Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30.08.2018, Az. 2 C 18/17

2. Senat | REWIS RS 2018, 4274

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Gegenstand

Unfallfürsorgeansprüche setzen Unfallmeldung voraus


Leitsatz

1. Ein nach § 45 Abs. 1 BeamtVG meldepflichtiger "Unfall" ist nicht nur der - feststehende - Dienstunfall, sondern auch ein Unfallereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist und nur möglicherweise - aktuell oder später - einen Körperschaden verursacht und somit Unfallfürsorgeansprüche auslösen kann.

2. Die Meldepflicht nach § 45 Abs. 2 BeamtVG bezieht sich auch auf zunächst nicht bemerkbare Unfallfolgen. Deshalb ist eine zunächst noch nicht bemerkbare, aber innerhalb von zehn Jahren eingetretene Unfallfolge auch dann gesondert zu melden, wenn der Beamte den Unfall bereits zuvor fristgerecht gemeldet hat.

3. Eine Unfallmeldung nach § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG wird nicht dadurch entbehrlich, dass der Dienstvorgesetzte von Amts wegen Kenntnis von dem Unfall hat und deshalb nach § 45 Abs. 3 BeamtVG verpflichtet ist, den Unfall sofort zu untersuchen. Das gilt selbst dann, wenn die Untersuchung bereits eingeleitet worden ist.

Tatbestand

1

Der im Jahr 1966 geborene Kläger war bis zu seiner Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand im Jahre 2013 Feuerwehrbeamter bei der Berufsfeuerwehr der beklagten [X.]. Bei einem Einsatz im Januar 1996 rettete er ein Kind aus einem brennenden Gebäude. Dabei kippte die ausgefahrene Drehleiter um und der Kläger stürzte mit der Leiter zu Boden. Die Abläufe des Einsatzes vom Januar 1996 wurden seinerzeit durch die Beklagte untersucht, ohne dass ein Ergebnis festgestellt worden ist. Der Kläger wurde ärztlich untersucht, machte aber keine Angaben zu mit dem Einsatz in Zusammenhang stehenden Verletzungen oder psychischen Problemen. Eine Dienstunfallmeldung gab der Kläger nicht ab. Anlässlich einer arbeitsmedizinischen Untersuchung im Februar 1996 gab er an, bei dem Unfall mit der Leiter Prellungen am Schienbein erlitten zu haben.

2

Nach einem amtsärztlichen Gutachten vom November 2012 hat der Kläger im Sinne eines Versuchs einer Selbsttherapie über einen längeren Zeitraum hinweg Kokain konsumiert und sich dann zu einer psychotherapeutischen Behandlung entschlossen. Die Konfrontation mit dem auslösenden Geschehen habe jedoch zu einer mittelschweren bis schweren depressiven Störung geführt. Sowohl der Amtsarzt als auch die vorbehandelnde Klinik gehen davon aus, dass bei dem Kläger eine Posttraumatische Belastungsstörung vorliegt, die Folge der Ereignisse vom Januar 1996 ist.

3

Im Juli 2013 beantragte der Kläger die Anerkennung des Geschehens vom Januar 1996 als Dienstunfall sowie der Posttraumatischen Belastungsstörung als dessen Folge. Antrag, Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass der Kläger den Vorfall erst 17 Jahre später gemeldet und daher sowohl die gesetzlich vorgesehene Ausschlussfrist von zwei Jahren als auch die verlängerte Ausschlussfrist von zehn Jahren versäumt habe; auch aus der Fürsorgepflicht ergebe sich kein Anspruch.

4

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und beantragt,

die Urteile des [X.] vom 4. April 2017 und des [X.] vom 19. Mai 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. August 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Ereignis vom 18. Januar 1996 als Dienstunfall anzuerkennen und die Posttraumatische Belastungsstörung des Klägers als Dienstunfallfolge anzuerkennen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

6

Der Vertreter des [X.] beteiligt sich nicht am Verfahren.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das [X.]erufungsurteil verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 [X.] VwGO). Der Kläger hat nach dem im Streitfall maßgeblichen Recht (1.) keinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 18. Januar 1996 als Dienstunfall und einer Posttraumatischen [X.]elastungsstörung als Dienstunfallfolge. Das ergibt sich daraus, dass er die Zweijahresfrist nach § 45 Abs. 1 [X.] 1994 für die Unfallmeldung versäumt hat (2.) und auch die Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 2 [X.] 1994 für die Unfallmeldung und die Unfallfolgenmeldung nicht beachtet hat (3.). Eine Unfallmeldung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil dem Dienstvorgesetzten des [X.] der Unfall von Amts wegen bekannt war und er eine Unfalluntersuchung eingeleitet hat (4.) oder weil die beklagte [X.] ihre Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger verletzt hätte (5).

8

1. Ob der geltend gemachte Anspruch auf Anerkennung eines Dienstunfalls und einer Dienstunfallfolge ausgeschlossen ist, weil der Kläger erst 17 Jahre nach dem Unfallereignis eine Unfallmeldung abgegeben hat, bestimmt sich nach § 45 [X.]eamtenversorgungsgesetz i.d.[X.] vom 16. Dezember 1994 ([X.] I S. 3858) - im Folgenden: [X.] 1994 - als im [X.]punkt des Unfallereignisses maßgeblicher Norm für die Meldung von [X.].

9

Für das Dienstunfallrecht ist geklärt, dass die dienstunfallrechtliche [X.]ehandlung eines Ereignisses sich nach demjenigen Recht beurteilt, das in dem [X.]punkt galt, in dem sich der Unfall ereignete, sofern sich eine Neuregelung nicht ausdrücklich - in der Regel den [X.]eamten begünstigende - Rückwirkung beimisst ([X.]VerwG, Urteile vom 16. Mai 1963 - 2 C 27.60 - [X.]VerwGE 16, 103 <104> und - 2 C 153.60 - [X.] 237.7 § 142 L[X.]G NRW Nr. 2 S. 5, vom 24. Oktober 1963 - 2 C 10.62 - [X.]VerwGE 17, 59 <60>, vom 6. Januar 1969 - 6 C 38.66 - [X.]VerwGE 31, 170 <172>, vom 25. Oktober 2012 - 2 C 41.11 - [X.] 239.1 § 37 [X.] Nr. 3 Rn. 8, vom 13. Dezember 2012 - 2 C 51.11 - NVwZ-RR 2013, 522 Rn. 8, vom 29. August 2013 - 2 C 1.12 - [X.] 239.1 § 31 [X.] Nr. 25 Rn. 8 und vom 17. November 2016 - 2 C 17.16 - [X.] 239.1 § 31 [X.] Nr. 30 Rn. 12).

Die landesrechtlichen Regelungen in [X.] enthalten keine rückwirkende Änderung der [X.]estimmung des hier maßgeblichen § 45 [X.] 1994. Mit dem Gesetz zur Überleitung des [X.]besoldungsgesetzes, des [X.]eamtenversorgungsgesetzes und ergänzender Vorschriften sowie Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2008 (GVO[X.]l. Schl.-H. S. 785) regelte der Landesgesetzgeber in Art. 2 die Überleitung des [X.]eamtenversorgungsgesetzes (des [X.]) für die Landes- und Kommunalbeamten und bestimmte in seinem § 2 Abs. 1 die grundsätzliche Fortgeltung dieses Gesetzes in der Fassung vom 19. Juli 2006, ohne für § 45 [X.] etwas anderes anzuordnen. Mit dem [X.]eamtenversorgungsgesetz [X.] - [X.] [X.] - vom 26. Januar 2012 (GVO[X.]l. Schl.-H. [X.], 219) traf das Land eine eigenständige [X.]estimmung und regelte in § 51 dieses Gesetzes die Meldung von [X.] nahezu wortgleich mit der bundesrechtlichen Regelung; die [X.] der §§ 82 ff. [X.][X.] enthalten keine hier relevanten Vorschriften zum Dienstunfallrecht.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 18. Januar 1996 als Dienstunfall, denn er hat die Frist des § 45 Abs. 1 [X.] 1994 für die Meldung des Unfalls nicht gewahrt.

a) Nach § 45 Abs. 1 [X.] 1994 sind Unfälle, aus denen sich [X.] ergeben können, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalles bei dem Dienstvorgesetzten zu melden. Einem [X.]eamten und seinen Hinterbliebenen wird nach § 30 Abs. 1 Satz 1 [X.] 1994 Unfallfürsorge gewährt, wenn er durch einen Dienstunfall verletzt wird. Ein Dienstunfall ist nach § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] (in der Fassung des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in [X.] und [X.] 1995 vom 18. Dezember 1995, [X.] I S. 1942) ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich [X.], einen [X.] verursachendes Ereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist (alle genannten [X.]estimmungen sind mit unverändertem Wortlaut auch gegenwärtig geltendes Recht).

Ein meldepflichtiger "Unfall" ist deshalb nicht nur der - feststehende, ohne Weiteres als solcher zu erkennende - Dienstunfall, der zweifelsfrei [X.] auslöst, sondern auch ein Unfallereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist und nur möglicherweise - aktuell oder später - einen [X.] verursacht und somit [X.] auslöst.

Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Norm ("können"), sondern auch aus der systematischen [X.]etrachtung mit § 45 Abs. 2 Satz 1 [X.]: Wenn dort binnen zehn Jahren der Unfall u.a. dann noch gemeldet werden kann, wenn eine den Anspruch auf Unfallfürsorge begründende Folge des Unfalls erst später bemerkbar geworden worden ist - so die Gesetzesfassung bis 2001 - bzw. mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls nicht habe gerechnet werden können - so die Gesetzesfassung seit 2001 -, dann muss die Meldeverpflichtung nach § 45 Abs. 1 [X.] schon dann einsetzen, wenn vorher eine solche Unfallfolge noch nicht vorliegt, aber mit ihr gerechnet werden muss. Da jeder [X.] [X.] auslöst - mindestens einen solchen auf Heilverfahren durch notwendige ärztliche [X.]ehandlung und Versorgung mit Arzneimitteln (vgl. § 30 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 33 Abs. 1 [X.] und 2 [X.]) -, muss ein Unfallereignis, das noch keinen [X.] bewirkt hat, aber möglicherweise später zu einem [X.] führen wird, ein meldepflichtiger "Unfall" im Sinne des § 45 Abs. 1 [X.] sein.

Auch Sinn und Zweck der Unfallmeldepflicht erfordern dieses Verständnis: Anknüpfungspunkt der Meldepflicht nach § 45 Abs. 1 [X.] ist weder eine Unfallfolge noch ein bereits entstandener Anspruch, sondern der Unfall selbst. Unabhängig davon, ob der [X.]eamte das Ereignis als Dienstunfall einstuft, soll er seinen Dienstherrn in die Lage versetzen, selbst die hierfür erforderlichen Ermittlungen anzustellen und eine zeitnahe Klärung des Sachverhalts sicherzustellen. Damit werden einerseits Aufklärungsschwierigkeiten vermieden, die sich bei späteren Ermittlungen ergeben könnten; zum anderen wird der Dienstherr in die Lage versetzt, präventive Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Schäden zu ergreifen (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 12. September 1963 - 2 C 224.61 - [X.] 232 § 150 [X.] Nr. 3 S. 5, vom 18. Dezember 1969 - 2 C 37.68 - [X.]VerwGE 34, 343 <345>, vom 6. März 1986 - 2 C 37.84 - [X.] 232.5 § 45 [X.] Nr. 2 S. 3, vom 28. Februar 2002 - 2 C 5.01 - [X.] 239.1 § 45 [X.] Nr. 5 S. 6 und vom 28. April 2011 - 2 C 55.09 - [X.] 240 § 31 [X.] [X.] Rn. 28; [X.]eschlüsse vom 30. September 1970 - 6 [X.] 66.69 - [X.] 232 § 150 [X.] Nr. 8 S. 14, vom 15. September 1995 - 2 [X.] 46.95 - [X.] 239.1 § 45 [X.] Nr. 3 S. 2 und vom 11. Juli 2014 - 2 [X.] 37.14 - [X.] § 45 [X.] Nr. 7 Rn. 8 f.).

Ist nach der Unfallmeldung im [X.]punkt der Entscheidung über das Vorliegen eines Dienstunfalls (noch) kein [X.] eingetreten, liegen aber alle sonstigen Voraussetzungen eines Dienstunfalls vor, ist zwar eine Anerkennung des Unfallgeschehens als Dienstunfall (noch) nicht möglich, wohl aber eine [X.]estätigung, dass sich der Unfall in Ausübung des Dienstes ereignet hat.

Wird ein Dienstunfall wegen eines bereits entstandenen [X.]s anerkannt, so werden Leistungen der Unfallfürsorge wegen dieses [X.]s - und ggf. wegen weiterer damit in ursächlichem Zusammenhang stehenden Körperschäden - grundsätzlich unbefristet gewährt (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 28. Februar 2002 - 2 C 5.01 - [X.] 239.1 § 45 [X.] Nr. 5).

Ein [X.] im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann auch eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung sein (vgl. z.[X.]. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 11. Juli 2014 - 2 [X.] 37.14 - [X.] 239.1 § 45 [X.] Nr. 7).

b) Nach den genannten Grundsätzen war der Kläger nach § 45 Abs. 1 [X.] 1994 verpflichtet, das Unfallgeschehen vom Januar 1996 unabhängig davon zu melden, ob und inwieweit er einen aktuellen [X.] erlitten hat. Angesichts des dramatischen Geschehens bei diesem Rettungseinsatz waren [X.] - jedenfalls wegen späterer, insbesondere psychischer Unfallfolgen - möglich. Dieser Meldepflicht ist der Kläger nicht innerhalb der zweijährigen Meldefrist des § 45 Abs. 1 [X.] 1994 nachgekommen.

3. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung einer Posttraumatischen [X.]elastungsstörung als Dienstunfallfolge, denn er hat die Frist des § 45 Abs. 2 [X.] 1994 für die Meldung des Unfalls und der Unfallfolge nicht gewahrt.

a) Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 [X.] 1994 wird nach Ablauf der Ausschlussfrist - das heißt nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 45 Abs. 1 [X.] 1994 - Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und gleichzeitig glaubhaft gemacht wird, dass eine den Anspruch auf Unfallfürsorge begründende Folge des Unfalles erst später bemerkbar geworden ist oder dass der [X.]erechtigte durch außerhalb seines Willens liegende Umstände gehindert worden ist, den Unfall zu melden. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 [X.] 1994 muss die Meldung, nachdem eine Unfallfolge bemerkbar geworden oder das Hindernis für die Meldung weggefallen ist, innerhalb dreier Monate erfolgen.

Somit ist ein zunächst nicht erkennbarer, aber noch innerhalb der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 2 Satz 1 [X.] 1994 diagnostizierter Gesundheitsschaden als Unfallfolge nach § 45 Abs. 2 Satz 2 [X.] 1994 innerhalb dreier Monate zu melden (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 21. September 2000 - 2 C 22.99 - [X.] 239.1 § 45 [X.] Nr. 4 S. 2 und vom 28. April 2011 - 2 C 55.09 - [X.] 240 § 31 [X.] [X.] Rn. 29). Das bedeutet, dass auch eine weitere, erst später bemerkbar gewordene Unfallfolge erneut die Meldepflicht des § 45 Abs. 2 [X.] 1994 auslöst, also auch dann, wenn schon zuvor der Unfall und/oder eine andere Unfallfolge nach § 45 Abs. 1 oder 2 [X.] 1994 gemeldet worden ist (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 28. Februar 2002 - 2 C 5.01 - [X.] 239.1 § 45 [X.] Nr. 5; [X.]eschluss vom 11. Juli 2014 - 2 [X.] 37.14 - [X.] 239.1 § 45 [X.] Nr. 7 Rn. 9 f.; vgl. auch [X.], Urteil vom 30. November 2017 - 1 A 469/15 - juris Rn. 85 ff. m.w.N.; anders noch die ältere Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 18. Dezember 1969 - 2 C 37.68 - [X.]VerwGE 34, 343 <345 f.>; vgl. auch [X.], Urteil vom 23. August 2016 - 2 KO 653/15 - ThürVGRspr 2017, 135 Rn. 49).

b) Im vorliegenden Fall ist die Meldung des Unfalls und der Unfallfolge nicht bis zum Ablauf der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 2 [X.] 1994 erfolgt. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die weitere Voraussetzung des § 45 Abs. 2 Satz 1 [X.] 1994 - Glaubhaftmachung der Unvorhersehbarkeit einer Unfallfolge oder der Unmöglichkeit einer früheren Unfallmeldung - erfüllt ist. Ebenso wenig ist von [X.]edeutung, dass eine innerhalb der Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 2 Satz 1 [X.] 1994 erfolgte Meldung auch die Dreimonatsfrist des § 45 Abs. 2 Satz 2 [X.] 1994 hätte wahren müssen.

4. Eine Unfallmeldung nach § 45 Abs. 1 und 2 [X.] 1994 war nicht deshalb entbehrlich, weil der Dienstvorgesetzte im Jahr 1996 bereits von Amts wegen Kenntnis von dem Unfall hatte und deshalb nach § 45 Abs. 3 [X.] 1994 verpflichtet war, den Unfall sofort zu untersuchen, und ihn möglicherweise - die Feststellungen im [X.]erufungsurteil sind insoweit nicht eindeutig - auch - ergebnislos - untersucht hat.

Nach § 45 Abs. 3 [X.] 1994 hat der Dienstvorgesetzte jeden Unfall, der ihm von Amts wegen oder durch die Meldung der [X.]eteiligten bekannt wird, sofort zu untersuchen und das Ergebnis der zuständigen [X.] mitzuteilen, die dann entscheidet, ob ein Dienstunfall vorliegt und ob der Verletzte den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat; diese Entscheidung ist dem Verletzten oder seinen Hinterbliebenen bekannt zu geben.

Diese Regelung des Untersuchungsverfahrens ersetzt nicht die in derselben [X.]estimmung geregelten Meldepflichten - auch nicht ausnahmsweise -, sondern ergänzt sie lediglich.

Für die Unfallfolgemeldepflicht nach § 45 Abs. 2 [X.] 1994 bei Spätfolgen ergibt sich dies schon daraus, dass sich die Untersuchung nach § 45 Abs. 3 [X.] 1994 nur auf das Unfallgeschehen und unmittelbar hierdurch verursachte Körperschäden, nicht aber auf erst später eintretende Körperschäden erstreckt und erstrecken kann.

Der Wortlaut der [X.]estimmung gibt aber auch hinsichtlich der Unfallmeldepflicht nach § 45 Abs. 1 und 2 [X.] 1994 nichts für ein anderes Verständnis her. Maßgeblich hierfür ist zunächst, dass es an einer Regelung zum Verhältnis der Meldepflichten in Absatz 1 und 2 zu den Untersuchungs- und Entscheidungspflichten in Absatz 3 fehlt. Insbesondere gibt es keine gesetzliche Anordnung, wonach die Unfallmeldung bei Kenntnis des Dienstherrn vom Unfallgeschehen entbehrlich wäre. Angesichts der ausdrücklichen Ausgestaltung und [X.]ezeichnung der Meldefrist nach Absatz 1 als "Ausschlussfrist" mit der Folge des materiellen Rechtsverlusts bei [X.] des [X.]eamten innerhalb der Frist wäre eine solche Anordnung zu erwarten, wenn sie vom Gesetz gewollt wäre. Auch aus Gründen der Rechtssicherheit wäre die gesetzlich uneingeschränkt angeordnete Meldepflicht nur dann entbehrlich, wenn es eine gesetzlich angeordnete Einschränkung der Meldepflicht gäbe, und nur soweit entbehrlich, wie diese Einschränkung reichen würde.

Auch nach der Systematik der [X.]estimmung schließen die Untersuchungs- und Entscheidungspflichten des Dienstherrn an die Meldepflichten des [X.]eamten an. Das Gesetz geht von einer Meldeverpflichtung des [X.]eamten aus, nicht hingegen von einer Untersuchungs- und Feststellungsverpflichtung des Dienstherrn von Amts wegen, die nur bei Nichterfüllung durch eine Meldeverpflichtung des [X.]eamten abgesichert wird. Die Meldepflichten stehen im Kontext in [X.]etracht kommender [X.], in dem das mit der Meldepflicht abverlangte Tätigwerden des [X.]eamten möglich und zumutbar ist. Dies gilt auch deshalb, weil die Anforderungen an eine Unfallmeldung gering sind. Erforderlich sind lediglich Angaben, aus denen - zumindest mittelbar - hervorgeht, dass ein (Unfall-)Ereignis angezeigt wird, aus dem [X.] entstehen können; hingegen ist insbesondere nicht erforderlich, dass sich aus der Meldung die Art der Verletzung ergibt oder mit ihr [X.] erhoben werden ([X.]VerwG, Urteil vom 6. März 1986 - 2 C 37.84 - [X.] 232.5 § 45 [X.] Nr. 2 S. 3; [X.]eschluss vom 11. Juli 2014 - 2 [X.] 37.14 - [X.] 239.1 § 45 [X.] Nr. 7 Rn. 8).

5. Die Einhaltung der Meldefrist war im vorliegenden Fall auch nicht im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn entbehrlich. Selbst wenn man annähme, dass der Dienstherr im vorliegenden Fall im Jahre 1996 Kenntnis vom Unfall des [X.] hatte und eine Untersuchung nach § 45 Abs. 3 [X.] 1994 eingeleitet, aber nicht - mit einem für den Kläger günstigen - Ergebnis abgeschlossen hat, macht dies die Einhaltung der [X.] nach § 45 Abs. 1 und 2 [X.] 1994 nicht entbehrlich.

Nach § 45 [X.]eamtStG hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der [X.]eamten und ihrer Familien, auch für die [X.] nach [X.]eendigung des [X.]eamtenverhältnisses, zu sorgen. Ferner schützt er die [X.]eamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung. Die durch Art. 33 Abs. 5 GG garantierte allgemeine Fürsorgepflicht hat insbesondere zum Inhalt, dass der Dienstherr bei seinen Entscheidungen die wohlverstandenen Interessen des [X.]eamten in gebührender Weise zu berücksichtigen hat ([X.]VerfG, [X.] vom 30. Januar 2008 - 2 [X.]vR 754/07 - NVwZ 2008, 547 <548> m.w.N.).

Hat der Normgeber jedoch unter Abwägung aller [X.]elange, insbesondere der wohlverstandenen Interessen der [X.]eamten, zu diesem Zweck eine abstrakt-generelle Regelung getroffen, darf diese nicht unter [X.]erufung auf die allgemeine Fürsorgepflicht wieder überspielt und eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Rechtsfolge gefordert werden ([X.]VerwG, Urteile vom 26. Oktober 2000 - 2 C 38.99 - [X.] 237.7 § 48 NWL[X.]G [X.] S. 3, vom 21. Dezember 2000 - 2 C 39.99 - [X.]VerwGE 112, 308 <309 f.> und vom 2. Februar 2017 - 2 C 22.16 - [X.] 232.01 § 48 [X.]eamtStG [X.] Rn. 22).

Der Dienstherr gewährt als Ausprägung seiner Fürsorgepflicht umfangreiche Dienstunfallfürsorgeleistungen (vgl. §§ 30 ff. [X.]). Er gewährt sie aber nicht von Amts wegen, sondern auf Initiative des [X.]eamten. Der [X.]eamte muss in zweierlei Weise tätig werden, nämlich den Unfall bzw. die Unfallfolge melden (§ 45 Abs. 1 und 2 [X.]) und in der Regel die konkrete Leistung beantragen (vgl. §§ 32 ff. [X.] zu den einzelnen Dienstunfallfürsorgeleistungen). Dieses System würde unterlaufen, wenn auch ohne Unfallmeldung des [X.]eamten das Unterbleiben einer Entscheidung nach § 45 Abs. 3 [X.] ihm gegenüber als Fürsorgepflichtverletzung qualifiziert würde, die die Einhaltung der Meldepflichten entbehrlich machen würde.

Im Übrigen wäre zu berücksichtigen, dass die Nichtgewährung von Dienstunfallfürsorgeleistungen bei Unfällen oder Krankheiten im dienstlichen Kontext nicht per se die Fürsorgepflicht des Dienstherrn verletzt. Der [X.] gebietet nicht, dass über die Alimentation ([X.]esoldung oder Versorgung) und [X.]eihilfegewährung hinaus zwingend weitere Leistungen zu gewähren sind, wenn ein [X.]eamter infolge dienstlicher Umstände erkrankt. Auch im Falle seiner Erkrankung ist die amtsangemessene Alimentation des [X.]eamten sowie die angemessene Übernahme der durch den [X.] oder die Krankheit entstehenden Kosten über die genannten Leistungen gewährleistet (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 46.13 - [X.] 239.1 § 31 [X.] Nr. 29 Rn. 14).

6. [X.] beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Meta

2 C 18/17

30.08.2018

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

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Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30.08.2018, Az. 2 C 18/17 (REWIS RS 2018, 4274)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 4274

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