Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.11.2018, Az. 1 StR 481/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 2053

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Gegenstand

Voraussetzungen der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. Mai 2018 aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die allgemeine Sachrüge gestützten Revision, die den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg erzielt, im Übrigen aber unbegründet ist.

2

Die Verfahrensrüge erweist sich aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift aufgezeigten Gründen als unbegründet.

3

Während die revisionsrechtliche Überprüfung des Schuld- und Strafausspruchs keinen Rechtsfehler aufzeigt, kann das Urteil keinen Bestand haben, soweit die Unterbringung in der Entziehungsanstalt unterblieben ist.

4

Der [X.] hat hierzu in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:

„Nach den Feststellungen absolvierte der Angeklagte nach seiner vorzeitigen Entlassung aus der Strafhaft am 17. Mai 2017 eine stationäre Drogenentwöhnungstherapie, die er nach sechs Wochen regelgerecht beendete. Bis zu seiner vorläufigen Festnahme am 7. November 2017 und der sich anschließenden Inhaftierung konsumierte der Angeklagte gelegentlich Cannabis und Kokain ([X.], 24).

Die Kammer hat das Vorliegen eines Hangs im Sinne des § 64 StGB mit der Begründung verneint, nach den Ausführungen der Sachverständigen könne bei dem Angeklagten keine Suchtdiagnose gestellt werden, da über das Ergebnis der Haaranalyse, die einen gelegentlichen Konsum von Cannabis und Kokain ergeben habe ([X.]), keine weiteren belastbaren Befunde oder Befundberichte über Entzugserscheinungen, Therapien und Folgeerkrankungen vorlägen. Ein Hang könne somit nicht festgestellt werden ([X.] 29 f).

Diese Begründung lässt befürchten, dass die Kammer bei ihrer Prüfung von einer zu engen Definition des Hanges ausgegangen ist.

Für die Annahme eines Hangs ist nach ständiger Rechtsprechung eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung ausreichend, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer psychischen Abhängigkeit erreicht haben muss (Senat, Beschluss vom 20. September 2017 – 1 [X.], juris Rn. 9 mwN). Ein übermäßiger Genuss von [X.] im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende aufgrund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (Senat, Beschluss vom 12. Januar 2017 – 1 StR 587/16, juris Rn. 9; Urteil vom 14. Oktober 2015 – 1 StR 415/15, juris Rn. 7; [X.], Urteil vom 15. Mai 2014 – 3 [X.], juris Rn. 10). Letzteres ist der Fall bei der Begehung von zur Befriedigung des eigenen Drogenkonsums dienender Beschaffungstaten (Senat, Beschluss vom 12. Januar 2017 – 1 StR 587/16; [X.], Beschlüsse vom 6. Juni 2017 – 2 [X.]; und vom 2. April 2015 – 3 [X.]). Insoweit kann der Umstand, dass durch den [X.] bereits die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen. Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem [X.] einhergehen werden, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Annahme eines Hanges aus (Senat, Beschluss vom 10. November 2015 – 1 [X.], juris Rn. 14; [X.], Beschlüsse vom 2. April 2015 – 3 [X.], juris Rn. 6; und vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, juris Rn. 6). Auch stehen das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome sowie Intervalle der Abstinenz der Annahme eines Hangs nicht entgegen ([X.], Beschluss vom 17. Mai 2018 – 3 [X.], juris Rn. 12 mwN). Er setzt auch nicht voraus, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht; vielmehr kann es genügen, wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum [X.] folgt ([X.], Beschluss vom 17. Mai 2018 – 3 [X.], juris Rn. 12 mwN).

Angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte sowohl Marihuana, als auch Kokain konsumierte und einer geregelten Arbeit weder vor, noch nach seiner Inhaftierung nachging, hätte für die Kammer Veranlassung bestanden, die Hintergründe näher zu beleuchten. Allein die Tatsache, dass der Angeklagte keine Suchtfolgen zeigte, vermag das Vorliegen eines Hangs nicht zu verneinen.“

5

Dem schließt sich der Senat an.

6

Da er das Vorliegen der übrigen Anordnungsvoraussetzungen nach den Urteilsgründen nicht auszuschließen vermag, muss deshalb – unter erneuter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) – über die Frage, ob die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen ist, neu verhandelt und entschieden werden.

7

Der Aufhebung von Feststellungen bedurfte es insoweit nicht, da es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt. Das neue Tatgericht darf ergänzende Feststellungen treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

Raum     

      

Jäger     

      

Bellay

      

Cirener     

      

Hohoff     

      

Meta

1 StR 481/18

07.11.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stuttgart, 24. Mai 2018, Az: 202 Js 95382/17 - 8 KLs

§ 64 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.11.2018, Az. 1 StR 481/18 (REWIS RS 2018, 2053)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 2053

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