Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.03.2014, Az. 2 StR 448/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 7027

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Gegenstand

Strafverfahren: Anforderungen an die Begründung der Ablehnung eines Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit einer Indiztatsache


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. Juni 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Wohnungseinbruchsdiebstahl in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.

2

1. Nach den Feststellungen der [X.] verschafften sich die gesondert Verfolgten [X.]und [X.]    im Februar und Oktober 2009 gewaltsam Zutritt zu drei Wohnungen und entwendeten jeweils u.a. Schmuck und Bargeld; der Angeklagte leistete zu diesen Taten jeweils Hilfe, indem er die Täter zum Tatort fuhr, mit dem Pkw in [X.] wartete und sie - bis auf Fall 3 der Urteilsgründe - wieder mitnahm.

3

Der Angeklagte hat seine Tatbeteiligung bestritten und sich u.a. dahin eingelassen, der gesondert Verfolgte [X.]belaste ihn zu Unrecht, weil dieser ihn wegen eines Vorfalls im September 2011, bei dem es zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen ihnen gekommen sei, „fertig machen" wolle.

4

Das [X.] hat seine Überzeugung von der Tatbeteiligung des Angeklagten auf die Aussage des als Zeugen vernommenen [X.]gestützt. Dessen Aussage sei glaubhaft, auch unter Berücksichtigung der Umstände, dass „Aussage gegen Aussage" stünde und der Zeuge [X.]in dem gegen ihn selbst geführten Strafverfahren eine Strafmilderung gemäß § 46b StGB zu erlangen suche. Nach Überzeugung der [X.] habe es den vom Angeklagten geschilderten Vorfall, der Anlass einer Falschbelastung des Zeugen [X.]sein soll, nicht gegeben.

5

2. a) Die [X.] hat mehrere vom Angeklagten gestellte inhaltsgleiche Beweisanträge wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Der Angeklagte hat die Vernehmung von insgesamt vier Zeugen zum Beweis der Tatsache begehrt, dass er sich in der [X.] vom 22. September 2010 bis zum 8. Dezember 2010 ohne Unterbrechungen in [X.] aufgehalten habe. In diesem [X.]raum soll der Angeklagte indes nach Aussage des Zeugen [X.]an weiteren acht Taten des [X.] in [X.] beteiligt gewesen sein, die ebenfalls Gegenstand des gegen den Angeklagten gerichteten - von der [X.] insoweit zwischenzeitlich abgetrennten - Strafverfahrens gewesen sind.

6

Das [X.] hat diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die [X.], der Angeklagte habe sich im - dem abgetrennten Verfahren zugrundeliegenden - Tatzeitraum in [X.] aufgehalten, sei für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Zeugen [X.]ohne Bedeutung; die ... „Verneinung der Glaubwürdigkeit des Zeugen ... im Hinblick auf sämtliche seiner Angaben - insbesondere bezüglich seiner Angaben zu den Fällen 1 bis 3 (sei) nur ein möglicher, nicht aber ein zwingender Schluss, den die Kammer auf Grundlage des bisherigen Beweisergebnisses nicht ziehen will". Sodann führt die [X.] im Einzelnen aus, warum sie dem Zeugen [X.]glaubt, ohne auf die unter Beweis gestellte [X.] einzugehen.

7

b) Der die Anträge auf Vernehmung der Zeugen zurückweisende Beschluss des [X.]s wird den Anforderungen nicht gerecht, die an die Begründung der Ablehnung eines auf eine [X.] gerichteten Beweisantrags zu stellen sind.

8

Der Beschluss, mit dem die Erhebung eines Beweises wegen Bedeutungslosigkeit der [X.] (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) abgelehnt wird, ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, warum das Tatgericht aus der [X.] keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Gericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Entscheidungsbildung ohne Einfluss blieb (vgl. [X.], Beschluss vom 27. November 2012 - 5 StR 426/12 mwN). Die unter Beweis gestellte [X.] hat es in das bisherige Beweisergebnis so einzustellen, als sei sie erwiesen, und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung zum Beweiswert des anderen Beweismittels in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (vgl. auch [X.], Beschluss vom 15. Oktober 2013 - 3 [X.], [X.], 111, 112 m. Anm. [X.]; [X.] in [X.], 7. Aufl., § 244 Rdn. 144 mwN).

9

Der landgerichtliche Hinweis darauf, dass die Angaben des Zeugen [X.]- auf denen die Urteilsfeststellungen beruhen - in sich gut nachvollziehbar und frei von Widersprüchen seien, lässt eine Würdigung mit der als erwiesen unter Beweis gestellten [X.] nicht erkennen. Die [X.] hätte dazu Stellung nehmen müssen, welchen Einfluss der Umstand auf ihre Überzeugungsbildung gehabt hätte, dass der Angeklagte - entsprechend der Beweisbehauptung - sich entgegen den Angaben des Zeugen [X.]in [X.] aufgehalten hat. Das [X.] hat letztlich die in Aussicht gestellten Aussagen der vier Zeugen als bedeutungslos bezeichnet, weil es von dem Gegenteil der [X.] schon überzeugt war. Damit hat es aber nicht die Bedeutungslosigkeit der [X.] belegt, sondern in unzulässiger Weise das Ergebnis der beantragten Beweiserhebung vorweggenommen (vgl. auch [X.], Beschluss vom 1. März 1988 - 5 StR 67/88, [X.]R StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 6).

c) Der gesondert Verfolgte [X.]war in allen Fällen der [X.]. Der [X.] kann deshalb nicht ausschließen, dass das Urteil auf der fehlerhaften Behandlung des Beweisantrags beruht.

Fischer                    Appl                        Eschelbach

                Ott                       Zeng

Meta

2 StR 448/13

18.03.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Marburg, 10. Juni 2013, Az: 1 KLs 4 Js 5424/12

§ 244 Abs 3 S 2 StPO, § 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.03.2014, Az. 2 StR 448/13 (REWIS RS 2014, 7027)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7027

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