Bundessozialgericht, Urteil vom 08.09.2015, Az. B 1 KR 27/14 R

1. Senat | REWIS RS 2015, 5768

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Fahrkostenerstattung - räumlich kürzeste Wegstrecke zum nächsterreichbaren Leistungserbringer - Übernahme zusätzlicher Fahrkosten bei zwingenden medizinischen oder wertungsmäßig vergleichbaren Gründen - Zulässigkeit der vorbeugenden Feststellungsklage


Leitsatz

1. Der Anspruch Versicherter auf Fahrkostenerstattung erfasst grundsätzlich nur die räumlich kürzeste Wegstreckendistanz zum nächsterreichbaren Leistungserbringer (Aufgabe von BSG vom 20.1.1982 - 3 RK 72/80 = SozR 2200 § 368d Nr 4).

2. Will ein Versicherter aus zwingenden medizinischen oder wertungsmäßig hiermit vergleichbaren Gründen nicht zum räumlich nächsterreichbaren Leistungserbringer, hat die Krankenkasse auch zusätzliche Fahrkosten zu dem nächsterreichbaren nicht ablehnungsfähigen Behandler zu übernehmen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 6. März 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Feststellung der [X.] Ärzte.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versicherte Kläger (Grad der Behinderung 90, Merkzeichen "aG") befindet sich wiederkehrend bei einer Vielzahl von Ärzten in ambulanter Behandlung. Die Beklagte verpflichtete sich vergleichsweise, für die Zeit vom [X.] bis [X.] die Fahrkosten für die tatsächlich ambulant in Anspruch genommenen Behandler zu übernehmen. Der Kläger teilte der Beklagten für die Folgezeit seine Bedenken gegen die von ihr benannten [X.] Behandler mit. Die Beklagte stellte dennoch fest, die von ihr Benannten seien für den Kläger jeweils die [X.] geeigneten Behandler. Abgesehen von drei Ausnahmen (Dr. D., [X.], Physiotherapieeinrichtung) müsse der Kläger die Mehrkosten aufgrund von Fahrten zu den von ihm gewünschten Vertragsärzten selbst tragen (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom 14.1.2011). Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]), das L[X.] die Berufung zurückgewiesen: Es bestünden keine zwingenden Gründe, die [X.] Behandler nicht in Anspruch zu nehmen. Die geltend gemachten Behandlungsfehler seien nicht nachgewiesen (Urteil vom 6.3.2013).

3

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 76 Abs 2 [X.]B V. Die von der Beklagten vorgeschlagenen Ärzte seien sämtlich entweder von ihm, von seiner Ehefrau oder von seiner Tochter aufgesucht worden, ein Vertrauensverhältnis indes nicht entstanden. Einigen dieser Ärzte seien Behandlungsfehler unterlaufen, ein Arzt habe ihm keine Hausbesuche angeboten und vergebe nicht immer sofort Termine, ein weiterer Arzt spreche Dialekt. Er habe zu den ihn seit vielen Jahren behandelnden Ärzten ein Vertrauensverhältnis.

4

Der Kläger beantragt,
die Urteile des [X.] vom 6. März 2013 und des [X.] vom 10. Januar 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2011 zu ändern und festzustellen, dass für ihn für Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem Ort der ambulanten Behandlung die Vertragsärzte [X.], Dr. A., [X.]., [X.], [X.], [X.] und [X.]. in ihrem jeweiligen Fachgebiet [X.] Ärzte im Rechtssinne sind,
hilfsweise,
das Urteil des [X.] vom 6. März 2013 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet (§ 170 Abs 1 [X.] [X.]). Die Anfechtungsklage des [X.] ist zwar zulässig (dazu 1.), aber unbegründet (dazu 2.). Gleiches gilt für die hiermit verbundene vorbeugende Feststellungsklage (dazu 3.).

8

1. Der Kläger behauptet mit seiner zulässigen Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 [X.]), die Feststellung der [X.] Ärzte durch die beklagte [X.] beschwere ihn. Sie begrenze die erstattungsfähigen Fahrkosten auf kilometermäßig bestimmte Entfernungen bei Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen aus benannten ärztlichen Fachgebieten (Allgemeinmedizin, Orthopädie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Augenheilkunde, Urologie, Lungenheilkunde, Dermatologie; Bescheid vom [X.] vom 14.1.2011; zur Befugnis des [X.], den [X.] auszulegen, vgl [X.], 161 = [X.]-2500 § 13 [X.], Rd[X.]2; [X.] [X.]-2500 § 133 [X.] Rd[X.]6).

9

2. Die Anfechtungsklage ist unbegründet. Die Beklagte war befugt, die generellen Grenzen der erstattungsfähigen Fahrkosten auf kilometermäßig bestimmte Entfernungen bei künftiger Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen aus benannten ärztlichen Fachgebieten für den Kläger durch Verwaltungsakt festzustellen (dazu a). Die Beklagte legte hierfür rechtmäßig zugrunde, dass die betroffenen erstattungsfähigen Fahrkosten sich auf die Strecken zwischen dem Wohnsitz des [X.] und im Rechtssinne [X.] Leistungserbringern beschränken. Maßgeblich sind die tatsächlichen Entfernungen zwischen dem Wohnsitz des [X.] und den [X.] zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringern der jeweiligen Fachgruppe, wenn nicht ein zwingender Grund für die Inanspruchnahme entfernterer zugelassener Leistungserbringer besteht (dazu b). Die Beklagte lehnte rechtmäßig einen zwingenden Grund dafür ab, dass der Kläger die von ihm benannten Vertragsärzte mit weiter entfernt gelegenen [X.] in Anspruch nimmt (dazu c).

a) Die Beklagte trug mit der vorbeugenden Feststellung dem berechtigten Rechtsschutzziel des [X.] Rechnung, unabhängig vom konkreten Leistungsfall vorab Klarheit darüber zu erhalten, ob die von ihm benannten Ärzte für Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem Ort der ambulanten Behandlung in ihrem jeweiligen Fachgebiet [X.] Ärzte im Rechtssinne sind. Sie durfte über ein Teilelement künftig entstehender Leistungsansprüche entscheiden, um den sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und ihr ergebenden zukünftigen Streit um die Übernahme von Fahrkosten insgesamt auszuräumen. Die weiteren Anspruchsvoraussetzungen für die Übernahme der Fahrkosten sind kein Streitpunkt zwischen den Beteiligten, nämlich die ärztliche Verordnung als Beleg der zwingenden Notwendigkeit aus medizinischen Gründen sowie das Merkzeichen "aG" oder die Feststellung der Pflegestufe 2 gemäß [X.] (vgl § 60 Abs 1 S 3 idF des [X.] der gesetzlichen Krankenversicherung <[X.]-Modernisierungsgesetz - [X.]> vom 14.11.2003, [X.] 2190 mWv 1.1.2004 und § 60 Abs 1 S 3 und 4 [X.] idF des [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung <[X.]-Versorgungsstärkungsgesetz - [X.]-VSG> vom [X.], [X.] 1368 mWv 23.7.2015, jeweils iVm § 8 Abs 3 [X.] Richtlinien des Gemeinsamen [X.] <[X.]> über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Abs 1 S 2 [X.] - [X.] - idF vom 22.1.2004, BAnz [X.] vom [X.], zuletzt geändert am [X.], BAnz [X.] vom [X.]).

b) Nach dem Rechtsgedanken des § 60 Abs 1 [X.] [X.] (idF des [X.]) müssen in allen Fällen des § 60 [X.] die Fahrten im Zusammenhang mit einer Leistung der [X.] aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sein, um einen Anspruch auf Übernahme der Kosten zu begründen (vgl [X.] [X.]-2500 § 60 [X.] Rd[X.]3). Versicherte können zwischen den für die vertragsärztliche Versorgung zugelassenen, näher im Gesetz bezeichneten Leistungserbringern frei wählen (§ 76 Abs 1 [X.] [X.]). Nimmt der Versicherte allerdings ohne zwingenden Grund einen anderen als einen der "[X.] an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen oder medizinische Versorgungszentren" (im Folgenden: Leistungserbringer) in Anspruch, hat er die Mehrkosten zu tragen (§ 76 Abs 2 [X.]). Dem entspricht ein zweistufiges Prüfverfahren: Zunächst sind die tatsächlich räumlich [X.] Leistungserbringer - unter Berücksichtigung des gebotenen "Facharztstandards" der Fachgebietsgruppe - festzustellen. Spricht ein zwingender Grund für die Inanspruchnahme eines anderen Leistungserbringers als des räumlich [X.], ist der dann räumlich [X.] Leistungserbringer unter den verbleibenden Leistungserbringern festzustellen, gegen dessen Inanspruchnahme kein zwingender Grund besteht. Das ist der "im Rechtssinne [X.]" Leistungserbringer.

Der "tatsächlich räumlich [X.]" Leistungserbringer ist anhand der Entfernung vom Ausgangs- zum Zielort nach der kürzesten Wegstreckendistanz zu bestimmen. Maßgeblich ist dabei die Entfernung zwischen dem durch die äußeren Umstände vorgegebenen Ausgangsort des Versicherten - hier die Wohnung des [X.] (s zu anderen Möglichkeiten wie die Arbeitsstätte zB [X.], 241, 245 = [X.] 2200 § 194 [X.]1 S 30) - und dem Ort, an dem der geeignete Leistungserbringer behandelt. Soweit sich ein oder mehrere weitere Leistungserbringer genau auf dem so bestimmten Radius um den Ausgangsort befinden, sind sie alle nächsterreichbar. Nur mindestens ein zwingender Grund lässt die Inanspruchnahme eines anderen Leistungserbringers zu. Dies folgt nicht nur aus dem dargelegten Wortlaut, sondern auch aus Entstehungsgeschichte (dazu aa), Regelungssystem (dazu [X.]) und Regelungszweck (dazu [X.]). Die hiervon abweichende frühere Rechtsprechung zu § 194 [X.] gibt der erkennende Senat auf (dazu [X.]). Die vom Kläger gewählten Vertragsärzte sind in diesem Sinne keine tatsächlich räumlich [X.] Leistungserbringer (dazu ee).

aa) Bereits unter Geltung der [X.] diente die Beschränkung auf den "[X.]" Leistungserbringer dazu, den Umfang der [X.] zu begrenzen (vgl zB [X.], 37 = [X.] 2200 § 194 [X.]0; [X.], 139 = [X.] 2200 § 194 [X.]). Dies knüpfte an die räumliche Entfernung an. Daran änderte sich in der Folgezeit nichts, auch wenn das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen ([X.] vom 20.12.1988, [X.] 2477) das [X.] dahingehend änderte, dass die [X.]n grundsätzlich keine Reisekosten übernehmen, während hierauf zuvor gemäß § 194 [X.] grundsätzlich ein Anspruch bestand. Die Kosten für Fahrten zur ambulanten Behandlung sollten künftig nur noch in Ausnahmefällen übernommen werden, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung "notwendig sind" (BT-Drucks 11/2237 [X.] zu § 68). Dabei blieb es auch, als Art 1 [X.] Buchst a, [X.] [X.] die Formulierung "notwendig" durch die Formulierung "aus zwingenden medizinischen Gründen" im Sinne einer weiteren Einschränkung ersetzte, um noch stärker auf die medizinische Notwendigkeit der im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer [X.]-Leistung erforderlichen Fahrt abzustellen (BT-Drucks 15/1525 [X.]). Die Gesetzesmaterialien verdeutlichen, dass zur Neuordnung der Finanzierung ua Fahrkosten in der ambulanten Versorgung grundsätzlich nicht mehr erstattet werden und Ausnahmen nur nach Genehmigung durch die [X.]n gelten sollten (vgl Entwurf der Fraktionen [X.], [X.] und [X.]/[X.] eines [X.], BT-Drucks 15/1525 [X.] f und [X.] f zu [X.]). Die Regelung wollte die Möglichkeit für [X.]n ausschließen, Fahrkosten zur ambulanten Behandlung bereits generell in Härtefällen zu übernehmen. Auch die Anfügung von [X.] in § 60 Abs 1 [X.] durch Art 1 [X.]1 Buchst b [X.]-VSG hat an dem aufgezeigten Grundprinzip nichts geändert. Sie soll Krankentransporte zu einer ambulanten Behandlung klar unter einen Genehmigungsvorbehalt stellen (vgl Gesetzentwurf der BReg eines [X.]-VSG BT-Drucks 18/4095 S 82 zu [X.]1).

[X.]) Auch das Regelungssystem spricht für die aufgezeigte zweistufige Prüfung. Grundsätzlich gehören Maßnahmen und Leistungen, die nicht durch medizinische Erfordernisse der Krankheitserkennung oder -behandlung veranlasst sind, nicht zum Gegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]). Als eine Ausnahme regelt das Gesetz ua die Gewährung von Fahrkosten als akzessorischer Leistung zur Krankenbehandlung (§ 60 [X.]; vgl [X.], 111 = [X.]-2500 § 39 [X.]0, Rd[X.]9 f). Der Gesetzgeber hat den Umfang des Anspruchs auf Übernahme von Fahrkosten seit Einführung des [X.] deutlich eingeschränkt, da es nicht um eine Kernleistung der [X.] geht. Das Zusammenspiel des allgemeinen Grundsatzes in § 60 Abs 1 [X.] [X.] und der Regelung in § 76 Abs 2 [X.] unterstreicht, dass zwingende medizinische Gründe notwendig sind, um einen Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten zu begründen. Sie müssen erst recht vorliegen, wenn ausnahmsweise nicht der räumlich [X.] Leistungserbringer in Anspruch genommen werden soll, sondern ein entfernterer.

[X.]) Schließlich spricht der Regelungszweck für das dargelegte Auslegungsergebnis, die bloß ergänzende Leistung "Fahrkosten für ambulante Behandlung" auf das [X.] zu beschränken, um den Finanzierungsspielraum für die Kernleistungen der [X.] zu erhalten.Sinn und Zweck der Regelung ist die Verminderung der finanziellen Belastung der [X.] (vgl BT-Drucks 11/2237 [X.] zu § 68). Die Regelung der freien Wahl unter zugelassenen Leistungserbringern (§ 76 Abs 1 [X.]) erhält durch die Übertragung des Risikos auf die Versicherten, hieraus erwachsende Mehrkosten selber zu tragen, das erforderliche Korrektiv, um die Gesamtregelung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot zu harmonisieren (zur Vereinbarkeit von [X.] mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot vgl [X.], 231 = [X.]-2500 § 40 [X.], Rd[X.]0 mwN).

[X.]) Soweit der 3. Senat des [X.] zur früheren Regelung des Anspruchs auf Reisekosten (§ 368d Abs 2 [X.]) ausgeführt hat, relativ geringfügige Abweichungen unter den Fahrkostensummen führten zu keinen den Selbstbehalt rechtfertigenden "Mehrkosten" (vgl [X.] [X.] 2200 § 368d [X.]), ist diese Rechtsauffassung mit der geltenden Rechtslage nach dem [X.] nicht mehr vereinbar. Aus Gründen der Klarstellung gibt der hierfür allein zuständige erkennende 1. Senat des [X.] diese frühere Rechtsprechung auf. Der Superlativ "nächsterreichbar" schließt es unter Berücksichtigung des aufgezeigten Regelungszwecks der Gesamtregelung aus, einen auch nur geringfügig entfernteren anderen Leistungserbringer hierunter mit zu erfassen.

ee) Die Vertragsärzte, die der Kläger auswählte, sind in diesem Sinne keine tatsächlich räumlich [X.] Leistungserbringer. Die Entfernung ihrer [X.] von seiner Wohnung übersteigt nach den unangegriffenen Feststellungen des [X.] die Entfernung der von der Beklagten benannten "[X.]" Leistungserbringer. Hierfür ist es unerheblich, dass der Kläger für seine "Wunschärzte" im Revisionsverfahren teilweise andere, aber immer noch größere Entfernungen als zu den "[X.]" Leistungserbringern genannt hat.

c) Die Beklagte verneinte rechtmäßig einen zwingenden Grund (dazu aa) dafür, dass der Kläger die von ihm benannten Vertragsärzte mit weiter entfernt gelegenen [X.] in Anspruch nimmt (dazu [X.]).

aa) Der in § 60 Abs 1 [X.] und § 76 Abs 2 wurzelnde Begriff "zwingende Gründe" ist bewusst wertungsoffen gefasst. Das steht einer abschließenden, umfassenden Definition entgegen. Nach dem [X.] müssen - wie dargelegt - die Fahrten im Zusammenhang mit einer Leistung der [X.] aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sein, um einen Anspruch auf Übernahme der Kosten zu begründen (§ 60 Abs 1 [X.] [X.]). Diese Vorgabe lässt es - zweckgerecht - zu, hierbei zwingende Gründe iS von § 76 Abs 2 [X.] einzubeziehen. Welche zwingenden medizinischen Gründe einen Anspruch auf Kostenübernahme von Fahrkosten bei ambulanter Behandlung ausnahmsweise rechtfertigen, hat der [X.] ermächtigungskonform in § 8 [X.] konkretisiert. Nach § 8 Abs 3 [X.] [X.] kann die Fahrt zur ambulanten Behandlung für Versicherte ua verordnet und genehmigt werden, die - wie der Kläger - einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "aG" bei der Verordnung vorlegen. Diese Grundvoraussetzungen geben kaum Anlass, einen anderen als den [X.] Arzt in Anspruch zu nehmen. Sie lassen es zu, die Wertungen des § 60 Abs 1 [X.] [X.] durch weitere zwingende Gründe iS von § 76 Abs 2 [X.] zu ergänzen. Diese wurzeln regelmäßig in der Behandlungsebene, etwa wenn ein besonderer Behandlungsbedarf die Inanspruchnahme eines weiter entfernt praktizierenden Arztes zwingend erfordert (vgl zu den Maßstäben [X.] [X.]-2500 § 13 [X.] Rd[X.] ff). Ein besonderes Vertrauensverhältnis, das sich aus positiven Erfahrungen in der Vergangenheit speist, genügt hierfür in aller Regel nicht. Spezielle Kenntnisse oder Fähigkeiten eines Arztes können erst dann eine Inanspruchnahme zu Lasten der [X.] rechtfertigen, wenn sie sich in einem besonderen, vom räumlich [X.] Arzt nicht oder nicht ausreichend vorgehaltenen Leistungsangebot niederschlagen, das nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse Teil einer zweckmäßigen medizinischen Behandlung der betreffenden Krankheit ist (vgl [X.] [X.]-2500 § 13 [X.] Rd[X.]7).

Ausnahmsweise können aber insbesondere nicht vom Versicherten provozierte, objektiv fundierte, besonders schwerwiegende Störungen des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient ausreichen, wenn sie sich nach außen manifestiert haben, den Behandlungserfolg gefährden und dem Versicherten deshalb die Inanspruchnahme des Arztes unzumutbar machen, um zwingende Gründe für die Inanspruchnahme eines anderen Leistungserbringers zu bejahen. So liegt es namentlich bei nachgewiesenen oder mit erheblichen Verdachtsgründen untermauerten vermuteten schwerwiegenden Behandlungsfehlern. Der Gesetzgeber hat nach der aufgezeigten Entwicklungsgeschichte (vgl oben, [X.]) den Begriff der "zwingenden Gründe" bewusst eng gefasst, um eine allgemeine Härteklausel auszuschließen. Bei der gebotenen restriktiven Auslegung kommen hierfür nur solche Umstände in Betracht, die in ihrer Wertigkeit zwingenden medizinischen Gründen entsprechen.

[X.]) Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) bestehen keine zwingenden Gründe im dargelegten Sinne. Das [X.] hat keine Behandlungsfehler der tatsächlich räumlich [X.] Leistungserbringer festgestellt, die eine Behandlung für den Kläger unzumutbar machen könnten. Soweit der Kläger mit der Revision geltend macht, das [X.] habe seinen Sachvortrag falsch gewürdigt, bezeichnet er iS von § 164 Abs 2 S 3 [X.] nicht hinreichend Tatsachen, die den Mangel ergeben sollen (vgl § 164 Abs 2 S 3 [X.]; näher [X.] Urteil vom 11.12.2008 - [X.] V[X.]/08 R - Juris Rd[X.]8 ff, insoweit in [X.], 149 = [X.]-1100 Art 85 [X.] nicht abgedruckt; [X.], 168 = [X.]-2500 § 31 [X.], Rd[X.]7 f mwN). Notwendig hierfür ist eine Darlegung, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann ([X.] [X.] 1500 § 164 [X.]). Bei einem Verstoß gegen die Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, muss der Revisionskläger deshalb die Tatsachen bezeichnen, aus denen sich ergibt, dass sich das [X.] von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen ([X.], 168 = [X.]-2500 § 31 [X.], Rd[X.]8; [X.] Urteil vom 11.12.2008 - [X.] V[X.]/08 R - Juris Rd[X.]9 mwN, insoweit in [X.], 149 = [X.]-1100 Art 85 [X.] nicht abgedruckt; [X.] [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.] [X.] [X.]0 zu § 103 [X.]; [X.] [X.] [X.] zu § 103 [X.]). Hierzu gehört auch die Benennung konkreter Beweismittel, deren Erhebung sich dem [X.] hätte aufdrängen müssen. Hieran fehlt es.

Die übrigen vom Kläger geltend gemachten Gründe erfüllen nicht die dargelegten Voraussetzungen eines zwingenden Grundes. Hierzu genügen weder ein über die Jahre gewachsenes Vertrauensverhältnis noch die Spracheinfärbung durch Dialekt, etwas kürzere Wartezeiten auf einen Termin oder das fehlende Angebot von Hausbesuchen. Ein Anspruch auf Hausbesuche besteht nur dann, wenn das Aufsuchen des Arztes in dessen Praxisräumen wegen Krankheit nicht möglich oder nicht zumutbar ist (vgl § 17 Abs 6 [X.], [X.]). Die Terminvergabe liegt grundsätzlich im Ermessen des Arztes (bei Vorliegen einer Überweisung zu einem Facharzt sieht § 75 Abs 1a S 3 [X.] aufgrund der entsprechenden Ergänzung durch das [X.]-VSG mWv 1.1.2016 die Vermittlung eines Behandlungstermins bei einem Leistungserbringer nach § 95 Abs 1 [X.] [X.] durch Terminservicestellen nach § 75 Abs 1a S 2 [X.] binnen einer Woche vor), sofern kein Notfall vorliegt; in einem solchen Fall hat der Versicherte im Übrigen einen Anspruch auf eine Notfallbehandlung, für die sogar ein nicht zugelassener Arzt in Anspruch genommen werden darf (§ 76 Abs 1 S 2 [X.]). Der Kläger trägt selbst nicht vor, dass der seitens der Beklagten benannte Arzt gegen diese Pflicht verstoßen hätte.

3. Die vorbeugende Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber unbegründet (dazu b).

a) Der Kläger kann ergänzend zur Anfechtungsklage mit der vorbeugenden Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 [X.] [X.]) sein Rechtsschutzziel verfolgen, unabhängig vom konkreten Leistungsfall vorab Klarheit darüber zu erhalten, ob die von ihm benannten Ärzte für Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem Ort der ambulanten Behandlung in ihrem jeweiligen Fachgebiet [X.] Ärzte im Rechtssinne sind. Das für eine Feststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse ist zu bejahen. Nach der Rechtsprechung des [X.] kann im Einzelfall auch ein einzelnes Element eines Rechtsverhältnisses Gegenstand einer (vorbeugenden) Feststellungsklage sein (Elementenfeststellungsklage), wenn sicher anzunehmen ist, dass durch sie der (zukünftige) Streit der Beteiligten insgesamt bereinigt wird ([X.]E 31, 235, 240 = [X.] [X.]4 zu § 141 [X.] Da 8; [X.]E 43, 134, 137 = [X.]100 § 34 [X.] S 8; [X.] [X.] 3-2500 § 124 [X.]; [X.]E 105, 1 = [X.]-2500 § 125 [X.], Rd[X.]6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 9a mwN). So liegt der Fall hier. Der sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten ergebende zukünftige Streit um die Übernahme von Fahrkosten wird durch die vorbeugende Feststellung insgesamt ausgeräumt. Die übrigen Voraussetzungen für die Übernahme der Fahrkosten sind kein Streitpunkt zwischen den Beteiligten (vgl oben, II. 2. a).

Die Zulässigkeit der Feststellungsklage scheitert nicht an dem grundsätzlichen Vorrang der Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 [X.] 2. Alt [X.]). Hiermit könnte der Kläger den Erlass eines Bescheides geltend machen, der eine Feststellung entsprechend der begehrten gerichtlichen Feststellung trifft. Demgegenüber ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage einfacher und nicht weniger rechtsschutzintensiv (vgl zur Durchbrechung des Grundsatzes der Subsidiarität der Feststellungsklage nur [X.]E 105, 1 = [X.]-2500 § 125 [X.], Rd[X.]7 mwN und [X.] [X.]-2500 § 51 [X.] Rd[X.]1 f, auch für [X.]E vorgesehen).

Der Kläger kann noch im Revisionsverfahren von der Leistungsklage zur vorbeugenden Feststellungsklage übergehen, obwohl eine Klageänderung im Revisionsverfahren unzulässig ist (§ 168 [X.] [X.]). Hierin liegt keine Klageänderung (§ 99 Abs 1 [X.]). Der Kläger beschränkt lediglich den Klageantrag in der Hauptsache, ohne den Klagegrund zu ändern (§ 99 Abs 2 [X.] [X.]).

b) Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte stellte die geeigneten [X.] Ärzte rechtmäßig fest (vgl oben, II. 2.).

4. [X.] beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 1 KR 27/14 R

08.09.2015

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Nürnberg, 10. Januar 2012, Az: S 7 KR 40/11, Urteil

§ 60 Abs 1 S 1 SGB 5 vom 14.11.2003, § 60 Abs 1 S 4 SGB 5 vom 16.07.2015, § 75 Abs 1a S 2 SGB 5 vom 16.07.2015, § 75 Abs 1a S 3 SGB 5 vom 16.07.2015, § 76 Abs 1 S 1 SGB 5, § 76 Abs 1 S 2 SGB 5, § 76 Abs 2 SGB 5, § 82 Abs 1 SGB 5, § 92 Abs 1 S 2 Nr 12 SGB 5, § 194 RVO, § 8 Abs 3 S 1 KrTRL 2004, § 17 Abs 6 S 1 BMV-Ä, § 17 Abs 7 BMV-Ä, § 54 Abs 1 S 1 Alt 2 SGG, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG, § 99 Abs 1 SGG, § 99 Abs 3 Nr 2 SGG, § 164 Abs 2 SGG, § 168 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 08.09.2015, Az. B 1 KR 27/14 R (REWIS RS 2015, 5768)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5768

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