Bundessozialgericht, Urteil vom 15.12.2016, Az. B 5 RS 7/16 R

5. Senat | REWIS RS 2016, 609

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Das Urteil des [X.] vom 21. Juli 2015 wird wie folgt berichtigt: In Ziffer [X.] wird das Datum "4. August 2014" durch das Datum "2. Juni 2014" ersetzt.

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des [X.] vom 21. Juli 2015 und des [X.] vom 2. Juni 2014 abgeändert.

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt für die Jahre 1984 bis 1989 die Feststellung weiterer Arbeitsentgelte in Gestalt jährlicher Jahresendprämien ([X.]) für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz ([X.]) in Form jährlicher [X.].

2

Der im Jahre 1955 geborene Kläger ist seit dem 23.5.1984 berechtigt, die Berufsbezeichnung "Maschineningenieur" (Fachrichtung Instandhaltung) zu führen. Er war entsprechend seiner beruflichen Qualifikation durchgehend im [X.] des [X.] beschäftigt. Auf Antrag vom 30.12.2011 stellte die Beklagte die Beschäftigungszeit des [X.] in der [X.] vom 23.5.1984 bis 30.6.1990 als [X.] zur [X.] ([X.] der Anlage zum [X.]) einschließlich der dabei erzielten Arbeitsentgelte fest. Die Berücksichtigung von [X.] lehnte sie ab (Bescheid vom 15.11.2012). Dem Widerspruch half die Beklagte teilweise ab, indem sie für den Zeitraum vom [X.] ein höheres Arbeitsentgelt feststellte (Bescheid vom 8.3.2013). Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 13.6.2013).

3

Mit Urteil vom [X.] hat das [X.] die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 15.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.6.2013 verurteilt, für die Jahre 1985 bis 1990 weitere Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen für die Jahre 1984 bis 1989 zu berücksichtigen (1985: [X.]; 1986: 699 Mark; 1987: 758 Mark; [X.]; 1989: 821 Mark), und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das [X.] hat das Urteil des [X.] in Ziffer 1 des Tenors abgeändert, indem es dem Kläger für das [X.] anstelle der vom [X.] zugesprochenen [X.] einen Betrag in Höhe von [X.] zuerkannt hat. Im Übrigen hat es die Berufung der [X.] zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 21.7.2015). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch auf Feststellung der [X.] als weitere Arbeitsentgelte in dem tenorierten Umfang. [X.] seien Arbeitsentgelte iS von § 14 [X.]B IV und damit iS von § 6 Abs 1 S 1 [X.]. Gemäß § 117 Abs 1 AGB-[X.] habe ein Anspruch auf [X.] bestanden, wenn deren Zahlung für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehört habe, im Betriebskollektivvertrag vereinbart worden sei, der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hätten und der Werktätige während des gesamten [X.] Angehöriger des Betriebs gewesen sei. Um eine Feststellung von [X.] als zusätzliche Entgelte beanspruchen zu können, müsse der jeweilige Antragsteller nachweisen oder glaubhaft machen, dass diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt worden seien und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, dh tatsächlich gezahlt worden sei. Gemäß § 128 Abs 1 S 1 [X.]G entscheide das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Neben dem Vollbeweis, dh der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, sei auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte in Gestalt von [X.] gegeben. Dies könne aus der Vorschrift des § 6 Abs 6 [X.] abgeleitet werden. Danach werde, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht werde, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu 5/6 berücksichtigt. Der Kläger habe zwar nicht nachgewiesen, aber glaubhaft gemacht, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen des § 117 Abs 1 AGB-[X.] für den Bezug einer [X.] in den geltend gemachten Beschäftigungsjahren 1984 bis 1989 ([X.] 1985 bis 1990) vorgelegen hätten und ihm jeweils eine [X.] tatsächlich gezahlt worden sei. Die konkrete Höhe der [X.] habe der Kläger weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Hinsichtlich der Höhe habe das [X.] jedoch zutreffend von der Möglichkeit der Schätzung Gebrauch gemacht.

4

Die Befugnis hierzu ergebe sich aus § 202 S 1 [X.]G iVm § 287 Abs 2, [X.] 2 ZPO. Die Voraussetzungen dieser Normen seien hier gegeben. Bei der Feststellung weiterer Arbeitsentgelte handele es sich zumindest mittelbar und sekundär um eine vermögensrechtliche Streitigkeit. Das von der [X.] nach § 6 Abs 1 S 1 [X.] festzustellende und dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung mitzuteilende (§ 8 Abs 1 S 1 und S 2 [X.]) erzielte Arbeitsentgelt sei Grundlage der Berechnung der Höhe einer Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Auch sei die vollständige Aufklärung aller für die Berechnung der konkret zugeflossenen [X.]-Beträge maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden, die zur Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stünden. Bei der gebotenen Schätzung lege das Gericht als jährlichen Basiswert der Prämienhöhe jeweils den im [X.] erzielten durchschnittlichen Bruttomonatslohn zugrunde, der im Bescheid der [X.] vom 8.3.2013 festgestellt sei. Diese Anknüpfung sei vor allem deshalb gerechtfertigt, weil auch die staatlichen Prämienverordnungen für die Höhe der [X.] an den durchschnittlichen Monatsverdienst anknüpften. Von diesem Wert mache das Gericht einen Abschlag in Höhe von 30 %, weil die Höhe der jeweils an den Werktätigen ausgezahlten [X.] von einer Vielzahl verschiedener Faktoren abhängig gewesen sei, die im konkreten Einzelfall nicht mehr nachvollziehbar seien. Von dem danach geschätzten Betrag (70 %) sei ein weiterer Abschlag in Höhe eines [X.] sachlich gerechtfertigt, weil der Kläger bereits den Zufluss der [X.] lediglich habe glaubhaft machen können. Dies folge aus dem Rechtsgedanken des § 6 Abs 6 [X.], wonach der glaubhaft gemachte Teil eines Verdienstes nur in dieser Höhe berücksichtigt werde. Dies müsse erst recht gelten, wenn lediglich der Zufluss des Verdienstes glaubhaft gemacht werde. Auf Grundlage dieser Schätzung ergäben sich für die Jahre 1984 bis 1989 (und damit für die [X.] 1985 bis 1990) die tenorierten [X.]-Zahlungen.

5

Mit der vom Senat zugelassenen Revision (B[X.] Beschluss vom [X.] RS 26/15 B) rügt die Beklagte im Wesentlichen die Verletzung von § 6 Abs 1 S 1, § 8 Abs 1 S 2 [X.]. Ob das [X.] im Rahmen freier Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 [X.]G) von seiner Schätzbefugnis und damit von einer Beweiserleichterung Gebrauch mache, stehe in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Vorliegend habe das L[X.] ermessensfehlerhaft gehandelt und die Grenzen der richterlichen Beweiswürdigung verletzt. Das Gericht habe schon die Höhe von [X.] nicht schätzen dürfen. Ein Rückgriff auf die Vorschrift des § 287 Abs 2 ZPO im geschlossenen System des Nachweises bzw der Glaubhaftmachung von Entgelten in der gesetzlichen Rentenversicherung sei systemwidrig. Das Berufungsgericht verkenne, dass sämtliche Tatumstände, die es unter die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale des § 117 Abs 1 AGB-[X.] subsumiere, mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dh im Vollbeweis, nachgewiesen sein müssten, was auch das B[X.] im sog "[X.]" (vom [X.] - B 4 RS 4/06 R - [X.] 4-8570 § 6 [X.]) fordere. Die bloße Glaubhaftmachung iS einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit genüge somit nicht; das Beweismaß der Glaubhaftmachung in § 6 Abs 6 [X.] gelte nicht für den Feststellungsanspruch dem Grunde nach, sondern nur für dessen Höhe. Zudem dürfe "die Höhe einer Forderung" nach § 287 Abs 2 ZPO nur geschätzt werden, wenn die Tatsachen voll erwiesen seien, mit denen das "Ob" der Forderung, dh der Zahlungsanspruch als solcher, begründet werde. Die vom L[X.] zitierte Entscheidung des B[X.] vom 4.5.1999 - B 4 RA 6/99 R - [X.] 3-8570 § 8 [X.] sei vorliegend nicht einschlägig. Nur wenn und soweit die Höhe des tatsächlich gewährten Arbeitsentgelts nicht nachgewiesen werden könne, komme nach dieser Entscheidung hilfsweise eine Glaubhaftmachung und Schätzung des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts in Betracht. Von einer Beweiserleichterung bei der den Rechtsgrund betreffenden Tatsachenermittlung sei in dieser Entscheidung keine Rede.

6

Schließlich seien dem Berufungsgericht bei der Art und Weise, wie es den [X.] gestalte, Verfahrensfehler unterlaufen. Soweit es das durchschnittliche Monatsbruttogehalt im jeweiligen [X.] als Anknüpfungstatsache heranziehe, sei dieser Basiswert - schon nach den rechtlichen Regularien der [X.] - untauglich und rechtlich nicht tragfähig. Die davon erfolgenden Abschläge von 30 % und nochmals einem Sechstel seien aus der Luft gegriffen und methodisch nicht haltbar. Abschließend sei festzustellen, dass dem Berufungsgericht sowohl bei der Beantwortung der Frage, ob es überhaupt schätzen durfte als auch bei der Durchführung der Schätzung selbst Fehler unterlaufen seien, die die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten. Hierauf beruhe das angefochtene Urteil.

7

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21. Juli 2015 abzuändern, das Urteil des [X.] vom 2. Juni 2014 in vollem Umfang aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet, sodass der Senat in der Sache selbst zu entscheiden hat (§ 170 [X.] 2 [X.] [X.]). Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht (§ 54 [X.] 2 [X.] [X.]).

Das Revisionsverfahren betrifft das Begehren des [X.] (§ 123 [X.]) insofern, als dieser im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 56, § 54 [X.] 1 [X.] 1 und 3 [X.]) die Abänderung des Bescheides vom 15.11.2012 und des Widerspruchsbescheides vom [X.] sowie die Verurteilung der Beklagten zur Feststellung des jeweiligen [X.] unter zusätzlicher Berücksichtigung ihm in den Jahren 1985 bis 1990 [X.] erstrebt. Da der Kläger das Urteil des [X.] nicht angegriffen hat, soweit es seine Klage abgewiesen hat, ist dieses Urteil insofern rechtskräftig (§ 141 [X.] 1 [X.]) und der Bescheid vom 15.11.2012 hinsichtlich des Kalenderjahrs 1983 sowie der auf das Kalenderjahr 1984 beschränkte [X.] vom 8.3.2013 insgesamt bestandskräftig geworden (§ 77 [X.]). Das [X.] war schon deshalb nicht berufen, über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts vom 8.3.2013 zu entscheiden. Das Berufungsurteil ist schließlich rechtskräftig geworden, soweit das [X.] das [X.] für das Kalenderjahr 1985 herabgesetzt hat. Soweit das [X.] als Datum des [X.] fehlerhaft "4.8.2014" anstelle des korrekten Datums "[X.]" zugrunde gelegt hat, ist dies als "offenbare Unrichtigkeit" iS von § 138 [X.] [X.] von Amts wegen zu berichtigen.

1. Als Anspruchsgrundlage für die begehrten rechtlichen Feststellungen kommt allein § 8 [X.] 2, [X.] 3 [X.] und [X.] 4 [X.] in Betracht. Nach § 8 [X.] 3 [X.] [X.] hat die Beklagte als Versorgungsträgerin für das Zusatzversorgungssystem der [X.] (§ 8 [X.] 4 [X.]) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach [X.] 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat ua "das tatsächlich erzielte [X.] oder Arbeitseinkommen" (= Arbeitsverdienste) zu enthalten.

2. Maßstabsnorm, nach der sich bestimmt, welche Arbeitsverdienste den Zugehörigkeitszeiten zu einem (Zusatz-)Versorgungssystem der [X.] zuzuordnen sind, ist § 6 [X.] 1 [X.] [X.]. Danach ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl § 5 aaO) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a [X.] 2 [X.]) das erzielte [X.] oder Arbeitseinkommen zugrundezulegen. Der Begriff des [X.]s iS des § 6 [X.] 1 [X.] [X.] bestimmt sich nach § 14 SGB IV, wie der erkennende Senat ([X.]-8570 § 6 [X.] Rd[X.] 15) im Einklang mit dem 4. Senat des BSG ([X.]-8570 § 6 [X.] Rd[X.] 24 ff), der früher für das Recht der Rentenüberleitung zuständig gewesen ist, bereits entschieden hat. Dabei ist durch die Rechtsprechung des 4. Senats, der sich der erkennende Senat anschließt, gleichermaßen geklärt, dass die [X.] einmalige Einkünfte aus einer Beschäftigung iS des § 14 [X.] 1 [X.] [X.] waren und diese bundesrechtliche Qualifizierung nicht durch § 17 [X.] 1 [X.] iVm § 1 [X.] vom 18.12.1984 ([X.] 1642) ausgeschlossen ist ([X.]-8570 § 6 [X.] Rd[X.] 27, 33). Gleichzeitig folgt für die Feststellung von Bezug und Höhe dieser einmaligen Einkünfte aus der Formulierung "erzieltes [X.]" in § 6 [X.] 1 [X.] [X.] im Zusammenhang mit § 5 [X.] 1 [X.] [X.], dass es sich um Entgelt handeln muss, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also in bestimmter Höhe tatsächlich gezahlt worden ist ([X.]-8570 § 6 [X.] Rd[X.] 19).

3. Für den Zufluss von [X.] wie der [X.] trägt der Zahlungsempfänger die [X.] bzw objektive Beweislast ([X.]-8570 § 6 [X.] Rd[X.]2), dh das Risiko bzw den Nachteil, dass sich diese Tatsache nicht beweisen und feststellen lässt (non liquet). Der Tatbestand öffentlich-rechtlicher Normen ist regelmäßig nur dann erfüllt, wenn ein einschlägiger Sachverhalt nach Ausschöpfung grundsätzlich aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisgrundlagen bis zur Grenze der Zumutbarkeit (Senatsbeschluss vom [X.] - B 5 R 208/09 B - Juris Rd[X.] 9; BVerwG Urteil vom 26.8.1983 - 8 C 76/80 - [X.] 310 § 86 [X.] 1 VwGO [X.] und Beschluss vom 18.2.2015 - 1 [X.]/15 - Juris Rd[X.]; vgl auch [X.] Beschluss vom 27.10.1999 - 1 BvR 385/90 - [X.]E 101, 106 - Juris Rd[X.]7) mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl zB [X.] vom 27.6.2006 - [X.] U 20/04 R - [X.], 291, 23 = [X.]-2700 § 9 [X.]) im [X.], dh zur vollen Überzeugung des hierzu berufenen Anwenders iS einer subjektiven Gewissheit feststeht. Für das sozialgerichtliche Verfahren ergibt sich dies aus § 103 [X.] Halbs 1, § 128 [X.] 1 [X.] [X.]. Abweichungen (Gewissheit, hinreichende Wahrscheinlichkeit oder Glaubhaftmachung) von diesem Regelbeweismaß bedürfen einer gesetzlichen Grundlage ([X.]-3900 § 15 [X.] - Juris Rd[X.], vgl auch [X.] vom 14.12.2006 - [X.] R 29/06 R - [X.], 48 = [X.]-5075 § 1 [X.] 3; BVerwG Beschluss vom 3.8.1988 - 9 [X.]57/88 - NVwZ-RR 1990, 165; [X.] in [X.], [X.], 4. Aufl 2012, § 128 Rd[X.] 13 ff; Höfling/Rixen in [X.]/[X.], VwGO, 4. Aufl 2014, § 108 Rd[X.] 87; [X.]/[X.], VwGO, 22. Aufl 2016, § 108 Rd[X.] 5; Kühl in [X.]/Fichte, 2. Aufl 2014, § 118 Rd[X.] 3 ff). Nur dann ist gewährleistet, dass normativ angeordnete Rechtsfolgen allein Fällen der gesetzlich vorgesehenen Art zugeordnet werden und im Streitfall effektiver Rechtsschutz (Art 19 [X.] 4 GG) gewährleistet ist. Die in § 6 [X.] 6 [X.] normierten Beweiserleichterungen verhelfen der Klage indessen nicht zum Erfolg.

4. Zwar hat das [X.] auf dieser Grundlage für den Senat bindend (§ 163 [X.]) festgestellt, dass dem Kläger in den jeweils ausgeurteilten Jahren tatsächlich [X.] zugeflossen sind, weil dies zwar nicht (im [X.]) nachgewiesen, aber glaubhaft gemacht, dh "überwiegend wahrscheinlich" sei (vgl dazu § 23 [X.] 1 S 2 SGB X; § 202 [X.] [X.] iVm § 294 ZPO). Dabei geht das [X.] zu Recht davon aus, dass dieser - im Vergleich zum Regelbeweismaß - abgesenkte Beweisgrad ausreicht, um im Einzelfall den tatsächlichen Zufluss von [X.] anzunehmen und festzustellen (so auch Bayerisches [X.] Urteil vom [X.]; [X.] Mecklenburg-Vorpommern Urteil 18.2.2015 - L 7 R 147/11 - Juris Rd[X.]2 ff; [X.] Berlin-Brandenburg Urteil vom 9.10.2014 - L 33 R 151/13 - Juris Rd[X.] 37; Thüringer [X.] Urteil vom 27.5.2014 - L 6 R 1280/12 - Juris Rd[X.] 19 ff; offen gelassen [X.] Sachsen-Anhalt Urteil vom [X.] - Juris Rd[X.] 25 ff). Dies ergibt die Auslegung des § 6 [X.] 6 [X.]. Danach wird der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird. Die Formulierungen "der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes" und "der andere Teil" sind prinzipiell weit und ermöglichen es, die Glaubhaftmachung dieses Verdienstteils sowohl auf dessen Höhe als auch auf dessen Zufluss oder auf beides zu beziehen, während der Nachweis des übrigen Verdienstteils schon logisch Zufluss und Höhe erfassen muss. Angesichts der klaren gesetzlichen Differenzierung des [X.] in einen glaubhaft gemachten und einen nachgewiesenen Teil liegt es indes fern, die Glaubhaftmachung auf die Höhe des Verdienstes bei nachgewiesenem Zufluss zu beschränken. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Norm mit dem Erfordernis, dass Zufluss und Höhe eines Verdienstteils im [X.] nachgewiesen sein müssen, bereits ausdrücklich das strenge Regelbeweismaß anlegt und damit einen starken Anker schafft, was spiegelbildlich [X.]triche beim [X.] für Höhe und Zufluss des anderen Verdienstteils legitimiert und ggf Rückschlüsse aufgrund zuvor oder anschließend erzielten [X.]s erlaubt (vgl dazu [X.] vom 28.10.1996 - 8 [X.] 19/95 - [X.] 3-2600 § 123 [X.] 1 S 4; Spegel, [X.] [X.] 1996, 164 jeweils zu § 256c [X.]). Zudem findet die einschneidende Rechtsfolge, die einen erheblichen [X.]chlag in Höhe eines Sechstels vorsieht, auch und gerade in Fällen ihre Rechtfertigung, in denen neben der Höhe auch der Zufluss von [X.] oder Arbeitseinkommen nur glaubhaft gemacht werden kann und damit die Verdienstfeststellung in ihrer anteiligen Gänze auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen beruht.

5. Ebenso für das Revisionsgericht verbindlich hat das Berufungsgericht aber auch (negativ) festgestellt, dass die Höhe der einschlägigen Zahlungen weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht ist. Insofern ist unerheblich, dass das angegriffene Urteil möglicherweise nicht auf diesen Feststellungen beruht (vgl dazu [X.] vom 10.11.1993 - 11 [X.] - [X.], 195 = [X.] 3-4100 § 249e [X.] 3; [X.]/[X.], [X.], 2014, § 163 Rd[X.] 15). Soweit das [X.] die Höhe der [X.] jedoch auf 58,33 % eines im jeweiligen [X.] erzielten monatlichen [X.] geschätzt hat, ist der Senat an diese weitergehenden Feststellungen (§ 163 [X.]) nicht gebunden. Denn das Berufungsgericht geht insofern von rechtlich unzutreffenden Annahmen hinsichtlich des [X.]es aus, die der sachlichen Prüfung durch das BSG unterliegen. Das [X.] enthält jedenfalls für Fälle der vorliegend zur Entscheidung stehenden Art abschließende Regelungen zu Möglichkeiten und Folgen einer Beweiserleichterung hinsichtlich der Höhe des zugrundezulegenden Verdienstes. Zusätzliche Beweiserleichterungen des materiellen (a) oder des sog formellen Rechts (b) greifen daneben nicht ein.

a) § 6 [X.] 6 [X.] erlaubt es dem Versicherten ausnahmsweise, die Höhe eines Verdienstteils glaubhaft zu machen, wenn der andere Teil des Verdienstes nachgewiesen ist und eröffnet insoweit zu seinen Gunsten im beschränkten Umfang eine [X.]reduzierung, allerdings auf Kosten eines [X.]chlags in Höhe eines Sechstels des glaubhaft gemachten Teils des Verdienstes. Eine weitere Verminderung des [X.]stabes im Sinne einer Schätzungswahrscheinlichkeit sieht § 6 [X.] nicht vor. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzbefugnis schaffen wollen, so hätte er dies gesetzlich anordnen und Regelungen sowohl zu ihrer Reichweite (Schätzung des [X.] oder nur eines Teils davon) als auch zum Umfang der Anrechnung des geschätzten Verdienstes treffen müssen, nachdem er schon für den strengeren [X.]stab der Glaubhaftmachung nur die Möglichkeit einer begrenzten Berücksichtigung (zu fünf Sechsteln) ermöglicht hat.

Auch aus § 6 [X.] 5 [X.] iVm § 256b [X.] 1 und § 256c [X.] 1 und 3 [X.] [X.] ergibt sich keine materiell-rechtliche Schätzbefugnis. Rechtsfolge einer fehlenden Nachweismöglichkeit des Verdienstes ist hiernach stets die Ermittlung eines fiktiven Verdienstes nach Tabellenwerten, nicht jedoch die erleichterte Verdienstfeststellung im Wege der Schätzung im Sinne einer Überzeugung von der bloßen Wahrscheinlichkeit bestimmter Zahlenwerte. Insofern kann offenbleiben, ob [X.] 5 überhaupt neben [X.] 6 zur Anwendung kommen kann ([X.] S 33).

b) Die prozessuale Schätzbefugnis gemäß § 287 ZPO, die nach § 202 [X.] [X.] im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich subsidiär und "entsprechend" anzuwenden ist (vgl zB [X.]e vom 14.7.1988 - 11/7 [X.] - [X.]100 § 115 [X.] 2; vom [X.] - 10 [X.] 12/85 - [X.], 5 = [X.] 1750 § 287 [X.] 1; vom 15.3.1979 - 9 RVs 16/78 - [X.] 3870 § 3 [X.] 5, vom 27.7.1978 - 2 RU 37/78 - Juris Rd[X.] 21), greift hier von vornherein nicht ein. Denn § 6 [X.] 6 [X.] regelt als vorrangige und bereichsspezifische Spezialnorm die vorliegende Fallkonstellation (ein Verdienstteil ist nachgewiesen, ein anderer glaubhaft gemacht) abschließend und lässt für die allgemeine Schätzungsvorschrift des § 287 ZPO keinen Raum. Indem § 6 [X.] 6 [X.] die Höhe des glaubhaft gemachten Verdienstteils selbst pauschal auf fünf Sechstel festlegt, bestimmt er gleichzeitig die mögliche Abweichung gegenüber dem [X.] wie die Rechtsfolge der Glaubhaftmachung selbst und abschließend. Eine einzelfallbezogene Schätzung scheidet damit aus. Andernfalls käme es zu unauflösbaren Widersprüchen, wie der vorliegende Fall exemplarisch zeigt: Bei der Schätzmethode des [X.] handelt es sich um ein in sich geschlossenes Konstrukt, in das mit einer nachträglichen Kürzung des [X.] um ein Sechstel derart intensiv eingegriffen würde, dass von einer Schätzung nicht mehr die Rede sein kann. Hätte der Gesetzgeber eine Schätzung zulassen wollen, so hätte er das Schätzverfahren weiter ausgestalten und festlegen müssen, ob und ggf wie mit dem [X.]chlag im Rahmen der Schätzung umzugehen ist. Das Fehlen derartiger Bestimmungen belegt im Sinne eines beredten Schweigens zusätzlich den abschließenden Charakter der Ausnahmeregelung in § 6 [X.] 6 [X.] als geschlossenes Regelungskonzept.

Aber selbst wenn man § 287 ZPO in Fällen der vorliegenden Art für anwendbar hält, scheidet eine Schätzung gemäß § 287 [X.] 1 ZPO schon mangels "Schadens" von vornherein aus. Schließlich sind auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 287 [X.] 2 ZPO nicht erfüllt. Denn diese Norm greift - als Ausnahme von den Grundsätzen in § 286 ZPO und § 128 [X.] 1 [X.] [X.] - nur ein, wenn eine "Forderung" dem Grunde nach mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit besteht, dh im [X.] belegt ist, und nur noch ihre "Höhe … streitig ist" (vgl [X.] vom 28.5.2003 - B 3 P 6/02 R - [X.]-3300 § 15 [X.] 1 Rd[X.] 12; [X.] Urteile vom 17.12.2014 - [X.] - Juris Rd[X.]5 und vom 25.10.1984 - [X.] - [X.] 1985, 494 Juris Rd[X.] 13; [X.], [X.] im Zivilprozess, 2015, § 63 Rd[X.] 85; Foerste in Musielak/[X.], ZPO, 13. Aufl 2016, § 287 Rd[X.] 11; [X.] in [X.], ZPO, 31. Aufl 2016, § 287 Rd[X.] 1; [X.] in [X.], ZPO, 22. Aufl 2013, § 287 Rd[X.] 11 und 29; Prütting in [X.] Kommentar zur ZPO, 5. Aufl 2016, § 287 Rd[X.] 20; [X.] in [X.]/[X.], ZPO, 37. Aufl 2016, § 287 Rd[X.]; [X.], ZPO, 6. Aufl 2015, § 287 Rd[X.] 11). Die Schätzbefugnis und die damit verbundene [X.]reduzierung beschränkt sich somit auf die Höhe nachgewiesener Forderungen; nur wenn und soweit allein die [X.] streitig ist, darf der [X.] insofern Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen anstellen. Andernfalls käme es zu doppelten Wahrscheinlichkeitsüberlegungen und zu dem Problem, dass hinsichtlich des "Ob" des Zuflusses (Glaubhaftmachung iS einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit) und mit Blick auf die Höhe der Forderung (Schätzungswahrscheinlichkeit) unterschiedliche Erwägungen zu unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsgraden anzustellen wären. Damit würde aber das rechtswidrige Ergebnis in Kauf genommen, dass beide Faktoren in ihrer Überlagerung bzw Kombination nicht mehr wahrscheinlich, sondern lediglich möglich wären. Eine derart weite Loslösung von der Wirklichkeit und die damit verbundene Aufweichung der Feststellungslast sieht § 287 [X.] 2 ZPO nicht vor; die bloße Möglichkeit, dass dem Versicherten [X.] in geschätzter Höhe zugeflossen ist, genügt keinesfalls (vgl zB BSG Beschluss vom [X.] - B 9 V 23/01 B - [X.] 3-3900 § 15 [X.]). Schließlich erscheint es methodisch ausgeschlossen, die Schätzbefugnis nach § 287 [X.] 1 [X.] ZPO erst nach mehrfacher entsprechender Anwendung dieser Vorschrift zu eröffnen. Über die Verweisung in § 202 [X.] [X.] ist § 287 ZPO überhaupt nur "entsprechend anzuwenden" und innerhalb dieser zivilprozessualen Norm ist die Schätzbefugnis in § 287 [X.] 1 [X.] [X.] über [X.] 2 aaO ihrerseits ebenfalls nur "entsprechend anzuwenden", und zwar vorliegend erst, nachdem dessen Regelungsbereich zuvor auf Fallkonstellationen mit ungeklärter Haftungsgrundlage erweitert worden ist, obgleich die insofern einschlägigen tatsächlichen Umstände gerade zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen müssen (§ 286 ZPO).

Fragestellungen zur Ermittlung und Feststellung des tatsächlich erzielten [X.]s in Kalenderjahren mit Arbeitsausfalltagen, die der Entscheidung des 4. Senats in seinem Urteil vom [X.] ([X.] RA 6/99 R - [X.] 3-8570 § 8 [X.] 3) zugrunde liegen, waren vorliegend nicht zu beantworten. In diesem Fall ebenso wie in dem Urteil vom [X.] ([X.]-8570 § 6 [X.]) ging es dem Grunde nach um nachgewiesene Zahlungen.

c) Da die Höhe der glaubhaft erzielten [X.] weder im [X.] noch im Wege der Glaubhaftmachung belegt ist und der Kläger insofern die Feststellungslast trägt, hat er keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte neue Höchstbeträge unter Einbeziehung geschätzter [X.] festsetzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 5 RS 7/16 R

15.12.2016

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: RS

vorgehend SG Dresden, 4. August 2014, Az: S 50 RS 1086/13, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 15.12.2016, Az. B 5 RS 7/16 R (REWIS RS 2016, 609)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 609

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 B 2/15

1 BvR 385/90

VIII ZR 88/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.