Bundessozialgericht, Urteil vom 18.11.2014, Az. B 1 KR 8/13 R

1. Senat | REWIS RS 2014, 1261

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Krankenversicherung - Fahrkosten - Zuzahlung - ambulante Behandlung - Abgrenzung: stationsersetzende Behandlung / nicht stationsersetzende Behandlung - Erstattungsanspruch der Ehegattin als Sonderrechtsnachfolgerin - Einstufung als laufende Geldleistung


Leitsatz

1. Hat die Krankenkasse Fahrkosten zu übernehmen, fällt die Zuzahlung Versicherter grundsätzlich bei jeder Fahrt zu ambulanter, nicht stationsersetzender Behandlung an.

2. Bei stationsersetzender ambulanter Behandlung müssen sich die Versicherten nur bei der ersten und letzten Fahrt an den von der Krankenkasse zu tragenden Fahrkosten beteiligen.

3. Ambulante Behandlung ist stationsersetzend, wenn Versicherte aus medizinischen Gründen an sich erforderliche Krankenhausbehandlung nicht wahrnehmen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 17. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für Fahrten zu strahlentherapeutischen Behandlungen.

2

Der 2009 verstorbene, bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versichert gewesene [X.]
 (Versicherter) erhielt in der [X.] von März 2006 bis Juni 2006 wegen einer Tumorerkrankung Bestrahlungen. Er beantragte mündlich vor Beginn der Strahlentherapie bei der Beklagten erfolglos, die entstehenden Fahrkosten zu übernehmen (mündlich vor März 2006 erteilter Bescheid). Er führte die Fahrten zum Behandlungsort (47 Behandlungstermine, Entfernung vom Wohnort zum Behandlungsort 14,39 km) mit einem PKW durch, den die mit dem Versicherten in einem gemeinsamen Haushalt lebende Ehefrau, die Klägerin, steuerte. Einen nach der Behandlung gestellten erneuten Antrag, die Fahrkosten zu erstatten, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 26.8.2008; Widerspruchsbescheid vom 19.11.2008). Die Klage auf Kostenerstattung ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des [X.]). Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen: Die gemäß § 60 Abs 1 S 3 iVm § 61 S 1 [X.] pro Fahrt zu leistende Zuzahlung überschreite den Erstattungsbetrag. Die Voraussetzungen des § 60 Abs 2 S 1 [X.], dessen Formulierung auf eine Zuzahlungspflicht lediglich für die erste und die letzte Fahrt hindeute, lägen nicht vor. Bei dem Versicherten sei eine stationäre Behandlung nicht erforderlich gewesen (Urteil vom 17.1.2013).

3

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß eine Verletzung des § 60 [X.] und macht einen Verstoß gegen § 103 SGG geltend.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 17. Januar 2013 aufzuheben sowie das Urteil des [X.] vom 18. November 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den mündlich erteilten Ablehnungsbescheid zurückzunehmen und der Klägerin 260,72 Euro zu zahlen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 [X.]). Das [X.] hat zu Recht ihre Berufung gegen das [X.] zurückgewiesen. Die Klägerin ist seit dem Tod des Versicherten als seine Sonderrechtsnachfolgerin, nicht aber als Erbin prozessführungsbefugt (zum Begriff vgl [X.], 18 = [X.]-7837 § 2 [X.], Rd[X.]5 mwN), den Erstattungsanspruch des Versicherten gerichtlich geltend zu machen (dazu 1.). Sie hat aber keinen Anspruch gegen die beklagte [X.] auf Erstattung von Fahrkosten. Die Beklagte hat es rechtmäßig abgelehnt, dem Versicherten 260,72 Euro zu zahlen. Verfassungsrecht gebietet nicht die Übernahme der Fahrkosten (dazu 2.).

8

1. Die Klägerin ist prozessführungsbefugt, weil sie Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten hinsichtlich des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist. Das folgt aus § 56 Abs 1 S 1 [X.] [X.] Danach stehen beim Tode des Berechtigten fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen an erster Stelle dem Ehegatten zu, wenn dieser mit dem Berechtigten zur [X.] in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. So lag es bei der Klägerin. Der geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten war fällig und auf laufende Geldleistungen gerichtet.

9

Zwar handelt es sich beim Krankentransport in der Regel um eine Naturalleistung, auch wenn § 60 [X.] selbst von der Übernahme von "Kosten" spricht (vgl BSG [X.]-2500 § 60 [X.] Rd[X.]0 mwN; BSG [X.]-2500 § 60 [X.] Rd[X.]0 mwN). Der Gesetzgeber hatte bei dieser Konstruktion allerdings offensichtlich solche Krankentransporte im Blick, die ihrer Art nach eine [X.] als grundsätzlich dem Naturalleistungsprinzip unterliegender Leistungsträger (vgl § 2 Abs 2 S 1 [X.]) typischerweise als Sach- oder Dienstleistung erbringen (lassen) kann (zB Rettungsfahrten, Rettungsflüge, Fahrten mit speziellen Krankenkraftwagen). Für Transporte demgegenüber, die einer [X.] bei wirklichkeitsnaher Betrachtung von vornherein nicht als "eigene" bzw eigenorganisierte Naturalleistung zugerechnet werden können (zB Fahrten des Versicherten im privaten PKW oder Benutzung öffentlicher Nahverkehrsmittel), kann dies indessen nicht gleichermaßen gelten. In diesen Fällen ist der Anspruch des Versicherten aus § 60 [X.] vielmehr auf die "Kosten" als Ausgleich der entstandenen notwendigen finanziellen Aufwendungen selbst gerichtet. Zwar ist auch insoweit ein Anspruch auf [X.] von Fahrkosten in Form von [X.] denkbar (zB bei Verschaffung einer Fahrkarte oder deren Vorfinanzierung durch einen Fahrgutschein). Hat der Versicherte aber Kosten für eigeninitiierte und durchgeführte Fahrten bereits aufgewandt, erschiene die Annahme einer gleichwohl dabei stattfindenden Naturalleistungsgewährung der [X.] gekünstelt; der mit dem Sachleistungsprinzip ua verbundene [X.], dass Versicherte aus Kostengründen nicht von der Inanspruchnahme notwendiger Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) abgehalten werden sollen (vgl dazu [X.]-2500 § 81 [X.] mwN), ist hier nicht einschlägig. In derartigen Fällen ist daher schon der Anspruch aus § 60 [X.] selbst auf Erstattung der Kosten gerichtet und ein Rückgriff auf die Regelungen über die naturalleistungsersetzende Kostenerstattung (§ 13 Abs 3 [X.]) entbehrlich (BSG [X.]-2500 § 60 [X.] Rd[X.]6). Bestand ein Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten, war er mit seinem Entstehen fällig (§ 41 [X.]).

Der Anspruch ist bei fortlaufenden Fahrten, die - wie hier - auf einer Grunderkrankung beruhen, die eine hohe Behandlungsfrequenz aufweist, auch auf "laufende" Geldleistungen gerichtet. § 56 [X.] ist in diesem Sinne auszulegen. Den Begriff der laufenden Geldleistungen, dem der Begriff der "einmaligen" Geldleistung gegenübersteht, definiert das Gesetz nicht. Nach den Gesetzesmaterialien (Entwurf der Bundesregierung zum [X.], BT-Drucks 7/868 S 31 zu § 48) handelt es sich um Leistungen, die regelmäßig wiederkehrend für bestimmte Zeitabschnitte gezahlt werden; sie verlieren ihren Charakter nicht dadurch, dass sie verspätet oder als zusammenfassende Zahlung für mehrere Zeitabschnitte geleistet werden (eingehend [X.], 137 = [X.]-2500 § 13 [X.]5, Rd[X.]1 ff zum Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 [X.]). Das kommt auch für die Erstattung von Fahrkosten nach § 60 [X.] in Betracht und wird dem Zweck der Sonderrechtsnachfolge in § 56 [X.] in besonderem Maße gerecht.

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme des mündlich erteilten [X.], Fahrkosten zu übernehmen (§ 44 Abs 1 S 1 SGB X). Denn der Versicherte hatte nach § 60 [X.] keinen Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten. Er konnte Fahrkosten weder nach § 60 Abs 1 S 3 [X.] (dazu a) noch nach § 60 Abs 2 S 1 [X.] [X.] (dazu b) noch aufgrund dessen erweiternder oder analogen Anwendung (dazu c) beanspruchen.

a) Im Rahmen des § 60 [X.] (in der ab 1.1.2004 geltenden Fassung von Art 1 [X.]7 des [X.] der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003 , [X.] 2190), der Ansprüche auf Fahrkosten abschließend regelt (BSG [X.]-2500 § 60 [X.] Rd[X.]4; BSG [X.]-2500 § 60 [X.] Rd[X.]2; BSG [X.]-2500 § 60 [X.] RdNr 9), kommt als Anspruchsgrundlage für die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten § 60 Abs 1 S 3 [X.] in Betracht. Danach "übernimmt" die [X.] die "Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung" unter Abzug des sich nach § 61 S 1 [X.] ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der [X.] ([X.]) in den Richtlinien ([X.]) nach § 92 Abs 1 S 2 [X.]2 [X.] festgelegt hat.

Bei dem Versicherten lag ein besonderer Ausnahmefall iS von § 60 Abs 1 S 3 [X.] vor. Nach § 8 Abs 2 der Richtlinien des [X.] über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten ([X.], in der Fassung vom 22.1.2004 - BAnz 2004 [X.]8 S 1342, zuletzt geändert am [X.] - BAnz 2005 [X.] - mWv [X.]) liegt ein besonderer Ausnahmefall vor, wenn der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen [X.] behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist, und diese Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Die Anlage 2 [X.] führt hierzu (nicht abschließend) Regelbeispiele auf, zu denen auch die - hier vorliegende - onkologische Strahlentherapie zählt. Einer vertragsärztlichen Verordnung der [X.] bedurfte es nicht. Gemäß § 2 Abs 3, § 7 Abs 4 [X.] ist bei Fahrten mit dem privaten Kraftfahrzeug oder mit einem öffentlichen Verkehrsmittel eine Verordnung nicht erforderlich.

Der Anspruch scheitert nicht daran, dass es an einer vorherigen Genehmigung durch die [X.] fehlt. Der Versicherte hatte nach den den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) vor Beginn der Behandlung bei der [X.] im Rahmen einer mündlichen Unterredung einen Antrag auf Übernahme der entstehenden Fahrkosten gestellt, der mündlich abgelehnt worden ist. [X.] ein Versicherter von seiner [X.] vor Beginn der Behandlung die Übernahme der Fahrkosten nach § 60 [X.], darf ihm das Fehlen der vorherigen Genehmigung nicht entgegengehalten werden, soweit und solange die [X.] die Übernahme der Kosten zu Unrecht ablehnt (vgl auch BSG [X.]-2500 § 60 [X.] Rd[X.]2).

Ein Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten bestand aber nicht, weil schon die vom Versicherten zu leistenden Zuzahlungen die Fahrkosten überstiegen. Die Übernahme der Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung erfolgt nach § 60 Abs 1 S 3 [X.] nur unter Abzug des sich nach § 61 S 1 [X.] ergebenden Zuzahlungsbetrags. Zuzahlungen, die Versicherte zu leisten haben, betragen gemäß § 61 S 1 [X.] [X.] des [X.], mindestens jedoch fünf Euro und höchstens zehn Euro. Bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs richtet sich die den Zuzahlungen gegenüberzustellende Höhe der erstattungsfähigen Fahrkosten für jeden gefahrenen Kilometer nach dem jeweils aufgrund des [X.] ([X.]) festgesetzten Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung, höchstens jedoch nach der Höhe der Kosten, die bei Inanspruchnahme des nach § 60 Abs 3 [X.] bis 3 [X.] erforderlichen Transportmittels entstanden wären (§ 60 Abs 3 [X.] [X.]). Gemäß § 5 Abs 1 S 2 [X.] beträgt die Wegstreckenentschädigung bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs oder eines anderen motorbetriebenen Fahrzeugs 20 Cent je Kilometer zurückgelegter Strecke. Für die Einzelfahrt (Hinfahrt zur und Rückfahrt von der ambulanten Strahlentherapie jeweils eine Fahrt) sind danach erstattungsfähige Kosten in Höhe von 2,88 Euro entstanden (0,20 Euro x 14,39 km). Diese Kosten unterschreiten die zu leistende Zuzahlung von fünf Euro. Dass der Versicherte die Belastungsgrenze (§ 62 Abs 1 [X.]) vor der Strahlenbehandlung erreicht hatte, behauptet die Klägerin nicht. Hierfür bestehen auch keine Anhaltspunkte.

Bei mehrmals erforderlich werdenden ambulanten Behandlungsterminen innerhalb eines Leistungsfalls, zB bei einer ambulanten Serienbehandlung, ist die Eigenbeteiligung der Versicherten nicht auf die erste und letzte Fahrt beschränkt. Zu Recht verweist das [X.] darauf, dass sich für eine solche Auslegung im Gesetz keine Stütze findet. Der Gesetzgeber wollte die Eigenbeteiligung ausschließlich für Fälle der Ersetzung von Krankenhausbehandlung (§ 60 Abs 2 S 1 [X.] [X.]) auf die erste und letzte Fahrt begrenzen. Die Gesetzesentwicklung bestätigt dies. Im Rahmen der Einfügung des § 60 Abs 2 [X.] [X.] durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992 ([X.] 2266) wurde in der Beschlussempfehlung des [X.] die Ergänzung des § 60 Abs 2 [X.] [X.] des Entwurfswortlauts (BT-Drucks 12/3608 S 8) mit dem Halbsatz "wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung" vorgeschlagen (BT-Drucks 12/3930 S 17). In der Begründung des Ausschussberichts (BT-Drucks 12/3937 [X.]) wird dazu ausgeführt: "Durch die Gleichstellung mit stationärer Krankenhausbehandlung wird klargestellt, daß bei mehrmals erforderlichen Behandlungsterminen innerhalb eines Leistungsfalles (z.B. Serienbehandlung) die Eigenbeteiligung des Versicherten auf die erste und die letzte Fahrt beschränkt ist. Für Leistungen, die grundsätzlich ambulant erbracht werden (z.B. Dialysebehandlungen), bringt diese Vorschrift keine Änderungen gegenüber dem bisherigen Recht, da bei solchen Behandlungen stationäre oder teilstationäre [X.] nicht erforderlich ist und damit auch nicht 'vermieden' werden kann."

Die Gleichstellung mit stationärer Krankenhausbehandlung gilt - wie schon die Begründung des Ausschussberichts zeigt - ausschließlich für den in § 60 Abs 2 [X.] [X.] genannten Fall ambulanter Krankenbehandlung, nicht aber für Fahrten zu ambulanten Behandlungen in den vom [X.] in den Richtlinien festzulegenden Ausnahmefällen des § 60 Abs 1 S 3 [X.]. Denn bei den [X.] des § 60 Abs 1 S 1 iVm Abs 2 [X.] und den Fahrten zu ambulanten Behandlungen nach [X.]-[X.] (§ 60 Abs 1 S 3 [X.] iVm den [X.]) handelt es sich um zwei grundsätzlich verschieden geregelte Fallgruppen der Kostenübernahme für Fahrkosten (vgl zum Regelungssystem BSG [X.]-2500 § 60 [X.] Juris Rd[X.]3; zum [X.] [X.]-2500 § 60 [X.] Rd[X.]5 ff; BSG Urteil vom 12.9.2012 - B 3 KR 17/11 R - Rd[X.]7). Sie enthalten jeweils eigenständige, abschließende Regelungen. Nicht nur die Anspruchsvoraussetzungen, auch die Rechtsfolgen für Transporte zur Vermeidung von Krankenhausbehandlung (§ 60 Abs 2 [X.] [X.]) dürfen nicht in die Regelung für Fahrten zu ambulanten Behandlungen nach [X.]-[X.] (§ 60 Abs 1 S 3 [X.]) hineingelesen werden.

b) Die Voraussetzungen des [X.] nach § 60 Abs 2 S 1 [X.] [X.] sind ebenfalls nicht erfüllt. Danach übernimmt die [X.] die Fahrkosten in Höhe des sich nach § 61 S 1 [X.] ergebenden Betrages je Fahrt übersteigenden Betrages bei Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung sowie zu einer Behandlung nach § 115a oder § 115b [X.], wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung (§ 39 [X.]) vermieden oder verkürzt wird oder diese nicht ausführbar ist, wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung. Vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten war nämlich nach den nicht mit durchgreifenden [X.] angegriffenen, den erkennenden [X.] bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) nicht an sich geboten.

Vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung ist im Rechtssinne "an sich geboten", wenn sie aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Erfasst werden sollen nur Ausnahmefälle, in denen eine aus allein medizinischer Sicht eigentlich notwendige stationäre Behandlung aus besonderen Gründen ambulant vorgenommen wird (noch offengelassen in [X.]-2500 § 60 [X.] S 2). Der Begriff "geboten" entspricht nicht nur nach seinem Wortlaut dem Begriff "erforderlich" iS des § 39 Abs 1 S 2 [X.] (vgl dazu [X.], 111 = [X.]-2500 § 39 [X.]0, Rd[X.]6). Dafür sprechen neben der bereits oben aufgezeigten Gesetzesentwicklung zudem auch Regelungssystem und -zweck. Nach dem Regelungssystem geht es um Transporte für Krankenhausbehandlung ersetzende Behandlungen (vgl BSG [X.]-2500 § 60 [X.] Rd[X.]3). Der Regelungszweck ist darauf gerichtet, die Fahrkosten für Versicherte zu übernehmen, die eigentlich aus medizinischen Gründen Krankenhausbehandlung benötigen. Sie sollen dadurch, dass sie sich anstelle von notwendiger Krankenhausbehandlung für ein kostengünstigeres "Minus" entscheiden, hinsichtlich der [X.] nicht schlechter behandelt werden. Sie werden dementsprechend bezüglich der Fahrkosten den Versicherten gleichgestellt, bei denen es um Transporte zwecks stationärer Leistungen geht (vgl § 60 Abs 2 S 1 [X.] [X.]). So liegt es insbesondere, wenn Versicherte im Rahmen ihrer Patientenautonomie (vgl dazu [X.], [X.] 2014, 8 ff) entscheiden, nicht von der Möglichkeit voll- oder teilstationärer Krankenhausbehandlung zu Lasten der [X.] Gebrauch zu machen, sondern stattdessen ambulante Krankenbehandlung, vor- oder nachstationäre Behandlung (§ 115a [X.] und dazu BSG [X.]-2500 § 115a [X.] und 4, beide auch für [X.] vorgesehen) oder ambulante Operationen oder stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus (§ 115b [X.]) in Anspruch zu nehmen.

Krankenhausbehandlung ist dementsprechend im Rechtssinne grundsätzlich nur dann erforderlich (§ 39 Abs 1 S 2 [X.]), wenn die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und notwendig ist (stRspr, vgl zB BSG [X.]-2500 § 2 [X.] Rd[X.]4 f mwN, auch für [X.] vorgesehen). Vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung ist entgegen der Auffassung der Klägerin dagegen nicht schon dann "an sich geboten", wenn eine stationäre Krankenhausbehandlung notwendig wäre, falls die durchgeführte ambulante Behandlung unterbliebe. Ein solches Verständnis würde im Ergebnis die Regelung entgegen Wortlaut, Entwicklungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck auf alle Fälle ausdehnen, in denen es überhaupt ärztlicher Behandlung bedarf.

Das [X.] hat - ausgehend von einem zutreffenden Normverständnis - festgestellt, dass für die Strahlentherapie des Versicherten voll- oder teilstationäre Krankenhausbehandlung nicht an sich geboten iS von medizinisch erforderlich war. Es hat sich hierfür auf den Befundbericht des behandelnden Strahlentherapeuten gestützt. Der erkennende [X.] ist an diese getroffene Feststellung gebunden, denn die Klägerin hat diesbezüglich keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen vorgebracht (vgl § 163 [X.]). Soweit sie mit der Revision geltend macht, das [X.] habe es unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 [X.]) unterlassen, diese Annahme zu überprüfen, hat sie iS von § 164 Abs 2 S 3 [X.] nicht alle Tatsachen bezeichnet, die den Mangel ergeben sollen (vgl § 164 Abs 2 S 3 [X.]; näher BSG Urteil vom 11.12.2008 - [X.] VS 1/08 R - Juris Rd[X.]8 ff, insoweit in [X.] 102, 149 = [X.]-1100 Art 85 [X.] nicht abgedruckt; [X.], 168 = [X.]-2500 § 31 [X.]2, Rd[X.]7 f mwN).

Notwendig hierfür ist eine Darlegung, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann ([X.] § 164 [X.]1 S 49). Bei einem Verstoß gegen die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, muss der Revisionskläger deshalb die Tatsachen bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass sich das [X.] von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen ([X.], 168 = [X.]-2500 § 31 [X.]2, Rd[X.]8; BSG Urteil vom 11.12.2008 - [X.] VS 1/08 R - Juris Rd[X.]9 mwN, insoweit in [X.] 102, 149 = [X.]-1100 Art 85 [X.] nicht abgedruckt; [X.] § 160a [X.]4 S 50; BSG [X.] [X.]0 zu § 103 [X.]; BSG [X.] Nr 7 zu § 103 [X.]). Hierzu gehört auch die Benennung konkreter Beweismittel, deren Erhebung sich dem [X.] hätte aufdrängen müssen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 164 Rd[X.]2a; [X.], [X.], Stand 1.7.2014, § 164 [X.] Anm 34d). Es ist ferner darzulegen, zu welchem Ergebnis nach Auffassung des Revisionsklägers die für erforderlich gehaltenen Ermittlungen geführt hätten (vgl [X.], 168 = [X.]-2500 § 31 [X.]2, Rd[X.]8; [X.] 104, 95 = [X.]-2500 § 139 [X.], Rd[X.]0).

Hieran fehlt es. Die Klägerin hat nicht die gebotenen Tatsachen aufgezeigt. Angesichts des [X.] des behandelnden Strahlentherapeuten hatte das [X.] keinen Anlass, ins Blaue hinein ein Gutachten nach Aktenlage zu der Frage einzuholen, ob entgegen dem Inhalt des [X.] doch Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorlag. Die Klägerin hat auch selbst keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen dargelegt. Weder hat sie einen Beweisantrag gestellt noch die Aussage des Strahlentherapeuten in seinem Befundbericht in Zweifel gezogen. Im Gegenteil, sie hat - möglicherweise in Verkennung der Anspruchsvoraussetzungen - nach Einholen des [X.] sogar selbst darauf hingewiesen, dass durch den Befundbericht "klar gemacht" worden sei, dass "ambulante Therapien in dieser Behandlungsform üblich sind". Soweit die Klägerin - wie sie vorträgt - Zweifel an der Rechtsauffassung des [X.] zur Auslegung des § 60 Abs 2 [X.] [X.] geäußert haben sollte, wäre dies - anders als sie meint - kein Grund dafür, dass das [X.] sich zu einer weiteren Sachaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen zu der Frage, "ob die beim Versicherten durchgeführte ambulante Behandlung eine stationäre Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt hat". Das Äußern einer vom [X.] abweichenden Auffassung zum materiellen Recht löst keine Amtsermittlungspflicht des [X.] aus.

c) § 60 Abs 1 [X.] ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch keiner erweiterten Auslegung oder gar Analogie im Sinne einer entsprechenden Heranziehung der Fahrkostenregelung für stationsersetzende Behandlung aufgrund einfachen oder ranghöheren Rechts zugänglich. Er benennt vielmehr abschließend die Hauptleistungen, für die eine Beförderung des Versicherten aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sein muss (BSG [X.]-2500 § 60 [X.] Rd[X.]3). Wie der [X.] entschieden hat, sollte die Regelung die Möglichkeit für [X.]n ausschließen, Fahrkosten zur ambulanten Behandlung generell in Härtefällen zu übernehmen (BSG [X.]-2500 § 60 [X.] Rd[X.]7). Dies ist von Gesetzes und von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Denn die [X.] stellt den Versicherten Leistungen nur nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung (BSG [X.]-2500 § 60 [X.] Rd[X.]7; BSG [X.]-2500 § 60 [X.] Rd[X.]2 ff; vgl auch [X.] 115, 25, 45 f = [X.]-2500 § 27 [X.] Rd[X.]6). Nur das, was in diesen Leistungskatalog fällt, hat die [X.] ihren Versicherten zu leisten. Dazu gehört die Übernahme von Fahrkosten aus finanziellen Gründen gerade nicht (BSG [X.]-2500 § 60 [X.] Rd[X.]4).

3. [X.] beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 1 KR 8/13 R

18.11.2014

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Düsseldorf, 18. November 2011, Az: S 34 KR 340/08, Urteil

§ 2 Abs 2 S 1 SGB 5, § 13 Abs 3 SGB 5, § 39 Abs 1 S 2 SGB 5, § 60 Abs 1 S 3 SGB 5 vom 14.11.2003, § 60 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 5, § 60 Abs 2 S 1 Nr 4 SGB 5, § 60 Abs 3 Nr 4 SGB 5, § 61 S 1 SGB 5, § 62 Abs 1 SGB 5, § 92 Abs 1 S 2 Nr 12 SGB 5, § 115a SGB 5, § 115b SGB 5, § 56 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 1, § 2 Abs 3 KrTRL 2004, § 7 Abs 4 KrTRL 2004, § 8 Abs 2 KrTRL 2004, Anl 2 KrTRL 2004, § 5 Abs 1 S 1 BRKG 2005, § 103 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 18.11.2014, Az. B 1 KR 8/13 R (REWIS RS 2014, 1261)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1261

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 1 KR 2/16 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Fahrkosten - Kontrolluntersuchung - Transplantationszentrum - Gemeinsamer Bundesausschuss - demokratische Legitimation zum Erlass …


S 11 KR 159/12 (SG Nürnberg)

Berechtigung eines Medizinischen Versorgungszentrums zur Ausstellung von Krankenfahrten zu ambulanten Kataraktoperationen


B 1 KR 23/15 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - keine Abrechnung einer ambulanten Operation für eine Portimplantation als nachstationäre Behandlung - Sicherung …


B 1 KR 27/14 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - Fahrkostenerstattung - räumlich kürzeste Wegstrecke zum nächsterreichbaren Leistungserbringer - Übernahme zusätzlicher Fahrkosten bei …


B 1 KR 28/13 R (Bundessozialgericht)

Krankenversicherung - vorstationäre Krankenhausbehandlung - Verordnung eines Vertragsarztes oder eines sonstigen an der vertragsärztlichen Versorgung …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.