl [X.], [X.] 2017, 749, 753; [X.], [X.] 2019, 22, 27; [X.] in jurisPK-[X.], 4. Aufl 2020, § 13 RdNr 149).

2. Das durch die Genehmigungsfiktion begründete Recht zur Selbstbeschaffung auf Kosten der [X.] besteht auch bei materieller Rechtswidrigkeit der selbstbeschafften Leistung, sofern der Versicherte im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Nichtbestehen des materiellen Leistungsanspruchs hat ("Gutgläubigkeit"; Fortentwicklung von [X.] KR 25/15 R - [X.], 40 = [X.]-2500 § 13 [X.]3, Rd[X.]6; zuletzt [X.] vom [X.] KR 9/19 R - juris Rd[X.]9; aA [X.], [X.] 2014, 374, 375 f; [X.], [X.] 2015, 144, 149; von [X.], NZS 2016, 601, 604 f; [X.], NZS 2018, 753, 756 f; [X.] in jurisPK-[X.], 4. Aufl 2020, § 13 RdNr 154 mwN).

Der Senat hat (aaO) bislang schon entschieden, dass die mit § 13 Abs 3a [X.] verfolgten Zwecke - Verfahrensbeschleunigung und Sanktionierung der [X.]n bei Nichteinhaltung der sich aus der Vorschrift ergebenden Fristen - ihre Grenze beim Rechtsmissbrauch finden. Diesen Rechtsgedanken hat der Gesetzgeber in § 18 Abs 5 [X.] aufgegriffen und näher konkretisiert. Im Vergleich zur bisherigen Rechtsprechung des Senats ist der Maßstab des § 18 Abs 5 [X.] jedoch konkreter gefasst, indem er den in § 45 Abs 2 Satz 3 [X.] [X.] geregelten Verschuldensmaßstab aufgreift. Im Hinblick auf die Parallelität der Regelungen (vgl oben 1. d) sieht sich der erkennende Senat daher berechtigt und verpflichtet, das in § 18 Abs 5 [X.] gesetzlich geregelte [X.] wegen seiner Sachgerechtigkeit auch bei der vergleichbaren Vorschrift des § 13 Abs 3a [X.] zur Anwendung zu bringen.

Grob fahrlässig handelt nach der Legaldefinition des § 45 Abs 2 Satz 3 [X.] [X.], wer die erforderliche Sorgfalt in beson[X.] schwerem Maße verletzt, dh wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (stRspr; vgl nur [X.] vom [X.] [X.]/85 - [X.]E 62, 32, 35 mwN = [X.]100 § 71 [X.]). Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (stRspr; vgl nur [X.] vom 13.12.1972 - 7 [X.] 9/69 - [X.]E 35, 108, 112 = [X.] [X.] zu § 13 [X.]). Eine nähere Kenntnis des [X.]-Rechts darf den Versicherten nicht abverlangt werden (vgl zu § 18 Abs 5 [X.] auch BT-Drucks 18/9522 [X.]). Das Tatbestandsmerkmal der groben Fahrlässigkeit soll nur eine Kostenerstattung offensichtlich rechtswidriger Leistungen ausschließen (vgl BT-Drucks 18/9522 [X.]). Je offensichtlicher die beantragte Leistung außerhalb des [X.]-Leistungskatalogs liegt, desto eher ist von einer zumindest grob fahrlässigen Unkenntnis (Bösgläubigkeit) der Versicherten im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung auszugehen.

Das ist dann der Fall, wenn sich Versicherte trotz erdrückender Sach- und Rechtslage besserer Erkenntnis verschließen. Allein der Umstand, dass ein Arzt Versicherten verdeutlicht, [X.]n sähen die Rechtslage zuungunsten der Versicherten an[X.], er als Vertragsarzt deshalb im Verhältnis zu den [X.]n nicht das [X.] übernehmen wolle und er dem Versicherten daher einen Leistungsantrag bei der zuständigen [X.] empfehle, begründet noch keine grob fahrlässige Unkenntnis oder gar Kenntnis der Rechtswidrigkeit der beantragten Leistung. Es kommt auch nicht auf formale Ablehnungsentscheidungen an, sondern auf die Qualität der fachlichen Argumente und ihre Nachvollziehbarkeit durch die Versicherten. Deshalb folgt aus einer ablehnenden Entscheidung der [X.] für sich genommen noch keine grobe Fahrlässigkeit; auch dann nicht, wenn die Entscheidung der [X.] auf einer Stellungnahme des [X.] beruht. Halten [X.] und [X.] später an einer Ablehnung des Anspruchs im Vorverfahren fest, führt auch dies nicht zwingend zur grob fahrlässigen Unkenntnis des Versicherten. Ein Meinungsstreit über rechtliche und tatsächliche Umstände, insbesondere unterschiedliche gutachtliche Bewertungen, schließt Gutgläubigkeit grundsätzlich nicht aus. Dies gilt auch noch während eines Klage- und Rechtsmittelverfahrens.

Die Gutgläubigkeit ist jedoch ein tatsächlicher Umstand, der sich jederzeit hin zur Bösgläubigkeit verändern kann. Daher kommt ein Kostenerstattungsanspruch auch dann noch in Betracht, wenn sich der Versicherte die Leistung erst während eines anhängigen Rechtsstreits beschafft. Allerdings muss bei jedem Beschaffungsvorgang "Gutgläubigkeit" vorliegen; die beschaffungsbezogene Unkenntnis, dass materiell-rechtlich kein Anspruch auf die Leistung besteht, darf nicht auf grober Fahrlässigkeit beruhen. Gerade bei beantragten Dauerleistungen kann die Unkenntnis der Versicherten, keinen Anspruch auf die beantragte Leistung zu haben, im weiteren Verlauf auch grob fahrlässig werden.

Unabhängig von dem Grad der Unkenntnis vermag eine Selbstbeschaffung jedenfalls dann keinen Kostenerstattungsanspruch mehr auszulösen, wenn sie erst erfolgt, nachdem die [X.] die beantragte Leistung bestandskräftig abgelehnt oder im Streitfall das Gericht die Anfechtungs- und Leistungsklage rechtskräftig abgewiesen hat (ausführlich dazu 3.).

3. Der Kläger kann die Aufhebung des [X.] nicht mit der Begründung verlangen, dass eine Genehmigungsfiktion eingetreten sei.

Die nach Fristablauf fingierte Genehmigung eines Antrags auf Leistungen hat nicht die Qualität eines Verwaltungsaktes. Durch den Eintritt der Genehmigungsfiktion wird das durch den Antrag in Gang gesetzte Verwaltungsverfahren nicht abgeschlossen. Die [X.] ist weiterhin berechtigt und verpflichtet, über den gestellten Antrag zu entscheiden und damit das laufende Verwaltungsverfahren abzuschließen (Aufgabe von [X.] vom 11.7.2017 - [X.] KR 26/16 R - [X.], 293 = [X.]-2500 § 13 [X.], RdNr 10 und 37; zuletzt [X.] vom [X.] KR 36/18 R - [X.]-2500 § 13 [X.] RdNr 11 und 42). Ist über den materiell-rechtlichen Leistungsanspruch bindend entschieden oder hat sich der Antrag anderweitig erledigt, endet das durch die Genehmigungsfiktion begründete Recht auf Selbstbeschaffung der beantragten Leistung auf Kosten der [X.].

Weder § 13 Abs 3a [X.] noch § 18 [X.] enthalten eine ausdrückliche Regelung zur verfahrensrechtlichen Behandlung des einmal gestellten Antrags. Auch die Gesetzesmaterialien verhalten sich dazu nicht. Die Genehmigungsfiktion beendet nicht das Verfahren auf Bewilligung der beantragten Naturalleistung. Der gestellte Antrag auf Naturalleistung existiert fort. Die Genehmigungsfiktion stärkt zwar die nach Fristablauf potentiell mögliche Selbstbeschaffung, indem sie den Kostenerstattungsanspruch zugunsten der Versicherten gegen Einwendungen (fehlender materieller Anspruch auf die Leistung) bis zu einem gewissen Punkt (fehlende Gutgläubigkeit) abschirmt; sie erledigt aber das durch das Naturalleistungsbegehren eingeleitete Verwaltungsverfahren nicht. Würde die Genehmigungsfiktion dieses Verwaltungsverfahren beenden, hätte dies die vom Gesetz nicht gewollte Folge, dass der [X.] entfiele. Denn § 13 Abs 3a [X.] eröffnet nur einen Kostenerstattungsanspruch (siehe 1.). Hinsichtlich der beantragten [X.] gelten weiterhin die allgemeinen Regelungen des [X.], soweit keine abweichenden spezielleren Regelungen existieren. Die [X.]n sind danach mangels einer an[X.] lautenden gesetzlichen Regelung in § 13 Abs 3a [X.] grundsätzlich verpflichtet, das den [X.] betreffende Verwaltungsverfahren fortzuführen und zum Abschluss zu bringen. Dies gilt erst dann nicht mehr, wenn sich der Antrag erledigt hat. Dabei geht es im Rahmen des § 13 Abs 3a [X.] um Anträge, die auf eine "einmalige" Leistung im Sinne eines engen zeitlich-gegenständlichen Begehrens gerichtet sind, die sich Versicherte schon selbst beschafft haben (zB die beantragte [X.] ist erfolgt), bevor [X.]n hierüber entschieden haben. Ist dagegen der Leistungsantrag auf eine Dauerleistung gerichtet, die eine Mehrzahl oder gar eine nicht absehbare Zahl von [X.] erfordert, erledigt sich der Antrag nicht mit dem einzelnen Beschaffungsvorgang. Denn das von den Versicherten mit ihren Anträgen verfolgte Ziel ist weiterhin auf die Versorgung mit einer Dauerleistung als Naturalleistung gerichtet.

Danach ist die durch § 13 Abs 3a Satz 6 und 7 [X.] vermittelte Rechtsposition eine endgültige, soweit es um den Kostenerstattungsanspruch für den jeweiligen Beschaffungsvorgang im laufenden Verfahren geht. Diese Rechtsposition ist in ihrer Dauer hingegen durch die Dauer des Verwaltungs- einschließlich des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens begrenzt und in diesem Sinn eine vorläufige Rechtsposition.

4. Der Senat kann nicht abschließend darüber entscheiden, ob die Ablehnung der Versorgung mit [X.] als Naturalleistung rechtswidrig ist und dem Kläger ein Anspruch hierauf zusteht. Es kommt nur noch ein Anspruch des [X.] auf der Grundlage eines sogenannten Off-Label-Use in Betracht. Dazu hat das [X.] - nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig - bisher keine Feststellungen getroffen.

Versicherte haben nach allgemeinen Grundsätzen Anspruch auf Versorgung mit einem vertragsärztlich verordneten verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel als Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 [X.] Fall 1 iVm § 31 Abs 1 Satz 1 [X.]), wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Hierzu muss grundsätzlich eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Indikationsgebiet bestehen, in dem es angewendet werden soll (stRspr, vgl nur [X.] vom 13.12.2016 - [X.] KR 1/16 R - [X.]E 122, 170 = [X.]-2500 § 31 [X.]8, RdNr 11 mwN). Ohne die arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt es an der krankenversicherungsrechtlichen Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Pharmakotherapie (stRspr, vgl nur [X.] vom [X.] - [X.] KR 12/04 R - [X.]E 96, 153 = [X.]-2500 § 27 [X.], Rd[X.]2 mwN). Diese Anknüpfung ist verfassungsrechtlich unbedenklich ([X.] vom 5.3.1997 - 1 BvR 1071/95 - NJW 1997, 3085).

Ausnahmsweise besteht aber nach der Rechtsprechung des Senats auch ein Anspruch auf Versorgung mit einem Arzneimittel in einem Anwendungsgebiet, auf das sich die Zulassung nicht erstreckt, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann. Dies kann nur angenommen werden, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der [X.] (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse von gleicher Qualität veröffentlicht sind. Abzustellen ist auf die im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (stRspr, vgl zum Ganzen [X.] vom 13.12.2016 - [X.] KR 10/16 R - [X.]E 122, 181 = [X.]-2500 § 2 [X.], RdNr 16 f mwN).

Das [X.] hat festgestellt, dass es sich bei [X.] zwar um ein Fertigarzneimittel iS von § 4 Abs 1 Satz 1 [X.] handelt, das zur Behandlung der [X.] bei Multipler Sklerose zugelassen ist, es aber keine arzneimittelrechtliche Zulassung für die Behandlung des beim Kläger vorliegenden Krankheitsbildes besitzt. Das [X.] hat - nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen, dass die oben genannten, leistungsberechtigenden Voraussetzungen eines Off-Label-Use beim Kläger vorliegen. Dies muss nunmehr nachgeholt werden. Dabei muss das [X.] auch die weiteren einschränkenden arzneimittelrechtlichen Voraussetzungen bei der Verordnung von [X.] beachten.

5. Die Kostenentscheidung bleibt dem [X.] vorbehalten.

Meta

B 1 KR 9/18 R

26.05.2020

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Speyer, 5. September 2017, Az: S 17 KR 57/17, Gerichtsbescheid

Art 3 Abs 1 GG, § 2 Abs 1 S 3 SGB 5, § 12 Abs 1 SGB 5, § 13 Abs 1 SGB 5, § 13 Abs 3 S 1 SGB 5, § 13 Abs 3a S 6 SGB 5, § 13 Abs 3a S 7 SGB 5, § 27 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 5, § 31 Abs 1 S 1 SGB 5, § 18 Abs 3 S 1 SGB 9 2018, § 18 Abs 4 S 1 SGB 9 2018, § 18 Abs 5 SGB 9 2018, § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB 10, § 31 S 1 SGB 10, § 4 Abs 1 S 1 AMG 1976

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 26.05.2020, Az. B 1 KR 9/18 R (REWIS RS 2020, 2474)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2474

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