Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2006, Az. V ZR 120/05

V. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 5070

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[X.]BESCHLUSS V ZR 120/05 vom 9. Februar 2006 in dem Rechtsstreit

- 2 -Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 9. Februar 2006 durch [X.] Dr. [X.], [X.] Lemke und [X.], die Richterin [X.] und [X.] Czub beschlossen: Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 10. Mai 2005 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt [X.] •. Gründe: [X.] Der Beklagte verkaufte durch notariellen Vertrag vom 2. August 2001 Miteigentumsanteile an einem in [X.] belegenen Grundstück an die - am Berufungs- und Beschwerdeverfahren nicht mehr beteiligte - Klägerin. Mit ei-nem als Kaufvertragsnachtrag bezeichneten notariellen Vertrag vom 28. November 2001 verkaufte der Beklagte mit Zustimmung der Klägerin einen 1

- 3 -Teil dieser Miteigentumsanteile an die [X.], die den hierfür ver-einbarten Preis von 80.000 DM an den Beklagten zahlte. [X.] erklärte der Beklagte wegen Verzugs der Klägerin mit [X.] den Rücktritt von dem mit ihr geschlossenen Kaufvertrag. Im Hinblick auf den engen Zusammenhang beider Verträge betreibt der Beklagte auch die Rückabwicklung des Vertrags mit der [X.]n. Er hat deshalb eine [X.] für die zu ihren Gunsten eingetragene Auflassungsvormerkung verlangt. Gegen den von der [X.]n im Wege des Zurückbehaltungsrechts geltend gemachten Anspruch auf Rückzah-lung des Kaufpreises hat der Beklagte die Aufrechnung mit einem Schadenser-satzanspruch in Höhe von 52.000 • erklärt. Er hat den Anspruch mit dem [X.] begründet, welcher ihm dadurch entstanden sei, dass er das Eigentum an den - zwischenzeitlich anderweit verkauften - Miteigentumsanteilen wegen der Auflassungsvormerkung nicht übertragen und deshalb den mit dem neuen Erwerber vereinbarten Kaufpreis nicht fällig stellen könne. 2 Das [X.] hat die auf Erteilung einer [X.] gerich-tete Drittwiderklage abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Ober-landesgericht die [X.] zur Abgabe der [X.] ver-urteilt, jedoch nur Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises von [X.] • (= 80.000 DM). Den weitergehenden, auf die unbedingte Verurtei-lung der [X.]n gerichteten Antrag des Beklagten hat es [X.]. Das [X.] hat die Revision nicht zugelassen; hiergegen wendet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten. 3

- 4 -I[X.] Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, da das Berufungsgericht den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt hat. 4 1. Nicht zu beanstanden und von der Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht angegriffen ist zwar die Annahme des Berufungsgerichts, dass sich die [X.] bei Anwendung der Vorschriften über den Rück-tritt (§§ 346 ff. [X.]) mit der Erteilung der [X.] nicht in Verzug befunden habe und deshalb für den geltend gemachten [X.] des Beklagten nicht hafte. Da der [X.]n wegen des gezahlten Kaufpreises nach § 348 [X.] ein Leistungsverweigerungsrecht entsprechend § 320 [X.] zusteht, konnte sie mit der Erteilung der Lö-schungsbewilligung nur in Verzug geraten, wenn der Beklagte mit der Handlung, die geeignet war, ihren Verzug zu begründen, hier also mit der Erhebung der Widerklage, die ihm obliegende Gegenleistung angeboten hätte (vgl. Senat, [X.], 232, 236; [X.], 42, 44; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 286 Rdn. 23). Daran fehlt es. 5 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt aber zu Recht, dass die von dem Beklagten in erster Instanz erklärte Anfechtung des mit der Klägerin geschlossenen Vertrags und der dazu gehaltene Vortrag unberücksichtigt geblieben sind. Hierdurch ist der Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden. Zwar spricht grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass ein Gericht seiner Verpflichtung zur Kenntnisnahme und Erwägung des [X.] nachgekommen ist. Das gilt aber dann nicht, wenn das Gericht Vortrag, welcher sich unter 6

- 5 -Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung als entscheidungserheblich dar-stellt, begründungslos übergeht (vgl. [X.] 86, 133, 146). So liegt es hier. Dem Berufungsurteil lässt sich nicht entnehmen, dass die von dem Beklagten erklärte Anfechtung des mit der Klägerin ge-schlossenen Kaufvertrags bei der Entscheidungsfindung erwogen worden ist. Das Berufungsgericht hätte auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung jedoch prüfen müssen, ob die Anfechtung zur Nichtigkeit dieses Vertrags und damit - weil beide Verträge nach seinen Feststellungen als untrennbare Einheit anzusehen sind und ein einheitliches rechtliches Schicksal haben sollten - auch zur Nichtigkeit des Kaufvertrags mit der [X.]n geführt hat. Sollte dies der Fall sein, könnte die [X.] durch die Erhebung der (unbedingten) Widerklage mit der Erteilung der Löschungs-bewilligung nämlich in Verzug geraten und der zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch des Beklagten begründet sein. 7 Bei Nichtigkeit des Vertrags wären die erbrachten Leistungen nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. [X.]) rückabzuwickeln. In diesem Rahmen hätte der Beklagte die Rückzahlung des Kaufpreises nicht von sich aus an-bieten müssen, da die Saldotheorie, die der synallagmatischen Struktur ei-nes gegenseitigen Vertrags bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung Rechnung trägt, keine Anwendung findet, wenn ein Vertrag wegen arg-listiger Täuschung angefochten worden ist (vgl. [X.], 137, 150 f.; [X.], Urt. v. 2. Mai 1990, [X.]; [X.], 1059, 1061). Der [X.] stünde dann lediglich ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 [X.] zu. Ein solches Recht hindert den Eintritt des Verzugs aber nur, wenn es vor oder bei Eintritt der Verzugsvoraussetzungen ausge-übt wird (vgl. [X.], Urt. v. 25. November 1970, [X.], NJW 1971, 421; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 273 Rdn. 93). Dass sich die 8

- 6 -[X.] bereits vor Erhebung der Widerklage auf ein Zurückbe-haltungsrecht berufen hätte, lässt sich den Feststellungen des Berufungs-gerichts nicht entnehmen. 3. Der übergangene Vortrag des Beklagten erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als unerheblich. 9 a) Anfechtung und Rücktritt schließen sich nicht aus, sondern [X.] nebeneinander geltend gemacht werden (vgl. [X.]/[X.], [X.], 65. Aufl., § 142 Rdn. 2). Kommt es für eine bestimmte Rechtsfolge auf die Unterscheidung an, ist die Anfechtung vorrangig, weil sie dazu führt, dass das Rechtsgeschäft von Anfang nichtig ist (§ 142 Abs. 1 [X.]). 10 b) Eine arglistige Täuschung seitens des Geschäftsführers der Klä-gerin und [X.]n, die zur Anfechtung berechtigen könnte, ist schlüssig dargetan. Der Beklagte beruft sich darauf, dass er den [X.] mit der Klägerin nicht abgeschlossen hätte, wenn ihm bekannt gewe-sen wäre, dass deren Geschäftsführer ein Jahr zuvor die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte und zumindest zweimal wegen Betrugs bzw. Steuerhinterziehung inhaftiert war. Trifft dies zu, könnte der Geschäftsführer der Klägerin, der sich als seriöser Geschäftsmann bezeichnet haben soll, eine Offenbarungspflicht verletzt haben. Im Hinblick darauf, dass die Kläge-rin mit dem Kaufvertrag vom 2. August 2001 eine Verbindlichkeit von 1,5 Mio. DM übernommen hat, wovon mehr als 1,4 Mio. DM erst am 31. August 2002, also über ein Jahr nach Vertragsabschluss fällig waren, musste sie nämlich bestehende wirtschaftliche Schwierigkeiten offenbaren, da diese geeignet waren, den Vertragszweck zu vereiteln (vgl. Senat, Urt. v. 21. Juni 1974, [X.], NJW 1974, 1505). Dass solche Schwierigkeiten tatsäch-lich bestanden haben, legen unter anderem die Ausführungen des Beklag-ten zu dem Zahlungsverhalten der Klägerin gegenüber Frau O. und der 11

- 7 -Umstand nahe, dass die Klägerin zwischenzeitlich wegen Vermögenslosig-keit gelöscht worden ist. Zur Einhaltung der Anfechtungsfrist des § 124 [X.] hat der Beklagte ebenfalls vorgetragen. II[X.] Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverwei-sen (§ 544 Abs. 7 ZPO). 12 [X.] Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub Vorinstanzen: LG [X.] I, Entscheidung vom 13.02.2003 - 30 O 18034/02 - OLG [X.], Entscheidung vom 10.05.2005 - 5 U 2422/03 -

Meta

V ZR 120/05

09.02.2006

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2006, Az. V ZR 120/05 (REWIS RS 2006, 5070)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 5070

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